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Life Is Strange: Double Exposure

Als Life Is Strange: Double Exposure angekündigt wurde, war ich mehr als skeptisch. Die Geschichte um Max Caufield war auserzählt. Dieses Sequel fühlte sich wie ein Cashgrab an, um den beliebtesten Teil der Reihe weiter zu melken.
Entwickelt wurde Double Exposure von Deck Nine, die zuvor bereits das Prequel Before the Storm und den eigenständigen Teil True Colors entwickelt hatten. Beides Spiele, denen ich etwas abgewinnen konnte, doch die sich zugleich sehr auf Bewährtes setzen, statt Neues zu probieren (anders als Life Is Strange 2 oder Tell Me Why).

In Double Exposure spielt man Max in ihren 20ern, die sich nach Jahren des Reisens an einem neuen Ort niedergelassen hat und an der Caledon University Kurse in Fotografie gibt.
Lieblos entwickelt wurde Double Exposure keineswegs. Die Production Values sind gut, mit tollem Motion Capturing und guter Vertonung. Die Geschichte ist zudem relativ ambitioniert und der Cast an Figuren bunt und vielfältig (im mehr als einer Hinsicht).
Double Exposure hat mich aber von Anfang an schon relativ stark genervt. Das liegt unter anderem an Max selbst, die ich in LiS noch sehr sympathisch fand. In Double Exposure ist es eine anstrengende Mischung aus unnatürlich hippen Dialogen und einem Dauerfeuer aus flapsigen Sprüchen (kein neues Problem, aber hier merklich stärker), Selbstmitleid, Helfersyndrom und merkwürdiger Logik.
Unter anderem wird thematisiert, wie traumatisiert Max nach dem Ende von LiS war – ob es nun wie bei mir der Tod von Chloe oder die Zerstörung von Arcadia Bay war). Sie hat sie beispielsweise den Kontakt zu ihren Eltern und Chloes Mutter fast komplett abgebrochen und macht sich noch immer Vorwürfe. Das ist an sich ein interessantes Thema, aber zugleich hat es mich sehr genervt, wie sehr das Spiel an seiner eigenen Vergangenheit hängt.
Double Exposure weiß durchaus zu unterhalten. Die Inszenierung und der Aufbau des Mysteriums sind gelungen. Es passieren ständig neue Dinge und zahlreiche Figuren werden eingeführt, die zwar nicht alle gut geschrieben sind, aber gut in die übergreifende Handlung integriert sind.
Alles, was mit Max’ Superkräften zu tun hat, hat mich wiederum extrem genervt. Die Fähigkeit, zwischen den Timelines zu wechseln, wird echt je nach Situation so hingebogen, wie sie gerade praktisch ist. Sie sorgt zudem für so einige Plot Holes und generell wirkt vieles einfach nicht zu Ende gedacht.
Am Ende mochte ich vor allem Moses, der einfach ein guter Freund war und sehr zu bemitleiden für alles, was er (in der toten Welt) miterleben muss, ohne selbst Einfluss nehmen zu können. Auch Gwen war – trotz einiger teils verständlicher, teils überzeichneter Ausreißer – cool und Reggie, obwohl weniger wichtig, war bis zum Ende sympathisch. Vinh gefiel mir anfangs mit seiner leicht awkwarden Art, wurde mir dann aber später zu flirty und charismatisch (die „Smash or Pass“-Szene war eine der fremdschämigsten im Spiel).

Generell ist es cool, dass das Spiel sich bemüht, alle Figuren mit Stärken und Schwächen auszustatten. Das Spiel schafft es bei den meisten leider trotzdem nicht so richtig, dass sie sich natürlich anfühlen. Oft gibt es in den Dialogen Momente, die sich überzeichnet, ungelenk oder in ihrer Dramatik einfach random anfühlen. Das ist vor allem deshalb schade, weil das Spiel es in anderen Momenten richtig gut schafft, seinen Cast glaubwürdig und nahbar darzustellen. Es ist nur extrem inkonsistent darin.
Schlimm fand ich auch, dass das Spiel überhaupt Romance-Optionen für Max eingebaut hat. Das passt nicht nur so gar nicht in die ziemlich dramatische Geschichte, wo Max weiß Gott andere Sorgen hat. Es wirkt auch echt unnatürlich, dass sich Amanda und Vinh so sehr zu ihr hingezogen fühlen, denn Max ist wirklich nicht besonders charismatisch. Das alles fühlt sich sehr nach Fanservice an, der für mich noch mal zeigt, dass sich das Spiel an eine bestimmte Zielgruppe richtet, zu der ich nicht gehöre. Max ist kein Self-Insert-Charakter, da stört mich so was schon sehr.
Double Exposure ist außerdem bewusst divers. Figuren verschiedenster Ethnien sind zugegen. Es gibt Schwule, Lesben, Bisexuelle, eine trans Person. Das ist einerseits cool, fühlt sich aber anderer fast schon – um mich Cipos Worte aus seinem Harmony-Beitrag zu bedienen – etwas didaktisch an. Und zugleich dann auch doch nicht so divers, denn es sind fast nur junge Menschen aus dem universitären Umfeld zugegen, die halt wirklich nicht der Querschnitt der Gesellschaft sind. Es fühlt sich schon sehr nach privilegiertem Mittelstand an, Hautfarbe hin oder her. In der Hinsicht waren LiS2, True Color und Tell Me Why imo vielfältiger. Das ist schon etwas schade, denn vom Setting hätte man sich hier nicht mal auf das universitäre Umfeld beschränken müssen – auch in der Hinsicht wirkt es wie eine Anbiederung an den Vorgänger.
Das Ende fand ich ebenfalls recht schwach. Wir hatten uns entschieden, Safi gehen zu lassen, ohne sie zu verprellen und auch wenn mir die Implikation einer Welt mit vielen Menschen mit übernatürlichen Kräften nicht unattraktiv erscheint, so passt es für mich irgendwie nicht zu der Welt von LiS. Ich hatte ja schon mal gesagt, dass mir die Superkräfte in LiS eigentlich eher als Aufhänger für das Drama gefallen, für mehr aber nicht. Deshalb mochte ich das in LiS2, True Color und Tell Me Why auch viel lieber, wo sie eben eine hintergründigere Rolle einnehmen.

tl;dr: Life Is Strange: Double Exposure ist eine Fortsetzung, die es wirklich nicht gebraucht hätte. Max ist unsympathisch, die Anbindung an den Vorgänger wirkt uninspiriert und die eigene Geschichte, die das Spiel erzählt, stolpert über zu viele Logiklücken und seltsame Entscheidungen. Das ist schade, denn die Inszenierung ist durchaus gut und viele der neuen Figuren haben Potenzial, das sich aber nur vereinzelt entfalten kann.
Vermutlich wäre ich selbst kritisch geblieben, wenn Double Exposure alles richtig gemacht hätte. Hat es aber bei Weitem nicht – und ist damit mit Abstand der Tiefpunkt der Serie. Ich finde es einerseits schade, kann mich aber einer gewissen Schadenfreude auch nicht erwehren.
Spielzeit: 12:30
Wertung: 4/10
Challenge-Achievements:
Beende 6 narrative Spiele (1/6)
Beende 6 angefangene Spiele aus 2024 oder früher (2/6)
Geändert von Narcissu (09.01.2025 um 13:32 Uhr)
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