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Held
René Klammer - Frauen mit GROSSEN Brillen
Das Buch habe ich mit seinen knapp 90 Seiten gestern dazwischengeschoben. Ein kurioses Ding.
Lennart zieht vom platten Land in die Großstadt um als Archivar zu arbeiten, findet sich aber schnell von seinem Job (Kellergeschoss, kein Menschenkontakt), seiner Wohnung (winzig, heruntergkommen) und dem generell Großstadtleben irgendwie in die Ecke gedrängt, und tritt der kleinen Gruppe "Onkel Anubis" bei, die eine Zeitung schreiben wollen. Darauf erscheinen erst Kreidezeichen auf den Gehwegen, dann wird Schachspielen unters Versammlungsverbot gestellt, die Zeitungsmitarbeiter unterstellen sich heimlich Verschwörungen und werfen alle jeweils andere Drogen in Lennarts Richtung. Plötzlich steht der Verfassungsschutz in der Haustür.
Das Buch ist sehr kurz, und ich denke, dafür versucht es etwas zu viel: Sämtliche Figuren bleiben nur grob angerissen und sind eigentlich alle nur Karikaturen von Menschen. Allen Akteuren, Lennart insbesondere, fehlt es nahezu gänzlich an irgendeiner Form von Logik oder Nachvollziehbarkeit. Gleichzeit kann man diese 90 Seiten wahlweise als Drogentraum lesen, als Mini-Hommage an 1984, als Familiendrama, als Satire-Komödie, oder als allgemeine Technologie- und Gesellschaftskritik, stellenweise habe ich mich sogar Woyzeck erinnert gefühlt. Einerseits ist das für diese Kürze beeindruckend, andererseits habe ich den Eindruck, dass das Buch daher auch nicht weiß, was es eigentlich sein will, und daher auch nichts so richtig ist. Die Ansätze sind alle sehr interessant, nichts davon wird aber richtig ausgeführt oder konsequent zuende gedacht. Das Buch reißt viele Ideen an und soll vermutlich zum Nachdenken bewegen, dafür fehlt aber einfach die etwas ernstere, vielseitigere Auseinandersetzung mit... allem.
Ich könnte mir "Frauen mit GROSSEN Brillen" gut als Theaterstück vorstellen, wo die fehlende Entschlossenheit durch schauspielerische Interpretation und Regie wett gemacht werden könnte (und da einiges an Potential hätte), und wo sich gerade das Überzeichnete bestimmt gut machen würde. So als Buch hat es dagegen eher etwas von einer ausgeuferten Kurzgeschichte.
Anna, ein Mitglied von Onkel Anubis, sagt an einer Stelle: "Nicht alles im Leben ergibt Sinn. Damit musst du dich abfinden." und das ist vermutlich das treffendste, was man zu diesem Buch sagen kann. Wer experimentellere Sachen mag, könnte an dem Buch durchaus Gefallen finden, wer dagegen seine Geschichten am Ende mit allen Fäden sauber verknotet mag, dürfte hier eher kopfschüttelnd weggehen. Ich selbst mag die Idee, hätte mir aber gewünscht, der Autor hätte sich (und den Figuren) mehr Zeit gegeben.
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Geändert von BDraw (11.04.2019 um 22:40 Uhr)
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