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Provinzheld
Himmelsrand, Helgen, Weißlauf
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Verhaltenes Räuspern zog Vesana die Eingeweide zusammen und ließ sie heftig zucken, löste jedoch die Umklammerung keineswegs auf, krallte sich der offenkundigen Unterbrechung zum Trotz fester an den Kaiserlichen. »Wir haben mit Corolas die Aufteilung der Güter besprochen und laden sie auf den Wagen entsprechend um«, setzte Aela nach kurzem Warten an, hielt ihre Stimme aber gedämpfte, wohl um die seidenzarte Stimmung der Zusammenführung nicht zu zerstören. »Nehmt euch noch einen Moment Zeit und kommt dann nach. Wir dürften genug Hände für die Arbeiten haben«, führte sie dort. Erst jetzt hob Darius den Kopf und sah die Nord wohl an.
»Danke«, erwiderte er, die Stimme rau von Tränen und zum Zerreißen dünn.
»Corolas meinte, er hätte Dir einige wärmere, nicht zu zerschlissene Sachen von Leuten der Hand aufs Bett gelegt.«
»Ich schaue gleich nach, danke.« Ohne ein weiteres Wort verschwand die Rothaarige in einem Hauch kalter Luft, die durch das Öffnen der Tür eindrang. Der Kaiserliche ließ sein Haupt nicht wieder auf Vesas zurücksinken. Stattdessen schob er seine Finger in ihrem Nacken langsam und ohne Druck auszuüben am Hals herum, die Kieferlinie entlang bis zum Kinn und anschließend hoch über die Lippen zur Nase und den Augen. Gänsehaut stand ihr auf den Armen und leise begann ihre Atmung abermals zu rasseln. Nicht mehr von Tränen und Aufregung, in den scheinbar langen und doch zu kurz gewesenen Momenten der Umarmung hatten sich diese nahezu vollständig davongestohlen und wohliger, schläfrig machender Wärme in der Brust das Feld überlassen.
Sanft strich ihr Darius Strähnen ihres Haares aus dem Antlitz, während ihr seine tiefen Atemzüge über die freie Haut auf der Stirn streichelten und verstärkte so nur die vielzähligen Schauer, die ihr den Rücken hinabliefen. »Lass mich kurz nach der Kleidung sehen«, bat er und zwang die Jägerin so dazu, letztlich doch die tränenverkrusteten Augen zu öffnen. Das Salz brannte noch etwas und widerwillig nahm sie die Linke aus seinem Rücken, um sich die verklebten Wimpern auszustreichen. Wenig begeistert hob sie ihren Kopf aus der Mulde an seinem Hals und rang sich ein gepresstes Lächeln ab, nickte dann zwar, aber nicht ohne noch einen weiteren Moment an seinem dichten, lang gewordenen Vollbart zu zupfen und die Augen langsam über seine rauen, dreckstarrenden Züge schweifen zu lassen.
Darius erwiderte die Geste und ließ sie einen Moment gewähren, bevor er mit sanftem Druck ihre Finger umschloss und ihre Hand an seine Seite schob. Blickkontakt haltend senkte er sein Haupt bis er auf ihrer Höhe war und mit einem letzten, kurzen Rucken schloss er die Lücke zum Kuss. Im ersten Augenblick überrumpelt und in heiß glühender Überraschung zu neuen Tränen verleitet erwiderte Vesana die Geste einen Augenblick später und schloss die Lider. Völlig schwerelos merkte sie erst jetzt, wie sehr ihr die Nähe und Zärtlichkeit dieses elenden Sturkopfes gefehlt hatte, vergrub die Finger gieriger in seiner ranzigen Kleidung und zog ihn näher, während seine borstigen Barthaare zunehmend unsanfter über ihre empfindlichen Wangen scharrten.
Der Moment währte zu kurz. Der Kaiserliche löste sich von ihr, lehnte sich aber noch einen weiteren Moment Stirn an Stirn an sie. »Du…«, setzte sie an, brach jedoch ab und räusperte sich, um den noch immer in ihrer Kehle sitzenden Kloß zu lösen. »Kratzt«, vollendete sie gleich darauf.
»Ändern wir bald«, erwiderte er und richtete sich zu seiner vollen Größe auf. Für die Dauer einiger Herzschläge standen sie sich gegenüber, er seine Rechte an ihrem Gesicht und mit dem Daumen darüberstreichend, die Linke an seiner Brust auf ihre dort ruhenden Hände gelegt. »Gleich wieder da.« Ein letzter, sehnsüchtiger Blickkontakt, dann wandte er sich zum Gehen. Die Jägerin sah ihm nach, schlang einen Arm um ihren unruhig summenden Bauch und hob die Finger zu ihren Lippen, wo die zarte Berührung in vielfachem Echo nachhallte. Erst jetzt fiel ihr die leicht gebückte Haltung ihres Liebsten auf. Nicht auffällig, im Gegenteil. Es würde niemand wirklich bemerken, der ihn nicht annähernd so gut kannte oder so intensiv und oft beobachtet hatte, wie Vesa. Aber genau deswegen legte sich die Beobachtung wie ein schweres, kaltes Tuch über ihr Herz, zog an Mund- und Augenwinkeln. Darius gab sich Mühe, sich nichts anmerken zu lassen, doch war genau dieser Umstand das Beunruhigende.
Gequält die Mundwinkel verziehend, senkte sie letztlich den Blick und sammelte anschließend ihre fallengelassenen Sachen auf. Ihr sturer Gefährte brauchte jetzt vor allem eines: Geduld. Das wusste sie, kannte sie es doch von sich selbst und auch von ihm bei früheren traumatisierten Erlebnissen. Es würde viel Disziplin kosten und sicherlich nicht immer so funktionieren, wie sie sich selbst ermahnte, aber drängen durfte sie ihn nicht. Zu viele hatten Vesana auf diese Weise auf Abstand getrieben und mit Darius wollte sie diesen Fehler nicht selbst auch begehen.
Wenig später trug ihr liebster Sturkopf eine dunkle, dickere Tunika, hohe Stiefel und einen schweren Umhang. Alles schien in den Kämpfen der letzten Nacht irgendwie mit Blut in Berührung gekommen zu sein und wirkte entsprechend verklebt und fleckig, aber es würde den gewünschten Dienst erfüllen und das reichte. Zur generell geschundenen Erscheinung des Kaiserlichen passte es allemal. Im Näherkommen schenkte er ihr ein mattes Lächeln, das kaum mehr als die Mundwinkel verzog und die Müdigkeit in seinen dunklen Augen nicht einmal im Ansatz vertreiben konnte. Dennoch erwiderte sie die Geste, sicherlich nicht weniger mitgenommen. Zeit. Die brauchten sie beide, um sich von ihren ganz eigenen Dämonen der letzten Monate zu distanzieren und wieder ineinander einzufühlen. »Gehen wir?«, fragte er und blieb vor ihr stehen.
Für einige Lidschläge betrachtete sie ihn, legte den Kopf kaum merklich schief und lächelte dann breiter, als zuvor. »Ja. Gehen wir.«
Skjor spannte gerade zwei dunkle, fast schwarze Pferde mit glänzendem, etwas längerem Fell vor einen Wagen. Aela zurrte währenddessen die Plane auf der Ladefläche fest. »Pünktlich«, kommentierte der Einäugige das Auftauchen der zwei übrigen Gefährten und schob den letzten Metallstift in die Zugvorrichtung des Gespanns. »Übernehmt ihr den Karren?«
»Machen wir«, kam Darius Vesa mit einer Antwort zuvor.
»Gut.«
Noch im selben Moment kamen die Rothaarige und Corolas zu ihnen herübergelaufen. Der kleine Kaiserliche verneigte sich tief in die Runde und auch vor Darius. »Du kannst Dich glücklich schätzen solche Freunde zu haben und ich stehe ebenso in Deiner wie deren Schuld dafür«, sprach der Ergrauende. »Ich werde sicherstellen, dass Euer Vertrauen und Eure Großzügigkeit weder vergessen noch vergeudet werden«, setzte er fort und reichte zunächst Vesana, dann den beiden Nord die Hand. »Denkt daran, dass Ihr in Bravil stets willkommen seid. Gehabt Euch wohl und sichere Wege, wo immer es Euch hin verschlägt.«
»Vorsicht auf dem Pass, der Schneefall dürfte es noch gefährlicher gemacht haben, diesen jetzt noch zu passieren«, entgegnete Aela.
»Die werde ich walten lassen.« Damit winkte der alte Kaiserliche und zwei hochgeschossene, trotz des sicherlich langen Hungers noch immer bullige Nord führten drei die Braunen der Gefährten und den Schimmel des Anführers der Hand zu ihnen.
»Die haben wir in einem der Häuser gefunden, sehen nicht aus wie von der Silberfaust«, brummte einer der Neuankömmlinge und hielt ein langes Stahlschwert sowie zwei Dolche hoch.
»Gehören mir«, entgegnete Vesa und streckte die Hände aus, verstaute die Waffen in den zugehörigen Scheiden. »Danke.« Der Nord nickte nur und im Gehen überprüfte er den Sitz des Sattels und der daran gebundenen Taschen, sowie Vesas Speer, den sie nicht einmal benötigt hatte, wie ihr dabei auffiel. Kurz darauf stiegen sie und Darius auf den Kutschbock und schlugen die Zügel, damit sich ihr Gespann in Bewegung setzte. Schnell auf dem Dorfplatz gewendet, ließen die Vier Helgen bald hinter sich und überließen die Befreiten sich selbst.
»Was habt ihr mit Corolas besprochen?«, fragte die Jägerin eine Weile später und wandte den Blick zur Seite, wo Aela mit einem der zwei unbesetzten Pferde neben dem Karren ritt.
»Weniger, als wir gehofft hatten. Seine Kenntnisse über die Hand sind relativ begrenzt«, erwiderte die Nord. »Aber er meinte, dass nicht alle der Kämpfer aus dem Tross zu den Leuten gehörten, die ihn gefangen gehalten haben.«
»Stimmt«, brummte Darius neben ihr so leise und tief, dass Aela ihn über dem Huftrappen und holpern der Wagenräder kaum hören konnte.
»Wem dann?«, fragte Vesa dennoch an die Nord und nicht ihren Geliebten gewandt. Aus dem Augenwinkel heraus gönnte sie ihm nur einen kurzen Blick, aber so wie er vorgebeugt auf der Bank saß und den Pferden auf mit leerem Blick auf die Hinterteile starrte, wirkte er nicht gerade, als ob sein Interesse an einem Gespräch darüber hoch stand.
»Das wusste er nicht. Er kennt keine Niederlassungen der Hand auf der Südseite der Jerall-Berge, aber augenscheinlich gehört ein Teil der Truppen genau einer solchen.«
»Hm. Das erklärt, warum so viele Kämpfer den Tross begleiteten und rechtfertig allemal die Güter«, sinnierte die Kaiserliche und senkte das Kinn.
»Das dachten Skjor und ich auch.« Für einen Moment schwieg die Rothaarige, dann hob sie aber nochmals die Stimme an. »Darius, Du musst uns unbedingt schildern, was Du über die Niederlassung der Hand weißt. Die bisherigen Neuigkeiten sind alleinstehend sehr verwirrend, vielleicht kannst Du noch etwas Licht ins Dunkel bringen.«
»Hmhmm. In Weißlauf«, erwiderte der Kaiserliche.
»Habt ihr ihm von den Briefen und dem Gold erzählt?«, lenkte Vesana die Aufmerksam von ihrem Liebsten ab. Es ließ sich kaum übersehen, dass ihm das Gespräch nicht gerade Spaß bereitete, denn geschweige Wohlbehagen hervorrief. Um ihm etwas Halt zu geben, schob sie ihre Hand zu ihm rüber und ließ sie auf seinem Oberschenkel ruhen.
»Weder von den Briefen, noch von den Edelsteinen weiß er etwas. Die Hälfte der Geldsäckel haben wir in einen leeren Proviantbeutel ausgeschüttet und ihm gegeben, damit er das Gold unter den Übrigen und sich aufteilen kann«, erklärte die Nord.
»Eine gute Lösung«, befand Vesa und ließ das Thema damit ruhen. Sie würden später noch genug Zeit haben, die Einzelheiten der gestrigen Nacht und allem davor zu erörtern. Für die Dauer der Reise reichte es ihr ohnehin, sich mit der Gegenwart von Darius zu begnügen. Und um das zu demonstrieren rückte sie gleich noch ein paar Fingerbreiten näher an diesen heran.
Fünf Tage dauerte ihre Reise, allem Tiefschnee und kalten Winden aus den Höhenlagen zum Trotz, während Darius in der Regel die doppelte oder dreifache Menge an Proviant erhielt, um seiner mageren Verfassung entgegenzuwirken. Letztendlich erreichten sie die Hauptstadt des Fürstentums und nachdem sie die vier einzelnen Rösser in den Stallungen untergebracht hatten, trieben sie den neu angeeigneten Wagen immerhin bis zum Marktplatz der Stadt. Erst dort sahen sie sich gezwungen ab der anschließenden Treppen hinauf zum Güldengrünbaum zu Fuß zu gehen. Jeder mit einem Handkarren vom um die Mittagszeit vakanten Übungsplatz hinter Jorrvaskr ausgestattet, schafften die Vier die Fracht, die immerhin noch die alchemistischen Zutaten, einen Großteil der Waffen und die Schatzkiste umfasste, zur Gildenhalle und ließen sie dort erst einmal ruhen.
»Bleibt ihr schon hier, Skjor und ich schaffen den Wagen zum Stall«, wies schließlich Aela die beiden Kaiserlichen an. Die nickten nur und warteten, bis die Nord um die Ecke des Hauses verschwanden.
»Wir können auch etwas warten, wenn Du noch einen Moment Deine Ruhe haben möchtest«, bot Vesana an, strich dem Vernarbten durch das Haar und schenkte ihm einen aufmunternden Blick.
Darius schüttelte sacht das Haupt und warf den Trübsinn aus seinen Augen. »Schon in Ordnung, nur einmal kurz durchatmen«, entgegnete er und die Jägerin nickte. Schweigend besah sie sich den noch immer schneefreien, aber gefrorenen Übungsplatz und wartete, bis ihr Darius das Zeichen zum Aufbruch gab. Ein Schmunzeln stahl sich auf ihre Lippen, als sie den improvisierten Holzsteg in der Mitte des Terrains bemerkte, der, wenn sie sich nicht täuschte, kein bisschen bewegt worden war. Letztlich spürte sie eine Hand auf ihrer Schulter, hob die eigene und griff nach den Fingern. »Lieber jetzt, als es noch weiter hinauszögern.« Damit wandte sich Vesa um und betrat an Darius Seite die Halle der Gefährten.
Deutlich hörbar stieß er Luft aus, als die Tür hinter ihnen ins Schloss fiel und der Hauptsaal des Hauses erstaunlich leer vor ihnen lag. Fleischduft schwängerte die Luft, verkohltes Holz und die übliche rauchige Note. Dazu das Aroma von Met und allerlei Alkohol gepaart mit Männerschweiß. »Es hat mir gefehlt«, flüsterte der Kaiserliche und sah sich im Raum um, während Vesana mehr ihn als alles andere beobachtete. Kleine Muskeln an den Augenwinkeln zuckten immer wieder deutlich, zogen am für sie sichtbaren Ende der Braue. Unstet schwenkte er das Haupt von der einen Seite zur anderen und wieder zurück, sondierte das Umfeld und blieb letztlich mit den Augen auf etwas kleben. Die Jägerin folgte dem Blick. Vilkas und Kodlak saßen an der langen Tafel, deutlich in ein Gespräch vertieft und hatten somit wohl das Eintreten der beiden Gefährten nicht bemerkt. Ihre Worte schwangen nur als leises Säuseln durch den Raum, verschwommen und unklar.
Inzwischen begann sie unter ihrer dicken Kleidung zu schwitzen und streifte die Handschuhe ab. Erst danach stupste sie ihren Liebsten an und nickte mit hochgezogenen Brauen in Richtung der beiden Nord am Tisch. Schweigend setzte sich Darius in Bewegung, Vesa folgte ihm mit schweren Schritten. »Ich hoffe, Tilmas Kochkünste haben nicht gelitten?«, zerriss der geschundene Kaiserliche die schläfrige Stille, die Jorrvaskr ausfüllte.
Vilkas fuhr ruckartig herum, der Herold erstarrte einen Moment, nur um gleich darauf nach seinem Becher zu greifen, langsam aufzustehen und sich ihnen zuzuwenden. Der jüngere der beiden Männer am Tisch tat es ihm gleich und verzog das Antlitz in offenkundiger Erleichterung. »Wir haben uns bereits Sorgen gemacht, es könnte etwas schief gelaufen sein«, offenbarte der Graue und kam ihnen entgegen. »Es ist schön, Dich wieder in unserer Halle zu sehen, Darius.« Der Kaiserliche nickte und schlug sogleich mit Vilkas zur Begrüßung ein.
»Es ist in der Tat ausgesprochen schön, euch zu sehen«, bestätigte der jüngere Nord. Seine Züge trübten sich aber schon im nächsten Augenblick ein. »Ihr seht beide nur bedingt glücklich aus. Ist etwas passiert?«
Vesana bemühte sich ihr Lächeln ehrlich aufzubessern und am Rand ihres Sichtfeldes bemerkte sie, wie Darius die Schultern hochzog, um es ihr gleichzutun. »Wir freuen uns. Aber es gibt einiges, das wir bereden müssen. Der Zirkel – und Darius«, erklärte sie.
»Wo sind Aela und Skjor?«, wollte Kodlak wissen und bat die drei Übrigen per Geste, ihm in den Keller zu folgen.
»Wir haben die Gemeinschaft um … einige Ressourcen bereichert. Sie bringen sie gerade zurück zum Stall.« Die Jägerin hielt sich bewusst dicht an der Seite ihres Geliebten, ihre Schulter streifte stets seinen Oberarm und versicherte ihm so, dass sie gewiss nicht vor hatte, ihn in den bevorstehenden, zweifelsohne unangenehmen Gesprächen allein zu lassen. Zum Dank zwackte er sie gelegentlich mit Daumen und Zeigefinger in den Stoff ihrer Jacke.
»Die Sachen stehen draußen auf dem Platz«, fügte Darius hinzu während sie in den Hauptflur des Kellergewölbes traten. Laute Stimmen und Gelächter drangen aus dem Schlafsaal der normalen Mitglieder zu ihnen, die Tür stand nur einen Spalt breit auf und Schatten huschten durch den schmalen Ausschnitt, den Vesana so vom Inneren des Zimmers einzusehen vermochte. Dem Kaiserlichen an ihrer Seite musste dies nur allzu recht sein, vermied er so doch größere Aufmerksamkeit.
Zumindest vorrübergehend. Sie waren nicht einmal halb durch den Korridor, da trat Farkas scheppernd und schabend aus seiner Kammer, blieb plötzlich wie eingefroren stehen und grinste dann so breit, dass er Zähne zeigte. »Ha! Haha! Bursche, ich wusste, dass Dich Vesa raushauen würde!«, feixte er und stiefelte dann auf den Rückkehrer zu, drückte ihn in einer Umarmung, wie sie nur zwischen Männern stattfinden konnte und provozierte bei der Jägerin ein mitleidiges, aber auch amüsiertes Schmunzeln. Ein kurzes Lachen musste sie allemal unterdrücken. »Wo sind die anderen Beiden?«, fragte der große und bullige Nord im Anschluss.
»Kommen sicher in Kürze. Es ist gut, dass wir Dich nicht erst suchen müssen«, erwiderte Vilkas und bedeutete seinem Bruder ihnen zu folgen. Ehe noch jemand von dem Spuk auf dem Flur etwas bemerkte, schlüpften die Fünf in Kodlaks Räumlichkeiten.
»Was hat’s mit dem verschwörerischen Treffen auf sich?«, wollte der bärige Nord schließlich wissen, als jeder von ihnen einen Platz im Arbeitszimmer des Alten gefunden hatte. Vesa und Darius mit Kodlak am Tisch, ihre Waffen legte sie auf dem Tisch ab. Vilkas lehnte gegen eines der Bücherregale und Farkas hievte sich auf eine Kommode, die unter dem enormen Gewicht des Mannes gefährlich ächzte.
»Ich habe das Gefühl, dass nicht alles reibungslos verlaufen ist«, mutmaßte der Graue und nickte in Richtung ihres geflickten und blutverklebten Unterarms, den die Kaiserliche auf dem Tisch abgelegt hatte. Dass er damit nur das Offensichtliche feststellte, störte niemanden.
»So ist es wohl leider«, entgegnete sie. Kodlak schloss für einen Moment die Lider und atmete tief durch. »Allerdings haben wir nichts provoziert, das wohl nicht ohnehin schon lange in der Planung gewesen ist. Was auch immer es ist.« Der Alte hob den Blick, funkelte sie mit einer Mischung aus Überraschung und Sorge auf den faltendurchzogenen Zügen an. »Vielleicht die Geschehnisse zuerst, solange wir auf Skjor und Aela warten?«, die drei übrigen Zirkelmitglieder nickten stumm, Darius lehnte sich tief durchatmend zurück und warf ihr einen wehmütigen, aber dankbaren Blick zu. Sie lächelte zurück, wissend, dass er für jedes Wort aus anderem Munde als den seinen froh war.
Sie endete gerade an der Stelle, wo sie am Morgen nach dem Überfall mit den beiden Nord losgezogen war, um das Schlachtfeld und die Wagen zu durchsuchen, da schlug etwas heftig gegen die Tür. Mehrfach dröhnte es durch den Raum und ließ sämtliche Köpfe herumfahren. Farkas glitt von der Anrichte und lief zur Pforte hinüber. Auf der anderen Seite warteten Aela und der Einäugige mit jeweils beiden Händen an einer schweren, eisenbeschlagenen Kiste. Zur Begrüßung nickten sie in die Runde und setzen die Truhe dann in der Mitte des Raums auf dem Boden ab, während Farkas den Eingang wieder schloss.
»Und damit kommen wir zu den Funden«, erklärte Vesa und hob die hohle Rechte, um den Neuankömmlingen das Wort zu übergeben.
»Du hast den Überfall geschildert?«, hakte die Rothaarige nach und strich sich einige Strähnen aus dem Gesicht. Die Jägerin nickte lediglich. »Wir haben einen Großteil der Ladung noch oben auf den Handkarren. Silberwaffen. Schwerter, Äxte, Dolche, Speere. Genug, um ein Regiment damit auszustatten«, begann erstere zu berichten. »Wir haben alchemistische Zutaten und Geräte, genug um Regenerationstränke, solche gegen Krankheiten und Gifte zu mischen. Ebenfalls genug für ein Regiment, vermutlich sogar mehr«, setzte sie fort und bückte sich über die Kiste. Mit schnellen Handgriffen holte sie den Schlüsselbund des toten Anführers des Trosses hervor und öffnete das schwere Vorhängeschloss. »Und wir haben das hier.« Sie öffnete den Deckel, warf den ob der geschrumpften Goldmenge eingefallenen Samt zurück und entblößte so die Umschläge mitsamt den restlichen Säckeln für Münzen und Edelsteine. Im Anschluss stand sie auf und trat aus der Sichtlinie, damit jeder einen Blick darauf werfen konnte, der diese Aussicht noch nicht kannte. Das anschließende Schweigen verdickte die ohnehin schon stickige Luft im Zimmer bis zur Unerträglichkeit und Vesa öffnete ihre Jacke.
»Für wen ist das bestimmt?«, wollte der Herold nach einer langen Phase der Stille schließlich wissen. Er erhielt zunächst keine Antwort, bis Darius schwer seufzte und sich in seinem Stuhl vorbeugte. Vesana legt ihm die Hand in den Rücken und strich sanft mit dem Daumen darüber.
»Genau wissen wir das nicht, wusste es keiner von uns«, begann der Befreite nach einer weiteren Pause zu sprechen. »Wir wurden immer im Kerker gefangen gehalten und haben nichts außer den Trödeleien der Wachen mitbekommen. Aber auf der Reise … es schien nicht, dass all unsere Wächter aus der Niederlassung der Hand stammten, in der man uns gefangen gehalten hatte. Sie stritten, gängelten sich teils bösartig und über das Maß von normaler Brüderlichkeit hinaus«, erklärte er und zog sämtliche Augen im Raum auf sich. Mit Ausnahme von Kodlak, der sich zunächst eine Handvoll der Briefhüllen geben ließ. »Es stellte sich raus, dass wir über die Jerall-Berge zu einer anderen Zelle gebracht werden sollten.«
»Die Silberne Hand operiert unseres Wissens nach doch nur in Himmelsrand, nicht?«, wandte Vilkas ein und lief zum Tisch hinüber, um selbst einen der Umschläge aufzunehmen und diesen zu begutachten.
Darius schüttelte sacht mit dem Kopf. »Ich weiß es nicht. Aber diese Leute sind besser organisiert, als ich jemals eine Gruppe der Hand gesehen habe. Das waren sie damals schon, jetzt nur noch mehr.«
»Mannesstärke?«, fragte Farkas und verschränkte die Arme vor der Brust.
»Ich habe keine Ahnung.«
»Irgendetwas musst Du doch mitbekommen haben. Beim Verlassen der … Festung, war es?«, brummte Skjor, der inzwischen an der Tür lehnte und ebenfalls die Arme verschränkt hielt.
»Festung. Als sie uns rausgebracht haben, band man uns die Augen zu. Und vor fünf …«, versuchte Darius zu erklären, brach allerdings ab, senkte das Kinn und fuhr sich durch den Bart. Er wirkte unendlich erschöpft, ausgelaugt. Andererseits spürte sie durch seine Kleidung hindurch das schwache, haarfeine Zittern seines Leibes unter ihren Fingern und versuchte mehr aus seinen geschundenen Zügen zu lesen, als er zeigen wollte. Obwohl er sie nicht ansah und sie nur von der Seite das unstete Kreisen seines Auges bemerkte, schien es ihr, als plagte ihn noch etwas anderes. Angst? Oder Zorn? »Alles, das ich weiß, ist Folgendes: Ich habe den Anführer der Niederlassung im westlichen Falkenring nie zu Gesicht bekommen. Jeden, den man zu ihm brachte, habe ich nie wieder gesehen. Er schart definitiv mehr Manneskraft um sich, als jede andere Zelle, die ich bislang gesehen habe und die Sachen, die wir im Konvoi mit uns führten, waren für irgendeine andere Niederlassung in Cyrodiil bestimmt«, sprach er schließlich und die Verbitterung und Ernsthaftigkeit in seiner tiefen Stimme jagten der Jägerin Gänsehaut auf die Arme. »Kodlak, Du hast eben einen Blick in die Briefe geworfen, was verraten sie Dir?«
Schweigend senkte der Herold seine silbergrauen Augen auf die Tischplatte, strich über das Pergament und den auseinandergefalteten Brief unter seiner flachen Hand. Dann hob er den Blick zu Vilkas, der ebenfalls in den Zeilen gelesen zu haben schien. Zuletzt sah er zurück zu Darius und schob ihm den Brief zu. »Schau selbst.« Der Rückkehrer griff nach dem Papier und ließ es wenig später auf den Tisch sinken.
»Das ergibt keinen Sinn.«
»Was ergibt keinen Sinn?«, hakte Aela nach.
»Die Briefe. Völlig durcheinander geratene Wörter und Silben«, erklärte der Graue.
»Verschlüsselt?« Kodlak nickte.
Abermals hielt Schweigen Einzug und Vesa spürte, wie sich nach und nach, je mehr die geschilderten Erzählungen einsanken, ihre Eingeweide zusammenzogen. Unwillkürlich nahm sie ihre Hand von Darius Rücken und strich sich über ihr Gesicht, als könne sie so wegwaschen, was eben sagt worden war. »Ich nehme an, es gibt keine Möglichkeit, diese Schriften zu entschlüsseln?«, fragte sie letztlich in die Runde, als die Stille unerträglich wurde.
»Ich kenne da jemanden, den wir anheuern könnten, um es zu versuchen«, räumte Vilkas ein, wirkte allerdings mit gesenktem Blick und wieder am Bücherregal lehnend zutiefst nachdenklich.
»Eines kann ich mit ziemlicher Gewissheit sagen: Wenn diese Leute dort unsere Gemeinschaft hier hätten auslöschen wollen in den letzten Monaten, ich zweifle nicht daran, dass sie es könnten«, warf Darius ein und trübte die finsteren Gesichter des Zirkels nur noch weiter ein.
»Und worauf warten sie dann?«, knurrte Farkes und ballte die Fäuste. Darius zuckte nur mit den Schultern. Bevor noch jemand etwas erwidern konnte, erhob sich der Herold und schritt zur Truhe hinüber. Sich schnell bückend, griff er hinein und holte einige der roten Samtsäckel hinaus. Leise knirschten sie in seinen prankenhaften Händen, als er sich erhob. Aela reichte er zwei, zu Skjor warf er zwei hinüber und als er sich wieder setze, ließ er vier auf den Tisch direkt neben Vesas Arm fallen.
»Den Rest verwahren wir und nutzen es, um uns dagegen zu wappnen, was auch immer es ist, das auf uns zukommt«, sprach er schließlich und hielt die Stimme deutlich gedämpft, nachdenklich. Keinem sah er noch ins Gesicht. »Ich habe mich geirrt, Vesa, und das tut mir Leid. Eure Befreiung hat keinen Ärger über uns gebracht, der nicht ohnehin schon auf dem Weg zu uns war. Stattdessen habt ihr uns eine Vorwarnung und Zeit zum Handeln verschafft«, räumte er ein, hob nur kurz den Blick zu ihr hinüber und starrte dann abermals auf die Briefe auf dem Tisch.
Die Jägerin griff derweil nach den Säckeln und musste überrascht luftholend feststellen, dass nur zwei davon mit Gold gefüllt waren. In den beiden kleineren rasselten Edelsteine. »Bitte lasst mich einen Moment allein«, bat der Herold schließlich. »Und Darius.« Er hob abermals das Kinn. »Es ist wirklich schön, Dich wieder hier zu haben.«
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