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Provinzheld
Himmelsrand, Helgen
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Erneut sah sie die bedrohliche Silberspitze über ihr auftauchen und lenkte sie im letztmöglichen Augenblick mit dem Dolch ab, dass sie dumpf ins Holz schlug. Lange ließe sich dem nicht standhalten, zumal der zweite verbliebene Streiter gerade zurück auf die Füße fand. Als sich die todbringende Klinge abermals sensenartig auf sie niederschwang, rollte sich die Kaiserliche zur Seite, blieb zwar am Leichnam des Dritten hängen, entging jedoch dem Hieb und erarbeitete sich so genug Zeit um aufzustehen.
Scharf und unvorbereitet schnitt das Schwert an ihrem Ohr vorbei durch die Luft als sie sich ihren Gegnern zuwandte. Es zog so nah an ihr vorbei, dass es ein Stück der Ohrmuschel klippte, wie das spitze Stechen verriet. Doch schaffte es Vesana abermals dem Tod zu entgehen und setzte mehrere beherzte Schritte rückwärts, bis sie mit den Oberschenkeln gegen irgendein abgebranntes Möbelstück stieß. Scharf sog sie die Luft ein, zog allerdings noch im selben Moment das Silberschwert, das sie mit den Köchern auf dem Rücken verkeilt hatte.
»Willst Du wohl endlich verrecken, Miststück?«, knurrte sie einer der Männer an, im Dunkel sah sie sich unfähig zu erkennen, welcher von ihnen sprach.
Der gleich im Anschluss folgende Schlagabtausch gestaltete sich den Emotionen entsprechend deutlich dynamischer. Während der erste losstürmte und mehrere Hiebe mit ihr austauschte, kreiste der andere um sie herum, wollte sie von hinten angreifen. Vesa sah es aus dem Augenwinkel, versuchte in der Deckung schneller Schläge beide Widersacher gleichzeitig im Sichtfeld zu behalten. Das Klirren ihre Waffen erfüllte die Luft, brachte die Eiseskälte zum Schwingen und übertönte schnell den Kampflärm und die Schreie von der Straße, die immer mehr an Intensität gewannen. Doch mochte sich die Kaiserliche in diesen Momenten keine Sorgen um irgendetwas anderes, als sich selbst und ihren Kampf, machen können, wollte sie lebend aus ihm herauskommen.
Mit dem Dolch lenkte sie die Schneide ihres Kontrahenten ab, führte einen Stich gegen seine Brust, traf jedoch nur das Schild und taumelte zurück. Anschließend wiederholte sich das Spiel, sie trat ihm gegen das Knie, zwang ihn dazu einzuknicken, doch hob er erneut seinen Schutz und bereitete ihren Bemühungen ein Ende. Während sich der erste aufrappelte, sprang sein Kumpan ein und deckte sie seinerseits mit schnellen Hieben ein, drosch gelegentlich mit dem Schild dazwischen und trieb die Jägerin vor sich her. Diese verlegte sich inzwischen darauf, den Regen aus Schlägen einfach nur von sich abzulenken und auf eine Lücke oder Schwäche in der Deckung zu lauern. Ob sie diese noch erleben würde, gestaltete sich jedoch zunehmend fraglich, denn obwohl sie sich möglichst dynamisch unter der Hauptlast der Schläge wegzuwinden versuchte und diese ablenkte, so ermüdeten ihre Glieder dennoch zunehmend und wurden von den konstanten Erschütterungen taub.
Der reine Gedanke sorgte für genug Ablenkung, um den zweiten Gegner in ihre Flanke huschen zu lassen. Als er Schild voran und Schwert als Lanze über die Kante geschoben auf sie zustürmte, war es bereits zu spät. Zwar lenkte sie die gegnerische Klinge ab, doch prallte er anschließend wie ein Felsbrocken gegen sie und sandte sie wie einen Spielball einige Schrittlängen durch den Raum. Vom Schmerz durchzogen schrie Vesana auf, behielt zwar ihr Schwert in den Händen, verlor jedoch den Dolch und kroch im Anschluss von der Benommenheit mit plötzlich noch dunklerem Sichtfeld quer durch den Raum. Stöhnend und zähneknirschend gestand sie sich ein, dass sie gegen diese beiden Rüstmänner etwas Hilfe gebrauchen konnte.
In einer pechschwarzen Ecke griff sie wohl in eine gesplitterte Holzplatte. Kurz, aber heftig stach ihr etwas in die linke Handfläche. Der neuerliche Schmerz vertrieb jedoch auch den Schleier vor ihren Augen und so hievte sie sich abermals hoch. Zu ihrer Überraschung hatten die beiden Mistkerle der Hand nicht zu ihr aufgeschlossen, sondern standen ihr abermals Schulter an Schulter gegenüber.
Wut füllte ihre Eingeweide wie heißes Pech. Brodelnd brandete das Grollen der Bestie in ihrem Hals auf, ein letztes Aufbäumen des Wolfes, der den nur noch wenige Tage entfernten Neumond deutlich spürte und somit an Kraft verlor. Es genügte aber, dass der Wolf ihr seine feinen Ohren und scharfen Augen lieh. Diese Bastarde wähnten sich wohl in Sicherheit, spielten mit ihr. Das sollten sie noch bereuen. Flink zückte die Kaiserliche den zweiten Dolch mit der Linken und setzte sich anschließend in Bewegung. Erst langsame, maßnehmende Schritte, dann beschleunigte sie zu einem tänzelnden Spurt auf den Zehenspitzen, trat plötzlich zur Seite nach einem Balken aus und drückte sich nach oben von diesem ab. Mit dem Schwert nach dem Kopf des einen stechend, blockte der Dolch den Hieb des anderen bevor sie ihm vor die Brust trat und in einem Wust aus Gliedern mit beiden Gerüsteten zu Boden stürzte.
Sie rollte sich ab und kam rasch hinter den Streitern auf die Füße. In der Drehung hob sie ihre Silberklinge und schnitt ihnen über die Rücken, doch die dicke Panzerung verhinderte, dass sie ihnen auch nur ansatzweise Wunden zufügte. Gehässig und dank des Wolfes deutlich erkennbar grinste der eine mit dem wuchtigen Schädel, während sein Kumpan mit dem Rattengesicht die Zähne bleckte. Beide von ihnen keuchten nicht weniger, als Vesana, doch gab ihnen ihre Überzahl eindeutige Vorteile, die Vesa selbst mit besserem Schwertgeschick nicht zu überwinden vermochte.
Wieder tauschten sie Schläge, drehte sich die Kaiserliche unter ihren Hieben ein, entging dem einen, blockte den anderen. Kurz geduckt gelang es ihr den größeren an der Wade zu erwischen und ihn schmerzerfüllt aufstöhnen zu lassen, doch bevor sie dem auf das Knie gehenden Kerl noch einen Stoß ins Genick setzen konnte, schob sich sein Mitstreiter zwischen sie und hob den Schild. Für wenige, schmerzhaft schnelle Herzschläge blieben sie so auf Abstand zueinander, während sich der zuletzt verletzte langsam erhob und wieder einreihte. Verhärtete Frontlinien. Sicherlich hatten sie nicht damit gerechnet, dass die eher zierliche Kaiserliche einen derart langen Kampf aufbrachte, aber sie sah in ihren Augen, dass sie sich ihrer überlegenen Lage durchaus im Klaren waren und diese nicht ungestümer als ihnen guttäte ausnutzen würden.
In den Augenblicken der Ruhe vor dem nächsten Sturm erlaubte es sich die Jägerin, kurz auf die Geräusche des Kampfes auf der Straße zu lauschen. Schreie, lautes Brüllen, regelrecht animalisch knurrte der Tumult dort, wo Metall auf Metall traf. Das Surren von Pfeilen vernahm sie nur noch vereinzelt und hoffte, dass es Aela war, die nun da sie sich vor einem Übergriff der Kämpfer der Silbernen Hand sicher sein konnte, ihre tödlichen Geschosse ins Getümmel entsandte. Furcht und Rage, Wut und Verzweiflung mischten sich im Duft des vergossenen Blutes, der dort draußen die weiße Reinheit besudelte und ihr ihre Unschuld nahm.
Doch dann endete die kurze Pause so unverhofft, wie sie begonnen hatte. Klirrend kreuzte Vesana abermals die Klingeln, traf in einer Drehung die Ratte mit dem Dolch, versah sie jedoch mit nicht viel mehr als einem einfachen Kratzer bevor sein wuchtiger Kumpel dazwischen ging. Sie wechselten immer wieder die Seiten, mal hatte sie eine Wand im Rücken, dann wieder den offenen Raum bis zu den Fenstern hinüber. Die Drei führten einen morbiden Gruppentanz auf, bei dem jeder Fehltritt mehr als nur das Ende der Choreographie bedeutete.
Und es sollte an ihr sein, diesen zu leisten. Erneut wandte sich die Jägerin unter einem Hieb weg, da trat sie auf etwas am Boden, das ihrem Gewicht nachgab und sie rücklings stolpern ließ. Erst als sie auf den Dielen aufschlug und die Wucht ihr die Luft aus den Lungen trieb, erkannte sie den Kadaver des dritten Kämpfers der Hand, wie er aus leeren Augen zur Decke starrte. Dennoch sollte ihr Ungeschick nicht den Tod bedeuten. Gerade baute sich der massige Kerl über ihr auf, um zum Gnadenstoß anzusetzen, da warf sich eine schlanke, eher magere Gestallt gegen ihn und hebelte ihn von den Füßen.
Vesana benötigte einen Moment, bevor sie mit den langgewordenen, schwarzen Haaren und dem zerzausten, gleichfarbigen Bart etwas anfangen konnte. Als ihr die Erkenntnis schließlich kam, beflügelte es sie und warf sie förmlich auf die Füße zurück. Darius focht mit wogender Mähne und einem Silberschwert in der Rechten. Die Ratte benötigte einen Moment länger als die Kaiserliche, sich neu zu orientieren, und das gedachte letztere zu nutzen. Einen schnellen Satz über die Leiche am Boden setzend war sie auf Armlänge heran und begann damit auf den Dreckskerl einzudreschen. Nun nur noch mit einem einzigen Gegner beschäftigt, begann sie ähnlich wie im Kampf gegen Vilkas zu kreiseln, bis der Schildarm ihres Kontrahenten zu ermüden begann. Ein schneller Sprung zur Seite brachte sie neben ihn, ein kurzes Zucken aus dem Handgelenk ließ ihre Schneide die ihres Widersachers umgehen. Als ihre Spitze quer über sein Gesicht schnitt, schrie er auf, doch verdammte sie ihn gleich darauf zum Schweigen, als ihr Dolch die folgende Unachtsamkeit ausnutzte und ihm am Schild vorbei die Kehle durchschnitt.
Die Jägerin kümmerte sich nicht mehr um ihn und wandte sich direkt ihrem Geliebten und dem von ihm abgelenkten Gegner zu. Gerade hieb dieser mit dem Schild nach der schlaksigen Gestalt des Kaiserlichen. Einmal, zweimal. Beim dritten Mal schnappte Darius Kopf nach hinten in den Nacken, störte sein Gleichgewicht und sandte ihn taumelnd durch den Raum. Zum Schreien kam er nicht. Er stürzte und krachte mit der Seite des Hauptes gegen eine Anrichte. Regungslos sackte er zu Boden und blieb liegen. »Nein!«, schrie Vesa die bleierne Schwere in den Eingeweiden aus den wunden Lungen und fegte durch den Raum bevor der Kämpfer der Silbernen Hand zu Darius aufzuschließen vermochte.
Seinen finalen Stoß gegen den Liebsten fing sie ab und trieb ihm die Schulter in die Seite, wobei sie wohl mehr sich selbst als ihm Schmerzen zufügte ob seiner dicken Rüstung. Dennoch trieb sie ihn auf Abstand und bedachte ihn mit einem Schwall Hiebe. Die neue Wildheit, mit der die Kaiserliche auf ihn eindrosch, zeichnete sein Gesicht mit deutlicher Überraschung und trieb nun ihn rückwärts durch den Raum. Allerdings ließ sie über ihrem Schutzwillen dem Geliebten gegenüber zunehmend ihre eigene Lehre außer Acht und letztlich brach sich ihr Ungestüm an einem Schildschlag des Gegners, der sie taumelnd nach hinten sandte.
Diesmal war es an ihm, auf sie zuzustürmen und weit auszuholen. Atemlos im Reflex hob sie den Dolch in der Linken, versuchte den Schlag nach oben abzulenken, während sie mit dem Schwert aus der anderen Richtung von oben über den Schild hinweg zustach. Zwar glitt die Spitze seiner Klinge an ihr vorüber, doch fraß sich ihr unterer Teil über Vesas Unterarm. Das so an der ledernen Armschiene vorbei tief ins Fleisch schneidende Silber brannte wie die Höllenfeuer der Ebenen des Vergessens es kaum zu tun vermochten, entzog ihren Fingen die Kraft, dass ihr der Dolch entglitt. Der markerschütternde, ihre eigenen Ohren zerreißende Schrei, der sich ihrer Kehle entwand, erstarb jedoch, als der massige Leib des Feindes gegen sie prallte und sie mit sich auf die Dielen riss. Leblos blieb er auf ihr liegen und machte ihr das Atmen schwer, während ihre Gedanken von den gleißenden Flammen im Arm in alle Winde zerstreut wurden. Darius verblasste, der Lärm auf der Straße verflog, selbst die Erkenntnis, dass ihre Waffe es an der Schulter unter den Panzer des wuchtigen Bastards geschafft und ihn tödlich verwundet hatte, verschwamm im Rauch des Feuers, dass ihr Arm aussandte. Die Umgebung hüllte sich in immer dichtere Schwärze. Erst verlor sie die Zimmerdecke aus den Augen, dann zerlief ihr die eigene rechte Hand und letztlich der massige Leib auf ihr, der es ihr unmöglich machte, sich zu bewegen. Ihr verwundeter Arm jedenfalls blieb bleiern liegen, wo sie ihn hatte fallen lassen.
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Geändert von Bahaar (31.05.2015 um 21:15 Uhr)
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