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Thema: [Sky] Rollenspielthread #1 (Signatur aus)

Baum-Darstellung

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  1. #29

    Himmelsrand, Fürstentum Weißlauf, Jerall Berge, Helgen

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    Dröhnendes, markerschütterndes Grollen schreckte Vesana aus ihrem gedankenverlorenen Halbschlaf hoch, als sie an einem Baum lehnend ins niedrige und gegen die dicht treibenden Flocken ankämpfende Lagerfeuer starrte. Die orange glühenden Flammenzungen brannten sich aus der Dunkelheit der Nacht herausstechend schmerzhaft in ihre müden Augen. Aber den Blick hatte sie bis jetzt nicht abwenden wollen, beruhigte der Anblick doch auch die hinter ihrer Stirn wild stürmenden Gedanken. Allerdings sollte es damit nun vorbei sei. Skjor und Aela saßen blitzschnell kerzengerade auf ihren Nachlagern und stecken die Köpfe unter der Zeltplane hervor, während das tosende Donnern noch immer anhielt, von überall her auf sie niederdrückte.
    Herzflatternd und unruhig ihre Mulde im Schnee festigend, hob die Kaiserliche das Haupt und richtete den Blick in die Dunkelheit. Echos der Flammen tanzen ihr vor den Augen, verhinderten, dass sie auch nur irgendetwas erkannte, zeichneten die Gesichtszüge eines kaiserlichen Mannes in die Nacht. Kurz verzog sie den Mund in Wehmut, schloss die Augen, bis ihr das Bild auf der Innenseite der Lider noch stärker zu schimmern schien. Leise seufzend öffnete sie sie wieder, das schwerelose Ziehen des furchtsamen Lauschens in die Dunkelheit war ihr lieber als das heiße Stechen in der Brust.
    Der Morgen verbarg sich noch hinter den Gipfeln und selbst wenn er seine schüchternen Strahlen womöglich bereits irgendwo über das Land schickte, im Tal von Flusswald mochte es noch lange dauern, bis sie zu den Gefährten vordrangen. »Lawine?«, fragte Aela mehr zu sich selbst denn laut in die Runde. Vesa brummte nur und verschränkte die behandschuhten Finger ineinander, ließ die Daumen miteinander ringen und fuhr sich mit der Zunge durch den Mund. »Nahe?«
    »Schwer zu sagen«, entgegnete die Jägerin und rieb sich über die Lider. »Vermutlich auf der anderen Flussseite«, mutmaßte sie aber noch. Für gewöhnlich, wenn eine Lawine in der Nähe abging, ließ sie sich bei entsprechender Größe nicht nur hören, sondern auch im Boden spüren. Das Grollen der Schneemassen versetzte dann den Grund in Schwingung, ein leises Vibrieren, ein summender Bienenschwarm im Erdreich. In diesen Momenten blieb es jedoch aus, obgleich das Tosen aufgrund der Lautstärke durchaus so klang, als rollte der weiße Tod nicht allzu weit entfernt die Bergflanken hinab. Der Schluss, dass der Schneesturz deshalb zwar in der nahen Umgebung, aber auf der anderen Seite des Flusses in die Tiefe rollte, lag daher nahe.
    Noch bevor Vesana ihre gedankliche Erörterung des Schlusses abgeschlossen hatte, begann das Dröhnen allmählich zu verebben. Leise stieß sie Luft aus, ein schwaches Seufzen der Erleichterung, dass sie zumindest damit Recht behalten hatte, nicht in der Einzugsschneise der Lawine zu rasten. Schweigend verschwanden Skjor und Aela, die noch kurz in den Wind gelauscht hatten, zurück im Zelt. Es blieben noch ein paar Stunden zur Nachtruhe, die wollte ihnen die Kaiserliche auch nicht abringen, obwohl sie sicherlich alle auf einen Schlag etwas munterer geworden waren. Im Dunkeln bei derartigem Wetter zu reisen endete schneller im eigenen Tod als andere Dummheiten, dazu bedurfte es noch nicht einmal einer Lawine.
    Letztlich verging das Warten bis zum frühen Morgen schneller, als die Kaiserliche befürchtet hatte. Die hypnotischen Flammenzungen ließen die Zeit rasch verfliegen, obgleich sie ein Gefühl gähnender Leere in Vesa zurückließen, ganz als hätten sie ihren Geist aus ihrem Haupt gebrannt und sie von innen ausgezehrt. Schwermütig, träge und müde hievte sich die Jägerin auf die Füße, grabschte ungelenk am Stamm des Baumes entlang, gegen den sie sich gelehnt hatte, und versuchte so die vom stillen, unbewegten Sitzen völlig steif gewordenen Beine irgendwie aus ihrer Starre zu lösen. Von Kopf bis Fuß in einen zweiten Pelz aus weißen Flocken gehüllt, hielt sich Vesana einen Moment am Gehölz fest, rang um ihr Gleichgewicht, und erst ganz zum Schluss, nachdem das Gefühl in ihre Zehen zurückgekehrt war, begann sie damit sich den frostigen Mantel abzuklopfen.
    Es bestand keine Notwendigkeit dafür, Aela und Skjor zu wecken, die beiden wachten von ganz allein auf, als die immer niedriger werdenden Flammen an Kraft verloren und es dennoch immer heller wurde. »Morgen«, grunzte der Einäugige und verließ als erster das mickrige Zelt. Die Kaiserliche nickte nur, Worte froren ihr im Hals fest, wollten nicht recht herauskommen. Ein dicker Kloß schien sich ihr im Rachen geformt zu haben, unterdrückte jeden Hunger, jede Empfindsamkeit außer der schmerzhaften Sehnsucht aufzubrechen, schnellstmöglich Helgen zu erreichen und all dem Leid, all den langen Nächten versunken in Tränen, Wut und Abscheu, ein Ende zu setzen. An ihrem Himmel stand nur noch ein einziger Stern, der den Weg wies, und solange dies so war, verblasste alles andere um sie herum in immergraue Bedeutungslosigkeit.
    Noch während auch Aela sich aus dem Unterstand pellte, begann die Jägerin bereits damit, Schnee in einem Topf über den verbliebenen Flammen zu schmelzen und einiges getrocknetes Fleisch in deren warmer Aura aufzutauen. Wenig später bauten die Drei das Zelt gemeinsam ab, verstauten alle Utensilien und frühstückten auf den Rücken ihrer Pferde.
    »Der Wind wird stärker«, stellte die rothaarige Nord fest und zog sich die Jacke höher.
    »Hmm«, brummte Vesa lediglich. Auch die Menge an Schneeflocken schien größer zu werden. Der Hauptpulk der Schlechtwetterfront mochte wohl gerade erst über die Bergkämme ziehen.
    »Helgen können wir dennoch erreichen«, zeigte sich Skjor zur Abwechslung optimistischer. Mit den beiden Frauen auf Frust getrimmt war es nun an ihm die Gruppe wenigstens etwas bei Laune zu halten. Eine willkommene Erleichterung und dass er Recht behalten sollte, zweifelte die Kaiserliche spätestens ab dem Moment nicht mehr an, als sie den Fuß der Serpentinenstraße, die zur Bergstadt hinaufführte, erreichten. Im ewig weißen Schneetreiben etwa um die Mittagszeit ließen sich, obwohl sie direkt neben dem Weg standen, die Wächtersteine kaum erkennen, aber sie blieben eine Wegmarkierung. Der Aufstieg dauerte mit einem Karren führ gewöhnlich einen halben Tag, vielleicht etwas mehr. Zumindest bei schönem Wetter. Leicht bepackt kamen sie in miserabler Witterung wohl vergleichbar schnell voran.
    »Sehen wir es positiv«, erhob Aela die Stimme, als sie an einem tief eingeschneiten Schild vorbeikamen, und sah sich um. Drei Pfeile hatte der Wind mit Flocken verkleistert und die Kaiserliche ritt zu dem Holzpfosten hinüber, als die beiden Nord stoppten. Vom Rücken ihres Reittieres vermochte sie sich ein Stück hinabzubeugen und mit den Fingern der Rechten die eingekerbten Schriftzeichen zu befreien. »Falkenring«, »Helgen«, »Flusswald« standen auf den drei Pfeilen.
    »Sehen wir was positiv?«, hakte Vesana schließlich nach.
    »Wenigstens in der letzten Stunde ist hier niemand vorbeigekommen«, entgegnete die Nord. Erst jetzt fiel es der Jägerin auf. Obgleich der dichte Schneefall sämtliche Spuren binnen kurzer Zeit davonwusch, wäre hier ein großer Tross mit Karren und angeketteten Sklaven vorbeigekommen, das Unwetter hätte einige Zeit damit zugebracht, ihre Furchen in der geschlossenen Decke auszugleichen.
    »Oder sie sind schon vor einigen Tagen hier vorbeigekommen«, murmelte die Jägerin und riss an den Zügeln, um ihr Pferd vom Schild abzuwenden. Im rauschenden Wind des immer mehr zum Schneesturm werdenden Niederschlags blieben ihre Worte allerdings wohl unbemerkt. »Lasst uns weiterreiten, kein Grund, unsere Spuren länger als nötig frisch zu halten«, setzte sie lauter nach. Wenn es schon vorher keinen Grund oder Rechtfertigung für Trödelei gegeben hatte, so schlug es nun in regelrecht strafbare Dummheit um, länger als nötig am Wegesrand zu verweilen. Der Konvoi, den sie abfangen wollten, konnte ebenso gut direkt hinter ihnen sein, wie auch einen oder zwei Tage auf sich warten lassen. Im Falle des ersteren Umstandes mochten frische Spuren im Schnee bei diesem Wetter für die Anhänger der Silbernen Hand trotz eines wahrscheinlichen Zufalles Grund genug für Vorsicht und Misstrauen sein. Beides konnten die drei Gefährten nicht gebrauchen.
    »Ich schlage vor, wir umrunden Helgen in sicherem Abstand und nähern uns von Süden«, meinte Skjor am frühen Nachmittag.
    »Gute Idee. Auf die Weise können wir die Pferde irgendwo außer Sicht im Wald anbinden während wir es auskundschaften und sie später gefahrlos nachholen«, erwiderte Vesana und erntete ein kräftiges Brummen des Nord. Zeit genug blieb ihnen. Zwar lag noch immer eine gute Wegstreckte zwischen ihnen und dem Dorf, aber mit Einbruch der Dunkelheit sollten sie es erreichen. Noch eine Übernachtung außerhalb erschien jedenfalls unnötig.
    Nichtsdestotrotz trieb die Kaiserliche ihrem Pferd die Fersen in die Flanken und spornte es dazu an, stärker gegen den heftiger werdenden Gegenwind anzukämpfen. Inzwischen waren die Gefährten auch dazu übergegangen die Wolfsrudeltaktik anzuwenden – einer führte für einige Zeit und die anderen folgten in seiner Spur. So verbargen sie zum einen ihre genaue Anzahl, zum anderen konnten sich so die Nachfolgenden etwas erholen, während sie in der Spur des ersten trotteten. Gerade übernahm Vesana die Führung und wollte dies entsprechend nutzen. Skjor und Aela nahmen es kommentarlos hin. »Wir sollten bald nach Osten von der Straße abweichen, wenn wir Helgen nicht zu nah kommen wollen«, gab der Einäugige jedoch zu bedenken.
    In einem etwas lichteren Moment glaubte die Kaiserliche sogar bereits den verwaschenen Schemen ihres Reisezieles im breit verlaufenden Abhang auszumachen, doch eine Schneewehe raubte ihr gleich darauf die Sicht. Schnaufend zerrte sie daher an ihren Zügeln und lenkte ihr Reittier ins Unterholz. Es mochte genauso gut ein großer Felsen oder irgendetwas anderes gewesen sein. Das letzte Mal, als sie Helgen und in diesem Gebiet vorbeigekommen war, lag Jahre zurück, ihre Erinnerung mochte ihr in Anbetracht der immer heftigeren Stiche im Magen daher den einen oder anderen Streich in der Gegenwart spielen. Sie würde das Dorf früh genug von Nahem sehen, es gab keinen Grund, die brennende Ungeduld und das Verlangen, sofort dort zu sein, mit Einbildungen und Tagträumereien zu nähren und zu verschlimmern.
    »Vesa, ich übernehme«, gab Aela kund, als sie an der Kaiserlichen vorüber ritt. Kurz lag dieser ein bitterer Widerspruch auf der mühsam beherrschten und zwischen den Zähnen gefangengehaltenen Zunge. Letztlich schaffte sie es aber, sich zu beherrschen und der Nord lediglich ein grimmiges Nicken zu schenken. Nicht zu trödeln und sich unnötig zu beeilen waren zweierlei verschiedene Dinge, das musste sie sich immer wieder einträufeln – und obgleich sie sich unterschieden, mochten sie beide ungewünschte Konsequenzen haben, die letztlich nur eines zur Folge haben konnten: Ihr Scheitern.

    »Die Senke sollte sie vor dem stärksten Wind schützen«, bellte Skjor gegen den im Verlauf des frühen Abends heftig gewordenen Wind. Inzwischen umfing sie spätabendliche Dunkelheit, während die Drei ihre Pferde im Wald anbanden und die nötigste Ausrüstung schulterten. Aela und Vesa mussten zähneknirschend hinnehmen, dass es keinen Sinn hatte die Bögen mit Sehnen zu bespannen. In derartigem Sturm folgen Pfeile überall hin, nur nicht geradeaus, und die Sicht mochte ohnehin als bestenfalls eingeschränkt beschrieben werden. Entsprechend rückten sie ihre Dolche zurecht, prüften, dass sie nicht in den Scheiden festgefroren waren, und banden sich die Schwerter auf die Rücken. Wenig später pirschte Vesana an der Spitze, gefolgt von der rothaarigen Nord, und den Schluss stellte Skjor.
    In der voranschreitenden Dunkelheit hoben sich selbst die schwarzen Baumstämme kaum noch vom Schnee ab. Es glich einem Taumeln und Straucheln, blind und orientierungslos. Fast zumindest. Oberschenkeltief im Weiß versinkend brauchte das Gespann seine Zeit, schweigend und jeder in seine eigene Nervosität versunken. Für Vesa war es das Ringen zwischen Konzentration und träumerische Hoffnung, Wut und Begehren, das sich durch ihre Eingeweide grub wie ein hungriger Wolf durch seine Beute. Die Finger eiskalt, nahezu völlig taub, und doch schwitzten sie, arbeiteten im eigenen Sud unruhig im Fellfutter der Handschuhe. Unfähig zu sprechen schluckte sie unentwegt zähen Speichel hinab, als ränge ihr Leib nach Wasser.
    Erst als die in der Nacht schwarz erscheinende Mauer des Dorfes weniger als zwei Dutzend Schritte vor ihnen auftauchte, lösten sich ihre Kiefer aus den festgefrorenen Ankern, um einen kräftigen Stoß angestauter Atemluft herauszulassen. Im etwas lichter werdenden Gehölz hielten sie inne, kauerten sich in den Schutz einiger Felsen und eines Baumes. »Kein Licht von der Mauer«, bemerkte Aela und hielt den Blick deutlich auf die Schutzanlage gerichtet.
    »Muss nichts heißen«, mahnte Skjor und erntete ein Nicken der Kaiserlichen.
    »Das Tor ist dort drüben.« Vesa deutete nach rechts. »Die Mauer sieht weitestgehend intakt aus, ich schätze, dass wir dort am ehesten ins Innere kommen.« Die Nord brummten leise, zumal irgendwann zu ihrer Linken ohnehin die Berge schroff in die Höhe schossen und ein Umrunden des befestigten Dorfs auf dieser Seite unmöglich machten. Ohne, dass es eines weiteren Kommentars bedurfte, setzten sie sich erneut in Bewegung. An den Fuß der Wehranlage geduckt, schlichen sie an dieser entlang, bis vor ihnen der bullige Aufbau eines Torhauses auftauchte. Das Dach teils eingerissen, Bretter und Latten hingen in Fetzen und an nur noch dünn wirkenden Fixpunkten hinab. Ein massiver, dunkler Schemen ragte aus dem Mauerdurchlass hervor. Das eigentliche Tor, wie Vesana im Näherkommen erkannte. Einige Stellen wirkten dunkler als der Rest, regelrecht versengt.
    Kurz vor dem Durchgang hielten sie inne. Windrauschen in den Ohren, das heftige, schmerzhafte Pumpen des Herzens in der Brust und das Dröhnen in den Adern hörend, verschnaufte die Jägerin und versuchte über all dem Lärm ihrer Gedanken und dem Umfeld auszumachen, ob sich auch nur irgendjemand hinter der Mauer aufhielt. Erst, als sie sich sicher fühlte, dass sie tatsächlich niemand Fremdes hörte, schob sie ihr Haupt langsam um die Ecke. Während auf der anderen Seite des Durchlasses der Torflügel schief in den Angeln hing, fehlte er auf ihrer Seite komplett. Das erleichterte es ihr.
    Mit der linken Hand immer am Gürtel, fest um den Griff eines der Dolche geschlossen, und die rechte bereit über die Schulter zu schnellen, beobachtete sie die Szenerie im Innern. Ebenso erleichtert wie bis ins Bein besorgt mahlte Vesa mit den Zähnen. Nur mühsam drängte sie das aufkeimende Unwohlsein im Bauch zurück und rang den Kloß im Hals hinab. »Soweit nichts zu sehen«, flüsterte sie schließlich und wandte den Kopf nach links. Auf den von der Kälte mitgenommenen Gesichtern zeichnete sich nichts als Entschlossenheit ab. Grimmig nickten sie.
    Schnell machte sich das Gespann daran, das Tor zu durchqueren, doch nach wenigen Schritten zischte Skjor im Fluch. Aela und die Kaiserliche zogen noch während sie sich zu ihm umdrehten die Dolche aus den Scheiden. Das metallische Schaben ging im Wind unter. »Was?«, hakte Aela nach als sich kein Grund erkennen ließ, die Stimme seidig-dünn. Ihr einäugiger Freund steckte überraschend tiefer im Schnee und kämpfte sich gerade erst wieder aus den weißen Fluten heraus. Schnaufend stampfte er einmal kräftig mit dem Fuß auf. Simultan blickten die Frauen nach unten.
    »Bin am Tor hängengeblieben«, erklärte Skjor schließlich, als sie es noch immer nicht begriffen. Entnervt schüttelte Vesana das Haupt, verstaute ihre Waffe und wandte sich nach vorn. Einige Häuser rahmten die Straße ein, allesamt wirkten sie mehr wie hohle Gerippe, denn wohnliche Bleiben. Im Näherkommen wusste sie auch, warum. »Ausgebrannt«, fasste es der Einäugige treffend zusammen.
    »Ziemlich heftiges Feuer, wenn es zwischen so weit auseinander stehenden Häusern übergesprungen ist«, meinte Aela als sie sich hinter eine der Ruinen duckten.
    »Leise«, maßregelte die Jägerin sie. »Wir sind noch nicht fertig.« Schweigen hielt Einzug und im Schutz der alten Häuser, wo der heftige Wind von außerhalb der Dorfmauern kaum noch Kraft zu besitzen schien, hörte sie auch wieder ihren eigenen Herzschlag, wie er ihren Gedanken den Takt gab. Angestrengt huschten ihre Augen über die Umgebung, entdeckten aber noch immer nichts. Kein Zeichen von irgendeiner Form von Leben. Nicht einmal wilde Tiere, die in den hohlen Gebäuden Zuflucht und Schutz vor der Witterung suchten. Die gespenstige Leere und Leblosigkeit dieser Nischen, die die Natur für gewöhnlich stets als erste neu besetzte, jagte Vesa mehr als nur einen unangenehmen Schauer den Rücken hinab.
    Dennoch setzten sie ihren Weg fort, folgten der Hauptstraße weiter ins Innere der Siedlung, vorbei an lose herumliegenden, verkohlten Balken, aus den Gebäuden herausgerissenen Möbelstücken und groben Steinblöcken, die wohl vom ziemlich übel mitgespielten inneren Mauerring stammten. Der Schnee lag zwar hoch genug, um kleinere Objekte vor Blicken zu verbergen, aber häufig genug blieb die Kaiserliche mit den Stiefelspitzen an irgendetwas hängen. Oft handelte es sich einfach um kleinere Trümmer, aber ab und zu wandte sie den Blick nach unten und entdeckte Metall oder gefrorenen Stoff. Unwillkürlich zog sie das Schwert aus der Scheide auf dem Rücken.
    »Ich hab‘ ein ganz mieses Gefühl hier«, verlieh Aela ihrer aller Gedanken Ausdruck. Auch die Nord zogen ihre Waffen, obgleich wohl keiner so recht wusste, wogegen sie sich eigentlich wehren wollten. Das weiße Leichentuch, das über diesem Massengrab lag? Das Flüstern des Windes? Oder vielleicht doch umfallende, verbrannte Dachbalken?
    »Schonmal einen Stadtbrand gesehen, der sowas anrichtet?« Skjor war stehen geblieben und scharrte mit den Füßen losen Schnee zur Seite. Vorsichtig, und die Augen ringsum wandern lassend, näherte sich Vesa, ebenso wie die rothaarige Nord. Als sich noch immer nichts regte, blickte sie nach unten und verzog das Gesicht in Ekel, schloss kurz die Lider, nur um gleich darauf wieder hinzusehen. Es war ein Mann, der dort im frostigen Weiß begraben lag. Die lederunterfütterte Kettenrüstung und der rote Waffenrock wiesen in als Legionär aus. Sein herausragendes Merkmal war allerdings das zur Hälfte vom Knochen geschmolzene Gesicht. Während die andere, unversehrte Hälfte lediglich Würmern und Maden ausgesetzt gewesen war, blieb die verbrannte Seite verschmäht und zeichnete ihm eine groteske Fratze. Auch das Leder der Rüstung auf der entsprechenden Körperseite war verkohlt oder geschmolzen, vermischt mit den weich gewordenen und letztlich wieder erstarrten Ringen des Kettenüberwurfs.
    »Was auch immer es war, jetzt ist es vorbei«, setzte Aela dem Thema ein Ende und wandte den Blick ab. Ihr angewiderter Unterton blieb der Kaiserlichen jedoch nicht verborgen. Dennoch behielt sie Recht, noch mussten sie den Rest des Dorfes auskundschaften, obgleich es ihr mittlerweile sicher schien, dass sie mit niemand sonst die Ruine für diese Nacht teilen mussten.
    Das Schwert an der Seite und in leicht gebückter Haltung führte Vesana die Gruppe letztlich weiter an, duckte sich in den Schutz einer bis auf die dicken Stützbalken ausgebrannten Ruine und huschte durch die Schatten weiter die Straße entlang. Sie kam nicht umhin, an die Erzählungen vor ein paar Tagen und die überall kursierenden Gerüchte zurückzudenken. Ein Drache sollte Helgen vernichtet haben? Die sich darbietende Verwüstung nagte an ihren Zweifeln.
    Beim bloßen Gedanken, dass die Erzählungen doch mehr sein könnten, als bloßes Gerede, machte ihr Herz eine Reihe unangenehm hektischer Sprünge. Mit dem Stechen in der Brust lehnte sie sich vorrübergehend gegen die Mauer eines Turms und spähte über den kleinen Platz, den er zusammen mit einem anderen, größeren Steinbau genau gegenüber überblickte. Ein großes Loch klaffte im Gemäuer des zweiten Turms, Trümmer verteilten sich nahe seiner Basis und die angrenzenden Häuser hatten sie wohl zum Teil mit eingerissen.
    Für einen Augenblick verschnaufte die Kaiserliche, die beiden Nord taten es ihr gleich. Das Gespenst des Todes, das über diesem Ort wachte, drückte schwer auf die Lungen, drohte regelrecht damit, sie zu ersticken. Die Schwertspitze stak in den gefrorenen Boden, als die Jägerin im Schnee kniete und den Blick schweifen ließ. Windgeschützt und in dichtem Schatten kauernd, wäre sie nicht einzusehen, sollte wider Erwarten jemand oder etwas über den Platz schlendern. Kurz schloss sie die Lider, atmete durch und versuchte, die Aufregung in den Adern niederzuringen, und ballte die Hände zu Fäusten. Grummelnd neue Entschlossenheit fassend, öffnete die Kaiserliche die Augen und wandte den Blick nach rechts, an der Seite des Turms entlang, wo der Platz aus ihrem Sichtfeld verschwindend noch etwas weiterführte.
    Noch im selben Moment setzte ihr Herz aus und sie stieß einen spitzen Schrei aus. Im Schrecken steif fiel sie nach hinten in den Schnee und schaffte es erst dann wieder, sich am Riemen zu reißen, als ihr kaltes Weiß von Oben ins Gesicht und am Hals entlang unter die Jacke rieselte. Skjor und Aela schwiegen, aber die Jägerin sah ihre glänzenden Klingen deutlich über ihr schweben, zum Stich bereit und als wären sie in der Luft festgefroren. Herzklopfen bis zum Hals und stoßweise verlaufender Atem plagten sie, als Vesana sich langsam aus dem kalten Pulver kämpfte. »Was ist los?«, zischte Skjor und senkte seine Waffe.
    Kommentarlos bedeutete ihm die Kaiserliche, ihr zu folgen. Nach wenigen Schritten hielt sie inne und blieb vor einer dunklen Wulst am Mauerwerk stehen. Vorsichtig stach sie mit dem Schwert danach, bis das Metall knirschend darin eindrang. »Stadtbrand, hm?«, meinte Skjor und ging noch einen Schritt auf die an die groben Steine gebrannte Leiche zu. Ob Mann oder Frau, es ließ sich nicht mehr erkennen. Die Knochen traten teilweise schwarz durch geschmolzene Haut und Fleisch hindurch, die Kleidung vor fortgebrannt und nur unter den Armen und zwischen den Beinen blieben verkohlte Fetzen. Was einmal ein Gesicht gewesen war, hing in erstarrten, zähen Tropfen vom Kiefer oder verband den Kadaver mit dem Mauerwerk in seinem Rücken, hielt ihn aufrecht und stabil am Stein.
    Erst allmählich beruhigte sich Vesas Herzschlag, als ihre Gedanken langsam begriffen, dass niemand neben ihr gestanden hatte. Kein Lebender, kein Untoter, sondern einfach nur eine völlig entstellte, qualvoll krepierte Person. Sie zog ihre Klinge aus der Brust der Leiche. »Lasst uns sicherheitshalber den Rest des Geländes erkunden«, mischte sich Aela ein und lief an den zwei angewidert auf die Überraste starrenden Gefährten vorüber. Wenn sich tatsächlich jemand in den Ruinen des Dorfes aufhielt, den Schrei der Jägerin hätte wohl niemand überhören können. Die anhaltende Stille zwischen den Mauern ließ darauf schließen, dass sie allein waren. Bei Vesana verstärkte das jedoch lediglich nur das schwerelose, flaue Gefühl in der Magengrube. Im Angesicht all der entstellten Leichen, die sich auf die Straßen und in den Ruinen der Häuser verteilten, wünschte sie sich tatsächlich mehr einem Banditen über den Weg zu laufen, als sich weiter gedanklich mit dem Grad der Verwüstung und den Opfern zu befassen.
    Langsam schlich das Trio schließlich weiter. Die rothaarige Nord übernahm die Führung, Vesa folgte und Skjor stellte unverändert das Schlusslicht. »Dort vorn scheint das Haupthaus der Wehranlagen zu sein«, flüsterte Aela und drückte sich gegen die innere Wehrmauer.
    »Scheint verlassen«, fasste die Kaiserliche zusammen, was sie sah. Wenig überraschend, aber dafür umso bedrückender. »Lasst uns hier hinten irgendwo einen vernünftigen Ort zum Übernachten suchen«, schlug sie nach einem Moment des eisernen Schweigens zwischen ihnen vor. Skjor brummte nur, Aela wandte sich kommentarlos um. »Ich hol schonmal die Pferde, sucht ihr eine Bleibe.« Vesana verstaute ihre Waffe in der Scheide auf dem Rücken und löste sich von ihren Kumpanen. Möglichst schnell pirschte sie Helgens Südtor entgegen, länger als nötig allein auf den gespenstigen Straßen zu wandeln entsprach nicht unbedingt ihrer Vorstellung von Vergnügen. Das unangenehme Ziehen im Bauch schlug sich dabei als unkontrolliertes Zucken einiger Muskeln in Nacken und Rücken nieder, jagte ihr einen Schauer nach dem anderen die Arme hinab und zeichnete irgendwann dunkle Schemen in die Nacht, die verschwanden, sobald sich die Jägerin zu ihnen umwandte. Manchmal entdeckte sie alte, nicht völlig steifgefrorene Stoffbahnen, die im Wind schwangen, oft genug blieb aber auch nichts als gähnende, schwarze Leere an der Stelle zurück.
    Kopfschüttelnd beeilte sie sich, das Dorf – nein, dieses Grab – zu verlassen. Es würde eine zweifellos wenig vergnügliche Nacht werden, das stand fest.



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    Geändert von Bahaar (12.04.2015 um 11:16 Uhr)

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