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Thema: UiD Remake Entwicklertagebuch (Update: 17.7.: Wahnfried Charakterportrait)

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  1. #11
    Ich werde jetzt einmal weiter ausholen, damit ich fortan, jedes Mal, wenn das Thema wieder hochkocht (und das wird es wahrscheinlich in regelmäßigen Abständen) einfach auf diesen Beitrag verweisen kann.

    WARUM DIE UID NEUAUFLAGE NICHT ZUM NULLTARIF ERHÄLTLICH SEIN WIRD

    1. (und wichtigstens): Weil sie sonst niemals existieren würde:
    Wir verbringen einen großen Teil unseres Lebens damit Geld zu verdienen. Dieses Geld ist nun mal notwendig, um uns und unseren nächsten das Leben zu ermöglichen. Wenn man Schüler/Student/arbeitlos/Teilzeit-beschäftigt/Single ist, hat man normalerweise ausreichend Zeit zur Verfügung - ich weiß wovon ich rede: Ich habe jedes Stadium davon schon durchgemacht. Das ändert sich dann, wenn man einem normalen Job (mein letzter hat mir inkl. Fahrtzeit 270 Stunden im Monat abgezogen), einen festen Partner und Kinder hat, weil auch die beiden letztgenannten Dinge verdienen, dass man ihnen Zeit widmet. Auch wenn es vielleicht nicht unbedingt zum Überleben wichtig ist. Am Ende des Tages bleibt, wenn es gut läuft, dann vielleicht noch eine Stunde übrig, die man sich zurückziehen kann, um einem Hobby nachzugehen. Rechnen wir mal aus: Das alte UiD hat mindestens 4000 Arbeitsstunden verschlungen. Würde ich es also heute, mit einer Stunde am Tag angehen, könnte ich heute endlich die Vollversion präsentieren - zumindest theoretisch, weil natürlich hätten sich in dieser Zeit meine Ansprüche ebenfalls geändert, ich hätte alles noch mal neu gezeichnet, gemappt etc. Außerdem gehöre ich zu den Menschen die eine gewisse Zeit brauchen, um in Fahrt zu kommen - der effektive Nutzen der besagten Stunde läge daher wahrscheinlich bei weniger als 50%

    2. Manche Situationen erfordern, dass man Verantwortung für andere übernimmt:
    Wir kennen das ja aus den populären Massenmedien - der anfangs rebellische/ziellose/naive/etc Held übernimmt die Verantwortung für seine Freunde/seine Hood/die ganze Welt. Die klassische Heldenreise eben. Bei mir findet das nur im Kleinformat statt. Ich muss Verantwortung für meine Familie übernehmen: Ich muss dazu beitragen, dass wir ein Dach über dem Kopf haben, ich muss meiner Freundin das Gefühl geben, dass sie für mich die einzig Richtige ist, ich muss für meinen Sohn dasein und ihm die Dinge beibringen, die ihm helfen später seinen Weg durchs Leben zu finden. Ich möchte das alles tun, weil ich selbst in einer Situation groß geworden bin, in der das alles nicht gegeben war. Meine Eltern haben sich früh getrennt. Mein Vater hat nie Allimente bezahlt. Meine Mutter hat mich parallel zu ihrem Studium aufgezogen und war damit völlig überfordert, was sie mir auch so deutlich gemacht hat, dass ich mich seit denken kann, als Ballast empfunden habe. Meinen Vater habe ich zwar später (12 aufwärts) gut kennen gelernt, aber eigentlich hatte ich nie das Gefühl, da einen Vater zu haben, der einen auch mal unterstützt, oder sich auch mal schützend hinter einen stellt. Als Student habe ich DM 350,- von meiner Mutter bekommen und das war's. Vom Staat gab es nichts, weil meine Eltern zu viel verdient haben. Ich habe mich zu einem egozentrischen, impulsiven, ziellosen jungen Mann entwickelt, der irgendwann doch noch die Kurve gekriegt hat. Aber es war ein sehr schmerzhafter Weg, bei dem die ganze Palette von Todesehnsucht, Alkohol- und Frauenproblemen durchlebt habe. Ich habe mich dann selbst wieder aus dem Sumpf gezogen, auch mit Hilfe meiner Freundin, die das Vorbild für Libra wurde. Auch wenn ich denke, dass mir diese Erfahrungen am Ende genützt haben möchte ich sie meinem Sohn nicht antun - denn es ist ein ziemlich schmaler Grat, bei dem auch einiges schiefgehen kann. Den Abschluss dieses Absatzes bildet das für mich zentrale Zitat aus dem kleinen Prinzen: "Vergiss das nie: Du bist für die Dinge verantwortlich, die du dir vertraut gemacht hast."

    Noch als Randnotiz: Ich habe ja hin und wieder mal erwähnt, dass die zentralen männlichen Hauptfiguren einfach Teile meiner Selbst sind, und dass ich davon ausgehe, dass sie deshalb so gut funktionieren: Grandy war das, wie ich mich verhalten habe, mit dem großen Vorteil eines verlorenen Gedächtnisses - das "verlorene Kind" spiegelt ebenfalls einen schmerzhaften Teil meiner Biographie wieder, Dankwart war das wohin ich mich entwickeln wollte und Malthur war ich in Reinform, nicht so toll, sexy und hochgewachsen, aber mit jeder Menge Verzweiflung, Auflehnung und Wut - mir wurde teilweise vorgeworfen, dass sich die Charaktere nich heldenreisemäßig entwickeln: Malthur ist der Charakter der den größten Entwicklungsprozess durchmacht, teilweise noch bevor er Auftritt und dann nach seinen Erfahrungen mit der Heldengruppe.)


    3. Spiele entwickeln und Geschichten erzählen ist für mich eine Leidenschaft:
    Es ist für mich das Schönste was es gibt; und wenn die Zeit, die Spieler mit dem Spielen von UiD verbracht haben (und diese Zeit hoffentlich genossen haben), hochrechne komme ich auf eine Zahl, die meine potenzielle Lebenszeit deutlich übersteigt. Das gibt mir das tolles Gefühl und ich denke, schon allein deswegen hat mein Leben einen Sinn gemacht.
    Ich möchte damit gerne weiter machen, aber aus den oben genannten Gründen ist das nicht möglich, wenn ich es umsonst mache. Es gäbe noch die Variante mich bei Firmen zu bewerben und hochzuarbeiten, aber ich will gar nicht so mobil sein, das zu tun. Ich möchte jetzt Wurzeln schlagen. Davon mal abgesehen bin ich zu alt und in diesem Bereich zu schlecht ausgebildet, um für eine Spielefirma interessant zu sein.
    Die einzige Möglichkeit, weiterhin Spiele zu machen, scheint mir, einen Beitrag dafür zu verlangen, der es mir ermöglicht, einen "anständigen" Job links liegen zu lassen, um mir die Zeit zu geben. Spiele zu machen, die es sich lohnt, zu spielen. Für London Gothic setze ich z.B. mindestens 6000 Stunden an, wahrscheinlich wird es mehr. Ich möchte das machen, weil ich an das Projekt glaube. Aber aus den oben genannten Gründen kann ich das Projekt nicht angehen - bei dem Aufwand wüsste ich ja nicht einmal, ob das Spiel auf der Windows Version von 2025 noch laufen würde.
    Auch hier gibt es abschließend ein Zitat von Seneca, das ein junger Mann für einen Dokumentarfilm, den ich vor sehr vielen Jahren für eine Bewerbungsmappe gemacht habe (die dann auch angenommen wurde), gesagt habe, als ich ihn danach gefragt habe ob es irgendein Motto im Leben gäbe, dass ihm in seinen dunklen Stunden hilft wieder aufzustehen und weiterzumachen. Er hat gesagt: " 'Umarme die Stunden'. Das ist eine Zitat von Seneca, glaube ich ... und heißt für mich, dass du alles im Leben kaufen kannst, nur keine Zeit."

    Geändert von Grandy (02.07.2012 um 02:00 Uhr)

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