Ich finde, bei der Entwicklung von Story und Charakteren sollte man erstmal ausblenden, dass es sich um ein Spiel handelt. Man kann hier sehr viel von Romanen und Autoren lernen und entsprechend werde ich das ganze aus dem Blickwinkel betrachten.

Was macht für euch eine interessante Heldenparty aus? Wie muss sie gestaltet sein, dass auch die Zwischendialoge interessant sind?
Das hängt mMn sehr stark davon ab welche Art von Geschichte erzählt werden soll. Wenn ich vom üblichen "Auserwählter rettet die Welt"-Fantasy Plot ausgehe finde ich es hilfreich (für den Autor) wenn einige der Mitglieder sich schon vorher evt. etwas länger kennen. Das erlaubt es zwischen diesen Personen die Kennenlern-Phase zu überspringen und direkte freundliche Bemerkungen oder Schlagabtäusche in die Dialoge einzubauen.
Wenn der "Auserwählte" dagegen neu zur Party hinzukommt (es handelt sich ja oft um eine junge oder sonst "ungebildete" Figur), schafft das einen interessanten Gegensatz und erlaubt es dem Spieler/Leser zusammen mit der Hauptfigur die restlichen Personen kennen zu lernen.

Gerade die Dialoge halte ich für sehr wichtig, gerade die üblichen Bemerkungen die man im normalen Leben einfach nebenbei macht fehlen oft. Aber gerade diese "dummen Bemerkungen" machen viel von der Lebendigkeit der Dialoge aus, oft sind es auch einfach witzige Kommentare die die Stimmung auflockern.

Welche zwischenmenschliche Konflikte baut ihr hauptsächlich in eure Party ein? Welche Klischees könnt ihr nicht mehr sehen? Was vermisst ihr in der Makerszene storytechnisch?
Inwieweit zwischenmenschliche Konflikte in der Party auftreten hängt sehr stark von der Art der Geschichte ab. Es ist problemlos möglich eine gute Geschichte zu erzählen ohne dass die Party einem sozialen Pulverfass gleicht.
Was ich allerdings wichtig finde sind freundliche Sticheleien, zwei Charaktere die vom äußeren Schein her sehr unterschiedlich sind (bspw. der harte Draufgänger und der wieselige Dieb), aber tatsächlich die dicksten Freunde sind und auf ihre Weise sich gegenseitig sticheln.

Was ich auch sehr gerne mag sind gut erzählte Liebesgeschichten. Schwierig zu schreiben und brauchen natürlich auch längere Zeit um sich zu entfalten, bildet aber einen sehr schönen Nebenstrang zur eigentlichen Hauptstory und zeigt natürlich, dass auch die Helden nur Menschen sind.

Habt ihr eher mehrere Hauptcharaktere, auf die ihr eure Ideen verteilt? Oder befrachtet ihr eher wenige Charaktere mit der Story im Sinne von "wir sind alle ein großes Netz"?
Ein Hauptcharakter und zentrale Nebenfiguren, die mit ihm zusammen die Hauptgruppe bilden. Das macht das Storydesign unglaublich einfacher, als wenn man mehrere Hauptcharaktere hätte, auf die man die Geschichte verteilen muss.
Der Leser/Spieler muss sich mit der zentralen Figur der Geschichte identifizieren und eintauchen in die Geschichte. Wechselt die Hauptfigur periodisch, wird er immer herausgerissen aus der aktuellen Situation und muss in eine neue eintauchen. Auch muss der Leser/Spieler sich hier mit mehreren Figuren gleichermaßen identifizieren - sowas ist machbar aber unglaublich schwierig, ich würde davon klar abraten. (Wieviele gute Fantasy-Romane kennt ihr, die mehrere tragende Hauptfiguren haben?)
Etwas anderes sind natürlich Nebenplots, die den Hauptplot streifen und die wiederrum ihre eigene zentrale Figur haben. Wichtig ist hierbei aber, dass die Nebenplots nicht zu sehr vertieft werden, zumindest nicht im selben maße wie der Hauptplot bzw. das sie in die Erzählung des Hauptplots mit eingebunden werden (in Dialogen oder kurzen Szenen) damit sie nicht zu sehr vom eigentlichen ablenken.

Wie visualisiert ihr emotionale Momente zwischen den Akteuren, bzw was gefällt euch in der Hinsicht? Wie baut ihr das ganze dialogmässig ein?
Hier zeigt sich, zumindest für mich, der größte Nachteil des Computer-RPGs im Geschichten erzählen gegenüber dem Buch. Im Buch ist es relativ einfach, durch die Sprache ein passendes Bild im Kopf des Lesers zu erzeugen, im Spiel erwartet der Spieler ein vorgegebenes Bild auf dem Monitor. Hier kann ich leider kaum etwas zu sagen.

Was stellt für euch der perfekte Gegenspieler /die perfekte Gegenspielerin dar?
Der Gegenspieler muss zum einen von seiner Ansicht überzeugt sein, sonst wirkt er nicht überzeugend. Der gegensätzliche Konflikt zwischen Protagonist und Antagonist muss nicht zwangsläufig "Gut gegen Böse" sein. Nicht unbedingt weil es abgedroschen ist, sondern weil hier zu sehr die Gefahr besteht, dass beide Seiten, vor allem aber der Antagonist, an charakterliche Tiefe verlieren, weil sie auf "Das Böse" reduziert werden.
Die Entwerfung eines Konfliktes, der sich nicht so einfach auf Gut gegen Böse reduzieren lässt, sondern bspw. einfach durch die Gegebenheiten des Lebens entsteht, taugt hier viel mehr um beiden Seiten die nötige Tiefe zu verleihen.
Kriege liefern zwar für Fantasy-Welten wunderbare Möglichkeiten als Rahmenbedingung, sollten dann aber auch aus nachvollziehbaren Gründen geführt werden. Also eher aus Resourcenmangel/Hungersnot oder ähnliches und nicht unbedingt als Eroberungskrieg um die Machtfantasien irgend eines bösen Herrschers zu befriedigen.

Stichwort: "Maulwurf". Für euch ein ausgelutschtes Stilmittel?
Es gibt keine ausgelutschten Stilmittel, nur schlechte Umsetzungen. Ein Verräter innerhalb der eigenen Party liefert wunderbaren Stoff für eine gute Geschichte, aber er muss natürlich von Anfang an entsprechend aufgebaut sein. Der Verrat muss nachvollziehbar sein und der Leser/Spieler sollte nicht unbedingt deswegen die Sympathie für den Charakter verlieren. Wichtig ist es hier das ganze so aufzubauen, dass die Sympathie erhalten bleibt und die Antipathie sich auf den eigentlichen Antagonisten des Verrates legt.

Stichwort: "Charakterentwicklung": Wie sollte sich in euren Augen ein Charakter /eine Beziehung verändern, das es glaubwürdig wirkt?
Natürlich =). Das ist schwierig in genaue Worte zu fassen, weil es einfach von vielen Faktoren abhängt. Davon was für ein Charakter es ist und welche Sachen er erlebt, wie seine Vergangenheit/Erziehung aussieht und so weiter.
Vielleicht schreibe ich, wenn ich Zeit habe, etwas mehr dazu. Nur soviel, die Charakterentwicklung muss zum Charakter passen und sie muss nicht immer sofort sichtbar sein. Oft kann es auch reichen wenn es eine subtile Änderung einer inneren Einstellung ist, die sich nur in wenigen Dialogen bemerkbar macht. (Zeigen sollte man die Änderung aber dann gegen Ende der Geschichte schon)

Stichwort:"Held": Wie steht ihr zum Heldentod in der Story? Wie findet ihr Antihelden? Baut ihr sie in euer Spiel ein, wenn ja welche Charakteristika schreibt ihr ihnen zu?
Schwierig, ein Heldentod ruft starke Emotionen beim Leser/Spieler auf (sollte er zumindest, falls nicht ist vorher was schiefgelaufen) und ist somit zentral zu berücksichtigen bei der Entwicklung der Geschichte. Wenn die Geschichte es verlangt, weil zB. andere Charaktere nur durch den Tod des Freundes "aufgeweckt" werden oder ähnliches, dann sollte man ihn schon reinbringen, aber rein aus Effekthascherei oder "ich muss zeigen, dass ich auch bereit bin zentrale Figuren zu töten" sollte man ihn nicht einbauen.
Eine gute Geschichte kann auch sehr gut ohne den Tod zentraler Figuren auskommen.

Der Einbau eines Anti-Helden verändert die Geschichte grundlegend und wandelt sie eigentlich in etwas völlig anderes. Ich mag klassische Fantasy und ich will auch gerne die Welt retten, insofern halte ich Anti-Helden hier für fehl am Platz. Genauer gesagt, nicht mein Geschmack.

Soviel erstmal von mir, wer sich wirklich intensiv mit Story-Design/Charakter-design und ähnlichem auseinander setzen will, sollte das ganze wirklich aus Autor-Sicht betrachten. Denn die grundlegenden Konzepte sind diesselben, egal ob ich die Geschichte in einem Buch erzähle, oder in einem Spiel.
Das Fantasy-Genre ist auch im Buch-Bereich beliebt und es gibt Unmengen an Literatur und Hilfen im Netz für diese Fragen.