-
Veteran
Sonnenstrahlen schienen durch die hohen Fenster der Schlossbibliothek und hüllten den drei Etagen umfassenden Saal in warmes Zwielicht. Hier und dort sah man Staub in der Luft umher wogen, welche von den Gerüchen trockenen Pergaments und frischer Tinte durchzogen war. Selbstverständlich herrschte bedächtige Stille vor, in der man lediglich den leichten Hall von Schritten auf dem hellen Steinboden, das Kratzen von Federn oder das Rascheln von umgeschlagenen Seiten vernehmen konnte. Nichts an dieser Ruhe wirkte gezwungen. Natürlich und unaufdringlich drang sie einem unbemerkt in den Geist, wo sie den Eindruck von Alter und Erhabenheit vermittelte, vom Wissen der Jahrhunderte und von Träumen, sowie Ideen Tausender. Es war eine Atmosphäre, die Kazan seit nunmehr zehn Jahren umgab und sein Innerstes ausfüllte. Er hatte sie kennen und schätzen gelernt, doch er liebte sie nicht, denn er hatte sie nie freiwillig für sich gewählt.
Zehn Jahre seines Lebens hatte er Arbeit verrichten müssen, die ihm zwar sehr gefiel, aber der er auch zu keiner Zeit entkommen konnte. Es gab nur wenig Abwechslung, kaum leichtsinnige, abenteuerliche Arten seine wenige freie Zeit zu verbringen. Sehnsüchtig hatte Kazan an ein anderes Leben gedacht. Ein Leben, in dem Literatur und Sprachen weiterhin eine wichtige Rolle einnahmen, in dem er jedoch frei war, zu tun und zu lassen, was und wann und wo er wollte. Ein Leben, das nicht von der hylianischen Monarchie beherrscht war und von den veralteten Traditionen und Gebräuchen, die damit verbunden waren. Etwa das Steuer- und Strafsystem, welches seine Eltern gezwungen hatte bei der Wahl zwischen ihrem persönlichem Besitz und einigen Jahreswechseln ihres Sohnes die vernünftigste Entscheidung zu treffen. Kazan konnte sie natürlich verstehen und machte ihnen keinen Vorwurf. Zumindest redete er sich dies gerne ein. Tatsache war, dass irgendwo in seiner Vorstellung ein Mann und eine Frau für ihr Kind eingetreten waren und sich der Staatsmacht entgegengesetzt hatten. Nun, er hatte eine recht blühende Phantasie, war bis zum jetzigen Zeitpunkt ein Träumer und Romantiker geblieben. Den Bezug zur Realität hatte er allerdings niemals verloren. An jedem Morgen, sobald er aufwachte und sich auf seinem Schlafplatz in den Räumen der Bediensteten aufrichtete, wusste er, dass ein weiterer Tag anbrach, der dazu diente die Schulden der Familie abzuarbeiten. Ein weiterer Tag in Unfreiheit.
Wie gut, dass dies mit dem nächsten Tag ein Ende haben würde, dachte der junge Bibliothekar zufrieden und schritt einem verloren wirkenden Mann mittleren Alters entgegen, welcher sich scheinbar ziellos in den weiten Räumlichkeiten umblickte.
Kazan trug das schlichte graue Gewand der hylianischen Bibliothekare, auf dem aufgesticktes Triforce und Adler den Dienst an der Krone signalisierten. Der goldene Ton des heiligsten aller Relikte und das sanfte Violett des stolzen Vogels schienen das einzig Farbige an seiner Erscheinung zu sein, da selbst sein Gesicht blass und hintergründig erschien.
„Kann ich Euch behilflich sein, guter Mann?“, fragte er den Herren, welcher sich kurz verbeugte und um Verzeihung bat. Wahrscheinlich handelte es sich um einen Bediensteten, der im Auftrag seines Herrn gekommen war. Menschen, die es gewohnt waren Anderen zu dienen, erkannte man meistens recht gut, dachte Kazan. Tatsächlich bestand das Anliegen des Mannes darin, ein Buch für den Sohn eines Adligen zu besorgen, dessen Familienname dem Bibliothekar seine Unbedeutendheit verriet. Er kannte alle namhaften und weniger berühmten noblen Familien des Landes, eine überschaubare Zahl, weil der hylianische Adel über die Jahre hinweg immer weiter dahin geschmolzen war.
„Mein Herr trifft in wenigen Tagen in der Stadt ein und bezieht den Zweitsitz seiner Familie. Sein Sohn liebt dieses Buch, es würde ihm gewisslich große Freude bereiten, wenn ich ihn damit überrasche!“
„Das glaube ich gerne, wer mag sie nicht, die Geschichte um den Helden der Zeit und seinen Kampf gegen den schrecklichen Großmeister des Bösen? Folgt mir bitte.“
Flüchtig fragte sich Kazan in Gedanken, ob der Mann selbst Kinder hatte und weshalb er so bereitwillig Leuten, die eindeutig über ihm standen, gar über ihn verfügen konnten, eine derartige Geste zukommen ließ. Die Bibliothek war ihm über die Jahre hinweg so vertraut geworden wie nichts Anderes und so hatte er rasch das gesuchte Schriftstück herausgeholt und die Verleihungsförmlichkeiten erfüllt. Abschließend geleitete er den Diener hinaus, wo er in einiger Entfernung eine Handvoll Wachen in offensichtlicher Eile den Gang durchqueren sah.
Was wohl geschehen sein mochte, dass sie so zügig ausschritten? Was auch immer es jedoch war, wichtig mit Sicherheit nicht. Nicht für ihn. Denn am kommenden Tag würde er sein letztes Monatsgehalt ausbezahlt bekommen, mit dem er den letzten Rest der Schulden zurückzahlen würde, um anschließend das ungeliebte Schloss, sein aufgezwungenes Zuhause während der letzten Jahre, verlassen zu können. Danach würde er frei sein und dafür sorgen, dass dies auch so blieb. Nie wieder wollte er sich derartig Zeit stehlen lassen, nie wieder sollte jemand versuchen ihn zu beherrschen.
Stichworte
Berechtigungen
- Neue Themen erstellen: Nein
- Themen beantworten: Nein
- Anhänge hochladen: Nein
- Beiträge bearbeiten: Nein
-
Foren-Regeln