Was ihr hier gerade vor euch seht ist ein Tutorial, das euch bei der Entwicklung eures Spieles helfen soll. Fast alles was es gleich zu lesen gibt, basiert auf meinen eigenen Beobachtungen, Vorstellungen und Erfahrungen, die ich beim Entwickeln meiner Spiele und dem Spielen anderer Makerspiele gesammelt habe - also ist der Text dementsprechend subjektiv gefärbt. Außerdem behandelt das Tutorial nur das Genre Rollenspiel (um genau zu sein story-intensive Rollenspiele). Falls ich etwas Wichtiges vergessen habe oder es Grund zur Kritik gibt, seid ihr gerne dazu eingeladen etwas zum Tutorial zu schreiben.


Gliederung
1. Die Geschichte und das Geschichtenerzählen
1.1. Grundsätzliche Planung
1.2. Setting
1.3. Charaktere
1.4. Handlung
1.5. Erzählen und inszenieren
2. Die Spielmechanik
2.1. Spielbarkeit
2.2. Abwechslung
2.3. Balancing
2.4. Innovation


1. Die Geschichte und das Geschichtenerzählen
Ich werde hier nichts über den Aufbau einer Geschichte schreiben. Kann ich gar nicht, hab keine Ahnung davon. Deswegen schreibe ich lieber über die Planung, Missstände der Makerspiele und die üblichen Denkfehler.

1.1. Grundsätzliche Planung
Einer der größten Fehler ist es die Geschichte erst während des Makerns zu schreiben. Ich will nicht sagen, dass es gar nicht geht, aber meistens kommt dabei eine sprunghafte und zusammenhangslose Handlung heraus. Um diese Lücken zu vermeiden, ist es besser die Geschichte bevor ihr dem Makern angefangt von Anfang bis Ende zu planen.

Aber muss ich dann gleich einen Roman schreiben?
Nein, um Gottes Willen, ihr wollt ein Spiel entwickeln und kein Buch schreiben. Es reicht aus die Handlung grob zu skizzieren. Vielleicht in Form eines Drehbuches. Ich mache es so, dass ich quasi Regieanweisungen aufschreibe. "Der Charakter sagt das und das", "Der Charakter macht dies und jenes" usw. Die Dialoge kann man später ausformulieren. Aber in einer Textdatei (für Rechtschreibschwache bietet sich ein Programm mit Autokorrektur an), nicht erst in den Textboxen vom Maker, damit man den Überblick über den ganzen Dialog behält.

1.2. Setting
Idealerweise entscheidet man sich vor dem Schreiben der Story für das Setting, obwohl man so gut wie jede Geschichte an jedes Setting anpassen kann. Im Prinzip müsst ihr selber wissen was ihr für ein Setting nehmt, aber eines sollte euch klar sein; der Spieler mag Abwechslung. Gerade die beliebte Standardfantasy ist so ausgelutscht, dass sie alleine keine Begeisterungsstürme mehr auslösen wird. Dabei ist es eigentlich gar nicht so schwer ein etwas weniger generisches Setting zu finden. Natürlich fallen einem die Grafiken für die unorthodoxen Settings nicht in den Schoss, aber man braucht keine besonderen Pixelfertigkeiten, um dieses Problem zu lösen. Meistens reicht es aus die Grafiken etwas zu editieren.

1.3. Charaktere
Die Charaktere sind wohl das Herzstück einer Geschichte und deswegen solltet ihr bei der Planung mit ihnen auch anfangen. Ich werde wieder nicht schreiben wie man Charaktere im Detail aufbaut, weil ich das nicht kann, aber ich möchte zumindest einige Ratschläge geben.

Alle Charaktere müssen Hintergründe haben. Mindestens ein Trauma, tote Eltern, zerstörte Dörfer, verlorene Erinnerungen usw.
Leider viel zu pauschalisiert, denn Hintergründe sind nur dann nötig, wenn sie für die Geschichte oder eher gesagt für die Charakterentwicklung eine Rolle spielen. Eine Story in Form eines Bildungsromans ist sicherlich interessant, aber dann muss man auch die ganze Handlung darauf auslegen und das Thema nicht nur als Randnotiz beim epischen Konflikt gegen den Overlord of Evilness einsetzen. Wenn es einen dunklen Punkt in der Vergangenheit der Helden gibt, dann sollte er auch in der ganzen Geschichte präsent sein, ausgespielt werden und zur Charakterentwicklung beitragen.

Und deswegen dürfen die Charaktere nicht klischeehaft sein!
Warum? Wenn die Geschichte selber auch nicht besonders anspruchsvoll und glaubwürdig ist, dann stören klischeehafte Charaktere nicht. Hat jemand schon mal Popcornkino mit tiefgründigen Charakteren gesehen? Wichtig ist, dass die Charaktere zur Geschichte passen.

Das Spielerherz in mir sagt: Die Charaktere müssen sympathisch sein. Das steht an erster Stelle. Weit vor Plausibilität und Tiefgründigkeit. Ich kann euch nicht sagen wie man erreicht, dass die Figuren sympathisch sind, denn das hängt viel stärker als die Wahrnehmung von Tiefe vom persönlichen Geschmack ab. Allerdings lassen sich bestimmt irgendwelche Schnittmengen finden und selbst einfach gestrickte Figuren sind wohl besser, als wenn die Protagonisten gar keinen Charakter haben. Wenn die Geschichte selber eine gewisse Tiefe haben soll, müssen die Figuren natürlich auf einem ähnlichen Niveau sein und in diesem Fall kann ich euch nur an irgendwelche Charaktertutorials verweisen, das übersteigt meine Fähigkeiten. Aber für die meisten Spiele sind solche "guten" Figuren gar nicht notwendig. Es reicht aus, den Charakteren eine kleine Menge an positiven und negativen Eigenschaften zu geben, die besonders wenn sie überzeichnet werden, den Protagonisten schon genug Eigenleben einhauchen. Auch stereotype Figuren können bestens unterhalten, wenn sie nur gut rübergebracht werden. Dafür sollte einen aber zumindest klar sein, dass sie stereotyp sind, dann kann man mit den Klischees nämlich gut herumspielen.

1.4. Handlung
Wie gesagt werde ich euch nicht erzählen wie man eine Geschichte mit all ihrer Dramaturgie aufbaut. Auch hier bieten sich Tutorials von Leuten an, die sich mit der Materie auskennen. Ihr solltet nur darauf achten, dass eure Geschichte einen roten Faden besitzt. Klar, sie wird ständig vom Gameplay unterbrochen, aber das heißt nicht, dass die Szenen in keiner Beziehung zueinander stehen dürfen. Gerade bei Spielstories bietet es sich nicht wirklich an auf eine episodische Handlung zurückzugreifen. Um dennoch etwas Farbe ins Spiel zu bringen, kann man die typische "Reise-Story" nehmen. Ob man nun die x heiligen Artefakte einsammeln muss, irgendjemanden verfolgt, sucht oder aufsuchen will, spielt dabei keine große Rolle. Hauptsache die Gruppe reist viel durch die Welt. Und die Geschichte muss sich auch nicht immer um einen epischen Konflikt drehen.

Nehmt bloß keine Rachestory!
Rache ist ein viel glaubwürdigeres Motiv als das Retten der Welt und ich hab noch kein Makerspiel mit einer klassischen Rachestory gesehen. Dabei gibt es genug Vorbilder, s. Conan oder Claymore. Rache als Motivation könnte zumindest der Grund für die Reise des Helden sein. Ich hab Rache jetzt nur als Beispiel gewählt, man könnte auch einen anderen Begriff nehmen, denn eigentlich geht es darum, dass die vermeintliche Ausgelutschtheit vieler Themen (mit Ausnahme vom folgenden Absatz) nur eine Makerlegende ist.

Stattdessen könnte man aber auch einen Krieg zwischen zwei Königreichen mit ganz vielen politischen Intrigen nehmen!
Ja, das könnte man, aber nachdem diese Thematik in der Makercommunity anscheinend zum Ersatz für klassische Heldengeschichten erklärt wurde, handelt jedes zweite Spiel davon. Außerdem ist es für diese Art Konflikt nötig sich mit Politik, Herrschaftsformen, Ständesystemen usw. etwas auszukennen, denn solche Geschichten wollen glaubwürdig sein. Das Thema eignet sich nicht wirklich für epische High Fantasy.

1.5. Erzählen und inszenieren
Kommen wir nun zum mMn wichtigsten Punkt. Eine Geschichte auf Papier ist schön und gut, aber ein Spiel ist kein Roman, also muss sie irgendwie in Filmszenen und Dialoge umgewandelt werden. Obwohl der Maker von Haus aus natürlich sehr wenig Mittel zur Verfügung stellt, kann man auch mit diesen eingeschränkten Möglichkeiten viel mehr aus der Story machen, als es im Moment in der Makercommunity getan wird. Auf was sollte man besonders achten?
  • keine zu kurzen Dialoge. Man kann sich eine noch so tolle Handlung und noch so gute Charaktere ausdenken; gibt man beidem nicht die Möglichkeit sich zu entfalten, war die ganze Mühe umsonst und die Geschichte wird fader als ein in Wasser aufgeweichtes Toastbrot. Das heißt nicht, dass man ins Geschwafel abdriften muss, aber die Dialoge sollten zumindest so umfangreich sein, dass sie die Stimmung der Szene und die Gefühlslage der Charaktere gut vermitteln können.
  • Animation! Spiele sind mit dem Film stärker verwandt als mit dem Buch, also sollte man auch die Mittel dieses Mediums einsetzen. So begrenzt die Gestik der kleinen Pixelklumpen auch ist, sind selbst kleine Animationen besser als gar keine. Für besonders wichtige Szenen kann man sogar - wie Grandy es in UiD gemacht hat - auf große Bilder zurückgreifen. Nicht vergessen wollen wir das Spektakel, das besonders bei epischen Heldengeschichten niemals fehlen darf. Hier ist das effektvolle Intro von Velsarbor ein gutes Vorbild.
  • Das auch beim nächsten Punkt gleich angebracht werden kann, denn ein rasanter Einstieg in das Spielgeschehen fesselt den Spieler leichter als die Vertröstung, dass nach dem langatmigen Anfang später ganz tolle Szenen folgen. Natürlich muss nicht jedes Spiel spektakulär beginnen. Wenn die Handlung sowieso ruhig ist, kann ein ruhiger Einstieg diese Stimmung sogar unterstreichen. Gibt es aber viel Action, ist ein Intro wie bei Velsarbor auf jeden Fall besser. Unabhängig vom Tempo der Geschichte sollte man die stereotypen Einstiege vermeiden. Also so was wie: Held wacht im Heimatdorf auf und muss erstmal belanglose Sidequests (Suche der Brille vom Opa usw.) erfüllen.
  • die Stimmung des Spieles sollte von den Szenen unterstrichen werden. Je nachdem ob die Szene heiter, traurig, dramatisch, romantisch oder was auch immer ist, müssen Musik, Grafik und Dialoge eine bestimmte Atmosphäre erzeugen. Die Wirkung der Szene steigt wirklich ungemein, wenn die richtigen darstellerischen Mittel eingesetzt werden. Davon wird in Makerspielen leider nur sehr selten Gebrauch gemacht, vor allem die Grafik wird sehr stiefmütterlich behandelt, deren Zweck sich auf das "gut aussehen" beschränkt. Was dieses Gebiet angeht, kann man sich auch schon mal bei entsprechenden Filmen inspirieren lassen.
  • Stilmittel des Filmes lassen sich nämlich auch auf den Maker übertragen. Bei manchen Szenen bietet es sich ruhig mal an kreativ zu sein. Wie wäre es mit interessanten Schnitten, surrealen Szenen oder Allegorien? Das passt natürlich nicht zu jeder Geschichte. Bei subtilem Horror, bei dem die Wahrnehmung des Helden nicht immer zwischen Wahn und Wirklichkeit unterscheiden kann, wäre es aber vielleicht gar nicht mal so schlecht.


Abschließend bleibt nur noch zu sagen, dass eine gute Inszenierung über viele Schwächen der Handlung (inklusive der Klischeehaftigkeit) hinwegsehen lässt, also sollte man, selbst wenn man nicht besonders gut schreiben kann, immer versuchen mit der Inszenierung so viel wie möglich rauszuholen.

2. Spielmechanik
Ein Spiel ist kein Film, also gibt es immer ein gewisses Maß an Interaktivität, von der das Spielvergnügen abhängt. Jeder kennt den Vergleich: Ein Spiel mit schwacher Story und gutem Gameplay wird eher gespielt, als eines mit schlechtem Gameplay und guter Story. Aber was unterscheidet gutes von schlechtem Gameplay? Die Frage ist leider nicht so einfach zu beantworten, weil der Geschmack hier auch eine nicht unwesentliche Rolle spielt. Trotzdem gibt es einige grundsätzliche Dinge, auf die man achten sollte.

2.1. Spielbarkeit
Einmal mehr begegnen wir dem Problem, dass der Maker großen technischen Einschränkungen unterliegt. Bevor man also die tollsten Features einbaut, sollte man sich überleben, ob man sie überhaupt umsetzen kann und ob sie sich auch gut spielen lassen. Es bringt nichts, wenn die Mitstreiter per KI gesteuert werden, aber jeder Schritt eine Minute dauert, weil der Maker solange rumrechnen muss.

Ich mache das Spiel aber auf einem Supercomputer der NASA!
Ja, aber man sollte davon ausgehen, dass die Spieler auch ältere Rechner zuhause stehen haben. Es ist besser ein wenig kürzer zu treten, als einem großen Teil der Spieler vor den Kopf zu stoßen.

Und es geht ja nicht nur um die Performance, sondern auch darum, ob sich das Gameplay-Element über einen langen Zeitraum gut spielen lässt. Was am Anfang innovativ und spannend wirkt, kann dem Spieler nach mehreren Stunden schon zum Hals raushängen. Damit komme ich auch schon zum nächsten Punkt.

2.2. Abwechslung
Die Spielmechanik sollte abwechslungsreich sein. Damit meine ich natürlich nicht, dass man bei Sidequests nur die Gegenstände nach denen der Spieler suchen muss austauscht. Es sollte schon etwas größere Unterschiede zwischen den Aufgabenstellungen geben. Die Möglichkeiten sind fast unendlich: Rätsel, Geschicklichkeitseinlagen, Minispiele, spielumfassende Sidequests, alternative Kampfsysteme usw. Man sollte sich darüber im Klaren sein, dass jedes Gameplay-Element sich irgendwann abnutzt. Also lieber etwas neues ins Spiel bringen, bevor sich der Spieler langweilt. Ganz Experimentierfreudige können sogar ein "verzweigendes Gameplay" ausprobieren. D.h. der Spieler erhält die Möglichkeit, unterschiedliche Gameplayrouten oder sogar -schwerpunkte auszuwählen (s. A Blurred Line).

2.3. Balancing
Ich hab schon öfters Makerspiele gespielt, bei denen es mir so vorkam, als hätten die Entwickler das Spiel selber nie angefasst. Sonst hätten sie bemerkt, dass schon der erste Gegner nur mit großer Anstrengung besiegt werden kann und der Held danach vom zweiten Gegner mühelos getötet wird, weil man weder eine Möglichkeit zum Speichern noch zum Heilen hat. Jeder Entwickler sollte sein eigenes Spiel mindestens einmal von Anfang bis Ende ohne Cheats durchspielen. Da man die Lösung der Rätsel und auch die Schwächen der Gegner kennt, müssen zusätzlich noch neutrale Betatester her; am besten Leute auf die man sich verlassen kann. Obwohl das eigentlich selbstverständlich ist, will man den Spielern doch kein bug-verseuchtes Spiel zumuten. Auch vor den Tests kann man schon etwas für die Spielbalance tun. Versetzt euch in den Spieler rein. Ist die Lösung vom Rätsel wirklich so offensichtlich oder benötigt man noch mehr Hinweise? Sollten es nicht ein paar weniger Gegner im Abschnitt sein? Ist der Endgegner auch besiegbar, wenn der Spieler nicht die Rüstung die vor Feuer schützt gefunden hat?

2.4. Innovation
Man kennt es ja von den kommerziellen Spielen, es kommen immer wieder neue Gameplay-Elemente bzw. sogar neue Gameplay-Systeme hinzu und selbst wenn der Maker ziemlich große Einschränkungen besitzt, ist es auch bei ihm möglich innovativ zu sein.

Genau, mit dem supertollen Custom Battle System Deluxe!
Das sich genauso wie das Standard-Kampfsystem spielt. Features sollten kein Selbstzweck sein, sie müssen den Spielspaß erhöhen. Ein einfach nur um 90 Grad gedrehtes Kampfsystem macht das nicht.

Dann eben ein Harndrang-Script!
Das mag innovativ sein, ist aber eines der Features von denen ich erstens hoffe, dass sie niemals in ein RPG eingebaut werden und das zweitens dem Spieler rein gar nichts bringt. Er muss einen weiteren Statuswert überwachen, ohne dass damit eine Fähigkeit verbunden ist, es sei denn der Held kämpft mit leerer Blase besser.

Bin ich wenigstens dann innovativ, wenn ich kommerzielle Spiele 1:1 adaptiere?
Leider nein, ich würde das sogar anti-innovativ nennen.

Wenn man etwas Innovatives machen will, dann sollte man sich bestenfalls von anderen Spielen inspirieren lassen. Je mehr Eigenarbeit hinter der Idee steckt, desto besser. Dann kann man sich zu Recht für die Idee feiern lassen.

Damit habt ihr dann auch schon das Ende vom Tutorial erreicht, das sicherlich umfangreicher hätte ausfallen können, aber für den Anfang sollten die Ratschläge erstmal reichen und eigentlich sind sie ja sowieso nur als Denkanreiz gedacht. Es kann nie schaden, sich Gedanken über sein Hobby zu machen und ein wenig Selbstkritik ist auch nie fehl am Platze. Das war's.