Interessante Eindrücke, auch speziell die Unterschiede zum Manga – danke dafür.
Ich würde dir bei den meisten Punkten zustimmen, wobei das Ende des Animes dann doch sehr aus dem nichts kam. Es hat vorher wenig darauf hingedeutet, dass Rikuo wirklich Interesse an Haru hatte und imo ist auch seine Obsession mit Shinako kein wirklich guter Grund, warum es in diese Richtung nicht zumindest etwas Foreshadowing gab.
Die Trennungsszene hingegen fand ich sehr gut. Generell ist die Beziehung zwischen Rikuo und Shinako, obgleich natürlich frustrierend, der faszinierendste Teil an der Serie. Mir fällt ehrlich gesagt kein anderer Anime ein, der sich so unangenehm realistisch angefühlt hat. Generell gibt es nur sehr wenige Animes, die Beziehungen überhaupt beleuchten und dann sind es auch meist idealisierte Beziehungen ("wish fulfillment") oder aber das komplette Gegenteil, hartes Melodrama. Hier hatte man dann eher behutsames, einfühlsames Drama, das mit sehr viel Detail gezeigt hat, dass eine Beziehung eben mehr als aus "Liebe" und "Streit" besteht und ja "Liebe" selbst auch keineswegs nur eine Ausprägung hat. Diese Komplexität hat die Serie imo deutlich erwachsener gemacht, als man es typischerweise von Animes kennt.
Natürlich gab es dann aber so typische Drama-Klischees, die diesen Eindruck dann wieder etwas reduziert haben. Du hast es ja schon angesprochen, die Charaktere treffen sich immer mal wieder in denkbar ungünstigen Situationen. Es eskaliert zwar nie so richtig, aber strapaziert die Glaubwürdigkeit auf Dauer natürlich schon.
In dem Sinne sind Rikuo und Shinako definitiv das Herzstück des Animes. Dass ihre Beziehung nicht so recht funktionieren will, ist ja beidseitig und das stellt die Serie imo auch gut da. Vermutlich ist Shinako ein Charakter, den viele Anime-Fans hassen werden, nicht zuletzt weil sie Haru bevorzugen, aber ja, Rikuo ist in vielerlei Hinsicht nicht besser.
Meine Befürchtung, dass Haru relativ eindimensional und idealisiert bleibt, ist letztlich leider auch wahr geblieben. Zwar hat man ziemlich viel Introspektion, die sie als Figur definitiv sympathisch machen und vielleicht auch eine gewisse Tiefe geben. Aber letztlich bleibt sie bis zum Schluss das süße, leicht verschrobene Mädchen, das Rikuo bedingungslos aufgrund eines Vorfalls liebt, was ziemlich an den Haaren herbeigezogenen wirkt. Ich will es nicht schlechter reden, als es ist. Aber hier braucht man halt einiges an Suspension of Disbelief. In dem Sinne ist Haru eher ein gewöhnliches "Anime-Mädchen", während die anderen Charaktere wegen des geringen Idealisierungsgrades vielschichtiger wirken.
Insgesamt aber definitiv eine schöne Serie, insbesondere auch was die Regie angeht. Die Szene auf der Bank in der letzten Folge war beispielsweise ganz ohne Musik und auch die Kameraeinstellungen, Körpersprache und das Voice Acting war klasse. Auch am Ende dann beim Geständnis fand ich Rikuo richtig klasse Umgesetzt – schöne, glaubwürdige Dialoge, viel Stottern und so weiter. Er ist und bleibt halt awkward.
Ich weiß gar nicht mehr, wann ich das letzte mal eine Anime-Romanze so interessant fand. Tsuki ga Kirei hat da einen ähnlich realistischen Ansatz gewählt, war aber natürlich viel „reiner“ in dem Sinne, dass es um Mittelschüler ging. Ansonsten fällt mir seit Honey & Clover eigentlich nichts mehr ein, was sich um Erwachsene gedreht und einen bodenständigeren/facettenreicheren Ansatz wählt.
Ach ja, und wie interpretierst du die letzte Szene mit Shinako und Rō? Das hat mich ehrlich gesagt sehr gestört. Der Psycho-Blick impliziert ja irgendwie, dass sie romantisches Interesse an ihm hat, was sich aber wenig mit ihrem vorherigen Aussagen deckt. Vielleicht sollte es auch eher ein Comedy-Moment sein, aber dann hat er bei mir nicht gezündet, zumal es haargenau der gleiche Blick war, den Shinako und Haru hatten, als diese eine Frau mal bei Rikuo übernachtet hat.
Glaube, hier hast du schon die Antwort.Zitat
In einem Werk, das auf eine männliche Zielgruppe ausgelegt ist, darf ein süßes Mädchen den Normalo-MC ruhig stalken. Würde mal annehmen, dass es auch in Mangas mit weiblicher Zielgruppe ab und zu mal heiße, männliche Stalker geben dürfte.