Eryn wurde erst auf die Lichtsignale aufmerksam, als Evi sie einweihte. Es waren diese Momente, die echte Kämpfer von der Barfrau unterschieden. Wahrnehmung. Eine nicht zu vernachlässigende Fähigkeit. Vielleicht traf auch sie Dosen - und womöglich Zombies - mit einem Gewehr, doch niemals hätte sie das von sich aus für mehr gehalten als die Sonne, die auf die staubigen Straßen des ehemaligen San Antonio scheint.
"Ich lass dich bestimmt nicht alleine los."
Sie musterte die Taucherin noch einmal, vergewisserte sich, dass sie wieder in Ordnung war, nachdem sie zuvor wirkte, als würde sie sich jeden Moment übergeben müssen oder auf der Stelle umkippen. Es war fast beängstigend, eine so starke Frau wanken zu sehen. Eryn selbst wurde womöglich nur noch vom Adrenalin gehalten, das sich bei jeder möglichen Gefahr durch ihren Körper pumpte. Oder durch den Virus, der vielleicht das selbe tat. Sie fragte sich, wie lange sie wohl noch hatte. In Anbetracht der möglichen Infektion war es mehr als töricht gewesen, diesen zusätzlichen Schritt in Richtung Alamodome machen zu wollen. Vielleicht wären genau das die Stunden - oder Tage -, die ihr fehlen würden, um selbst noch rechtzeitig an das Heilmittel zu gelangen und einer Verwandlung zu entgehen.
Doch sie konnte nicht aus ihrer Haut. Sie hatte das Gefühl, die Rettung der anderen sogar unbedingter, kompromissloser zu wollen als die, die mehr zu verlieren hatten. Und egal, was es bedeuten würde; sie stand noch immer zu ihrer Meinung. Wenn sie auch bereit war, zu vergessen, dass andere nicht nur zögerten.
"So wie du eben aussahst." Sie lächelte, wollte auf keinen Fall, dass Evi ihren Kommentar als böse Spitze verstand. "Du bist angeschlagen... ich habe quasi gerade erst gelernt, wie man eine Waffe bedient. Vielleicht sollten wir noch jemanden mitnehmen. Nur um sicher zu gehen..."
Spätestens nachdem die kampferfahrene Frau die Westen erwähnte, hatte Eryn eins und eins zusammenzählen können. Das Problem war nicht, dass Evis Körper aufgab, sondern die Angst um die Freunde ihr auf den Magen schlug. Vielleicht besonders die Angst um Sheng. Trotzdem hielt die Irin es für das Beste, nicht zu zweit zu gehen. Immerhin konnten sie nie wissen, was sie auf dem Weg zum Einkaufszentrum sehen würden.
Evi nickte. Sie hielt es also ebenfalls für eine gute Idee. Die ehemalige Kellnerin stand auf, reichte Evi dann die Hand, um sie hochzuziehen. Natürlich hätte sie das auch selbst geschafft, doch freundschaftliche Gesten waren jetzt wichtiger als je zuvor. Dank der bevorstehenden Aufgabe war wieder mehr Farbe in das Gesicht der Krokodilsfrau getreten, während Eryns Gesicht wie gewohnt mit einer vornehmen, aber gesunden Blässe ausgestattet war. So suchten die beiden nach einer weiteren Person, die ihnen dabei helfen würde, der Sache auf den Grund zu gehen.
"Was... ist eigentlich zwischen dir und Sheng?", fragte die Schönheit neugierig, als die beiden durch ihr neues Lager stapften. "Als ich das letzte Mal so richtig mit ihm gesprochen habe, war er wie ein kleines, verliebtes Kind, als er von dir erzählte." Sie konnte sich noch gut an das Gespräch erinnern. Damals hatte sie keinen Kopf für sein Gewäsch gehabt, war zu abgelenkt davon, dass er ihrer Lügengeschichte bezüglich Derreck und Raoul Glauben geschenkt hatte. Doch jetzt, wo Evi eine Freundin war und Eryn nicht mehr ganz so selbstsüchtig, schien das irgendwie relevant zu werden. Sie war sich nicht sicher, ob er gewollt hatte, dass sie es verrät. Doch im Falle seiner Rettung würde er ihr das vermutlich nicht übel nehmen.