Ich würde allerdings davon abraten, sich allzu sehr auf das geschichtliche Kontinuum zu versteifen. Schon die Straßburger Eide sind ein schwieriges Thema, weil sich daran eigentlich nur zeigt, dass wir es im frühen Mittelalter mit zwei Sprachkulturen zu tun hatten -- das hat für die bilateralen Beziehungen erstmal wenig Bedeutung. Zumal Nithard genauso wie die Römer, wie Katii schon anmerkte, keine historisch verlässliche Quelle ist; der Verduner Vertrag hat dann zwar schon weitaus mehr Authentizität, auch hier wage ich aber infrage zu stellen, inwieweit sich daran irgendwelche deutsch-französischen Beziehungen ablesen lassen: Er ist Kristallpunkt des karolingischen Familiendramas um Ludwig den Frommen, dessen innenpolitisches Gebahren übrigens deutlich macht, wie arbiträr die Reichssituation eigentlich war -- da waren halt mal regelmäßig Gebiete zu sichern und Kleingemeinschaften zu unterdrücken. Wir können hier weder von Nationen, noch von Völkern, sondern lediglich von Herrschaftsgebieten sprechen. Ist also schon abrisshaft ganz spannend, um darzustellen, wie es eigentlich zur deutsch-französischen Nähe-Distanz-Kultur kommt, sobald man aber Vertrag von Verdun sagt, sagt man Lotharii Regnum, in dem ja eigentlich der Grenzkonflikt begründet liegt. Willst du das so rückbinden, kommst du um die Prümer Teilung und den Meerssener Vertrag nicht herum, musst Lothringens historische Disposition und den Zufall des Elsass zum Ostfrankenreich problematisieren. Das kann spannend werden, hat aber für sich schon enormen Umfang und lässt sich wiederum schlecht in Randnotizen darstellen.
Eine tiefere Betrachtung der Beziehung zwischen zwei Völkern kann de facto erst Ende des 18ten bzw. Anfang des 19ten Jahrhunderts beginnen. Wir sprechen nicht ganz umsonst zuvor von einer europäischen bzw. christlich-zentrierten Geschichte. Ich sage das eigentlich auch bloß, weil Frieden es so darstellt, als gäbe es da Aufarbeitungsbedarf: Den gibt es für einen historisch-narrativ ausgerichteten New Historicism, der die Konflikte des 20ten Jahrhunderts als Konsequenz auch aus der Zerpflückung des Lotharii Regnum versteht. Nicht aber für eine historische Einbettung einer interkulturellen Fragestellung nach den Beziehungen zwischen Frankreich und Deutschland.
Ein Wort noch zu Cäsar und Tacitus: Die Römer machen Konstrukte von Volksgruppen auf, die es nie gegeben hat. Es gab nie die Kelten oder die Germanen, nicht einmal die Belgier oder Slawen. Das sind Bezeichnungen non-sumus-sed ("Nicht Wir, sondern die Barbarenvölker"), die in der Vergangenheit genug kaputt gemacht haben und genug hochstilisiert wurden, dass man sie jetzt auch ruhig mal als das nehmen darf, was sie sind: die bloße Kastrationsangst Populi Romani.
Literarische Unterfütterung ist bei Gelegenheit immer sehr förderlich, vor allem wenn man Literatur als medialen Zugang zum jeweils zeitgenössischen Geist ansieht. Sehr empfehlenswert ist hier wie gesagt Mme de Staël, deren Abhandlung das französische Deutschlandbild mindestens bis zu den Reichseinigungskriegen maßgeblich beeinflusst hat.