Belmondo und die Angelitos hatten die Absturzstelle erreicht. In den brennenden Trümmern einer kleinen Flugmaschine stand ein Mann mit langen, wenn auch versengten Gewändern und einem Turban, der schwarze Bart war offenbar gerade erst vor den Flammen gerettet worden.
"Bei Allah!", meinte er mit einem Blick auf seinen Leib. Ein großes Loch klaffte an der Stelle, wo man eigentlich einen Großteil von Rippen und Wirbelsäule erwartet hätte.
"Ich wusste, dass dieser Idiot von einem Abdul den Tank angezapft hat. Wenn ich ihn wiedersehe, das schwöre ich bei..."
Ihm fiel auf, dass er nicht alleine war. Ein großgewachsener Mann mit Hut und Glasauge stand vor ihm, zu seinen Seiten jeweils ein Kind mit Engelsflügeln auf dem Rücken. Alle drei waren Skelette. Muhammed Parijan Rudainah-Saaza schluckte.
"Ich werde ihn nicht wiedersehen, nehme ich an?"
Die anderen nickten.
"Ist dies das Paradies? Dann frage ich mich, wo zur Hölle sind meine Jungfrauen?"
Belmondo zog eine Augenbraue in die Höhe und richtete einen knöchigen Finger auf den Schritt des Arabers. Muhammed realisierte, was der Fremde gemeint hatte, als er an seinem Körper, der sämtlichen Fleisches braubt war, hinab schaute.
Er begann mit Schreien.
Die Gartenzwerge des Alten mochten nicht die redseligste Gesellschaft sein, aber sie trugen dazu bei, das Grüppchen noch ein wenig seltsamer wirken zu lassen. Lynn, D'Alessandro, Jim und der alte Burgsberg waren schon fast einen Tag unterwegs, als sie einen kleinen Bach erreichten. Wäre die Sprache im Stande, ein Wort wie "Bächlein" zu bilden, ohne dass es völlig lächerlich klang, wäre es an dieser Stelle angebracht gewesen. Beim näheren Hinschauen erkannte man Fische, die durch das Gewässer schwammen, auf ihren kleinen Köpfen trugen sie allesamt Schädelmasken, was ein wenig seltsam anmutete. Am Ufer saß ein Mann und angelte, der Eimer, den er neben sich stehen hatte, war noch immer leer, was in Anbetracht der Tatsache, dass nichts an seiner Angelschnur hing, aber auch nicht weiter verwunderlich war.
Als die Grupe näherkam, fiel etwas anderes auf.
Der Fischer hatte Haut. Und wäre sie nicht knallblau gewesen, hätte man fast zu dem Schluss kommen können, er sei am Leben. Aber auf jeden Fall bot eine ungewöhnliche Erscheinung, mit einem Strohhut, in dem unzählige Angelhaken steckten und seiner Fischerweste über dem Fleisch. Neben ihm saß ein kleines Kind und starrte in den Teich, zur Beruhigung der Neuankömmlinge allerdings war es vollständig skelettiert und trug kleine Engelsflügel auf dem Rücken. Sobald der Junge die Fremden gesehen hatte, begann er mit fröhlichem Winken. Eine Reaktion des Anglers dagegen blieb völlig aus.
"Was macht ihr mit meinen Hühnern?"
Ein alter Mann war aus dem Eingang der Tür gekommen und starrte misstrauisch zu den Neuankömmlingen.
"Seid ihr neu hier?"
Der Pater nickte.
"Durchaus, mein Sohn. Und wir haben etwa seit unserem Tod nichts mehr gegessen. Denkst du, du könntest einige von Gottes Geschenken entbehren, um seine Kinder mit Sättigung zu erfüllen?"
"Ihr wollt meine Hühner Fressen?", fragte er verdutzt. Der Priester hüstelte sich.
"So hätte ich es nun nicht ausgedrückt."
Sein Gegenüber schüttelte energisch den Kopf.
"Kommt rein. Ich hab den ganzen Kühlschrank voll, ihr müsst nicht wie die Barbaren irgendwelche Tiere reißen."
Die Seelen folgtem dem Skelett in seine Behausung. Die Wände waren mit Bildern und Fotos beklebt, viele davon zeigten die Berliner Mauer, ein paar Zeitungsausschnitte waren ebenfalls zu finden.
Der Padre überlegte kurz, seit wann er im Stande war, deutsch zu lesen, verwarf diesen Gedanken dann aber schnell wieder. Es spielte keine Rolle.
Der Alte kam mit den Armen voll Essen ins Wohnzimmer und deckte den Tisch.
"Setzt euch. Ich kann euch glaube ich ein wenig mehr über diesen Ort erzählen."
So verfielen seine Zähne in einen Redeschwall, und eine halbe Stunde später wusste die kleine Gruppe, dass der Mann vor einigen Jahren beim Fall der Mauer zertrampelt worden war und seit dem hier lebte, diese ominöse Reise, die er antreten sollte, schien ihn nicht weiter zu interessieren. Jenen Wald, vor dem sie sich befanden, nannte man den steinernen Wald, angeblich sei es dort drin sehr gefährlich, meinte er, aber wenn man drum herum laufen würde, könnte es gut und gerne einen zu sätzlichen Monat Zeit in Anspruch nehmen.
"Ihr seid nicht zufällig in Deutschland gestorben und habt mir etwas für meine kleine Sammlung Freiheit mitgebracht?", fragte er nach seinen Ausführungen noch.
Es war überraschend, wie sättigend das Essen auf einen Skelettkörper wirkte.