Okay, Doppelpost, aber die meine Rezension wollte ich gerne mit einbringen.
Rammstein - "Liebe Ist Für Alle Da
Genre
Industrial Metal
Produzent
Jacob Hellner
Release
16.10.2009
Gesamtlänge
46:08
Dass Rammstein eine nicht grade unumstrittene Band ist, ist nicht erst seit gestern bekannt – vor allem in Anbetracht der immer wieder neu aufkeimenden Debatten und Diskussionen der Moralwächter beim Erscheinen einer neuen Single, eines neuen Videos oder neuen Albums der Berliner. Großes öffentliches, sowie auch mediales Interesse ist also vorprogrammiert.
Ein Interesse, das auch dem fünften Studioalbum „Liebe Ist Für Alle Da“ Deutschlands bekanntester Industrial Metal-Band sicherlich geschenkt werden dürfte.
Dabei stellt sich das Album an und für sich – für diejenigen, die die Karriere der Band seit deren Debüt im Jahre 1995 verfolgen – wesentlich unspektakulärer dar, als es die ersten Scheiben der Gruppe waren. Auf der einen Seite regieren die typischen harten, trockenen Gitarrenriffs und stampfenden Beats aus dem Industrialumfeld, auf der anderen Seite kommen auch große Melodien, eindrucksvolle Keyboardeffekte und Pop-Affinität zum Zuge.
Stellvertretend für die erste Kategorie dürfte wohl das eröffnende „Rammlied“ stehen, das mit einem beinahe epischen Beginn in das Album einführt, bevor die Gitarren in solch einer Manier zu brennen beginnen, wie sie es seit dem Über-Album „Mutter“ (2001) nicht mehr getan haben. Zusammen mit den mal arg in Richtung Trance schielenden, im Refrain aber episch wirkenden Keyboardsounds fühlt man sich beinahe wieder in „Herzeleid“-Zeiten zurück versetzt. Die zweite Kategorie – die, der poppigen, gefälligen Songs – wird bestens durch die erste Single „Pussy“ bedient, das zwar einen lyrischen Deutsch-Englisch-Mischmasch anbietet, musikalisch aber durch seine beinahe schon sträfliche Einfachheit gleich ins Ohr und in den Kopf geht.
Wer nun aber denkt, dass sich die restlichen 9 Lieder in der Schnittmenge dieser Extreme tummeln, der kennt die Hauptstädter schlecht. Rammstein bilden auf „Liebe Ist Für Alle Da“ das gesamte Spektrum ihres bisherigen Schaffens kompakt und frisch ab; so darf es bei „Waidmanns Heil“ etwas schneller zur Sache gehen, beim großartigen „Haifisch“ (absoluter Hit mit „Dreigroschenoper“-Zitat) wird betont rhythmisch gerockt, während das abschließende „Roter Sand“ die stimmungsbetonte, düstere Seite der Band samt Hang zur Theatralik abbildet. Diese Songs (sowie vielleicht noch der Titelsong und „Mehr“) sind wohl jene, die beim ersten Durchlauf als typisches Material der Band enttarnt werden und auf Anhieb Gefallen finden werden. Dagegen müssen sich Stücke wie „B********“ (wieder mit einem harten Refrain aus der alten Zeit) oder die sich langsam steigernde Entjungferungshymne „Frühling In Paris“ erst mit den Durchläufen dem Hörer erschließen, bevor ihre eigentliche Klasse hörbar wird. Anders bei „Wiener Blut“, bei dem sich die Band musikalisch mit dem Inzucht-Fall aus Österreich auseinander setzt; hier treffen erneut die Merkmale der Band wie harte Riffs und eine düstere Grundstimmung aufeinander, um den provokanten Text richtig in Szene zu setzen. Die Texte sind auf „Liebe Ist Für Alle Da“, wie auch schon auf allen vorherigen Veröffentlichungen von Rammstein, wieder als kleine Gesamtkunstwerke zu begutachten. Es gibt wohl kaum einen Zweiten, der so geschickt mit den Worten, Phrasierungen und der Sprache spielen kann, wie Sänger Till Lindemann. Dieser schafft es, die Texte auf der einen Seite sehr einprägsam zu gestalten („Pussy“, „Haifisch“, „Rammlied“), auf der anderen Seite aber den Hörer zu fordern, sich intensiv mit den gesungenen Worten auseinander zu setzen, um die Botschaft dahinter zu entziffern („Wiener Blut“, „Frühling In Paris“, „Ich Tu Dir Weh“). Zwar sind letztere Texte sicherlich immer Stein des Anstoßes für kontroverse Debatten und Diskussionen eingangs erwähnter Moralapostel, auf der anderen Seite gibt es wohl kaum eine Band, die über ähnlich direkte und zugleich anspruchsvolle Texte verfügt.
Im Grunde genommen kann der geneigte Fan von Rammstein bei „Liebe Ist Für Alle Da“ nicht viel falsch machen; die Band liefert das, wofür sie bekannt ist, hat ihren Sound an einigen Ecken und Enden ein wenig verfeinert und erweitert, um dem kreativen Stillstand zu entkommen. An frühere Glanztaten wie bei erwähntem „Mutter“ oder dem ebenfalls sehr guten „Sehnsucht“ (1997) reicht das aktuelle Werk zwar nicht heran, dürfte sich aber dennoch deutlich von den letzten beiden Veröffentlichungen („Reise Reise“, 2004 und „Rosenrot“, 2005) abheben. Aber vielleicht sollte man die Alben von Rammstein in Zukunft nicht mehr nach ihrer musikalischen Qualität einordnen, sondern eher danach, wie viel Rummel sie in der Öffentlichkeit erregt haben – und dank des Videos zu „Pussy“ hat sich „Liebe Ist Für Alle Da“ spontan den zweiten Platz gesichert.
Tracklist
1 Rammlied (05:19)
2 Ich tu dir weh (05:02)
3 Waidmanns Heil(03:33)
4 Haifisch (03:45)
5 B******** (04:15)
6 Frühling in Paris (04:45)
7 Wiener Blut (03:53)
8 Pussy (04:00)
9 Liebe ist für alle da (03:26)
10 Mehr (04:09)
11 Roter Sand (03:59)