Zitat:
Zitat von
Lucian
Nein, ich finde, er sollte sie genauso begründen können wie das jeder andere Mensch bei anderen Gefühl tun können sollte. Das hat nichts damit zu tun ob ich mit diesem Gefühl nun sympathisiere oder nicht, auch wenn du mir das in den Mund legen willst. Ich habe lediglich gefordert, man möge den Vaterlandsstolz doch rational begründen, was offensichtlich nicht möglich ist. Gut, muss ich wohl akzeptieren, aber verständlicher macht das die ganze Sache für mich natürlich keinesweges, im Gegenteil.
Falsch, ich habe ihn nun mehrmals begründet (Identifikation und Solidarität). Dir gefallen die Begründungen nicht bzw. du besitzt ein grosses Mass an Unvermögen, dies nachzuvollziehen, warum du dich hier einfach quer stellst. Die Begründung ist so rational, wie sie bei Gefühlen möglich ist (Sinnstiftung durch ein säkulares Sinnsystem, wie man es in der Soziologie nennt). Da du zugibst, es selbst (!) nicht zu verstehen, solltest du dir mal überlegen, ob deine Position überhaupt noch was mit Rationalität zu tun hat, oder ob es nicht blosse Sophisterei ist, mit der du mich hier herausfordern willst.
Zitat:
Und was für ein Prinzip generiere ich deiner Meinung nach?
Rationalität nach deinen eigenen Massstäben (womit es ja keine Rationalität mehr ist)? Dass du stringente Erklärungen aus eigenem Unvermögen ablehnst, beweist genau, wie du deine eigenen Prinzipien universalisierst.
Zitat:
Der Unterschied ist, dass ich mich mit problembehafteten Gruppen in Afrika oder Südamerika solidarisiere, weil sie offenbar Hilfe benötigen und es ihnen schlecht geht. Da ist man schon eher dazu gewillt, einzuschreiten - zumindest ist "Person ist in Not" ein für mich weitaus besseres Argument zur Hilfe zu schreiten als "Person ist ein Landsmann".
Von Volk kann da jedenfalls keine Rede sein, ich identifiziere mich schließlich auch nicht mit dem gesamten afrikanischen Volk, im Gegenteil, nur mit einem kleinen Teil.
Pff, darum ging es nicht. Es ging um die Solidarisierung mit einer grösseren Menge an Menschen, zu der du ja angeblich nicht fähig bist. Dabei spielt das Kriterium keine Rolle, ich könnte auch sagen, ich solidarisier mich nur mit Menschen, die im Flugraum Südeuropäischer Silberschwalben leben, genau wie du sagst, du solidarisierst dich nur mit Menschen, die von einem bestimmten Problem betroffen sind. Und genau das war zu beweisen: Die Solidarisierung mit einer Gruppe von Menschen, die ein Kriterium teilen, sei es Not, Flugraum, Nation.
Zitat:
So etwas wie eine "Volksgemeinschaft" existiert aber nur als Konzept, in Wirklichkeit handelt es sich dabei schlichtweg um einen Haufen Individuen mit eigenen Ansichten und eigenen Hintergründen. Diese mögen sich in manchen Bereichen decken, insgesamt gesehen gilt aber das Obengenannte, weshalb es mir immer noch unmöglich fällt, mich mit einer "Gemeinschaft" zu solidarisieren.
Freunde sind auch nur ein Konzept und etwas konstruiertes. Oder Vereine. Oder Liebe (in so vielen Fällen). Das ändert überhaupt nichts an der Möglichkeit, entweder das Kriterium anzunehmen oder eine entsprechende Gruppe wahrzunehmen. Wie schon erwähnt, man nennt dies Sinnsystem. Ob du dich mit dem einen oder dem anderen Sinnsystem identifizieren kannst, ist unerheblich. Es steht dir frei, nur ist dein Verhalten nicht universell. Der Patriot kann sich mit dem Sinnsystem der Nation identifizieren, du sprichst ihm diese Fähigkeit nur aufgrund deiner eigenen Unfähigkeit ab. Das ist das selbe, wie wenn du einem Marathonläufer seine Lauffähigkeit absprichst, weil du es nicht kannst (und bevor ich es mir anhören muss: Ja, beides ist lernbar, Identifikation und Marathon).
Zitat:
Klar mag das für andere Menschen möglich sein, für mich wäre es aber mehr so etwas wie Selbstbetrug, da für mich die Idee der Volkssolidarisierung nicht existiert. Weshalb ich zwar akzeptiere, dass manche Menschen da anders denken mögen, deren Meinung aber nicht vertrete.
Ah, endlich mal vernünftig. Aber wieso müssen dann andere ihre Fähigkeit vor dir begründen und wenn sie es tun auch noch die Begründung begründen? Du hast deine Entscheidung schon vor der Debatte getroffen: "Patriotismus ist schlecht und irrational für mich, also ist er schlecht und irrational für alle anderen!"
Zitat:
Ja, schauen wir mal. Ich kann's dir nicht hundertprozentig sagen, aber ich bezweifle, dass die Solidarisierung auf ehrlicher Basis besonders hoch sein würde, wenn ich keinerlei persönlichen Bezug zu diesen Menschen hege. Tut mir Leid, aber so bin ich nun mal.
Zum Glück sind nicht alle Leute empathisch tot.
Zitat:
Ach, jetzt übertreib nicht schon wieder so, sondern denk ein bisschen nach. Sie haben keinen niedrigeren Stellenwert als Mensch, als Hilfsbedürftige jedoch sehr wohl. Da in den seltensten Fällen allen Notleidenden gleich stark geholfen werden kann, muss man eben Prioritäten setzen. Und die richten sich bei mir nach dem Grad der Armheit, nicht nach der geografischen oder geistigen Nähe.
Mehr wollte ich damit eigentlich nicht sagen. Aber dreh von mir aus die Sache um und setze hungernde Kinder nach Österreich und die Obdachlosen nach Kenia. Jetzt darfste nachdenken, wem ich eher helfe.
Das ist ja noch viel lustiger: Du hilfst also nur Menschen, bei denen dir persönlich das Elend als stark genug erscheint, dass sie deiner Hilfe würdig sind? Wie amüsant. Erklär das jetzt mal einem Obdachlosen in Wien, dass er zwar ein armer Kerl ist, dass aber die Afrikaner noch viel ärmer sind und du daher darauf verzichtest ihm zu helfen.
Wie dem auch sei: Ich bring es dir auf einen Punkt. Wem wir helfen, machen wir von irgendwelchen Kriterien abhängig (deren Qualität wir immer für besser halten, weil wir ja uns nicht mit eigenen Kriterien beschäftigen wollen)-> Sinnsystem. Ergo, du greifst auf das genau gleiche Konzept zurück wie der Patriot. Deiner Meinung nach müsstest du jetzt als irrational gelten. Meiner Meinung nach ist es nur natürlich und logisch, dass man aussucht, wem man wie hilft. Es ist wichtig, dass du genau diese Kategorisierung verstehst und auch verstehst, dass andere Menschen auf andere Kriterien zurückgreifen, die im eigentlichen Sinne gleichwertig sind, jedoch von dir subjektiv automatisch als besser bewertet werden, weil du sonst mit deiner Handlungsmaxime unzufrieden wärst (typisches Nutzenmaximierungsverhalten eines homo oeconomicus).
Zitat:
Zitat von
La Cipolla
Ok. Ist ne Erklärung. Nach dieser Erklärung könnte aber der Nationalstolz auch komplett wegfallen und einem anderen Stolz im Sinne von Identifikation Platz machen. Sei es nun Gruppenzugehörigkeit im Sinne von Hobbies (Communitys eben) oder Politik. Ich glaube nicht, dass sich das System der Nation ewig halten wird, wenn auch noch ein paar Hundert Jahre (Was die Diskussion momentan natürlich sinnlos macht.) Dann eher noch die Städte. : A
Dann identifiziert man sich mit Städten. Ich sage ja nicht, dass Nationen etwas generisches sind. Es ist wie mit allen Sinnsystemen, der Menschen schustert sie sich zusammen, um bestimmten Dingen einen Sinn zu geben (anscheinend sind wir irgendwie natürlich dazu gezwungen). Und ich sagte ja auch schon, dass Nationalstolz nicht zwingen ist. Nur: Er ist eben nicht falsch.
Zitat:
OK. Die Intention ist einfach die, zu erklären, warum ich es momentan, ohne Nationalstolz besser finde. Aber ich kapier, worauf du hinaus willst. :rolleyes:
Nun, das ist dir selbst überlassen. Ich sage nur, dass es mit Nationalstolz sicher nicht schlechter wird (ob es besser wird, das sei jetzt mal dahingestellt).
Zitat:
Schweiz und Amerika kann ich nicht wirklich was zu sagen, das würde auf Klischees beruhen. In den italienischen Städten hat es mich nur dafür geärgert, dass man eben als Nicht-Italiener in Gesprächen abwertend behandelt wird, was dabei anfängt, dass Klischees noch stärker als in D. ausgeprägt sind, und das ist eine Kunst. Das ist hier innerhalb einer Peer-Group auch nicht anders, aber dort war es halt auch in Einzelgesprächen so. Interessanterweise nur von den jüngeren Generation. Ältere Leute, 40 aufwärts, sind mir dort unten bisher immer sympathisch gewesen.
Das hat ja Ianus bereits mit dem Nationalismus in der Schweiz angesprochen. Aber eben, das ist Nationalismus, nicht Patriotismus. Der Patriot ist gegenüber anderen Nationen eigentlich indifferent. Bei Deutschen kommt noch ein Problem dazu: Obwohl die ganze Weltkriegsgeschichte schon verdammt lang her ist, gibt es immer noch Spezialisten, die mit dem Klischée jonglieren. Ich habe keinerlei Verständnis dafür. Nur soviel: Meistens hat das weder mit Nationalismus noch mit Patriotismus zu tun.
Zitat:
Komplett weg fällt das Syndrom in den ländlichen Gegenden, was mich als Deutschen, der der Konservatismus in deutschen (speziell sächsischen und bayrischen) Dörfern nur zu gut kennt, natürlich absolut verwundert hat, aber dort ist eben alles offener und friedlicher. In Frankreich fand ich es nervig, wenn Dinge damit begründet werden.
In ländlichen Gegenden haben wir eher eine Haltung, die sich mit "Haltet euch aus unseren Angelegenheiten raus"-Patriotismus beschreiben lässt. Ländliche Schweizer wollen von Nichtschweizern keine Befehle erhalten. Ich nehme an, das geht einher mit dem Globalisierungsproblem.
Zitat:
Sei es Politik oder Kultur, ich finde es schrecklich, Dinge nur für richtig/gut zu erhalten, weil sie einen kulturellen Hintergrund haben. In dem Sinne dito mit Dhan, das ist in Deutschland genau so schlimm. Außerdem sollte man offen sein, und niemand kann mir sagen, dass der Großteil der Patrioten auch für die Erungenschaften der anderen Länder einspringt (Hast du ja selbst richtigerweise erwähnt.)
"Nur" ist eben etwas überspitzt. Der kulturelle Hintergrund bezieht sich ja auf Vergangenheit und evtl. Gegenwart, die man dann in einem bestimmten Licht sieht. Der EInsatz des Patrioten richtet sich aber auf die Zukunft, weil er will, dass es "den Seinen" auch in Zukunft noch gut geht. Das schliesst z.B. einen EU-Beitritt nicht aus, wenn er ihn für etwas gutes für sein Land hält. Es schliesst auch Kooperation nicht aus. Es schliesst eigentlich gar kein Handeln aus, nur begründet es sich vielleicht etwas anders.
Zitat:
Also steht die Frage, wieso sollte ich mich mit einem Land identifizieren, das mir kulturell nicht gefällt? Es gibt pragmatische Gründe, aber ich bin kein Poltiker, also identifiziere ich mich lieber mit einem Mischmasch aus Dingen, egal, woher sie kommen.
Und nochmal dito zum Thema verbieten, ich sehe halt einfach keinen Sinn darin, es erscheint mir wie blinder Idealismus. Das mag bei anderen anders sein (!), ist wahrscheinlich Ansichtssache. Aber Patriotismus ist für mich genau so nachvollziehbar wie wenn jemand erzählt, er bemalt sich jeden Tag seinen linken Fuß, ohne einen Grund dafür zu haben.
Sollst du ja nicht ;). Aber wenn einem das Land gefällt, warum soll man darauf verzichten. Weil es angeblich irrational ist, wie Lucian behauptet? Da du dich ja mit multikulturellen Dingen identifizieren kannst, weisst du ja auch, dass eine Identifikation durchaus möglich ist. Deshalb denke ich auch nicht, dass du ein grosses Problem mit Patrioten haben musst, denn solange sie keine Nationalisten sind, können sie die selben Ziele wie du verfolgen (denkbar sind Patrioten, die sich für die Zukunft des Landes mehr globale Einflüsse wünschen um es so zu "verbessern"). Wie schon gesagt: Der Grund liegt in der Sinngebung.
Zitat:
Du redest auch immer von Unterdrückung, aber das ist ein Sichtwinkel. Man könnte auch sagen, in den anderen Ländern wurde Patriotismus stets gefördert, kommt aufs Gleiche raus, klingt aber ganz anders. Bei Unterdrücken sagst du, wir wurden manipuliert, was stimmt. Allerdings sind in dem Sinne alle anderen manipuliert, auf etwas abstraktes stolz zu sien, während man es uns "verbietet" (übertrieben ausgedrückt). Für eine Regierung ist Nationalstolz natürlich das Beste, was passieren kann. Wie gesagt, es hat defintiv pragmatische Vorteile, aber ich bevorzuge als Privatperson unsere Art der Manipulation.
Förderung verhindert aber im Gegensatz zu Verbot nicht eine oppositionelle Position. Nunja, wir sind da definitiv freier als die Amerikaner, kein Fahneneid, keine erzwungenen Feste bei denen man an einer Parade teilnehmen muss(!), ect. Es wird einfach nie gesagt, es sei falsch. Dass sich so der Patriotismus automatisch entwickelt, ohne dass gezielt darauf hingearbeitet wird, zeugt doch davon, dass es doch ein natürliches Streben dazu gibt. Wenn man etwas aktiv verbieten muss, damit es sich nicht automatisch aufbaut, dann kann am Verbot etwas nicht ganz koscher sein. Bzw: Es baut sich ja bei euch auch langsam wieder auf, obwohl es sozial unerwünscht ist...