Zitat:
Karl Kyrien blickte über den Rand seiner Zeitung hinweg. Die große Standuhr schlug drei Uhr Mittag.
Genau die richtige Zeit für einen Tee. Er nahm die kleine Glocke an sich und läutete nach seinem Diener.
Andrew Llyod, ein Butler der geradewegs aus dem letzten Jahrhundert zu kommen schien, reagierte.
Er klopfte an die massive Türe aus Eichenholz und trat in das Kaminzimmer wo sein Herr auf dem antiken Sessel saß.
"Sie wünschen?"
"Einen Darjeeling."
Der Butler nickte und verschloß die Türe.
Karl seuftze. Der Unterhalt des großen Herrenhauses kostete Unsummen. Gelder wurden knapp und knapper,
doch er hatte keine besondere Lust sich einzuschränken. Immerhin gehörte er einer wohlhabenden Familie an.
Auch wenn er nicht den geringsten Wert auf diese legte, war er froh ihr anzugehören. Immerhin gab es fast nichts auf der Welt
in dem die Kyriens nicht ihre Hände hatten. Egal ob Technik, Wirtschaft, Politik, Nahrungsmittel, Presse, Rundfunk, Drogen ...
Seine Tante hatte es geschafft ein weltumspannendes Imperium zu errichten, welches sie sehr streng führte. Fehler verzieh sie kaum. Selbst sich gegenüber verlange sie alles ab. Er musste an die Insel denken, auf der sie lebte. Das letzte Mal war er vor über acht Jahren dort gewesen. Zum fünfundsiebzigsten Geburstag. Er rückte sein Monokel zurecht und wollte gerade
eben seine Aufmerksamkeit einem Bericht über Robben zuwenden, als es klopfte. Der Tee? Nein. So schnell konnte er nicht fertig sein. Der Butler öffnete die Türe und ein vornehm aussehender Herr mit Melone auf dem Kopf trat ein.
"Verzeihen sie mein unangemeldetes Eindringen, Mr. Kyrien, allerdings komme ich im Auftrag des Nachtlassgerichtes zu ihnen."
"Nachlassgericht?!", echote Karl skeptisch und legte die Zeitung auf den kleinen Tisch, der seitlich von ihm stand.
"Ihre Tante, Natsuhi Kyrien, ist vor drei Tagen von uns gegangen. Sie, und alle anderen Familienmitglieder, sollen sich
in vier Tagen auf Kyrien-Island zur Testamentseröffnung einfinden. Wer nicht erscheint verliert jegliches Anrecht auf sein Erbe."
Karl stand auf. Seine Tante - tot?
Er - einer der Erben?
Er konnte es kaum fassen.
Das Erbe kam ihm mehr als gelegen.
"Bitte verzeihen sie, aber ... Ist es nicht unmöglich in der kurzen Frist alle Familienmitglieder ausfindig zu machen?!"
Der Anwalt sah ihn an, als hätte er geradewegs die Queen entehrt.
"Natürlich haben wir alle Erben ausfindig gemacht. Wir sind eine erstklassige Anwaltskanzlei."
"Ich wollte sie keinesfalls beleidigen."
"Das hoffe ich, Mr. Kyrien. Wir werden uns jedenfalls auf der Insel wiedersehen."
Der Anwalt verließ den Raum und Andrew geleitete ihn hinaus.
Einen Augenblick später kam er mit dem Tee zurück.
"Sie sehen zufrieden aus, Herr."
"Das bin ich, führbar."
Er lächelte.