Disco Elysium - The Final Cut - Sei ein Tequila Sunset.
Vom 27.12.2020-14.04.2021 - Fortschritt: Stunde 0-56.
Okay, RPG Numero 59 für die Challenge ist diesmal ein ganz besonderer
Fall, denn hier wartet etwas erfreulich unverbrauchtes und zugleich anstrengendes Spiel auf ein, wofür man sich gut Zeit nehmen sollte und damit meine ich Ganz. Viel. Zeit.
Story: Stellt euch vor ihr steht eines morgens auf, habt einen fetten Kater und keine Ahnung mehr wer ihr seid.
Was Scheiße klingt ist in
Disco Elysium traurige Realität, denn hier spielt ihr einen fetten, bärtigen Mann in seinen Fünfzigern, der sich wortwörtlich seine Vergangenheit weggesoffen und mit Sicherheit viele weitere Substanzen in sein Blut hat, die da für gewöhnlich nicht reingehören.
Als wäre das nicht schon schlimm genug, quatschen Willenskraft, Konzeptbildung & Elektrochemie wild durcheinander, denn im diesen Spiel findet alles eine Stimme, selbst wenn es charakterliche Merkmale sind, die nur du hören kannst.
Gut, nicht ablenken lassen, man spielt also einen verwahrlosten älteren Mann, der Stimmen hört und eigentlich sollte man sich jetzt auf den Weg ins Irrenhaus begeben, doch daraus wird nichts.
Denn kaum hat man sein Zimmer verlassen, findet man sich in einem Hotel im fiktiven Bezirk Martinaise in der Stadt Revachol wieder und soll einen Mord aufklären.
Problem ist nämlich, man ist Cop und hat unser Protagonist direkt am Tatort eine Woche lang die Sau rausgelassen, ohne sich um irgendetwas zu kümmern.
Viele Bewohner kennen einen bereits und sind nicht gut auf unsere Schnapsdrossel zu sprechen und so darf man über viele Stunden ein gewaltiges Netz entwirren, was sich in Martinaise zugetragen hat.
Unterstützung erhält man vom Kollegen Kim Kitsuragi, einen sehr sachlichen Cop von einem anderen Bezirk, der ein trotz fehlender Vergangenheit + Trunkenheit unterstützt wo er kann (okay bei einem bestimmten Bengel vielleicht nicht), da man schließlich einen Mordfall lösen muss.
Rein von der Handlung her würde ich
Disco Elysium gar nicht mal als ein besonders einfallsreiches RPG bezeichnen.
Selbst ein reines RPG ist es nicht, sondern vielmehr ein Mix aus Adventure & RPG.
Die ersten drei Stunden tat ich mich zudem schwer es einzuordnen.
Das Erwachen ist durchaus witzig gewesen, nur als dann die ersten NPCs ein vollgetextet haben verflog mein Interesse zunächst ein wenig.
Hier wurde nämlich viel über die Welt an sich und deren Politik geredet und das locker eine Stunde lang und so fehlte mir dabei dieser Punkt, dieser eine Moment, wo ich sage: "Ja verdammt, erzähl mir mehr über die Welt, es interessiert mich."
Dieser Zustand stellte sich erst nach ca. 5 Stunden ein, wenn man den Ort selbst erkunden kann, Kim mit seinen vielen kleinen Anmerkungen trumpft und ein kleiner Scheißer namens Cuno auftaucht.
Erst dann wurde ich auf einen
Drogentrip mitgenommen, der manchmal wirklich anstrengend sein kann, dafür zu unterhalten mag.
Denn Disco Elysium ist anspruchsvoll und anders.
Für ein Adventure ist es zu anspruchslos und für ein RPG fast schon zu klein von der Location her.
Erwartet also keine Drachen, Magie ein ausgereiftes Kampfsystem, einen Charaktereditor, knappe Texte oder eine Handlung, die euch den Planeten erkunden lässt.
Was ihr bekommt ist ein:
Kaputter Bulle.
Haufen schräger Charaktere.
Kim Kitsuragi.
Gameplay: Trotz all den geschwätzigen NPCs kann ich die Dialoge nur als grandios bezeichnen.
Denn hier liegt das Kernelement vom Spiel.
Jeder Charakter hat was zu erzählen und für gewöhnlich sogar eine ganze Menge.
Selbst wenn manche Quests an sich völlig belanglos sind und totaler Scheiß geredet wird - wo man sich bloß fragt, wie man da nur reinstolpern konnte - habt ihr Informationen von irgendwoher erhalten haben dementsprechend manche NPCs wieder was neues zu berichten und immer so weiter.
Wenn sich zusätzlich nebenbei die inneren Stimmen einmischen (was die sehr gerne machen) ist jede Zeile Gold wert.
Denn egal wie schnell man die Karte erkundet hat, vom ersten bis zum letzten Dialog wird man vom Cast das ganze Spiel über begleitet.
Keiner der was zu sagen hat ist unwichtig oder spielt nach zwei Tagen keine Rolle mehr, ein wiederholtes aufeinandertreffen ist erwünscht und erforderlich, wenn man den Mordfall und die Nebenquests abschließen möchte.
Dabei sammelt man je nach Antwort Erfahrungspunkte, die man in seinen Charakterbogen stecken kann.
Hier werden die bereits erwähnten inneren Stimmen aufgelevelt, damit ein Würfelwurf bei einigen Entscheidungen bessere Chancen erhält oder man mehr Optionen zum Antworten oder reagieren hat.
Trifft man trotzdem mal auf ne harte Nuss, die nicht mit sich diskutieren lässt, kann man ins Gedankenkabinett ausweichen.
Hier finden sich einige... nennen wird es mal
Fähigkeiten, die man mit der Zeit erlernt und aktiviert, um seinen Gegenüber selbst die letzte Info zu entlocken und ein ggf. einen Bonus für den Charakterbogen bereithält.
Diese Fähigkeiten (Gott, was klingt das dämlich in Anbetracht dessen was man da lernt
) schalten sich in bestimmte Situationen frei.
Zum Beispiel trifft man einen Rassisten, der Zweite um genau zu sein, den man halbwegs rumkriegt, wenn man seine fortgeschrittene Rassentheorie
erlernt hat.
Diesen Punkt kann man aber erst dann erlernen, wenn man mit besagten Spinner gesprochen hat.
Abseits dessen kann man die Gegend erkunden, sich um diverse Gegenstände bemühen, seine Attribute durch
Ausrüstung Kleidung verbessern und sein Image gleich mit.
Denn sein Image sollte man nicht vernachlässigen.
Weil egal wie ihr ausschaut und was ihr antwortet, es kann sich schlimmer rächen als im Film
Butterfly Effect.
Bin nämlich in so in ziemlich jedes Fettnäpfchen getreten, welches man finden kann, was zwar für urkomische Situationen sorgt, dafür mir bestimmt die ein oder andere Option versaut hat.
Sonstiges: Die Warterei auf den Final Cut hat sich gelohnt.
Die Grafik ist guter Standard mit einem ausgefallenen, fast schon schmuddeligen bis beklemmenden, Look, der dem Spiel gut steht.
Insbesondere die Avatars von so ziemlich jeden sind so ausgefallen, dass ich es einfach erwähnen muss, wieviel Mühe man sich damit gegeben hat und sehr zur Stimmung beitragen.
Und während der OST zwar sehr passend das Spiel unterstreicht, aber ein nicht zwangsläufig im Alltag begleitet, ist die englische Synchronisation ein absoluter Traum geworden.
Jede Zeile wurde vertont und was für eine Atmosphäre das mit sich bringt können alle die ähnliches kennen, wie z.B.
Pillars of Eternity: Deadfire oder
Divinity: Original Sin 2, gewiss nachvollziehen.
Jede Silbe sitzt, klingt nicht wie 1000x gehört und fühlt man mit den Charakteren regelrecht mit.
Und obwohl hier etwas völlig abgedrehtes kreiert wurde, schwebt um das ganze Werk von ZA/UM eine Melancholie mit, die wie ich finde hervorragend von einer Symbiose aus OST, Synchro & Grafik so wie von den erstklassigen Dialogen geschultert wird.
Denn in Momenten, wo man mit oder über manche NPCs oder unserem bedauernswerten Cop lacht, folgen wieder Szenen, wo ein das Lachen im Halse stecken bleibt und zum nachdenken anregen.
Besonders wenn ich da an Cuno denke.
Ehrlich, der Junge ist genial, ich habe Tränen gelacht und wollte den am liebsten eine knallen, leider waren meine Werte nicht hoch genug.
Wenn man hinterher in seine Wohnung gelangt und sein ach so toller Vater dann mit einer Überdosis im Bett liegt, möchte man den Jungen lieber helfen, da man erahnen kann, woher seine ganze Art stammt.
Das sind dann diese starken Momente von denen ein Spiel lebt und davon gibt es hier reichlich.
Fazit: Was habe ich wieder Zeit verplempert?
Aus den geplanten 30 Stunden pro Durchgang sind 56 Stunden geworden und habe alles ausprobiert was man im ersten Durchlauf ausprobieren kann.
Bereuen werde ich natürlich nichts, da mir
Disco Elysium extrem gut gefallen hat und trotzdem sich irgendwie einer herkömmlichen Wertung entzieht.
Es ist so außergewöhnlich und halt anders, da fällt mir eine Einstufung schwerer.
Habe nämlich ein etwas RPG artigeres Spiel erwartet, wo man eine Stadt erkundet.
Am Ende rennt man wie in einem Adventure durch ein überschaubares Stadtviertel, verhört die Einwohner und sammelt Hinweise.
Aber die Warterei hat sich gelohnt, denn so klein es auf den ersten Blick wirken mag, der Inhalt ist enorm.
Man kann Stunden mit den NPCs verbringen und bekommt wirklich ein Gefühl davon die alle kennenzulernen, woran manch völlig bescheuerte bis anstrengende Dialoge nicht ganz unschuldig dran sind.
Ich persönlich haben hier das stärkste RPG nach über zwei Jahren (
Divinity: Original Sin) erhalten, welches völlig aus der Norm fällt.
Nein, die Handlung wird nicht so imposant wie in einem
Ghost of Tsushima präsentiert und rein vom Gameplay erwartet ein wahrlich kein
Nioh 2, aber das muss es auch nicht.
Disco Elysium hat andere Stärken.
Eine sehr intensive Handlung, die zwar nicht wirklich innovativ ist, dafür viele kleine persönlichen Geschichten in einer sehr glaubhaften und fantastischen Welt mit enorm viel Potenzial erzählt.
Oder ein grandioses Duo, bestehend aus einem durchgeknallten Cop, den ich helfen wollte wo es nur geht und seinem Partner Kim Kitsuragi, der mit zum besten gehört, was man in sein Team RPG technisch kriegen kann.
Die Thematiken sind ebenfalls nicht ohne, jede Emotion wird bedient und bin wirklich, sehr, sehr schwer davon losgekommen, bis ich es schließlich durch hatte.
Selbst danach war ich lange Zeit damit beschäftigt, was für dieses Ausnahmespiel spricht.
Ungeachtet meiner Begeisterung lasse ich trotzt allem keine Empfehlung da.
Hier kann man schnell mit den falschen Erwartungen rangehen, oder sich unter aber auch überfordert fühlen.
Playtime: 56:16 Std.
Wertung: