Gestern kam mir die US-Version von Wild ARMs 4 pünktlich ins Haus geflattert, dem reduzierten Paketaufkommen nach Weihnachten sei dank. Ich wollte eigentlich nur mal kurz reinspielen, hing dann aber doch satte 6 Stunden dran ... sei's drum, dann kann ich genausogut mal ein paar Zeilen darüber tippen. Bevor ich anfange noch ein kleiner Fun Fact: Beim Publisher XSEED handelt es sich um das neue Lokalisationstudio von Jun Iwasaki, seines Zeichens langjähriger Präsident der US-Niederlassung von Square Enix, welcher kurz zuvor die Firma verliess und diverse hochrangige Mitarbeiter gleich mitnahm. Auf 1Up.com gibt es ein interessantes Video-Interview mit Iwasaki, in dem er sich u.a. über seinen Ausstieg bei SE und den Niedergang von Working Designs äußert, hier der Link:
http://www.1up.com/do/feature?cId=3146754
Hmm, Sakaguchi und Uematsu machen in Japan XBox 360-Spiele, die US-Leute übersetzen nun lieber Shadow Hearts 3 und Square tötet währenddessen die Final Fantasy-Reihe, hehe.... doch zurück zum Thema.
Wer sich im Voraus schon mal ein paar Videos von Wild ARMs 4 angeschaut hat dem wird nicht entgangen sein, dass Entwickler Media Vision der Reihe eine Generalüberholung spendiert und diverse neue Tweaks ins Gameplay eingebaut hat. Lag der Fokus bei den Vorgängern noch bei aufwendig gestalteten Dungeons mit starkem Rätseleinschlag, wird stattdessen nun in bester Jump & Run-Manier durch die Locations gehopst. Hauptchara Jude ist ein recht gelenkiges Kerlchen geworden, er sprintet einstürzende Brücken entlang und überwindet ohne Mühe klaffende Abgründe, in seinem Repertoire befindet sich neben einem Doppelsprung u.a. auch Super Marios Stampfattacke. Das Ganze funktioniert dank dem sorgfältigen Weltendesign und der gelungenen Steuerung erstaunlich gut, mit ehemaligen RPG-Hüpfkatstrophen wie Xenogears hat Wild ARMs 4 zum Glück nicht viel gemein. In den ersten Stunden waren bislang noch keine nervigen Einlagen dabei, kleinere Rätsel sind vorhanden spielen aber angesichts der Gewichtung auf die Geschicklichkeits-Einlagen keine große Rolle. Ich bin mal gespannt wie weit das Konzept später noch ausgereizt wird, Media Vision wird die Balance hoffentlich nicht verbockt haben.
Ebenfalls geändert oder abgeschafft wurden viele Elemente der Serie welche zuvor noch konsequent weiterentwickelt wurden. Es gibt nun keine Oberwelt mehr, anstatt Hinweise zu entschlüsseln und die Ortschaften erst per Radar orten zu müssen wird nun einfach eine Map mit dem nächsten Zielort eingeblendet und fertig. Gespräche und der Großteil der Cutscenes finden nicht in der InGame-Engine statt, es gibt jetzt bildschirmgroße Animeportraits der Figuren welche im Comicbuch-Stil dynamisch aneinandergereiht werden. Ist beim ersten Mal zwar etwas gewöhnungbedürftig anzuschauen, gefällt mir aber mittlerweile sehr gut, da dadurch selbst ausladende Sequenzen schnell abgehandelt werden können ohne allzu lange aufzuhalten. Grafikfestischten brauchen sich aber nicht grämen, die wichtigsten Szenen sind voll polygonal und wurden dazu noch kompetent vertont. Die Gebäude innerhalb der Städte können übrigens nicht richtig betreten werden, schreitet man durch die offenen Türen wird einfach ein Dialog mit den Bewohnern eingeblendet.
Auch in den Dungeons wurde rigoros zusammengestrichen: Ihr steuert außerhalb der Kämpfe diesmal wirklich nur einen Chara, freie Wahl wie in den Vorgängern gibt es nicht mehr. Auch habt ihr keine Tools wie Wurfmesser oder Bomben mehr ständig zur Verfügung, selbige müssen erst in den Dungeons gefunden und mühsam zu ihrem Verwendungsort geschleppt werden. Mein am meisten vermisstes Opfer ist aber der allseits beliebte Encounter Cancel, mit dem Zufallskämpfe per Knopfdruck einfach abgebrochen werden konnten ... *schnief*, er war doch noch so jung ... Immerhin wurde er aber nicht ersatzlos abgeschafft, gegen Ende der Dungeons kann ein Modus aktiviert werden, mit dem ihr jederzeit per Knopfdruck die Zufallsbegegnungen komplett ein- und ausschalten könnt. Ist zwar nett gemeint, aber wirklich profitieren wie beim EC tut man davon nicht mehr. Es gibt noch ein gutes halbes Dutzend mehr an Features über die ich mich auslassen könnte, sparen uns wir die aber des Umfangs wegen mal und widmen wir uns abschließend der wichtigsten Neuerung im Spiel: Der Battle-Engine.
Das Kampfsystem von Wild ARMs 4 ist zwar weiterhin rundenbasiert, schlägt aber für ein RPG komplett neue Wege ein und verwendet eine aus vielen alten Strategiespielen bekannte Hexfeldstruktur. Die Kampfstätte besteht dementsprechend aus 7 gleichgroßen Sechsecken, die gleichmäßig aneinandergereiht werden. Zu Beginn des Kampfes werden eure Charas sowie die Gegner erstmal per Zufall auf den Sechsecken verteilt, dabei können jeweils bis zu 4 Charas oder Gegner auf dem selben Feld landen. Aktionen finden nun entlang der Felder statt und sind oft auf das benachbarte Sechseck beschränkt, so dass man gut auf seine Position auf dem Feld achten sollte, will man nicht ohne Fluchtmöglichkeit in eine Ecke gedrängt und vermöbelt werden. Zauber wirken übrigens nicht nur auf die Charaktere sondern auch auf die Felder selbst, so das viel taktisches Geschick von euch abverlangt wird. Im Zusammenspiel mit der ordentlichen Gegner-KI, welche auch bei den Random Encounters größtenteils auf Fallobst verzichtet, wird das genreübliche Buttonmashing damit komplett ausgehebelt. Ist man erstmal durch das etwas verwirrende Konzept gestiegen und hat sich die Feinheiten der Engine angeeignet stehen viele spannende Fights an der Tagesordnung, ich bin jedenfalls positiv überrascht und freue mich auf die Aufgaben, welche mir das Spiel später stellen wird. Übrigens: Die Hitpoints werden nach jedem Kampf wieder automatisch gefüllt und verliert man einen Kampf gibt es unendlich Continues, so dass der Schwierigkeitsgrad trotz schwererer Kämpfe moderat ausfällt.
Alles in allem gefällt mir Wild ARMs 4 nach ein paar Stunden schon recht gut. Ich war ein wenig skeptisch ob Media Vision durch die vielen Änderungen das durchweg hohe Qualitätsniveau der Vorgänger (ja, auch Wild ARMs 3 offenbart mit zunehmender Spieldauer seine Qualitäten) halten kann, aber ich muss attestieren: WA 4 ist anders, WA 4 ist gut. Das Jump & Run-Gameplay geht flott von der Hand und das Kampfsystem macht Laune auf mehr, auch die Dialoge im Comicstil sind eine willkommene Abwechslung. Story und Chara-Design sind bislang noch recht traditionell und nicht wirklich herausragend, obwohl ich sagen muss dass eure Party für eine Teenie-Bande erstaunlich vernünftig daherkommt, hätte viel schlimmer werden können. Technisch reisst das Spiel anno 2006 ebenfalls keine Bäume aus und hat neben ein paar netten Polygonhintergründen zumindest bombenfeste 60 fps zu bieten, immerhin ist die Musik für ein Wild ARMs spiel erstaunlich variantenreich ausgefallen, was wohl daran liegt dass Stammkomponistin Michiko Naruke den Soundtrack diesmal im Verbund mit einigen Kollegen anstatt im Alleingang fabriziert hat. Wer ein spaßiges RPG sucht kann ruhig zuschlagen, zumal es mit etwa 35 € bei VG+ auch wirklich nicht die Welt kostet.
Screeshots, Artwork und Savegames zum Spiel gibt's übrigens bei mir auf der Seite (siehe Signatur).
Chaz Ashley