Als Weiterführung des Threads über Features, möchte ich mal auf ein Irrtum eingehen, auf das man ziemlich häufig in der Spieleszene und auch hier in der Makerszene trifft. Dieses Irrtum betrifft den Vergleich zwischen Gameplay und Realität. Man liest ja öfter mal, dass jemand sich fragt, wieso Kisten mitten im Wald stehen, die Helden Tonnen an Gepäck schleppen können oder warum Aerith in FF7 nicht einfach mit einer Phönixfeder wiederbelebt wurde. Meiner Meinung nach muss man ganz klar zwischen Gameplay und Story trennen. Ich beziehe mich hier vor allem auf Spiele, die auch beides bieten, also nicht irgendwelche Simulationen, die ja meistens vor allem das Ziel haben, realistisch zu sein.

Seltsamerweise wird bei vielen, die diesen Vergleich zwischen Gameplayelementen und Realität ziehen, nie alles in Frage gestellt. So wundern sich zwar einige, warum Tiere, wenn sie besiegt werden Geld abwerfen, aber nicht, warum die Helden schwere Verletzungen anscheinend locker wegstecken. Bei Fantasy-Rollenspielen mag man das Heilen der Charakter noch mit Heiltränken usw. erklären können, aber spätestens bei Spielen in der Gegenwart müsste doch jeder aufschreien, wenn der Held sich mit einem Heilspray sogar abgetrennte Gliedmaßen wieder herbeizaubert ( absichtlich übertrieben ). Ich weiß nicht genau, woher es kommt, dass oft mit zweierlei Maß gemessen wird, aber für mich haben diese Spielelemente alle eines gemeinsam. Sie haben nichts mit der Handlung des Spieles zu tun; sie sind von ihr also sozusagen ausgeblendet.

Schauen wir uns mal einige Beispiele aus einigen Spielen an.

- Wieso funktioniert die Phönixfeder nicht bei Aerith?
Weil die Phönixfedern alleine für das KS existieren und dazu da sind, damit der Spieler nicht die Lust am Spiel verliert, weil ein Charakter unwiederbringlich verloren ist ( es gab echt Spiele auf dem C64, wo das so war, z.B. die RPG's von SSI ). Würde Aerith andererseits mit den Federn wiederbelebt werden können, die Federn also ein Storyelement sein, dann könnte nicht nur sie, sondern alle anderen Spielfiguren auch wiederbelebt werden. Die Leute wären also praktisch unsterblich. Außerdem würde die Handlung ein großes Stück an Dramatik verlieren.

- Wieso denken sich die bösen Buhmänner immer so seltsame Rätsel aus, packen Kisten in Wälder und werfen Tiere Geld ab?
Die Rätsel funktionieren nach einem Herausforderung->Belohung Prinzip. Es wäre ja langweilig, wenn der Spieler jeden Schatz ohne Anstrengung finden könnte. Damit man nicht nur Gegner oder Fallen hat, gibt es eben Rätsel, die zur Abwechselung auch den Verstand und nicht nur Aufmerksamkeit und taktisches Geschick im Kampf auf die Probe stellen. Die einsamen Kisten sind dann dafür da, dass der Spieler nicht ständig zurück in die Stadt laufen muss, um sich mit neuen Gegenständen einzudecken. Außerdem stellen sie ähnlich wie die Schätze nach Rätseln eine Belohnung für den Fortschritt beim Dungeondurchqueren dar. Damit der Spieler auf möglichst einfache Weise an Geld kommt, werfen bei den typischen Auflevel-Kampfsystemen auch Tiere Geld ab. Da es häufig vorkommt, dass es in bestimmten Dungeons überhaupt keine Wesen gibt, die normalerweise Geld bei sich tragen, spart man dem Spieler so einen Haufen Lauferei.

- Warum gibt es in Spielen wie Resident Evil Raumkrümmungstruhen, können sich die Protagonisten mit Kräutern heilen und weshalb ist das Inventar durch Slots und nicht durch Gewicht begrenzt?
Gerade bei Gegenwartsspielen könnte man ja verlangen, dass noch mehr auf Logik geachtet wird. Hierzu zählen dann auch die Survival-Horror-Spiele. Die Wundertruhen aus Resident Evil lassen sich sicherlich nicht storytechnisch erklären ( damit könnte man sonst ja leicht von einem Ort zum anderen gelangen ), aber sie sind für das gesamte Item-Management natürlich nötig. Dazu zählt dann auch die Slotbegrenzung des Inventars. Im Grunde soll der Spieler damit gefordert werden, genau zu überlegen welche Gegenstände er mit sich nimmt. Im Zweifelsfalle kann das Verzichten, eine starke Waffe mitzunehmen, ja schnell nach hinten losgehen, was gut zu dem Konzept des Survival-Horrors passt. Die Heilung durch Kräuter, Erste-Hilfe Kästen usw. ist dann wieder nötig, damit das Spiel nicht ein sehr vorschnelles Ende nimmt, wenn der Protagonist nicht mal den ersten Gegner überlebt.

- Weshalb müssen die Charakter im KS erst warten bis eine Leiste sich aufgeladen hat, bevor sie angreifen können und wieso zerstört ihre Supernova nicht gleich die ganze Welt?
Mal abgesehen davon, dass ich ATB nicht mag und es bessere Systeme für so ein Konzept gibt, ist der Sinn hinter der Leiste, den Kampf dramatischer wirken zu lassen, ohne gleich in hektisches Echtzeitgekloppe zu verfallen. Es ist also eine Art Kompromiss zwischen Echtzeit und Rundenorientiertheit. Würden alle Charakter gleichzeitig angreifen, hätte der Spieler kaum eine Möglichkeit taktisch vorzugehen und die Aktionen zu koordinieren. Die Spezialtechniken wiederrum, sind natürlich reinstes Eye-Candy und sollen den Kampf spektakulärer wirken lassen. Ich kenne kaum ein Spiel, in dem auch während der Story die Charakter solche Techniken ausführen. Sephiroth hätte dann z.B. gar nicht seinen Meteor gebraucht, wo eine Supernova doch viel zerstörerischer wäre.

Nun ja, ich denke es reicht um zu zeigen, was ich sagen will. So unlogisch die Dinge im einzelnen auch sein mögen, sie sind alle reine Gameplayelemente und kommen in der Story der Spiele nicht vor. Sollten sie doch in der Story selber auftauchen, dann kann man sich wirklich über die fehlende Logik beschweren. Warum es diese unrealistischen Gameplayelement überhaupt gibt, brauch ich wohl nicht zu erklären. Wären sie nicht so, wie sie sind, dann würde ein Spiel keinen Spass mehr machen bzw. das Spiel sogar unspielbar sein.

Stellt euch z.B. ein RPG oder Survival-Horror-Spiel vor, in dem der Held nach jeder schweren Verletzung verblutet und man das Spiel von vorne anfangen müsste. Ein Spiel mit Hungerbedürfnis, bei der man dann wenn man sich nicht gesund ernährt immer dicker wird und im Laufe des Spieles irgendwann mitten im Kampf an einem Herzinfarkt stirbt. Oder ein Kampfsystem, in dem statt Supernovas irgendwelche unspektakulären, kleinen Feuerchen hin- und herfliegen. Realismus sollte mMn der Realität oder Simulationen vorbehalten bleiben.

Ich will aber nicht sagen, dass man nicht für einige Sachen durchaus bessereAlternativen finden kann. Tiere könnten z.B. anstatt Geld Fell o.ä. abwerfen. Es ist aber nicht notwendig, damit ein Spiel Spass macht. Einiges, was ich hier geschrieben hab, werden viele bestimmt als selbstverständlich bezeichnen, aber dennoch gibt es ja oft diese Kritik an fehlendem Realismus. Wenn ihr Lust habt, könnt ihr ja mal schreiben wie ihr das seht.