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Die verkannten Genies
Spielefans werden oft als unkommunikative Stubenhocker dargestellt. Alles gar nicht wahr, sagt die US-Spieleindustrie, und wehrt sich mit einer eigenen Studie: Demnach sind Gamer sportlich, belesen und vielseitig interessiert.
Spielegegner machen Computerspiele gern für nahezu alle Probleme der Menschheit verantwortlich: Die Games sollen dumm, dick und aggressiv machen. Nun schlägt die Spieleindustrie zurück: Der US-Branchenverband ESA hat eine eigene Studie in Auftrag gegeben - und darin stellt sich die Lage etwas anders dar. Amerikanische Gamer, so das Ergebnis, treiben Sport, engagieren sich ehrenamtlich und sind politisch und kulturell interessiert.
Die Befragten, mehr als 800 erwachsene Gamer, verbringen der Umfrage zufolge durchschnittlich 6,8 Stunden wöchentlich mit Computerspielen. Lesen, Sport, Ehrenamt und anderen Hobbys widmen sie dreimal so viel Zeit. 93 Prozent der befragten Spielefans lesen regelmäßig Bücher oder Tageszeitungen, 62 Prozent gehen häufig ins Konzert, ins Museum oder ins Theater. Mehr als drei Viertel gehen zur Wahl. Für Douglas Lowenstein, den Präsident der ESA, sind die Ergebnisse keine Überraschung: "Wer Spielefans nach wie vor als Faulenzer darstellt, die nur Games im Kopf haben, lebt in einer Fantasiewelt."
Für Diskussionsstoff dürften vor allem die Ergebnisse zum Thema Sport sorgen: In den USA tobt schon seit Längerem eine Debatte darum, ob Games für die wachsende Verfettung der amerikanischen Jugend verantwortlich sind. Verschiedene Studien, unter anderem der Universität Texas, des Children's Hospital of Philadelphia und des British Market Research Bureau, haben einen Zusammenhang zwischen Videospielekonsum und Übergewicht festgestellt.
Laut der ESA-Studie jedoch treiben 79 Prozent der Spieler durchschnittlich 20 Stunden Sport monatlich. "Fettleibigkeit ist ein schwerwiegendes nationales Problem, für das es keine einfachen Antworten gibt", sagte Lowenstein. "Aber es ist gut zu wissen, dass so viele Spieler Sport treiben und dass ihre Liebe zu Games sie nicht faul gemacht hat."
Das als Beweis angeführte Datenmaterial basiert allerdings nur auf Aussagen erwachsener Gamer, während sich die XXL-Debatte vor allem um Jugendliche dreht. Mit großer Sicherheit wird nicht nur deswegen ein Streit darüber entbrennen, wie aussagekräftig die Ergebnisse sind - tendieren doch Auftragsstudien allzu oft dazu, das vom Auftraggeber gewünschte Ergebnis zu bringen.
Angelika Unger
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