Zitat
RTL2 und der Jugendschutz (vom 14.08.2002 - aktualisiert) - von René Quakernack
Das Chaos um Ranma...
Noch nie gab es einen solchen Wirbel um eine Anime-Serie auf RTL2. Innerhalb von 3 Monaten wechselte die Serie von Rumiko Takahashi dreimal den Sendeplatz. Das gesamte Nachmittagsprogramm wurde mehrfach umgeschichtet. Zuerst könnte man meinen, RTL2 erfüllt die Wünsche der Animefans, die Serie generell später zu zeigen. Mit diesem Bericht möchte ich meine Eindrücke von der wahren Situation vermitteln...
Ranma wurde erstmalig am 11.04.2002 um 14.40 Uhr gesendet. Bereits einen Tag nach Ausstrahlung der ersten Folge wurde bekannt gegeben, dass die Serie später gezeigt werden sollte (um 15:40).
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Ranma und der Jugendschutz...
Die RTL2-Jugendschutzbeauftragte hatte im April 2002 eine Prüfung der Serie seitens des FSF veranlasst. Die Kinderredaktion hatte nach Sichtung einiger Folgen Bedenken wegen der Serie und deren Kindertauglichkeit. Es sollte überprüft werden, ob die Serie auch weiterhin zu einer nachmittäglichen Sendezeit ausgestrahlt werden kann.
Zitat:
dass die FSF dem Sender RTL II keine Schnittauflagen für die Anime-Serie "Dragon Ball Z" auferlegt hat, teilte ich Ihnen bereits am Telefon mit. "Detektiv Conan" haben wir überhaupt nicht geprüft. Von "Ranma 1/2 " haben wir die Episoden 8-12 geprüft, weitere fünf Folgen sind derzeit in der Prüfung. Dem Sender wurde zunächst mitgeteilt, dass sich aus jugendschützerischer Sicht derzeit keine Einwände gegen eine Platzierung ab 16.30 Uhr vorbringen lassen.
Das ist ein Ausschnitt einer Mail, die von der "Freiwilligen Selbstkontrolle Fernsehen" (=FSF) stammt. Die FSF ist ein gemeinnütziger Verein mit dem Ziel, den Jugendschutz im Fernsehen zu verbessern und einen bewussteren Umgang mit diesem Medium zu fördern. Im Bereich der Programmprüfung begutachtet die FSF Fernsehprogramme vor ihrer Ausstrahlung und legt Sendezeiten fest. Darstellungen von Gewalt und Sexualität werden auf diese Weise begrenzt, damit Kinder und Jugendliche in ihrer Entwicklung nicht beeinträchtigt werden. Die FSF spricht auch gegebenenfalls Schnittempfehlungen aus, damit der Sendeplatz behalten werden kann.
Der Ausschnitt der Mail bezieht sich auf die erste Überprüfung von Ranma 1/2. Damals wurden die Episoden 8-12 geprüft. Diese Folgen beinhalten unter anderem die bekannten Szenen mit Ryoga + Ranma-chan, in der sie sich nackt im Bad gegenüberstehen und Ryoga die Fassung verliert.
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Trotz dieser scheinbar bedenklichen Szene ist der wahre Hintergrund nicht das, was man zunächst vermuten könnte. Ryoga hat gerade erkannt, dass Ranma-chan die verantwortliche Person ist, die ihn damals in die verwunschene Quelle des ertrunkenen schwarzen Ferkels gestoßen hat. Er rastet aus und zieht an ihrem Zopf. Ryoga ist furchtbar wütend - die Nacktheit der Charaktere spielt in dem Zusammenhang keine Rolle; so wird dies auch von der deutschen Synchronisation klar vermittelt.
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Erste Prüfung bestanden!
Die FSF hatte nach der ersten Überprüfung keine Einwände, die Serie nach 16.30 Uhr zeigen zu lassen. Als Maßstab für eine Bewertung einer Serie dienen nicht einzelne Szenen wie diese, sondern der gesamte Zusammenhang der Geschichte wird gesehen und ausführlich diskutiert. Ein typischer Faktor von Ranma 1/2 ist es mit Moralvorstellungen zu spielen, trotzdem bleibt es im Grunde eine romantische Komödie. Die Beziehung der beiden Hauptcharaktere Ranma und Akane und ihr Zusammenleben stehen im Vordergrund. Zunächst bedrohlich wirkende Abläufe enden stets in einer witzigen Situation, so dass man bereits nach kurzer Besichtigung der Serie zu dem Schluss kommt, dass man hier wirklich nichts ernst nehmen muss. Nach dem Ergebnis dieser Prüfung handelte RTL2 dementsprechend. Am 26.04.02 wurde die Ausstrahlung der Serie ab 16.40 Uhr verkündet. Die Serie blieb auch weiterhin ungeschnitten.
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Die Jugendschutzhotline informiert!
Die Jugendhotline der FSF dokumentiert stets alle Anrufe, die sie seitens besorgter Zuschauer bekommt; gegen Ranma gab es bisher keine einzige Beschwerde. Im Gegensatz dazu gab es aber viele Anrufe wegen Serien wie Dragonball, Dragonball Z und Shin Chan. Die Serie "Detektiv Conan" ist auch bisher frei von Beschwerden geblieben. Detektiv Conan wurde der FSF im Gegensatz zu Ranma nie zur Überprüfung vorgelegt. Zu der Serie Dragonball Z existiert nun ein öffentliches Urteil seitens der GSJP; das ist praktisch die staatliche Variante des FSF. Der FSF hatte DBZ bereits im Frühjahr dieses Jahres überprüft, und das Urteil viel identisch mit der von der GSJP aus: Die Serie wird als kritisch angesehen, aber eine Rüge oder eine Empfehlung für einen späteren Sendeplatz wurde nicht ausgesprochen. Zudem hat die FSF und die GSJP auch keine Schnittempfehlungen gegen DBZ ausgesprochen.
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Übervorsichtigkeit dank Takahashi's Humor
Erinnern wir uns an den Abbruch der Serie bei der 31ten Episode auf dem Sendeplatz um 16:40 Uhr; die Info wurde erst 2 Tage vor dem eigentlichen Sendetermin bekannt gegeben. In Folge 32 tauchte erstmals Happosai auf, und die darauf folgenden Episoden zeigen die sehr perversen Seiten dieses Charakters. Dieser Zustand hält aber nur 2-3 Folgen an, dann normalisiert sich auch das Verhalten von Happosai und er wird nicht mehr so extrem dargestellt. Fast könnte man meinen, dass RTL2 bei der internen Sichtung dieser Folgen dem Humor von Frau Takahashi auf dem Leim gegangen ist.
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Das Chaos mit seinen Folgen...
RTL2 ließ zunächst die ersten 17 Folgen der Serie auf dem 16:40 Uhr-Sendeplatz wiederholen bevor sie am 25.06.2002 um 18:30 Uhr die ursprüngliche Ausstrahlreihenfolge mit Folge 32 fortsetzten - leider war die Vorabendausstrahlung quotenmäßig nicht erfolgreich. Bereits nach 10 Folgen wurde der Abbruch der Serie bekannt gegeben. Gründe dafür gibt es viele: Der stetige Sendeplatzwechsel der die Zuschauer orientierungslos machte, kaum Werbung für den neuen Sendeplatz und auch die TV-Zeitschriften konnten mit der ständigen Verlegung nicht mehr Schritt halten. Der fatalste Fehler - der Neustart erfolgte während des gerade anlaufenden Sommerlochs. Das Anime-Serien besonders während der Schulferien von Zuschauerschwund betroffen sind, ist eigentlich bekannt. Bis zu 70% Zuschauer können ausbleiben. Ein Blick auf die Quoten vergangener Jahre bestätigt dies.
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Die wütenden Fans...
Nach der Herausnahme von Ranma aus dem Vorabendprogramm ereilte RTL2 etwas, dass man niemanden wünschen möchte. Proteste von tausenden von Animefans. Hasstiraden und Wutausbrüche, wie man sie selten zuvor gesehen hat. Die Zukunft von Anime auf RTL2 wurde in Frage gestellt. Der Grund für die Herausnahme der Serie konnte der Sender zunächst nicht zufrieden stellend an die Fans vermitteln. Erst später sprach man von dem oben genannten Sommerloch, und man versprach die Serie im Herbst fortzusetzen. Dieser Zeitraum schien aber für die Fans zu lang zu sein. Unterschriftenaktionen mit tausenden von Einträgen folgten (Petitionen), die die möglichst baldige Rückkehr der Serie erwirken sollte. Die Gästebucheinträge auf der RTL2-Homepage waren gefüllt mit der Bitte, die Serie wieder starten zu lassen. Schneller als erwartet verkündete RTL2 bereits 10 Tage nach Absetzung der Serie den neuen Sendeplatz. Zugunsten der Wiederausstrahlung wird eine andere langlaufende Serie vorerst abgesetzt - Digimon.
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Die zweite Überprüfung....
Nach der Festlegung zur Rückkehr auf einen spätnachmittäglichen Sendeplatz hatte RTL2 eine zweite Überprüfung der Serie veranlasst. Dies ist durchaus sinnvoll, um sich den neuen Sendeplatz bestätigen zu lassen. Die aktuelle Entscheidung der FSF war positiv.
Zitat:
folgende Informationen möchte ich Ihnen heute noch nachreichen: Wir haben die Folgen 52-56 der Anime-Serie Ranma 1/2 geprüft und festgestellt, dass keine nennenswerte Gefährdung für Kinder durch die Rezeption dieser Serie zu erwarten ist. Daher erfolgte eine Freigabe für das Tagesprogramm.
Auch innerhalb dieser geprüften Folgen gibt es einige pikante Situationen mit Happosai und Ranma, aber die werden nicht mit diesem Ernst wie noch am Anfang vermittelt, als Happosai erstmals auftauchte. Mehr noch: Ranma bekam eine Freigabe für das Tagesprogramm. Die Serie könnte also auch wieder z.B. um 14:00 Uhr laufen. Das zweite Urteil hebt zudem das erste auf.
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Hektisch, hektisch...
Der Fall "Ranma" zeigt: Der enge Zeitplan bei der RTL II-Kinderredaktion sieht es nicht vor, ihre Anime-Serien im Vorfeld sorgfältiger prüfen zu lassen. Die ersten Folgen von Ranma wurden erst wenige Tage vor der Fernsehausstrahlung vom Synchronstudio fertig gestellt. Und erst während der Ausstrahlung stellte man fest, dass die Serie möglicherweise doch nicht so gut für Kinder geeignet ist. Die große Dynamik mancher Folgen - mal absolut harmlos und mal hart an an der Grenze des guten Geschmacks und der Moral, sind ein typisches Element von Animeserien vom Schlage Ranma. Gerade das macht es auch so schwierig, Anime dieser Art bewerten zu können. Einer solchen Problematik kann aber leicht aus dem Wege gegangen werden, wenn die Bereitschaft da wäre Anime-Serien auch nach 20 Uhr ausstrahlen zu können, wie es z.B. MTV macht. So lange es diese Sperrfrist für Animeserien gibt, so lange muss sich auch RTL2 im erhöhten Maße mit der Problematik des Jugendschutzes befassen. Bei Ranma wurde das Problem jetzt gelöst, die Serie wurde zweimal überprüft und für das Tagesprogramm freigegeben. RTL2 kann die Serie also weiterhin ungeschnitten zeigen. Mit dem Urteil der GSJP hat der Sender zudem noch einen Persilschein für Dragonball Z erhalten.
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Die Folgen von Erfurt
Durch den Vorfall in Erfurt wurde die Öffentlichkeit verstärkt empfindlich gegenüber Fernsehinhalten mit Gewalthandlungen. RTL2 begann einen schweren Fehler als man Ende Februar anfing, Wiederholungen von DBZ im Morgenprogramm auszustrahlen. Dieser Zustand dauerte nicht lange an. Proteste von Zuschauern und Fernsehsendern (KiKa/S-RTL) veranlassten RTL2, die Ausstrahlung um 8:00 Uhr einzustellen. Durch dieses Ereignis wuchs die Aufmerksamkeit seitens der "besorgten" Zuschauer und der Jugendschützer gegenüber RTL2 an. Der Sender ließ DBZ vom FSF bewerten und die Empfehlung wurde ausgesprochen, die Serie generell nicht vor 19 Uhr auszustrahlen. Schnittauflagen wurden keine gemacht. Die bisherige Ausstrahlpolitik war also in Ordnung gewesen. Nach dem Attentat fing die so genannte Gewaltdebatte an, die durch den Wahlkampf stark angeheizt worden war. Anfang Mai forderte Bundeskanzler Schröder das die freiwillige Selbstkontrolle die Gewaltdarstellung im Fernsehen weiter eindämmen sollte. Einen Bedarf an neuen Bestimmungen zur Beschränkung von Gewaltszenen auf dem Bildschirm sehen die Sender jedoch nicht. Der ARD-Vorsitzende und Intendant des WDR, Fritz Pleitgen, warnte vor "voreiligen Schlüssen". Dem "dauerhaften Phänomen" Gewalt sei "nicht mit Aktionismus beizukommen", sagte er. Der Intendant des Saarländischen Rundfunks, Fritz Raff, wies darauf hin, dass die freiwillige Selbstkontrolle "gut funktioniert". Bei der aktuellen Diskussion dürfe der Blick nicht auf Medien verengt werden.
In ähnlicher Weise äußerte sich auch der Geschäftsführer des Privatsenders RTL II, Josef Andorfer, der eine Gesetzesverschärfung oder strengere Kontrollauflagen ablehnt. "Wir müssen uns im Klaren sein, dass selbst das schönste Fernsehprogramm die Liebe und Zuneigung der Eltern nicht ersetzen kann", schreibt der Fernsehmanager in einem Brief an den Bundeskanzler. Es läge ihm aber sehr daran, Kindern ein Programm zu bieten, das sie "unbeschadet" konsumieren könnten, so Andorfer.
Die Diskussion blieb trotzdem nicht ohne Folgen: Einige TV-Sender (besonders aus dem Münchner Raum) haben darauf die Ausstrahlung einiger Spielfilme und Serien entweder verschoben oder einzelne Folgen nicht gesendet. Im Falle von RTL2 waren es die Folgen 253 und 254 von DBZ, die ein Attentat beinhalteten. Außerdem fing der Sender an, sein Programm stärker zu überprüfen und somit wurden bestimmte Szenen aus Serien und Spielfilmen entfernt, die an das Attentat erinnern könnten. Die Schnitte hatten vor allem das Ziel: Von der Gewaltdebatte abzulenken und die Diskussion um neue verschärfte Mediengesetze gegen das Fernsehen nicht zu fördern. In der Öffentlichkeit sollte das Bild entstehen, dass RTL2 was gegen die Gewaltdebatte tut - und das in der radikalsten Form - der Eigenzensur. Zu einen der Opfer dieser Maßnahme gehört Detektiv Conan; obwohl die Serie die realistischen Folgen von Gewalt zeigt und diese im Gegensatz zu anderen Titeln nicht verharmlost, wurde dieser Titel in die Zensur mit einbezogen. Ranma 1/2 blieb von Schnitten verschont. Je realitätsbezogener ein Titel ist, desto eher landet er auf dem Schneidetisch.
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Die Suche nach bestimmten Bildern...
Die Vorgehensweise bei der Schnittbearbeitung ist oberflächlich: Es wird ausschließlich nach bestimmten Bildern und Szenen gesucht, die dann entfernt werden, ohne Rücksicht auf die Thematik des jeweiligen Filmes zu nehmen. Selbst Filme, die die realistischen Folgen von Gewalt aufzeigen, die aber im keinen Falle Gewalt verherrlichen, wurden geschnitten. Als Beispiel für einen Real-Film sei hier "Outbreak" genannt. In diesem Streifen hatte RTL2 jegliche Szenen herausschneiden lassen, in denen man sterbenskranke Menschen sehen konnte, die dem Ebola-Virus erlagen. Dieser Film hat eine FSK 12 und lief auch nach 20 Uhr - also völlig konform.
Ein gutes Beispiel dafür, wie der Jugendschutz in Deutschland Filme wertet ist der japanische Animationsfilm "Die letzten Glühwürmchen". In diesem tragischen Antikriegs-Film werden die realistischen Folgen von Gewalt, Krieg, Hunger und Not gezeigt. Der Film hat eine Freigabe ab 6 Jahren erhalten. Diese Bewertung macht klar - die Thematik des Filmes rechtfertigt das Zeigen von bestimmten Bildern - Kinder sollen sich bewusst auch mit solchen Themen auseinandersetzen können, und nicht davor beschützt werden. Die auffällige niedrige Freigabe ist auch ein Qualitätsmerkmal dafür, dass es den Machern des Filmes hervorragend gelungen ist, ein solch schwieriges Thema auch an Kinder vermitteln zu können.
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Ärger hoch drei
RTL2 war durch die Gewaltdebatte hochsensibel und empfänglich für jede Art von Kritik von außen geworden und hat praktisch kein Profil mehr gezeigt. Zudem fuhr RTL2-Chef Josef Andorfer die Strategie des "braven Buben" und kündigte den neuen Frauensender "Victoria" an, einem Sender ohne Sex und Gewalt. Zuvor hatte er selbst noch im April einen Animesender angekündigt, aber durch die Gewaltdebatte und der "zu hohen Gewalt" in Animeserien waren die Pläne zunächst offensichtlich vom Tisch. Ein Hohn an sich ist schon, dass RTL2 ausgerechnet mit Gewaltserien wie DBZ die größten Erfolge gefeiert hat, und die recht negative Meinung über Anime in der Öffentlichkeit dabei noch bestärkt hat. Innerhalb von nur 6 Wochen hat es der Sender geschafft, die Beliebtheit unter den Fans auf einen absoluten Nullpunkt zu bringen. Selbst die Neuankündigung des Titels "Inu Yasha" wurde eher verhalten aufgenommen. Denn zunächst stellt sich wieder die Frage: Was bleibt davon übrig? Sehr viel Sympathie und Vertrauen ging verloren; der Sender hatte sich zu den Schnitten allgemein erst ausgeschwiegen und die vielen Zuschauermails über Wochen hinweg nicht beantwortet. RTL2 scheint die Animefans zu unterschätzen: Mittlerweile sprechen auch sie über Quoten, Programmpolitik und Zensur. Die Fans haben sich wirkliche Sorgen gemacht und sie haben zunächst keine Antwort erhalten. Die Momentaufnahme der Beziehung des Senders zu den Fans hatte ich bereits Mitte Juli in der Bildgeschichte "Fragen an Be" festgehalten. Auf eine einfache aber sehr eindringliche Weise wird hier die Problematik vermittelt. Die Überraschung erfolgte aber bereits Mitte August. In einen weiteren Interview bestätigte Josef Andorfer auf einmal, dass die Pläne für einen Anime-Kanal doch noch nicht aufgegeben worden sind. Hintergrund: Es besteht ein hohes wirtschaftliches Interesse an dem Sender. Zudem rechtfertigt er in diesem Interview sogar noch das Vorkommen von Gewalt in Anime-Serien...
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Zukünftige Serien?
Bei einer Serie wie Inu Yasha (angekündigt für Anfang 2003) reicht die simple Schnittbearbeitung seitens RTL2 nicht aus, um sie auch früher ausstrahlen zu können. Diese Serie schwankt wie auch DBZ und Ranma ständig in der Altersfreigabewertung, aber noch mehr nach oben. Durch die Verbreitung von Fansubs (englisch untertitelte Episoden als DIVX-Videodateien) kann man den Gewaltgehalt von Inu Yasha schon gut im Vorfeld betrachten und bewerten. Viel Splatter- und Gore, Action im Sinne von Samurai- und Horrorfilmen, eine besonders düstere Atmosphäre, die sich keineswegs für kleine Kinder eignet. Diese Art von Gewalt wird in der Regel höher gewertet als z.B. DBZ. Die Serie wird im US-Fernsehen um 23 Uhr gesendet. RTL2 sollte diese Serie auf abendlicher Basis ausstrahlen, und wie im Falle von z.B. Star Gate wöchentlich nur ein oder zwei Folgen zeigen. So bleibt die Serie auch länger aktuell und wird nicht gnadenlos verheizt, zudem könnten in Zukunft neue Folgen gezeigt werden, ohne dass die Serie erst 2 mal wiederholt werden muss. Man kann nur auf die Experimentierfreudigkeit des Senders hoffen, denn Erfahrungen in diesem Bereich haben sie bisher noch nicht gesammelt. Eine Serie wie Inu Yasha kann man nicht nachträglich kinderfreundlich zurechtschneiden und es dann im Nachmittagsprogramm unterbringen, ohne die Handlung zu zerstören oder die Laufzeiten drastisch kürzen zu müssen. RTL2 muss sich auch mal die Frage gefallen lassen, warum stets auf Gewalttitel gesetzt wird. Nach den Erfahrungen mit DBZ und der Problematik der nachträglichen Zensur und der Gewaltdebatte erfolgte die Ankündigung von Inu Yasha zu einem völlig indiskutablen Zeitpunkt.
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Zeichentrick = Kinderprogramm?
Im Falle von Ranma können wir fast schon stolz auf den deutschen Jugendschutz sein. Denn er prüft sorgfältig und beschränkt sich nicht nur auf die Sichtung einzelner Szenen; bei der Beurteilung werden viele Faktoren berücksichtigt. Die Entscheidung des FSF garantiert die weitere Ausstrahlung von Ranma auf einen annehmbaren Sendeplatz ohne weitere Schnitte. Eine klare Rüge geht an die zuständige Redaktion von RTL2: Wäre die Redaktion in der Lage, Jugendschutz im Vorfeld zu betreiben und noch wichtiger - Jugendschutz auch erkennen zu können und dort anzuwenden, wo es nötig wäre - hätte es den Ärger mit Ranma sowie auch allen anderen Serien nicht geben müssen. Aber das es sich bei Anime-Serien nicht auch automatisch immer um Kinderserien handeln muss, hat diese Redaktion scheinbar bis heute noch nicht begriffen. Die Tatsache von falsch verstandenem Jugendschutz z.B. in der ersten Staffel von Dragonball, wo aus einem Höschen eine "Mütze mit 2 Löchern für die Ohren" wurde und die Auffassung die Serie "Inuyasha" im Nachmittagsprogramm platzieren zu können, sind nur ein kleiner Ausschnitt aus der Bandbreite an Entscheidungen, die von der Kinderredaktion stammen.
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Fakt bleibt, dass der Sender durch zu geringe Jugendschutzbemühungen und einer falscher Jugendschutzauffassung im Vorfeld als Konsequenz zahlreiche Veränderungen innerhalb des Programms vornehmen ließ:
- Die Serie Ranma 1/2 wurde zeitlich mehrfach verschoben, das Hit-Potential der Serie (erfolgreichster Neustart) konnte nicht genutzt werden.
- Die Serie "Shin Chan" wurde aufgrund von sexistischen und diskriminierenden Dialogen neu synchronisiert.
- RTL2 wurde zu Recht wegen der früh-morgendlichen Wiederholungen von Dragonball Z kritisiert, die Serie wurde nach dem Erfurt-Vorfall nachträglich geschnitten, trotz der generellen Freigabe ab 19 Uhr.
- Die Kurzzeichentrickserie "D.I.A."-Show erhielt nachträglich eine Freigabe ab 22 Uhr (ab 16 Jahre), die Serie wurde bereits abgesetzt.
- Die Serie "Detektiv Conan" wurde nach dem Erfurt-Vorfall nachträglich geschnitten, eine professionelle jugendschützerische Überprüfung fand nicht statt.
- RTL2 betreibt eine generelle Zensur; bestimmte Bilder und Inhalte werden nicht mehr gezeigt - dabei spielt die Thematik eines Filmes oder einer Serie keine Rolle, selbst bereits jugendschutz-überprüfte Filme und Serien, die zu einer korrekten Uhrzeit ausgestrahlt werden, sind geschnitten worden. Mitunter wurden auch schon mehrere Folgen diverser Serien nicht ausgestrahlt, um nicht an bestimmte Ereignisse der Vergangenheit erinnern zu müssen (Attentat in New York, Erfurt-Attentat).
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Da all diese Dinge innerhalb von sehr kurzer Zeit stattfanden (April/Mai 2002), kann man sich durchaus vorstellen, dass der Sender mitunter in Existenz-Ängste geriet - die massive Selbstkontrolle, die weit über den aktuellen Jugendschutzbestimmungen liegt und die sehr wechselhaften Meinungen des RTL2-Chefs sprechen Bände. Die Normalität ist im Alltag schon längst zurückgekehrt - bei RTL2 scheinbar noch nicht. Wie die Aufrechterhaltung der erhöhten Selbstregulierung zukünftig vom Zuschauer aufgenommen wird, bleibt abzuwarten. Ein TV-Sender kann sich umorientieren, die Zuschauer können es aber auch... mit der Fernbedienung.
Fazit
RTL2 wurde in der Vergangenheit schon oft mit dem Jugendschutz konfrontiert. Schaut man sich die Jugendschutzberichte der letzten Jahre an, stellte sich immer wieder heraus, dass RTL2 seine gesendeten Inhalte nur unzureichend überprüft und dementsprechend falsch platziert. Teilweise gilt aber auch die Devise: Profitdenken vor Jugendschutz. Bei diesen "Konflikten" hat der Sender am Ende immer den Kürzeren gezogen, wie man sehr schön in diesem Interview mit Joachim von Gottberg nachlesen kann, dem Geschäftsführer des FSF. Parallelen zu dem gegenwärtigen Verhalten des Senders werden sichtbar. Bei den aktuellen Schnittbearbeitungen wird deutlich, dass nicht immer nach den Vorstellungen des Jugendschutzes gehandelt wird; drücken sie doch eher die Unsicherheit aus, mit der RTL II durch die starken Proteste konfrontiert war, so dass mehr als üblich geschnitten wird.
Die nachträglichen Schnitte in den erwähnten Serien wurden einerseits zunächst als "Reaktion auf die Gewaltdebatte von Erfurt" begründet; später aber dann als "Jugendschutzmaßnahme". Wie man sieht, gibt es auch hier noch Unklarheiten in der Auslegung dieser Maßnahme - hier muss also der Jugendschutz als Argument für die internen Fehler des Senders herhalten.
Update vom 11.11.2003
Durch die augenblicklich stattfindende Veröffentlichung der Serie auf DVD existiert nun auch eine FSK-Bewertung. Die erste TV-Box mit den Episoden 1-27 erhielt eine "Altersfreigabe ohne Beschränkung". Das ist die niedrigste Altersfreigabe, die überhaupt existiert und bescheinigt nun endgültig die Unbedenklichkeit von Ranma 1/2. Jegliche Gedanken über eine mögliche Untauglichkeit der Serie für Kinder, die ganzen Verschiebungen der Serie aufgrund der Jugendschutzunkenntnis von RTL II unterstreichen abermals, wie man durch ein falsches Jugendschutzverständnis ein Erfolg zunichte und ganze Serien ruinieren kann.
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