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Ich reflektiere hier mal über meine Erfahrungen mit dem Maker und insbesondere der Handlung von mit ihm erstellten Spielen.
"Reflektieren" ist ein häßliches Wort.
Ich bin Mitglied einer Community. Das ist so weit nicht ungewöhnlich.
Ich bin Mitglied einer Community für Spieleentwickler. Hmm, das ist schon etwas seltener.
Ich bin Mitglied einer Community für Spieleentwickler, die ein bestimmtes Tool benutzn (den RPG Maker 2000 (RM2k) von ASCII). Setzen wir uns mal mit dieser Community und der Erstellung eines Spiels mit dem RM2k auseinander.
Das erste, was man braucht, um ein Spiel zu machen ist ein Plot und eine Handlung, in der Community auch als die "Story" bezeichnet (und meist mit dem Plot gleichgesetzt). Nun, die Handlung eines Spiels ist nicht sein Plot und weil das in dieser Community vielen nicht klar ist werde ich mal auf die Unterschiede zwischen Handlung und Plot eingehen.
"Meine Freundin starb und ich zog nach Afrika." Dies ist eine Handlung. Es wird nur geschildert, was passiert, nicht wieso es passiert. Die Zusammenhänge fehlen.
"Meine Freundin starb und ich zog nach Afrika, um sie zu vergessen." Durch den Zusatz "um die zu vergessen" wird die Handlung zu einem kleinen Plot. Die Ereignisse werden aufeinander bezogen, es gibt eine Entwicklung.
Wir sehen, daß man einen Plot nicht durch eine Handlung (aka Story) ersetzen kann, weil es der Story an Zusammenhang fehlt. Das Dorf wird angegriffen und Hans der Held zieht los um den bösen Kaiser zu töten. Das ist ganz nett, nur macht es keinen Sinn. Trotzdem werden genau auf diese Art die meisten Spiele aufgezogen. Um vorzugeben, eine durchgehende Geschichte zu haben werden die Einzelszenen dann mit drei Dialogzeilen verknüpft. Das ist ein Plot, wenn auch auf einer sehr niedrigen Ebene.
Denn der Plot ist mehr als nur die Begründung von Verhaltensweisen. Der Plot ist auch die Struktur, an der der Autor seine Geschichte festmacht. Ohne einen Plot wirkt die Geschichte wie eine Seifenoper: "Hans der Held hat gerade die Prinzessin gerettet als er erfährt, daß der gute König ihn die ganze Zeit über belogen hat..." Storyelemente tauchen plötzlich auf, verwirren den Spieler und verschwinden wieder (und werden danach nie wieder erwähnt). Am Ende fragt sich der Spieler dann, was nun der Gedanke hinter der ganzen Sache war. Die Antwort: es gibt keinen. Das ganze Spiel hat zwar eine Handlung, aber ein durchgehender Plot fehlt meist völlig.
Wer einen Plot erstellt, bevor er darufloszuschreiben versucht, kommt im Wesentlichen besser davon (auch wenn der Plot nur teilweise im Voraus gearbeitet wird). Der Plot gibt einem ein Gerüst, an dem man sich entlangarbeiten kann: Bei der ersten Begegnung mit dem "guten" König benutzt dieser ein paar merkwürdige Formulierungen. Später gibt's eine Cutscene zum König und einer verdächtig aussehenden Person, die sich beraten. Am Ende ist der Verrat des Königs immer noch halbwegs überraschend, aber der Spieler denkt sich "ach, deshalb hat sich der alte Sack so komisch ausgedrückt" und hat das Gefühl, sich in einer halbwegs lebendigen Welt zu befinden - weil er merkt, daß der Autor einen Nebencharakter das ganze Spiel lang zielgerichtet weiterentwickelt hat. Vor allem, wenn er gegen Ende des Spiels die wahren Beweggründe des eigentlich guten Königs erfährt, der nämlich erpreßt wurde.
Leider würde es bei einem typischen Makerspiel darauf hinauslaufen, daß der gute König den Helden angreift und nach dem Bosskampf dann mit zwei Zeilen erklärt, daß er erpreßt wurde. Hurra.
Aber er ist auch nur ein Nebendarsteller und die werden generell gerne mißachtet - was das Spiel flach und unrealistisch wirken läßt: Dem Spieler ist ständig bewußt, daß er in einem Spiel ist.
Spiele wie Fallout zeigen, daß man es auch anders machen kann: Nebencharaktere (auch völlig unwichtige) entwickeln sich, verändern mit der Zeit ihre Ansichten über den Spieler und reagieren auf erfüllte/nicht erfüllte Quests.
Bei Makerspielen ist es generell die Ausnahme, wenn überhaupt jemand auf den Helden reagiert: Der Held rettet das Königreich, der König dankt ihm - und sonst erkennt niemand den Helden auch nur. Man spricht die Leute auf der Straße an und sie sagen allenfalls noch "Wie schön, daß der böse Todesvampirwerwolf tot ist", nehmen aber gar nicht wahr, daß sie mit a) der einzigen bewaffneten Person weit und breit sprechen, die b) den Kopf des bösen Todesvampirwerwolfs in der Hand hält.
So entsteht eine Welt, in der selbst große Handlungen immer nur einzelne Personen betreffen, in der alle Menschen nur zwei Zeilen Text kennen und eigentlich genausogut durch Kassettenrecorder ersetzt werden könnten. Wie motivierend.
Ich gebe mal ein Beispiel, wie man es anders machen kann: Stadthausen hat zwei Sorten Einwosozialistisch angehauchte Arbeiter in der Unterstadt. Beide Seiten mögen sich nicht besonders. Wenn der Held nun Aufträge für die eine Seite erfüllt ändert das die Reaktionen der anderen Seite auf ihn: Er rettet die Tochter eines Snobs vor dem Ertrinken? Die Snobs freut das, die Arbeiter nicht. Er klärt einen Mord an einem Arbeiter auf und bringt den Mörder (ein Snob) zur Polizei? Damit ist er zwar der Held der Arbeiterklasse, aber in der Oberstadt darf er sich vorerst nicht mehr blicken lassen.
Vielleicht rettet er die Welt und beide Seiten mögen ihn. Vielleicht rettet er die Welt auf eine bestimmte Art und eine Seite mag ihn deshalb mehr als die andere.
Das ist alles ohne Probleme machbar. Vielleicht hat man dadurch mehr Arbeit, weil jeder Person jetzt statt einer Zeile zwanzig Zeilen sagen kann, aber der Spieler wird es merken (und sich freuen). Und wenn man das mit einem gut geplanten Plot verbindet (NPC A reagiert auf Storyereignis N mit Gespräch X) hat man schon eine gute Chance, ein Spiel zu machen, das den Spieler nicht durch die alte "Leveln - Bosskampf"-Routine führt, sondern durch eine packende Handlung fesselt und ihn dazu bringt, sich zu fragen, was wohl als nächstes passieren wird.
Genau das habe ich mich bei einem Makerspiel eigentlich noch nie gefragt.
Worauf ich hinauswill ist folgendes: Viel zu viele Makerspiele werden ohne Planung einfach drauflosgemacht, was sich in der Qualität ihrer Storys wiederspiegelt. Ich will Maker-User dazu aufrufen, sich zuerst zu überlegen, was überhaupt passieren soll und dann erst die Dialoge usw. zu entwerfen.
Außerdem wäre es tatsächlich mal nett, etwas plastischere Nebencharaktere zu sehen. Oder ein Spiel, das weniger auf Technik und seltene Chipsets Wert legt als auf eine überzeugende, interessante Spielwelt.