Hey Satyras. Das sind ja turbulente Zeiten, die du da durchmachst. Zuallererst: Es ist richtig und wichtig, dass du dir von selbst bewusst machst, wie du deine Gefühlssituation gegen deinen Körper gerichtet hast, und entschlossen bist, das wieder rückgängig zu machen. Das wird vielleicht nicht alles so wie geplant klappen, und unter Umständen solltest du, wenn du die Möglichkeit dazu hast, diesen Plan auch mit jemandem durchsprechen, der sich mit diesen Themen noch besser auskennt (es muss nicht gleich ein/e ErnährungswissenschaftlerIn oder ein Arzt bzw. ne Ärztin sein sein). Rauchen als Gewichtskontrolle ist beispielsweise immer noch ein sehr ungesunder Weg -- nicht, weil alle Raucher nach der zweiten Zigarette offenbar tot umfallen und in die Hölle kommen, sondern weil du deinen Ernährungswandel dann in gewisser Weise um's Rauchen herumbaust. Je nach deinem Rauchverhalten und nach dem Sport, den du so betreibst, könnte auch der Sport das Rauchen substituieren. In jedem Fall dürfen Essen und Rauchen und Rauchen und dein Körpergewicht nicht miteinander verknüpft sein. Ich würde deshalb beispielsweise empfehlen, dass du gleich mit dem Rauchen aufhörst (und, weil man das weiter oben liest, weiter unten aber nicht mehr: möglichst auch mit dem Kiffen wenigstens für ne Weile) und dich gleich wieder in den Sport stürzt. Wie gesagt aber solltest du dich hier nach Möglichkeit auch nochmal professionell(er) beraten lassen.

Und ganz ehrlich, ich weiß, dass sich das aus der Außenperspektive immer voll leicht sagt, und letztlich ist das einzig wichtige erstmal, dass du dich in deinem Körper wohl fühlst. Aber: Scheiß drauf, wenn du in der kommenden Zeit jetzt ein bisschen stärker zunimmst. Wenn du ein bisschen auf deine Ernährung achtest, wird sich das in Grenzen halten. Das hieße nämlich Normalisieren in diesem Kontext: Du futterst dir jetzt nicht 15 Kilo wieder an, sondern du arbeitest an einem normalen Essverhalten. Du hast offenbar (und ich sage mal: trotz allem) eine starke Selbstkontrolle und bist in der Lage, deine Routinen umzustellen. Was dir deshalb in die Quere kommen könnte, wären Entmutigungen (à la "Jetzt bin ich dicker als zuvor, hat alles nur schlimmer gemacht") und Scheiternsängste (à la "Jetzt hab ich dieses oder jenes nicht so geschafft, wie ich wollte, hat also alles keinen Sinn"). Jemand, der innerhalb von zwei Monaten stur 15 Kilo abnimmt und dann sich selbst gegenüber so ehrlich ist zu sagen "Das war Mist", dem fehlt es nicht an Willenskraft und Selbstreflexion -- und auf die kommt es jetzt weiter an.

Apropos Selbstreflexion, die ganze Sache hat ja einen/mehrere Auslöser: Und ich muss dir echt sagen, dass Steffi* deine Zuneigung für was missbraucht hat, das manche Leute mit selbstdestruktiven psychischen Problemen tun (und das deshalb Teil ihrer Krankheit und nur manchmal wirklich ihre eigene Schuld ist). Man sucht sich da oft "Heiler", die nicht aus dem direkten Umfeld stammen, die man dann mit den Problemen belasten kann und die einem auf die Beine helfen. Das heißt, die werden auf diese Fürsorgerolle verpflichtet und tragen dann stark die negativen psychischen Folgen, die anderen erspart bleiben. Und manche Leute gehen in dieser "Heiler"-Rolle sehr auf und verbinden die Fürsorge, die sie geben können, mit romantischer Zuneigung -- was oft sogar Teil des Kalküls (das kein echtes Kalkül, sondern Teil der Krankheit ist) dahinter ist, sich diese Leute als "Heiler" rauszusuchen. Das hat selbst wiederum was Toxisches. Ich schwurbel um diese Sache eigentlich nur deshalb rum, um dir klar zu machen: Einerseits wird sie aus ihrer eigenen persönlichen Krise, schätze ich mal, selbst noch nicht vollständig raus sein. Andererseits bist du momentan auch nicht an einem Punkt in deinem Leben, wo du eine ohnehin schon vorbelastete Beziehung führen willst. Bei alledem, was dich daran hindert, den Kontakt zu ihr abzubrechen: Stell dir mal vor, was passieren würde, wenn ihr ne Beziehung (unter, nochmal, aktuell einem sehr schlechten Stern) anfinget und die dann in ein paar Monaten zerbrechen würde.

Mir scheint das ganze abgesehen von den psychischen Schwierigkeiten und den damit einhergehenden Entgleisungen im Lebenswandel, die sowohl ihr als auch dir passiert sind, eine ganz gute und vielleicht sogar gesunde Freundschaft zu sein. Wenn ich das richtig sehe, versteht ihr euch gut, könnt Dinge miteinander unternehmen, euch miteinander und mit anderen organisieren, ohne dass das zu Reibereien führt. Du scheinst ihr keine Vorwürfe zu machen weder für ihre Inanspruchnahme noch für ihre Zurückweisung (für nichts von beidem, finde ich, solltest du ihr Vorwürfe machen). Gleichzeitig hast du dich ihr gegenüber als wirklich, wirklich guter Freund erwiesen, du warst (bis auf deine selbstdestruktive Überzeugungsstrategie) ehrlich zu ihr, was deine Gefühle angeht. Wenn du meinst, dass du auf dieser Basis mit ihr reden kannst, dann solltest du ihr auch sagen, dass dich deine Gefühle für sie immer noch belasten und du momentan daran arbeitest, dass sie das nicht mehr tun; sag ihr um Himmelswillen nicht, dass du unter anderem ihretwegen an deinem Körper rumgeschunden hast. Bitte sie darum, dass sie im Rahmen des Machbaren etwas Rücksicht nimmt und Verständnis dafür hat, wenn du dich hier und da mal rausnimmst oder auch mal komisch verhältst. Wenn eure Freundschaft so viel Ehrlichkeit hergibt, glaub mir, dann wird es das sowohl für dich als auch für sie einfacher machen.

Gleichzeitig, würde ich empfehlen, solltest du zwei Dinge für die nächste Zeit versuchen zu tun und zwei Dinge für die nächste Zeit unbedingt unterlassen:
(1) Versuch Situationen zu meiden, in denen "zu viel" an Intimität mit Steffi* entsteht. So begehrenswert und gut sich solche Momente auch anfühlen mögen, sie wecken immer den Wunsch nach mehr und führen eigentlich auch immer dazu, dass man sich einbildet, da wär eigentlich auch noch mehr. Selbst, wenn da mehr wäre: Ich bin überzeugt davon, dass keiner von euch beiden viel von einer gemeinsamen Beziehung hätte. Das gilt übrigens auch, wenn sie sich morgen urplötzlich von ihrem Freund trennte und dir in die Arme fiele: Das kann sowohl ihr als auch dir momentan nur schaden. Gleichzeitig solltest du Situationen, in der ihr beide als Teil eures Freundeskreises eingebettet seid (gemeinsame Abende in der WG-Küche, mit der Clique was unternehmen, die Band ...), ganz normal und wie üblich wahrnehmen. Du kannst und solltest dich vor allem auch darüber freuen, dass Sie Teil dieser Situationen ist, wie man sich über gute Freunde halt freut (und manchmal freut man sich über manche halt etwas mehr). Du wirst sicher auch da weiterhin manchmal mit deinen Gefühlen konfrontiert werden, aber Gefühle hat man nunmal, ausstellen hilft da nix. Und du wirst mit hoher Wahrscheinlichkeit auch nie an dem Punkt ankommen, wo Steffi* halt nur eine Kumpeline unter vielen ist, aber das ist auch nicht das Ziel: Wo du ankommen willst, ist eine stabile Situation (und übrigens klingt mir dein Umfeld eigentlich ganz stabil so, wie es ist), in der es dich nicht unglücklich macht, dass dass da nicht mehr zwischen euch beiden ist.

(2) Such dir -- wenn du das nicht schon getan hast -- jemanden in diesem Umfeld, der oder dem du dich so weit anvertrauen kannst, dass sie oder er Bescheid weiß über deine Situation. Das heißt, dass du im günstigsten Fall in der WG, im Freundeskreis, bei möglichst allem Gemeinschaftlichen halt, eine/n Verbündete/n bei der Seite hast gegen jeden Anflug von Ärger, Zweifel und Illusionen, die/der vielleicht sogar im richtigen Moment fragen kann "Willst du dir diesen einen Abend mit Steffi und ihrem Freund wirklich antun?" oder dir im richtigen Moment besorgte Blicke zuwirft. Du musst diese Person nicht in alles einweihen, was dir in den letzten Monaten und Jahren so passiert ist (wenngleich dir zu wünschen wäre, dass du jemanden hast, der/dem du das alles sagen könntest), aber irgendwer sollte dir dabei helfen, das Minenfeld, auf dem du in Sachen Steffi* wahrscheinlich grad läufst, zu sondieren.

(3) Und da sind wir beim Vermeiden: Dating, um von jemandem loszukommen, ist ne denkbar schlechte Idee. Das ist im Prinzip Rauchen, um keinen Hunger zu haben, nur dass dich so ne Zigarette nicht zusätzlich auch noch abblitzen lassen kann und auch ansonsten sozial recht konsequenzarm ist. Du solltest dich ohnehin fragen, in wie weit du momentan eine gesunde Beziehung führen kannst. Du sagst selbst "wenn du wieder ein bisschen Eigenwürde gewonnen hast"; ich glaub, die hast du gar nicht eingebüßt, sondern etwas seltsame Ansprüche an dich und an Beziehungen entwickelt. Ich meine das nicht als Verdikt à la "Schau dich mal an, wie kaputt du bist", sondern vor allem, um den Druck rauszunehmen, der da offenbar ein bisschen für dich mitschwingt: Brauchst du dringend ne Beziehung aktuell? Wär's ne Rebound-Beziehung, um über Steffi* hinwegzukommen? Wär's ne "Heilerin", die du dir suchst, um mit deinen Schwierigkeiten umzugehen? Wär's ein neues Fürsorgeprojekt für dich? All die Liebe und Fürsorge, die du geben kannst, musst und vor allem darfst du jetzt erstmal dir selber widmen. Dein Körper, deine körperliche Gesundheit, dein Selbstwertgefühl und überhaupt deine ganze soziale Situation sind das absolut wert. Und du wirst mit großer Wahrscheinlichkeit sehen, wie schnell das geht, wenn du dich erstmal ne Weile auf dich selbst konzentrierst, dass du schlagartig echte, und nicht nur irgendwie bedürftige Kapazitäten für eine Partnerschaft hast. Eine Beziehung kann auch in solchen Phasen sehr helfen, das will ich nicht bestreiten. Aber das meistens um den Preis, dass eine Person mehr von sich abgibt als die andere; und grade denke ich, solltest du einerseits mit deinen Ressourcen haushalten und andererseits nicht in eine Situation geraten, wo du auf eine Fürsorgebeziehung angewiesen bist. Wenn indes in der nächsten Zeit die Liebe um die Ecke läuft: Ja, dann schnapp sie dir. Aber such jetzt erstmal nicht danach, das bringt dir grad wenig und benimmt dir viel Energie, die du dir selber widmen solltest.

(4) Wir sind hier immer noch beim Vermeiden, diesmal gar doppelt: Vermeide Gefühlsvermeidung. Wirklich, ich spreche hier aus tiefster persönlicher Erfahrung, die vor allem deinen Cannabis-Konsum zur riesigen roten Alarmleuchte macht. Wenn du deinen Konsum gut kontrollieren kannst (und frag dich bitte richtig, richtig ehrlich selbst, ob du das kannst), dann schadet das sicher nicht, um hin und wieder mal den Kopf frei zu bekommen. Wenn nicht, dann lass det. Mach Yoga oder so nen Scheiß, mach Musik bis dir die Ohren bluten, hau eine Büste von Cobain aus einem Mamorblock. Mach Dinge, die dir nicht die Fähigkeit und Möglichkeit nehmen, dich mit deinen Gefühlen auseinanderzusetzen, sondern mach Dinge, die dir Ausdrucksmöglichkeiten geben. Und das Kiffen wird wahrscheinlich nur eine Strategie der Vermeidung (gewesen?) sein, schau dir wirklich mal ganz selbstkritisch auf die Finger, was du sonst noch so machst, um dich nicht mit diesen oder jenen Dingen auseinandersetzen zu müssen. Dass und wie du deine Lage hier schilderst, beweist definitiv, dass du dazu in der Lage bist, dich mit diesen Dingen auseinanderzusetzen, und das ja offenbar auch aktiv tust. Dazu gehört aber auch, deine Gefühle zuzulassen, auch wenn sich das manchmal ein bisschen wie Selbstfolter anfühlt. Und du solltest jetzt wiederum auch nicht alles auf Teufel komm raus "zwangsfühlen", bis deine Finger taub werden. Aber deine Psyche weiß schon ganz gut, wann sie sich mit dunklen Gedanken rumplagen muss, wann sie auch mal Kummer hat, wann sie mal unnötig euphorisch wird. Und wenn sie es dir doch zu bunt treibt, dann darfst du natürlich auch mal trotzig entgegen wirken und dich mindestens ablenken. Aber du darfst dich halt nicht komplett von dir selbst ablenken, und Kummer und Schmerz gehören nunmal auch zu dir dazu.



Alles in allem: Kümmer dich jetzt erstmal komplett um dich, tu dir selbst gut. Ich kann mir gut vorstellen, dass sich viele der scheinbaren Unwegbarkeiten von selbst in Luft auflösen, sobald du wieder mit dir selbst im Reinen bist. Das wird länger dauern, als dein Essverhalten, den Sport und das Rauchen/Kiffen-Aufhören auf die Reihe zu bekommen. Es wird sicherlich auch nicht immer was mit Steffi* zu tun haben, sondern ganz viel mit dir selbst (was gut ist, es geht hier nämlich um dich!). Und wenn's dich doch irgendwo zurückwirft: Das fühlt sich doof an, aber das passiert und heißt nur, dass du offenbar genug Abstand geschaffen hat, um überhaupt zurückgeworfen werden zu können. Schlimm ist's erst, wenn gar nichts mehr passiert und du dir selbst nicht mehr wichtig genug bist. Ich glaub, mit deiner Willenskraft, deiner Gabe zur Selbstreflexion und einer gehörigen Portion sehr angebrachter Selbstachtung meisterst du das. Und behalt vor allem eins weiter im Hinterkopf: Dein Körper ist dein Körper. Und nur du musst damit zufrieden sein; das heißt: im Höchstfall du musst damit zufrieden sein; vor allem musst du eine gesunde, selbstbewusste Beziehung zu deinem Körper haben.

Ich wünsch dir für die nächste Zeit alles Gute und starke Nerven. Und nochmal: Kleine Rückschläge gibt es immer mal. Sisyphus' Stein kann aber nur den Berg wieder runterrollen, weil er ihn vorher hochgerollt hat.