Bloomtown: A Different Story



Bloomtown ist ein wirklich charmantes Indie-RPG eines Teams aus Litauen, das ich im März mit Lynx gespielt habe. Zwei Geschwister im Alter von elf und zwölf Jahren verbringen die Sommerferien in den 60er Jahren bei ihrem Großvater in einer amerikanischen Kleinstadt, wo sie allerhand alltägliche und übernatürliche Abenteuer erleben.

Die größte Inspiration ist eindeutig Persona. Von den Dämonen, dem Konzept der Paralleldimension und der poppigen Kampfmusik über die Social Links bis hin zum Velvet Room (quasi) ist alles vorhanden. Das war mir schon etwas zu viel der Inspiration, muss ich zugeben.

Zum Glück ist Bloomtown aber kein billiger Abklatsch, sondern durch und durch ausgesprochen charmant und offensichtlich mit viel Liebe zum Detail entwickelt worden.

Direkt sticht – anders als beim furchtbaren Cover (Waruuuuum? >_>) – der wunderschöne Grafikstil hervor. Bloomtown zählt eindeutig zu den hübschesten Indie-RPGs im Pixel-Look. Die Umgebungen sind detailverliebt, die Farbpalette erstklassig und die Animationen teilweise unglaublich detailliert. Und das selbst bei kleinen Dingen, wie wenn die Protagonisten sich ins Bett legt. Richtig gut!



Spielerisch gibt es wie in Persona einen klaren Cut zwischen Dungeon-Gameplay und Alltagsleben.

Vorweg: Die Kämpfe sind nicht Bloomtowns Stärke. Es handelt sich hier um ein funktionales rundenbasiertes Kampfsystem, das wie Persona darauf ausgelegt ist, die schwächen der Gegner auszunutzen. Die Auswahl an Skills ist aber relativ begrenzt und schnell laufen alle Kämpfe inkl. Bosse nach einem ähnlichen Schema ab.

Zum Glück geht alles recht flott und die Chance auf neue Dämonen nach den Kämpfen war zumindest motivierend. Besonders viel spielerische Tiefe gibt es hier aber nicht.

Anders als in SMT gibt es auch keine Fusion von Dämonen, stattdessen kann man Dämonen andere absorbieren lassen, wodurch sie EXP bekommen. Beim Level Up besteht auch die Chance auf neue Skills.

Das Dungeondesign ist ansonsten ganz gut. Die Schauplätze sind relativ groß und verwinkelt, man findet viele Schätze und löst kleine Puzzles. Bisweilen muss man in die echte Welt wechseln und dort Dinge erledigen, bevor man in den Dungeons weiterkommt.

Alle der drei Dungeons haben ein starkes eigenes Thema und leichte Horror-Vibes. Es gibt ein gruseliges Schloss, einen Wald (ja, ein Outdoor-Dungeon) und eine Psychiatrie. Gerade in letzterem muss man auch außerhalb der Kämpfe viel mit NPCs interagieren und Aufgaben erledigen, die viel zur Atmosphäre beitragen.



Das Alltagsgameplay hat recht viel zu bieten. Es gibt allerlei Sidequests, die oft sehr charakterbezogen sind. Man lernt so NPCs und die Stadt besser kennen, kann die Zeit aber auch mit simplen Aktivitäten wie Angeln verbringen. Oder man steigert seine Stats (Charme, Courage, Proficiency etc.) beim Lesen, arbeitet für Geld oder erkundet die Wälder. Die Map ist nämlich relativ groß und nach und nach werden neue Teile der Stadt zugänglich, die alle viel zu bieten haben.

Die Stats kann man übrigens nutzen, um in bestimmten Situationen Aktionen durchzuführen, z.B. einen NPC zu beschwatzen oder ein Schloss zu knacken. Dabei muss man immer drauf würfeln, sprich, zu Beginn des Spiels scheitert man oft, später weniger. Diese Rolls kann man in der Regel nicht wiederholen, es hängt aber auch nichts Essenzielles von ihnen ab. Auch zum Fangen von Dämonen kommen die Stats zum Einsatz.

Es gibt Social Links zu insgesamt vier Charakteren, die jeweils fünf Stufen haben. Ich fand die alle recht gut, einige sogar sehr gut (Hugo und Ramona). Von den behandelten (oft sehr erwachsenen) Themen und der Präsentation sind sie Persona imo deutlich überlegen, u.a. weil es sich anfühlt wie organische Freundschaften, da die Protagonistin eben nicht stumm ist. Im Gegenzug gibt’s aber halt auch nur eine Handvoll davon.

Abseits der Social Links gibt es nicht so furchtbar viel Charakterentwicklung. Die beiden Geschwister reifen schon ein bisschen, aber das ist nicht das Hauptaugenmerk des Spiels. Die Figuren haben aber dennoch alle ziemlich markante Persönlichkeiten, die Sprites sind ausdrucksstark und die Dialoge liebevoll und kreativ geschrieben, deshalb hatte ich insgesamt an den Charakterinteraktionen viel Freude. Viele wirklich lustige Momente gibt es auch, gerade mit Hugo, dem Hund.



Die Story setzt stark auf Mystery-Elemente – hier verschwindet ein Mädchen, dort gilt es, einen Mord aufzuklären oder einen Verbrecher zu überführen. Dabei sind diese Geschichten stets mit dem Übernatürlichen verzahnt; ihr menschlicher Kern bleibt aber bestehen.

Die Qualität schwankt etwas. Von der Idee fand ich alle gut, aber gerade zum Kapitelfinale hin verlieren sie oft an Dampf. Nach dem Bosskampf im Dungeon, wo bei Persona oft ein Moment der Katharsis folgen würde, ist es in Bloomtown manchmal schon nach wenigen Sekunden vorbei und die Übergänge fühlen sich etwas abrupt an.

Dafür fanden wir aber das Ende gelungen - es ist ein schöner bittersüßer Abschied, zumindest das „True Ending“.



tl;dr: Bloomtown ist ein überaus charmantes JRPG im Persona-Stil, das aber durchaus eine eigene Identität hat und mit seiner wundervollen Pixelgrafik, der nostalgischen Atmosphäre, schönen Alltagsmomenten und gelegentlichem Drama überzeugt. Die Kämpfe sind kurzweilig, aber leider nicht mehr als funktional – mein Endeindruck ist aber dennoch überaus positiv. Kann es nur empfehlen!

Spielzeit: 20:05h
Wertung: 7,5/10

Challenge-Achievements:
Beende 12 RPGs (6/12)
Beende 6 Indie-RPGs (5/6)