Die Ereignisse von Koudelka spielen in einer einzigen Nacht im Kloster Nemeton. Die beste Beschreibung für dieses Spiel, die ich auf Reddit gelesen habe ist "Ein 'A+'-Erlebnis mit 'C-'-Gameplay. Dröseln wir es auf.
Erkundung
Koudelka war ursprünglich als "normaler" Survival Horror geplant, und das merkt man dem Spiel an. Man durchstreift vorgerenderte Screens des Klosters Nemetons. Einzelne Räume sind dabei aus verschiedenen Blickwinklen gerendert, so dass man, wenn man in einem Raum die Kante eines Screens erreicht hat, die Perspektive wechselt. Leider sind die Screenwechsel mit extrem viel Lag verbunden, da die Kamera sehr nah am Geschehen ist - 2-3 Sekunden Ladezeit pro Wechsel machen das Durchstreifen des Klosters wahrlich zu keinem Vergnügen.
Die Layouts der einzelnen Räume sind zudem anhand der niedrigen Auflösung der Hintergrunde und des hohen Detailgrads, mit dem die Räume designt worden sind, manchmal arg verwirrend, so dass man öfters gar nicht weiß, wohin die Figur sich denn nun (räumlich betrachtet) bewegt hat. Es gibt im Spielverlauf 2 Karten des Klosters, die hier als Verlegenheitslösung dienen um dem Spieler dennoch zu ermöglichen, sich einigermaßen orientieren zu können.
Die vielen Puzzles tun Koudelka hier auch nichts Gutes, denn, der niedrigen Auflösung der vorgerenderten Hintergründe geschuldet, verkommen diese oft zur Pixelsuche. Manche Gegenstände sind zwar als Polygon-Objekte sichtbar - hier kam der Emulator Duckstation to the Rescue, denn anders hätte ich diese Gegenstände vermutlich nie gesehen - andere hingegen werden nur über Beschreibungen sichtbar, wenn man an der richtigen Stelle steht und den Untersuchen-Button drückt, was gelegentlich äußerst präzises Positioning erfordert. Es gibt auch Objekte, auf die man mittels Tastendruck klettern kann, und die haben das gleiche Problem. Muss ich nur den Aktions-Button drücken oder auch nach vorne? Oder reicht es gar, nur nach vorne zu drücken? Ich hatte das Gefühl, es ist für jeden Raum anders designt worden. Ärgerlicherweise gilt das ganze auch für Treppen, die Koudelka nicht einfach hoch- und runterlaufen kann, sondern die ebenfalls mittels Knopofdruck erklommen werden müssen. In einem sehr ärgerlichen Fall darf man sogar eine Treppe mit zwei Stufen nur jeweils One Step At A Time nehmen. Von den teilweise nur sehr schlecht sichtbaren Türen ganz zu schweigen.
Das Spiel verfügt alle Nase lang über sogenannte Temporäre Speicherstände. Wenn man einen Raum betritt darf man das Spiel zwischenspeichern, wobei nur 1 Save pro Memory Card erlaubt ist. An sogenannten "Permanenten Speicherpunkten" kann man das Spiel beliebig speichern; zudem heilen sie HP und MP. Die temporären Speicherstände sind eher dafür gedacht, zu verhindern, dass man wieder an Ort und Stelle laufen muss, falls man gewipet wird. Vor jedem permanenten Speicherpunkt muss man allerdings einen Boss besiegen, bevor dieser freigeschaltet wird. Das schließt den allerersten permanenten Speicherpunkt mit ein. Theoretisch kann man das also versauen, wenn man nicht genug Ressourcen hat, bevor man zum Boss kommt, in der Praxis muss man sich aber schon arg dumm anstellen, damit das passiert. Nach dem ersten permanenten Speicherpunkt kann man hingegen unbegrenzt grinden.
Kampfsystem
Das Menü-System ist leider ebenfalls extrem lahm. Die Anzahl an Items, die man mit sich führen kann ist auf 50 verschiedene Gegenstände beschränkt. Verbrauchsgegenstände zählen nur als ein Gegenstand, egal, wie viele man mit sich trägt, es ist also kein Problem, 99 Potions zu haben. Waffen und Ausrüstung stacken allerdings nicht, Key Items ebenso. Zu einem guten Survival-Horror-Spiel gehören auch apokalyptische Logs, die man im Spielverlauf findet, diese belegen aber keinen eigenen Slot. Warum ich mich allerdings immer wieder durch das ganze Menü klicken darf, wenn ich mehr als ein Item auf ein Partymitglied anwenden möchte, verschließt sich mir.
Charaktere verfügen über unterschiedliche Statuswerte, die man beim Level-Up manuell steigern darf. Vier Punkte gilt es zu verteilen auf: Stärke (Physischer Schaden), Konstitution (physische Verteidigung & HP), Geschicklichkeit (Treffer%), das gleiche nochmal für Magie/MP (Intelligenz, Resistenz & Weisheit, respektive), sowie Beweglichkeit (Wie häufig ein Charakter am Kampf am Zug ist) und Glück.
Jeder Charakter kann eine Waffe, eine Rüstung und zwei Accessoires ausrüsten. Von letzterem hatte ich Spielverlauf zum buchstäblichen Saufüttern, Rüstungen hingegen hatte ich nur eine einzige, die ich auch nur besaß, weil ich einen In-Game-Trick angewandt habe. Armor wird ausschließlich von bestimten Random Encounters gedropt.
Die Kämpfe spielen auf einem Schlachtfeld, das Schachbrettartig unterteilt ist; Formationen können zuvor im Menü festgelegt werden. Ich habe es nicht genau gezählt, ich glaube, es sind 5x8 Felder, und der Bewegungsradius ist eingeschränkt. Weder Gegner noch eigene Charaktere können den vordersten Charakter der eigenen Gruppe "überschreiten". Sprich, es ist möglich, den Gegner in der hintersten Zeile einzukesseln, selbst, wenn der eigene Charakter ganz links, und der Gegner ganz rechts steht. Wird ein Charakter jedoch gekillt, und der Gegner tritt auf seine Zeile oder überschreitet sie, so kann der Verstorbene vorerst nicht wiederbelebt werden.
Jede Runde eines Charakters besteht aus Bewegung und einer Aktion, die in beliebiger Reihenfolge ausgeführt werden können. Verzichtet man auf eine oder beide dieser Möglichkeiten und wählt "Warten", ist der Charakter umso schneller wieder dran. Als Aktionen kommen Angriff, Magie, Items und ein Waffenwechsel in Frage.
Sowohl physische auch magische Angriffe haben Level, und können bis Level 3 gesteigert werden (theoretisch kann man auch auf Level 3 noch EXP für Angriffe und Magie sammeln, es bringt nur nix mehr). Wenn die 999 EXP überschritten werden, so levelt man die Waffenklasse oder den Zauber auf. Höhere Level in einer Waffenklasse bedeuten eine Chance für mehrere Angriffe pro Runde, bis zu 3 bei Waffenlevel 3.
Als Waffenklassen gibt es Fäuste (unbewaffnet oder Schlagringe), Keulen, Messer, Schwerter, Handschuhe, 2-Hand-Schwerter, Äxte (jeweils 1 Feld Reichweite), Speere (2 Felder Reichweite), sowie Pistolen und Gewehre. Letztere verfügen über unbegrenzte Reichweite (außer, ein Verbündeter steht vor dem Schützen), haben aber Munition, die man erst einmal finden muss. Zudem muss man hier nachladen, was eine Aktion im Kampf kostet. Die Reichweiten schließen übrigens diagonalen mit ein, dh. eine Reichweite von 2 beinhaltet auch 2 Felder diagonal.
Obwohl nur Koudelka und James über spirituelle Kräfte verfügen, kann jeder gelernte Zauberspruch von jedem Charakter eingesetzt werden (wobei man Zauber wie Waffenklassen für jeden Charakter manuell leveln muss). Man beginnt das Spiel mit der Feuer-Magie und lernt im Kampfverlauf noch 3 weitere Angriffszauber, sowie Wiederbelebung, Heilung und Reflexion. Je höher das Level, desto höher der Schaden. Interessanterweise werden Resistenzen gegen einen Zauber (oder auch physische Angriffe) über das Ausweichsystem gehandelt, so dass man mit entsprechend hohen Geschicklichkeits- und Weisheits-Werten gelegentlich dennoch Treffer landen kann.
Das Kampfsystem selbst könnte wesentlich besser sein, als es ist, denn was die Sache herunterzieht sind die extrem langen Kamerafahrten und Animationen, die selbst zu frühen PSX-Zeiten eher unüblich waren, und das Kampfsystem wesentlich angestaubter wirken lassen, als es ist - Reminder: Die japanische Version von Koudelka erschien nur knapp 3,5 Monate vor dem japanischen Release der PS2. Wirklich jede noch so kleine Sache wie das Drehen zum Gegner, wenn dieser Diagonal steht, wird mit mehrsekündigen Animationen untermauert. Ich kann hier gar nicht so viel darüber schreiben, weil das Problem nicht so komplex ist, aber die sehr langezogenen Animationsphasen und Kamerafahrten sorgen dafür, dass selbst einfache Random Encounter mehrere Minuten dauern, was unglaublich nervig ist.
Der Schwierigkeitsgrad der Kämpfe ist leider auch sehr durchwachsen. Wer nicht genug grindet frisst sehr schnell Dreck in den Kämpfen, selbst, wenn der Damage Output noch einigermaßen akzeptabel ist. Wer zu viel grindet wird jedoch schnell selbst durch den optionalen Boss keinen einzigen Schadenspunkt nehmen. Fun Fact am Rande: Der maximale Schaden wird zwar als 9999 angezeigt, ist jedoch nicht gedeckelt, anders kann ich mir sonst nämlich nicht erklären, warum ich den ein oder anderen Boss, der eigentlich > 10.000 HP haben sollte, in einer Runde geplättet habe.
Ausrüstungsgegenstände können unterschiedliche Effekte wie Elemente, Schwächen und ähnliches beinhalten, die man aber nur sieht, wenn man im Item-Menü auf dem Steuerkreuz nach rechts drückt. Interessant sind vor allem die Elemente Licht (Heilt alle außer Zombies), Mystik (erteilt ausschließlich MP-Schaden und absorbiert diesen) und Vital (Absorbiert HP). Waffen haben übrigens eine unsichtbare Haltbarkeit und zerbrechen mit der Zeit - selbst die ultimativen Waffen im Spiel können kaputtgehen, egal, was ihr woanders lest. Allerdings erhält man im Spiel auch meist genug Waffen, und auch der unbewaffnete Kampf ist durchaus viable (und eignet sich super zum grinden, wenn man nicht gerade eine bestimmte Waffenklasse trainieren will).
Sidequests
Sidequests sind rar gesäht. Es gibt einen Gegenstand, den man relativ zeitig vor dem Finale holen muss, da man sonst vom Endboss getötet wird und ein Non-Standard Game Over erhält, dieser Gegenstand wird aber zum Glück auch von einem Random Encounter vor dem Endboss fallen gelassen. Es gibt eine Handvoll Sonderwaffen, die optional sind. Neben dem Bad End hat das Spiel 2 Endings, die davon abhängen, ob man die letzte Phase des Bosses besiegt oder besiegt wird. Canon (und deutlich länger) ist das Ending, wenn man sich vom Boss besiegen lässt.
Auf Disc 3 gibt es einen Boss-Fight, der sich vermeiden lässt, wenn man einen bestimmten Gegenstand aufsammelt und eine bestimmte Aktion durchführt - als Belohnung gibt es die Flare Brooch (ein Shadow-Hearts-Staple), sowie eine besondere Sequenz. Vergisst man die bestimmte Aktion so bekommt man zumindest die Sequenz zu Gesicht, vergisst man beides, so gibt es weder ein Item noch die entsprechende Cutscene. Wenn man nicht sowohl die Aktion durchgeführt hat, wie auch den Gegenstand bei sich trägt, muss man gegen den besagten Boss bekämpfen. Ist dies der Fall, gibt es vor dem Fight eine alternative Cutscene.
Zudem gibt es einen Bonus-Boss, den Gargoyle, der nach seiner Niederlage die zweitbeste Waffe im Spiel freischaltet.
Aus der Kategorie "Nur im Spiel, um Strategy Guides zu verkaufen" ist eine Reihe von Gegenständen, die man erhält, wenn man sein Spiel zu einer genauen Zeit speichert und anschließend wieder lädt. Zusätzlich darf man beim Speichern nur 10, 21, 32 oder 43 verschiedene Items besitzen. Diese geheimen Gegenstände sind mehr oder minder nützlich, bis auf die letzten beiden Gegenstände, die das Spiel komplett zerbrechen. Das Schwert Gargoyle-Killer bufft die Stats ordentlich und tötet (theoretisch) den Gargoyle, zerspringt aber nach 3 Hits. Roger's Cane hingegen hebt Intelligenz und Weisheit um knapp 100 Punkte je Stat und sorgt dafür, dass sein Träger mit jedem Zauber 9999+ Punkte Schaden anrichtet. Wer diese Waffen haben will muss sekundengenau bei 11:11:11, bzw. 22:22:22 das Spiel speichern und wieder laden.
Die Story
Die Charaktermodelle des Spiels sind realistisch proportioniert, was auch nötig war, da das Spiel in zahlreichen, nahezu hundertprozentig vertonten Zwischensequenzen erzählt wird, die das emotionale Highlight des Spiels darstellen. Diese Sequenzen kommen ohne Untertitel aus und wurden im Original auf einer Sound Stage aufgenommen und kommen mit Motion Capturing daher - und zwar sowohl die Full-Motion-Video-Sequenzen, als auch die In-Engine-Cutscenes. Dies ermöglicht wesentlich realistischere Gestik und lässt die Charaktere mehr wie - nun - Schauspieler auf einer Bühne wirken, als wie Videospielfiguren. Studio Sacnoth hat extra ein US-Studio dafür angeheuert, da es die hierfür nötige Technologie in Japan gar nicht gegeben hat. Gepaart mit dem echt gutem Writing und einer für deutsche Verhältnisse geradezu phänomenalen Sprachausgabe ist die Story auch heute noch so manch anderem Spiel überlegen. |