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Unicorn Overlord

Ein Prinz, eine Rebellenarmee, ein Kontinent. In Unicorn Overlord geht es ganz klassisch darum, ein Reich aus den Klauen eines bösen Herrschers zu befreien und wieder Frieden herzustellen.
Das neuste Spiel von Vanillaware lässt sich am ehesten als eine Mischung aus Ogre Battle, Fire Emblem und dem Gambit-System aus Final Fantasy XII beschreiben. In den Schlachten bewegen sich die Einheiten in RTS-Manier aktiv über die Karte. Sobald sie sich berühren, kommt es (ähnlich Fire Emblem) in einem separaten Bildschirm zum Kampf.
Und hier wird es komplex: Jede Einheit besteht aus bis zu fünf Kämpfern mit verschiedenen aktiven und passiven Skills, die unter bestimmten Bedingungen ausgeführt werden, die teils vorgegeben sind, teils selbst festgelegt werden können.
So ergibt sich dann ein Für und Wider aus Angriffen, Buffs, Debuffs und Heilung – und all dies läuft automatisch ab, allerdings sehr schön visualisiert.

Das System ist an sich schon ziemlich tief und komplex. Durch die Unmengen an verschiedenen Klassen, Ausrüstungsgegenständen mit Zusatzeffekten und Skills hat man jedoch so viele Möglichkeiten, dass es fast erschlagend ist – zumal man bis zu zehn Einheiten à fünf Charaktere in den Kampf nehmen kann.
Dennoch macht es Spaß, in kniffligen Situationen mit dem System herumzuspielen, um die besten Synergien zwischen Charakteren und Effekten herauszufinden. Auf „Normal“ ist das Spiel allerdings ziemlich einfach, wenn man das meiste Optionale mitnimmt.
Eine zusätzliche Dimension an Komplexität kommt durch die Vielfalt an Terrains, Missionszielen und Field Skills hinzu. Besonders zu Beginn des Spiels fühlt sich jede Hauptmission anders an.

Trotz allem ist Unicorn Overlord sehr kurzweilig, denn man zieht nicht wie in Fire Emblem von einer Schlacht in die nächste, sondern hat auch eine begehbare Weltkarte, die es zu erkunden gibt. Dort kann man Städte wiederaufbauen, Einkaufen, Items finden, jede Menge Geheimnisse aufdecken, per Schiff ferne Ufer ansteuern, Bonding-Events zwischen Charakteren triggern, Schätze suchen, Minikämpfe durchführen und sogar ein Minispiel spielen.
Schon von Anfang an hat man relativ viel Freiheit, was man wann und in welcher Reihenfolge angehen will. Es gibt fünf Gebiete, die man nicht in linearer Reihenfolge abarbeiten muss, auch wenn die Level der Gegner das tendenziell so vorsehen. Rein theoretisch kann man die Storys in diesen Ländern auch ganz ignorieren und direkt zum Finalkampf übergehen – für den ist man dann aber natürlich nicht gerüstet.
Entsprechend folgt der Gameplay-Loop dem Muster: Neues Gebiet bereisen, Story- und Nebenmissionen erledigen, Städte befreien, Charaktere rekrutieren und so weiter.
Dieser Loop ist sehr motivierend und man kann Unicorn Overlord problemlos stundenlang am Stück spielen. Einzig daran kritisieren würde ich, dass es fast zu viel von allem gibt, sodass es am Ende etwas repetitiv wird, wenn man die 50. Stadt aufbaut oder das 50. Minigefecht austrägt.

Die Story ist sehr klassisch und erfindet nichts neu. In die Ausgestaltung der Lore wurde sichtlich Mühe gesteckt und alle Figuren haben auch eine kleine Backstory, die teils in den optionalen Bonding-Events noch vertieft werden.
Unterm Strich ist es aber nicht der Grund, Unicorn Overlord zu spielen. Die Charaktere sind alle relativ eindimensional, eine große emotionale Bindung entsteht nicht, auch wenn es eine Handvoll schöner Szenen gibt.
Durch die Struktur des Spiels sind die Handlungen in jedem Land auch relativ entkoppelt voneinander und es fehlt die Dynamik, da die Antagonisten quasi immer in der Defensive sind und es sich einfach gefallen lassen, dass eine zunächst winzige Rebellentruppe alles (zurück)erobert.
Es mangelt durchaus nicht an Zwischensequenzen, die Handlung ist definitiv kein Beiwerk. Aber sie reißt eben auch nicht mit. Ich würde sie insgesamt als zweckdienlich bezeichnen – besitze aber auch keine allzu große Affinität für derlei „Kriegschroniken“.

Und natürlich sieht Unicorn Overlord absolut umwerfend aus. Hier hat Vanillaware sich mal wieder selbst übertroffen. Das absolute Highlight sind wie immer die Hintergründe, aber auch die unzähligen Charaktere sehen fantastisch aus und sind opulent animiert.
Musikalisch ist es „ganz nett“, einige Stücke sind durchaus atmosphärisch. Es legt hier aber auch keine Höhenflüge hin und man merkt leider auch, dass Hitoshi Sakimoto hier nur beratend am Werk war (also nicht selbst komponiert hat).
Lobend hevorzuheben sind zudem das UI-Design und die Komfortfunktionen. Kämpfe können jederzeit beschleunigt oder ganz übersprungen werden, Schnellreisen sind jederzeit möglich und die Menüführung ist generell sehr gut.
Es gibt keine Ladezeit und generell muss man selten groß auf irgendetwas warten, wenn man nicht will.
Ansonsten gibt’s hier und da natürlich Kleinigkeiten zu kritisieren. Die Items sind in den Kämpfen etwas übermächtig und das EXP-System lässt sich relativ leicht exploiten. Die Bonding-Events fühlen sich allgemein eher uninspiriert an, gerade mit den Frauen, wo relativ plump geschriebene und überhastete Romanzen bei rauskommen.
Aber Unicorn Overlord macht einfach so viel richtig, dass das kaum stört.
Die englische Lokalisierung ist sprachlich übrigens sehr ansprechend und hat sich viele Freiheiten genommen, alles etwas blumiger klingen zu lassen als im Japanischen. Man sollte also nicht mit der japanischen Dub, aber englischem Text spielen – das verträgt sich nicht so wirklich.

tl;dr: Unicorn Overlord setzt im SRPG-Bereich definitiv neue Maßstäbe in Sachen Vielfalt und Komplexität. Die Geschichte selbst ist eher Mittelmaß, doch der Gameplay-Loop aus Erkundung, Sidequests, Micromanagement und Kämpfen motiviert sehr. Unterm Strich ein tolles Gesamtpaket!
Spielzeit: 41:00 (für Platin; durchgespielt mit ca. 40:30)
Wertung: 7,5/10 Baumratten
Und hier noch ein paar schöne Screenshots:
Geändert von Narcissu (14.03.2024 um 12:02 Uhr)
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