Cinders


Cinders ist eine Visual Novel und eine sehr freie Interpretation von Aschenputtel (Cinderella). Man spielt die namensgebende Cinders, die jedoch anders als das Mädchen aus dem Märchen keineswegs schüchtern und auf den Mund gefallen ist.

Allerdings lebt sie – wie im Märchen – in einem Haus mit einer bösen Stiefmutter und zwei gemeinen Stiefschwestern (Sophia und Gloria), und ein beträchtlicher Teil des Spiels besteht aus Interaktionen mit den beiden.

Im Spiel werden die sieben Tage vor dem Ball mit dem Prinzen behandelt, der Ball selbst und das, was danach geschieht. Der Epilog hängt davon ab, welche Entscheidungen man im Spiel trifft.



Cinders hebt sich durch mehrere Aspekte von der Masse ab. Der Artstyle ist recht eigen. Ich mag, dass die Figuren relativ bodenständig gestaltet und nicht zu hübsch sind (auch nicht die potenziellen Love Interests). Die Hintergründe sind detailliert und hübsch und fangen den märchenhaften Vibe gut ein.

Und dann wäre da der Schreibstil. Der ist sprachlich gelungen und oft bissig-sarkastisch. Der Stil fühlt sich oft recht modern an, mit seinen progressiven Themen stellenweise schon recht anachronistisch (gewollt!) Das macht das Spiel aus und ich fand es meist gut, vereinzelt schießt es aber etwas übers Ziel hinaus.

Cinders ist sich ihrer benachteiligten Situation im Haus zwar bewusst, aber liefert ihren Schwestern und ihrer Mutter trotzdem ständig kontra. Generell kann sie sehr gut austeilen und hat ein gesundes Selbstbewusstsein. Das fand ich ziemlich cool und es ist auch eine schöne Abwechslung zu anderen Visual Novels. Lediglich in ein, zwei Szenen, in denen sich Cinder und Gloria gegenseitig in ewigem Hin und Her anbitchen, hat es mich kurzzeitig genervt.

Apropos: Cinders Stieffamilie nimmt zwar zunächst die Rolle der Antagonisten ein, doch alle drei Frauen bekommen mit der Zeit ein wenig Tiefe. Sophia leidet darunter, dass sie nie gut genug ist und versteckt ihr mangelndes Selbstwertgefühl hinter toxischem Zynismus. Gloria hingegen eifert so sehr ihrer Mutter hinterher, dass sie gar nicht so richtig weiß, wer sie selbst ist und was sie im Leben will. Und auch über die Mutter erfährt man, wie schwer sie es hat, die Familie überhaupt durchzubringen und ihr Haus vor dem Untergang zu bewahren.

Das entschuldigt natürlich nicht das toxische Verhalten der drei, lässt die Figuren aber mehr wie echte Menschen erscheinen. Tatsächlich kann man sich im Spiel auch ein wenig mit Sophia und Gloria anfreunden, wenn man mag. Ich mag, dass das Spiel ihre Probleme dabei darstellt, ohne einen Redeption Arc draus zu machen, der die Schattenseiten völlig unter den Teppich kehrt.



Darüber hinaus gibt es noch zwei potenzielle Love Interests, einen Kindheitsfreund und den verwegenen Hauptmann der Wache, der nach einer Neuauslegung der Politik seine Daseinsberechtigung verloren hat. Der Prinz (Love Interest #3) plant nämlich, den Adel zu entmachten und setzt dabei auf List und Diplomatie statt auf militärisches Vorgehen.

Je nachdem, wie man sich entscheidet, endet man am Hof an der Seite des Prinzen, bleibt im Haus der Stiefmutter oder verlässt den Ort gänzlich.

Ich habe mich für letzte Option entschieden, da ich Cinders Haus absolut toxisch fand und sie von der Persönlichkeit nicht für den Hof geeignet. Entsprechend bin ich quasi mit dem Hauptmann der Wache durchgebrannt

Die Länge von ca. 3-4h ist für einen Durchgang übrigens genau richtig.



tl;dr: Cinders ist eine nette kleine Visual Novel und gelungene Neuinterpretation von Aschenputtel, die sich zugleich märchenhaft und modern anfühlt und dadurch eine ganz eigene Atmosphäre hat. Ich war durchgehend unterhalten – hat mir gut gefallen!

Spielzeit: 03:30h
Wertung: 7/10