Dieses Jahr steige ich mal ein wenig früher ein als sonst und diesmal gehe ich auch etwas motivierter an die Sache als sonst. Die letzten 2 oder 3 meiner Threads waren ziemlich schnell aufgegeben weil ich mich meistens auf Titel konzentriert habe die zwar generell ein recht beliebt sind aber bei mir im Laufe der Jahre immer weniger anklang gefunden habe. Dann spiele ich diese Spiele durch aber meistens würde es nur in einen Rant oder "boah war das langweilig" ausarten und die Spiele die mich heute noch abholen sind meistens im Indie-Bereich oder im Mid-Tier Segment zu finden. (Und manchmal ist mein Geschmack so komisch, dass die Spiele kaum eine Sau kennt.) Das ist mir sehr schwer bei SMTV aufgefallen. Ich fand das Spiel in Ordnung, habe aber schon etwas mehr erwartet und sah in dem Spiel ziemlich viel verschwendetes Potenzial und die Formale Struktur war immer die gleiche. Es wurde nicht mal versucht die Erwartungshaltung zu durchbrechen und etwas mit dem Setting zu machen. Dann ging ich durch das Spiel immer mit dieser "Das kann doch nicht alles sein..." Haltung durch das Spiel und am Ende gab es keine Pointe. Da haben mir neben dem immer noch gutem Kampfsystem zu viele Dinge gefehlt, dafür war mir das Dungeondesign und die fehlenden Interaktionsmöglichkeiten in den 4 großen Gebieten zu wenig. Wofür hat man sich z.B die Mühe gemacht eine Slideanimation für den Protagonisten zu machen. wenn sie nur bei simplen Sandanhöhungen genutzt wird anstatt einfach mal als Formelbrecher eine längere Rutschbahn mit Hindernissen zu kreieren? Warum nur Durchlaufdungeons ohne interne Mechaniken die nur dort zu finden sind? Warum wird z.B dieser Sandwurm im ersten Gebiet von den Dämonen als total gefährlich angeteasert und wir legen das Monster bei der ersten Begegnung Schachmatt, wie jeden Boss in dem Spiel bis auf wenige storybedingte Ausnahmen damit sie später ihr Rematch haben können. Man hätte das Sandmonster ja erstmal unbesiegbar machen können und gelegentliche Fluchtsegmente einbauen können (Mit Sandrutschbahnen-z.B oder man muss auf den Sand achten um nicht von dem Viech gefressen zu werden, wenn es plötzlich aus dem Boden schießt.) und im Gebiet müsste man erst Ressourcen finden um eine Chance zu haben damit die Bedrohung spürbar ist. Einfach damit das Gebiet nicht nur Kulisse ist, sondern auch entsprechende Interaktionsmöglichkeiten hat.

Was ich damit sagen will, dass sich nicht nur SMTV sondern viele JRPGS sich in letzter Zeit so steril angefühlt haben ohne einen gewissen Mut zu haben auch mal Dinge einzubauen die die übliche Formel etwas aufbrechen können um nicht direkt zu wissen wie alles nach Formel X abläuft und direkt Patterns in der Handlung festzustellen. Bravely Default II ist auch so ein Kandidat und das hätte mit einigen Tweaks nicht sein müssen.

Jetzt habe ich den Thread eher negativ angefangen aber ich probiere Spiele zu finden, die sich etwas mehr trauen und nicht direkt "Die Formel" so offensichtlich machen. Vielleicht finde ich sie bei meiner Auswahl an Spielen und manchmal nicht. Ich spiele zwar oft "Formel"-Games aber ab und zu brauche ich auch mal was anderes.

Heute fangen wir mit Ender Lilies an.
Ich bin auf das Spiel gestoßen weil meine Freunde es als "Hollow Knight aber mit besseren Pacing" angepriesen haben und teilweise muss ich ihnen zustimmen. Bereut habe ich den Kauf definitiv nicht, soviel kann ich schonmal sagen. Legen wir mal los.




Begonnen am: 28.12.2021
Beendet am: 2.1.2022
Spieldurchgänge:1
Ende A nach 7 Stunden
Ende B nach 13 Stunden
Ende C nach 16 Stunden
100% nach 17 Stunden
Bossrush-Timer: 34 Minuten
Insgesamte Spielzeit: 17 Stunden und 34 Minuten


Worum geht es überhaupt?: (Erste 20 Minuten zusammengefasst)
Das Spiel wirft einen direkt in die Handlung. Man spielt in einer sehr düsteren apokalyptisch angehauchten Welt ein namenloses komplett in weiß gekleidetes Mädchen. Ohne Erinnerungen wird sie von einer umherlaufenden Seele eines Ritters geweckt, der ihr ermöglichen will das Land unbeschadet zu verlassen. Der Ritter ist sowas wie die Waffe der Protagonistin, da sie selber nicht kämpft. Sie findet sich selbst in einem kalten dunklen Raum wieder und nur ihre innere Aura scheint den trostlosen Ort zu erhellen. Als sie sich weiter in dem Gebäudekomplex umsieht stellen sich ihr halb untote, wahnsinnige Wesen in den Weg um die sich der Ritter kümmern muss und man stellt schnell fest, dass die Protagonistin die unruhigen Seelen läutern kann und sie somit vom Leiden erlösen kann. Als die Protagonistin eine wahnsinnige Priesterin läutert, springen Erinnerungen der Priesterin in ihren Kopf und man stellt fest, dass ein niemals endender Regen eine Krankheit das Land befallen hat und als "Unreinheit" oder im Englischen "Blight" (und so nennen wir das nun fortan, auch wenn ich auf Deutsch gespielt habe. xD) bezeichnet wird. Diese Krankheit befällt Menschen und Tiere und lässt sie nach und nach die Kontrolle über ihren Körper verlieren und sind nur noch im Blutrausch und morden ohne Grund. Die sogenannten Weißpriesterinnen können die Menschen läutern, so dass sie nicht die Kontrolle verlieren, doch das geht mit einem Preis daher. In den Erinnerungen taucht auch ein Name auf: Lily. Der Ritter beschließt die Protagonistin zunächst Lily zu nennen bis die Protagonistin ihr Gedächtnis wiedererlangen sollte.



Das Spielprinzip:
Das Spiel hat einige mit Parallelen mit Hollow Knight, wandelt aber einige Dinge sehr stark ab, so dass Ender Lilies seine eigene Identität hat.

Auch dieses Spiel ist primär wie ein Metroidvania aufgebaut. Im Laufe des Spiels erlernt Lily immer neue Fertigkeiten um neue Ortschaften zu erkunden. Sobald man das erste Gebiet absolviert hat, kann man sich die Reihenfolge aussuchen welche 2 Bosse man als erstes erledigen möchte und ab dann hat man praktisch freie Hand wie man zum ersten Ende vordringen möchte. Für weitere Enden muss man die anderen Bosse ebenfalls besiegen aber auch gewisse, teils gut Versteckte Dinge finden die stellenweise durch anspruchsvolle Plattformerpassagen geschützt sind.
Lilys Waffenarsenal ist ziemlich umfangreich. Es gibt die Primärwaffen die durch rote Symbole gekennzeichnet sind. Der Ritter mit seinen Schwertattacken kann zum Beispiel unendlich oft eingesetzt werden. Geister die Magie oder Fernkampfattacken anwenden können haben limitierte Nutzungen. Die Munition oder das Mana kann man an sogenannten Ruheorten aufladen. Das sind meistens Bänke oder Stühle, die in der Landschaft verstreut sind. Man könnte sie auch als Bonfire-Punkte bezeichnen. Checkpoints.
Dann gibt es noch die gelben Geister die als Sekundärwaffe zählen. Diese Geister haben nicht nur eine streng limitierte Einsatzzahl, sie haben obendrein noch einen Cooldown der bis zum nächsten Einsatz auslaufen muss. Der Schaden kann sich dafür aber sehen lassen und ist somit gut gegen Bossgegner oder nervige normale Gegner geeignet. Manchmal kann aber auch die schiere Anzahl normaler Gegner überwältigend sein und dann kann so ein Sekundärspell für ein wenig Ruhe sorgen. Man kann insgesamt 3 Geister im Set haben, dabei muss aber 1 Primärwaffe Pflicht sein, ansonsten hat man freie Hand. 2 Sets kann man an einem Ruheort ausrüsten und je nachdem was man ausrüstet kann man sich manche Spielpassagen einfacher oder schwerer machen.

Dann gibt es noch normale Ausrüstungsgegenstände von denen man gerade zu Beginn nur wenige anlegen kann. Zunächst muss man die Gegenstände erstmal finden und die sind teilweise gut versteckt, dann muss man noch ein Item finden um die Punktzahl der Traglast zu erhöhen um gewisse Items tragen zu können. Manche Items erhöhen den Schaden, manche erhöhen die Sprungkraft und manche vermindern den Schaden. Da ist vieles dabei und man kann sinnvolle Kombinationen rausarbeiten.

Die Geister ob Primär- oder Sekundär können aufgelevelt werden. Dabei wird nicht nur der jeweiligen Waffe erhöht sondern ab einem gewissen Level die Angriffsgeschwindigkeit und das Moveset wird erweitert. Es lohnt sich also darin zu investieren aber ein Spieldurchgang reicht bei weitem nicht aus um alle auf ein Maximallevel zu bringen. Man sollte ab einem gewissen Zeitpunkt seine Favoriten rauspicken und diese so weit es geht hochleveln. Gerade Level 4-6 bringen signifikante Unterschiede mit sich die sich lohnen, auch wenn verdammt viel der nötigen Erfahrung auf hohen Leveln benötigt wird.

Wenn Lily schaden erleidet kann sie sich zunächst 3 Mal heilen, das sind zu Beginn ungefähr 50% ihrer HP aber anders als in Hollow Knight kann man mit zugefügten Schaden die Heilkraft nicht wiederherstellen. Die Heilkraft kann man nur an selten platzierten weißen Pflanzen und an Ruheorten wiederherstellen. Das ist ein großer Unterschied, denn in Hollow Knight empfand ich die normale Gegend mit ihren Gegnern nie wirklich als sonderlich Gefährlich während in Ender Lilies auch normale Gegner mit ihren stellenweise gemeinen Platzierungen für ordentlich Ärger sorgen können. Meistens ist man mit 3-5 Treffern Game Over und man wird am letzten Ruheort zurückgesetzt. Im ersten großen Gebiet gibt es ein Segment wo man gleichzeitig von mehreren Vögeln, Nahkampfskelletten und Fernkämpfern attackiert wird. Das ist sozusagen die erste richtige Feuerprobe. Mann muss lernen den Angriffen auszuweichen und nicht zu gierig zu sein, was schnelle Kills betrifft, denn wenn man einen Moment unvorsichtig ist und das Moveset der Gegner unterschätzt kassiert man schnell mehrere Treffer ein.

Lily hat zuletzt noch ihr eigenes Levelsystem. Besiegt man genügend Gegner gibt's ein Level up und der Schaden der Geister erhöht sich geringfügig. Falls man stirbt darf man die gesammelte Erfahrung behalten, man verliert halt nur seinen derzeitigen Fortschritt zwischen den Ruheorten und wenn man an kritischen Orten immer wieder den Weg zurücklaufen muss ist das Strafe genug.

Die Erkundung des Spiels funktioniert richtig gut. Klar, für das Genre typisch kann man zunächst erstmal kaum wo hin und die offensichtlichen Sachen wie ein Doppelsprung, eine Schwimmfertigkeit sind schnell ersichtlich aber das Spiel hat eine gute Leistung erbracht die benötigten Fertigkeiten im letzten Drittel gut zu kaschieren. Man weiß gar nicht, dass man es vermisst hat bis man es hat und dann will man ganz schnell in alte Gebiete zurück um die neue Fertigkeit zu erproben, weil der Ort zuvor nicht wie ein typischer Roadblock aussah.
Viele Geheimgänge kann man ab einem gewissen Punkt gut erkennen aber manchmal bricht das Spiel das typische Versteckspattern und baut noch mal neue Geheimnisse ein.
Ab und an gibt es auch interessante Plattformerpassagen die stellenweise recht herausfordernd sind. Wenn man komplizierte Sprungmanöver ausführen muss und dann von einer plötzlich auftauchenden Spinne von der Decke attackiert wird und zig Meter in die Tiefe fällt ist das manchmal frustrierend. Ich glaube aber die Entwickler haben an den Stellen die Gegner mit Absicht so fies platziert. xD

Das Highlight des Spiels sind aber die Bossgegner. Gerade die Bossgegner in der zweiten Hälfte des Spiels haben eine hohe Anzahl an Patterns und je niedriger die HP des Gegners werden desto schneller und gemeiner werden die neuen, zusätzlichen Attacken die das Moveset des Gegners erweitern. Es gibt Gegner gegen Ende mit 6 Phasen und es macht richtig Spaß die Patterns zu lernen um den Boss dann letzendlich Platt zu machen.
Marielle war für mich der beste Bosskampf. Es war wie ein Tanz, man war ständig in Bewegung und man musste die Konterschläge ziemlich gut timen um nicht von den Projektilen getroffen zu werden. Die spätere Hand aus dem Boden war dann auch nochmal seine ganz eigene Sache. Ich habe diesen Kampf geliebt und ich habe auch am längsten an diesem Kampf gesessen.




Atmosphäre des Spiels:
Ender Lilies hat meiner Meinung eine schön düstere Stimmung erzeugt und dabei auch viele Details eingebaut.
Die Musikstücke tragen nicht nur zur Stimmung bei, sie ändern sich auch Situationsbedingt. Befindet man sich z.B an einem Ruheort wird das Musikthema etwas ruhiger während die Musik unter Wasser andere einen neuen Rythmus erlangt und allgemein etwas dumpfer klingt. In Plattform und Kampfarealen ist das Musikstück deutlich dynamischer und bei Subbossen erhöht sich die Geschwindigkeit der Musik. Und in jedem Gebiet hat die Musik diese unterschiedlichen Variationen und sowas gefällt mir im Allgemeinen.

Während das Spiel findet man immer weitere Loreschnippsel die gegen Ende ein Ganzes formen. Die Geschichte rund ums Grenzland ist zwar recht melancholisch und wenig Lebensbejahend erzählt doch die Stimmung wird gut eingefangen ohne in die typische Edgey schiene fahren zu müssen. Es gibt immer vereinzelt etwas Hoffnung in der Geschichte zu finden und die Informationen die man in diesen kurzen Nachrichten und Tagebucheinträgen findet sind Essentiell um das wahre Ende zu finden.

Ein weiteres Detail stellt man auch bei Lily im Laufe des Spiels fest. Je weiter man im Spiel kommt desto verdreckter und blutverschmierter wird sie, da sie das Leid und die Schmerzen der Bossgegner absorbiert und in sich aufnimmt damit diese Frieden finden können. Lily selber kann nicht krank werden aber die Schmerzen muss sie erleiden. Und gegen Ende sieht Lily echt ..... furchtbar aus. Eigentlich will man nur, dass sie heil aus der Sache rauskommt. xD

Die Geschichte selber hat auch einige Twists zu bieten und nach dem ersten Ende ist man auch motiviert genug den Rest der Welt zu erkunden um alle Geheimnisse zu ergründen. Es gibt eigentlich immer etwas, was einem bei der Stange hält.



Fazit:
Abschließend kann ich bei dem Spiel eine Empfehlung aussprechen. Ich habe das Spiel in wenigen Tagen durchgespielt und auch den 100% war ich nicht abgeneigt. Achivements wie "Erreiche Lv.100" wirken erstmal wie ein Grindfest aber die Levelkurve ist gut auf das Spiel ausgelegt, so dass ich den letzten Boss auf Level 96 ohne Grinding besiegt habe. Dann dachte ich "komm die 4 Level machst du noch" und 10 Minuten später war da auch schon Level 100 erreicht.

Die Atmosphäre ist stimmig, die Bossgegner sind anspruchsvoll und machen Spaß und das Erkunden geht recht angenehm von der Hand. Ender Lilies ist ungefähr halb so lang wie Hollow Knight (30-40 Stunden) und ist so mit seiner 17-20 Stunden Spielzeit weniger erschlagend, was das Metroidvania Genre betrifft. Der Schwierigkeitsgrad ist aber an manchen Passagen etwas höher ohne ins unfaire abzudriften.

War wirklich ein gutes Spiel und ein toller Einstieg in diese Challenge.


What's next?



Sword and Fairy 7 ist das nächste Spiel was ich angehe.