Okay, genau die beiden hatte ich mir tatsächlich auch auf die Wishlist gehauen. ^^ 1+2 werde ich ob ihrer Kürze auch anspielen. Mal sehen! Wobei ich sagen muss, dass mir Origins spielerisch sogar noch mal deutlich besser als Teil VIII gefallen hat, auch wenn der natürlich ganz andere Zielsetzungen hat (und inhaltlich und stilistisch einen ganz anderen Level erreicht).





Tell Me Why



Tell Me Why ist praktisch ein erwachseneres Life is Strange, was ich teilweise ganz neutral meine und teilweise auch sehr positiv. Und sagen wir es direkt am Anfang einmal überdeutlich: Es IST ein Life is Strange, jede gegenteilige Behauptung ist ... ja, Bullshit. ^_~



Die Story und ihre Hauptcharaktere sind vielleicht der größte Unterschied, weil wir hier eindeutig erwachsene Geschwister in ihren 20ern spielen, die sehr erwachsene, teilweise mundane Probleme haben und sie auch wie Erwachsene angehen. Tell Me Why ist weit weg von Teenie-Drama und weltzerrüttenden Superkräften, nicht zuletzt weil man letztere fast vollständig als Metapher nehmen kann, wenn man denn möchte. Das einzige Drama ist Kleinstadtdrama, und das ist natürlich durchaus dramatisch (und traumatisierend!), aber letztlich geht es um familiäre Spannungen, Nachbarschaftsgeheimnisse, das soziale Gefüge der Gemeinschaft und psychische Gesundheit.
Und dass das niemand falsch liest: Es ist GROSSARTIG! =D Irgendwie hat sich der Mediendiskurs meiner Wahrnehmung nach hauptsächlich um Tylers "Rolle" als Trans-Mann gedreht, aber das ist tatsächlich nur ein Teil der Geschichte. Die ist nämlich menschlich, also komplex und zunehmend subtil. Die Enthüllungen hier sind teilweise so graduell, dass ich oftmals einen Moment gebraucht habe, um wirklich zu checken, was jetzt neu dazugekommen ist. Hier und da kommt zwar noch der eher übertreibende Videospiel-Storytelling-Instinkt durch, vor allem wenn es um die Mutter die Geschwister und die ihre Ostblock-esque illustrierten Märchengeschichten geht, die wunderschön in die Handlung eingebunden sind, aber das ist tatsächlich nicht der Hauptreiz des Ganzen, sondern die faszinierende Kirsche obendrauf.



Tell Me Why ist mit etwa 12 Stunden und 6 (!) Schauplätzen ein angenehm kleines und fokussiertes Life is Strange, und ich finde, dass ihm auch das sehr gut tut. Alles ist wichtig und das Pacing fühlt sich deutlich treffender an als in den anderen Teilen. Es fühlt sich überhaupt in vielerlei Hinsicht so an, als wäre hier eine Formel erwachsen geworden. Allerdings: YMMV! So beispielsweise beim Gameplay, das die Idee des interaktiven Films komplett in sich aufnimmt. Zwar gibt es ein paar nett gemachte Rätsel, vor allem in der letzten Episode, aber die sind alle sehr simpel, was mir sehr entgegenkam, denn steckenbleiben oder nachschlagen wollte ich hier wirklich nicht. Auch die interaktiven Dialoge sind auf wenige, gut durchdachte Entscheidungen heruntergebrochen, und selbst so "konventionelle" Genre-Sachen wie die unausweichliche potenzielle Romanze sind punktuell und größtenteils passend in das Gesamtkonstrukt eingebunden. Um diese Option auch gleich mal als Beispiel zu nehmen: Ich hatte mich erst für ein Herumturteln entschieden, in einer sehr süßen Szene, und war dann reichlich überrascht, als das kleine Dontnod-Symbol am Rand angezeigt hat, dass meine Geschwister weiter auseinandergedriftet sind. Vergessen sind die Zeiten von "XY will remember that (but not really)", stattdessen tragen fast alle wichtigen Entscheidungen zum zentralen Thema von Zugehörigkeit und "eigenem Weg" bei.
Wer das Spiel schon durchgespielt hat, findet übrigens hier die Gedanken des Entwicklungsteams zu den verschiedenen Endings, was ich für eine absolut großartige Idee halte! Klar, der Autor ist tot, und meine Interpretation der Themen sieht auch ein wenig anders aus, aber ich wünschte mir, mehr Entwickler würden so offenherzig mit ihrer Sichtweise der Dinge umgehen.



Was geht mit diesem Deutsch ...? Ich hab zum Glück auf Englisch gespielt.

Und noch eine Sache: Das Setting im ländlichen Alaska ist der absolute HAMMER. Nicht nur total eigen und wunderschön, und genauso Americana-nostalgisch, wie ich das von Life is Strange liebe und erwarte, sondern auch thematisch passend und mit vielen faszinierenden Details. Ich habe eine Menge über das Leben und den Umgang mit der Wildnis da oben erfahren, über die indigenen Tlingit (von denen ich davor noch nie gehört hatte) und, abermals, über Amerika und all seine komplexen Facetten im Allgemeinen.

Also Empfehlung? YES! Wer irgendein Life is Strange mochte, sollte sowieso reinspielen, aber ich würde es auch denen empfehlen, denen Life is Strange bisher zu jugendlich oder cringey war. Man muss lediglich mit einer eher gediegenen, menschlichen Geschichte klarkommt, und natürlich mit heftigen Emotionen, denn wie üblich hält sich die Serie nicht zurück in all ihren Darstellungen.

5 von 5 ... Publishern und Entwicklungsteams, die inzwischen in Life is Strange etc. verwickelt sind, wtf? Aber hey, solange ich jeden Teil mag?!
2 von 2 ... Geschwistern, die auch dann noch ein zufriedenstellendes Ending erreichen, wenn sie sich auseinanderleben. Chapeau!
1 von 1 ... Cipos, die jetzt wieder EXTREM gespannt auf das angeblich sehr gute True Colours sind! =3





Außerdem haben wir es echt geschafft, zu zweit Disco Elysium anzuspielen, mehr dazu in ein paar ... Wochen? Monaten?