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Hybrid-Darstellung

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  1. #1
    Sakura Wars




    Das ist ein Spiel | für mich ♫

    Sakura Wars war ja schon immer so eine faszinierende Mischung aus Dating Sim und Taktikspiel, vor dem Hintergrund eines alternativhistorischen Japans in den 1930ern. Dazu kommt die Prämisse, eine Truppe von unerfahrenen Schauspielerinnen zusammenzubringen und sie in ihren rundlichen Steampunk-Mechas gegen religiös-mechanische Dämonen ins Feld zu führen ... JAP, ich war voll dabei, und das bin ich immer noch! *___* Im nächsten Abschnitt schaue ich mir die Philosophie dieses Soft Reboots noch ein bisschen genauer an, aber eigentlich weiß ich fast alle Änderungen zu schätzen.

    Die Story hat wie gehabt das Feeling einer klassischen Anime-Serie ohne allzu große Überraschungen. Das funktioniert, weil der Fokus auf den Charakteren und ihren Beziehungen liegt, und weil mir diese deutlich besser gefallen als im letzten Teil. Fast alle im Hauptcast sind cool und/oder interessant, und auch der Nebencast ist zumindest unterhaltsam. Auch gibt es mit den Kampftruppen der anderen Länder und einem nahenden Wettkampf ein paar neue Ideen, aber wie gesagt, generell sollte man storytechnisch bloß nicht zu viel erwarten. Das ist alles nur der Backdrop.
    Spielerisch sieht es schon spannender aus! Statt einem Taktiksystem haben wir diesmal handfeste Button-Smasher-Action mit jeweils zwei rundlichen Mechas inmitten feindlicher Dämonen. Diese Action kommt nicht mal ansatzweise an wirklich gute Genre-Spiele ran, und die Genre-Liebhaber würden wohl über die rudimentären Mechanismen lachen, aber ich hatte gerade mit dieser Simplizität eine Menge Spaß – in einem Genre-Mix will ich mich nicht länger als nötig mit Frust oder dem Einüben irgendwelcher Strategien beschäftigen. Ein paarmal habe ich die Level aber auch wiederholt, um bessere Ratings zu bekommen, weil es mit der Zeit einfach ordentlich flutscht (ein paar pervers schlechte Teile wie den Luftkampf mal ausgenommen). Und obwohl ich erst skeptisch war, ob ein "Team-Genre" nicht besser zur Narrative passt, muss ich sagen: Eigentlich geht es in Sakura Wars mehr um die persönlichen Beziehungen als um das Team. Passt!
    Das Herzstück der Reihe bleibt also die Dating Sim, und hier merkt man einfach, dass jahrelange Erfahrung eine Menge wert ist. Die flutscht nämlich so richtig. Den ganzen Cringe, der damit einhergeht, hebe ich mir mal für den dritten Abschnitt auf, aber am Ende des Tages wissen diese Leute einfach, wie sie Charaktere sympathisch machen, wie sie auf dieser seeeltsamen Linie zwischen Wish Fulfillment, Dumm-Dreistigkeit, Subtilität und ernsthafter Psychologie herumtänzeln, wie sie die Arcs der Frauen timen und wie sie all das in die Hauptstory einbinden. Macht Spaß und hat sogar ein paar emotionale Momente!
    Und ganz groß: Obwohl das Charakterdesign von Kousuke Fujishima natürlich unangefochten altehrwürdig ist, ist es inzwischen auch einfach irgendwo ... alt. Und genau für dieses Design nun den Bleach-Zeichner Tite Kubo ins Boot zu holen, war eine hervorragende Entscheidung. Der hat nämlich nicht nur einen sehr ikonischen Stil (genau wie sein Vorgänger), er ist auch extrem gut darin, hübsche Menschen in stylischen Klamotten zu zeichnen. Und machen wir uns nichts vor, das zählt hier eine MENGE.

    Was ich letztlich noch positiv hervorheben möchte, sind die Prioritäten des Spiels. Man merkt zwar, dass das Ganze wahrscheinlich nur eine mittelgünstige AA-Produktion war, aber dafür haben sie eine Menge aus ihrem Geld geholt. Es gibt genau das notwendige Minimum an Gegner-Varianz, die Anime-Sequenzen setzen genau dann ein, wenn sie die Handlung am effektivsten unterstreichen, die Gesichter sind großartig animiert und generell hat man eine Menge Energie in lebhafte Romantik-Szenen gesetzt. Kleine Details wie die wechselnden Theater-Poster im Flur sorgen für Atmosphäre, Tokyo als Setting ist toll und mit Koi-Koi sowie den Bromides gibt es genau EIN gut ausgebautes Minispiel und genau EIN Set an Collectibles, mit denen man ein bisschen mehr Zeit in dieser Welt verbringen kann. Selbst die Spielzeit, wahrscheinlich irgendwo zwischen 20 und 25 Stunden, ist praktisch perfekt. Meine Güte, ich verstehe jetzt, was es mit Hanafuda-Karten auf sich hat!





    How to reboot the Kirschblütenkriege

    Sakura Wars ist eine Reihe, deren Originaltitel "Sakura Taisen" schon immer um ein Vielfaches schöner war – die "Kirschblütenkriege" haben was, zumal Kriege ja oft so unangemessen blumige Namen bekommen. Dass auch der Name der Protagonistin dazu passt, ist da nur ein netter Bonus ... was ohne Japanischkenntnisse und mit der Übersetzung "Sakura Wars" natürlich gänzlich verloren geht. Ich meine, was zur Hölle soll dieser Titel bitte aussagen? Es gibt einen Krieg, in dem ein Mädchen namens Sakura eine wichtige Rolle spielt? Toll. Faszinierend! Und ganz besonders toll natürlich in den Teilen, in denen Sakura nicht mal vorkommt.
    Das Reboot allerdings ergänzt den Titel um zwei neue Ebenen, die ihn plötzlich sehr viel verdaubarer machen, und die tatsächlich auch darauf hinweisen, dass man sich ernsthafte Gedanken über die Frage gemacht hat, wie sich eine solche Reihe rebooten lässt. Erklären muss ich ich das leider in einem Kasten, aber zwei Dinge vorweg ...
    1.) Es ist in meinen Augen gut gelungen!
    2.) Wenn wir mal ganz ehrlich sind, spielt kein Mensch auf dieser Welt diese Spiele für ihre Mysterien oder Twists, also können alle außer den militantesten Spoiler-Puristen beruhigt auf den Kasten klicken.


    Ein Zyniker könnte an dieser Stelle vermuten, dass ich zu viel in eine blöde Anime-Handlung voller Badehausszenen interpretiere, und das mag stimmen. Aber es wird halt wirklich klar, dass dieses Reboot nicht ausschließlich ein Cash Grab ist, sondern auch eine ernsthafte Liebe für das Franchise und seine Vergangenheit in sich trägt, ohne sich aber vor mutigen Änderungen zu verschließen. Und das weiß ich sehr zu schätzen!


    Cringe

    Es gibt leider zu viele Seltsamkeiten in ALLEN Bereichen des Spiels, um einen gut strukturierten Text daraus zu machen, aber es ist auch zu viel und vor allem ZU FUCKING CRINGE, um es zu ignorieren. Also gibt es hier eine Liste, die leider nicht mal ansatzweise einen Anspruch auf Vollständigkeit erheben kann.

    – die Anime-Klischees der 90er Jahre, völlig unverblümt und schamlos
    – aktuelle Anime-Klischees, bis hin zu Shonen-esquen Kochszenen und einem Idol-Konzert mit Leuchtstäben
    – eine Menge "motivierendes Geschrei"
    – eine Spielmechanik für Geschrei, in der man den Regler nur in Ausnahmefällen nicht bis zum Anschlag aufdrehen sollte
    – Eskalation! Eskalation! Eskalation!
    – Deus Ex Mechas
    – 2/3 des Humors funktionieren besser als sie funktionieren sollten (oder dürften)
    – 1/3 des Humors fällt spektakulär flach
    – seltsame (aber Gott sei Dank inkonsistente) Anklänge von japanischem Nationalismus und Exceptionalism
    – Handlung in den 1940ern und ein Berliner Mecha-Team mit seichter Nazi-Optik, aber ein bequemes Aussparen internationaler Konflikte
    – allgemein wird so einiges ausgespart, was irgendwie unbequem oder unpassend für die Zeit sein könnte
    – alles Böse ist dämonisch
    – ein Hauptantagonist ohne irgendwelche Anzeichen von Charakter (aber mit einem coolen Design!)
    – der 20-jährige Hauptcharakter ist ein riesiger Creep, hat aber leider immer noch mehr "Charakter" als die letzten beiden
    – von fünf Romance-Optionen sind alle jünger als er; eine ist 13, eine ist 19, die anderen sind 16 oder 17
    – die 19-jährige wird benutzt, als wäre sie 40
    – eine. ist. 13 ... natürlich; FUCK Japan (GOTT SEI DANK sind die schlimmsten Romance-Szenen optional)
    – die 13-jährige ist auch abseits dieser Fragwürdigkeit ein schrecklicher Charakter mit einem schrecklichen Arc
    – die beste Romance-Option ist offensichtlich die, in der der Hauptcharakter am häufigsten ins Gesicht geschlagen wird
    – nicht mal ein Ansatz von Eifersucht, egal wie hart man sich durch die Gegend romanced
    – jede der fünf hat eine im Brustbereich individuell geschnittene Uniform (nennt man das dann eigentlich noch "Uniform"?!)
    – meine Lebensgefährtin hat jedes Mal genervte Geräusche gemacht, wenn Anastasias Brüste im Bild waren
    – ich habe wohl auch Geräusche gemacht
    – hier heißen die Collectibles "Bromides", beim Witcher wären es "Sex Cards"
    – von jeweils drei Optionen in den Romance-Dialogen gibt es IMMER eine peinliche oder übergriffige Option
    – manchmal gibt es auch drei auf einmal :<
    – es wird keine EINZIGE Gelegenheit ausgelassen, für Klischees, für Fan Service, für NICHTS
    – Das hat nichts mit dem Spiel an sich zu tun, aber ich habe soeben herausgefunden, dass der 51-jährige Kousuke Fujishima eine 20-jährige Cosplayerin geheiratet und geschwängert hat, was in meinen Augen auch schon ziemlich harter Cringe ist.

    Also ja, das neue Sakura Wars ist harte emotionale Arbeit. Man muss praktisch alle Ansprüche von Niveau und Anstand hinter sich lassen, die man in den Jahren seines Lebens mühsam angesammelt hat. Embrace the cringe ... OR PERISH!


    Fazit

    Ob es das wert ist? Ich bereue nichts, aber ich liebe auch den absolut spaßigen und gut gemachten Genre-Mix, weiß das behutsame Reboot zu schätzen und habe eine MENGE Nostalgie für die Serie. Die Charaktere und ihr Miteinander haben mir diesmal sehr gut gefallen, das neue Kampfsystem macht einfach Spaß – auch wenn man hieran ruhig noch etwas feilen darf – und das Drumherum stimmt auch. Den harten Anime-Bullshit und die Fragwürdigkeiten en masse kann ich aber definitiv nur unter diesen Vorzeichen tolerieren. Alles andere muss man dann mit sich selbst ausmachen.

    Die Tage folgt dann sicher noch ein kurzes Review des Tie-In-Animes ...


    Neues Achievement!
    Nach zwanzig Stunden klingt selbst der Theme Song nach einem Guilty Pleasure







    Ach ja: War dieses Spiel erfolgreich ...? Ich glaube, die Zahlen auf den Inseln sehen ziemlich gut aus, und bei dem minimalistischen Marketing im Westen würde ich einfach mal davon ausgehen, dass man nicht unbedingt mit gewaltigem West-Erfolg gerechnet hat. Ich hoffe also ganz optimistisch auf einen zweiten Teil?

  2. #2
    Zitat Zitat von La Cipolla Beitrag anzeigen
    Und genau für dieses Design nun den Bleach-Zeichner Tite Kubo ins Boot zu holen, war eine hervorragende Entscheidung. Der hat nämlich nicht nur einen sehr ikonischen Stil (genau wie sein Vorgänger), er ist auch extrem gut darin, hübsche Menschen in stylischen Klamotten zu zeichnen. Und machen wir uns nichts vor, das zählt hier eine MENGE.
    Böse Zungen würden sogar behaupten, dass die hübschen Menschen in stylishen Klamotten das einzig gute an Bleach waren *g*

    Zitat Zitat
    – die Anime-Klischees der 90er Jahre, völlig unverblümt und schamlos
    – aktuelle Anime-Klischees, bis hin zu Shonen-esquen Kochszenen und einem Idol-Konzert mit Leuchtstäben
    Also haben sie quasi die besten Klischees der 90 bis hin zur Neuzeit? Awesome. Wobei ich zugegeben mit den alten Klischees besser klarkomme. Ich muss ja zugeben, dass mich die Reihe immer ein wenig angelächelt hat, aber ich mir nie den Arschritt geben konnte, mal einen Teil auszuprobieren.

    Zitat Zitat
    – von fünf Romance-Optionen sind alle jünger als er; eine ist 13, eine ist 19, die anderen sind 16 oder 17
    COUNT ME IN!
    ...
    Errr...ich meine natürlich
    Zitat Zitat
    FUCK Japan
    Man, wenn ich Deine Zusammenfassung lese, klingt das eigentlich GENAU nach Trash nach meinem Geschmack. Weil es ein Reboot ist muss man schätze ich auch die vorherigen Teile nicht kennen? Bzw. hält es sich im groben an die Handlung vom ersten (einem?) Teil der Reihe? Wie war das Kampfsystem eigentlich früher: war das T-RPG ein wenig anspruchsvoller, oder war es genauso seicht wie das jetzige KS, nur dass das jetzige schneller von der Hand geht?

  3. #3
    Ich musste ungefähr 2 Sekunden nachdenken, welches Gif die Schwierigkeit des Spiels am besten einfängt, dann ist es mir wie Schuppen von den Augen gefallen.



    Also ja, der letzte Teil war auch schon recht simpel, da bin ich glaub ich nicht ein einziges Mal gestorben, und das war hier eigentlich genauso. Es ist nur halt ein komplett anderes Genre (Action, davor war es Strategie mit Aktionspunkten). Allerdings kriegst du halt ein Rating für jede Action-Szene, und in allen Kategorien ein perfektes S zu kriegen, wird mit der Zeit doch schon spannend. Darin lag dann auch der Spaß für mich, dass dieses "flutschende Spielen" entsprechend anerkannt wird. Was ich bei so einem Spiel ehrlich gesagt auch besser finde – da will man sich gar nicht 40 Stunden mit aufhalten oder drei Mal hintereinander einen Kampf voller Story verlieren.

    Wegen dem Kennen der vorherigen Teile: Es geht definitiv auch ohne, vor ALLEM, wenn man es auch für den Trash spielen will und es nicht zuuu ernst nimmt ... ^__~ Die Hauptcharaktere sind halt alle neu, und obwohl es direkte Verbindungen und Bezüge gibt, bleibt die Story eigentlich immer durchschaubar. Am ehesten könnte vielleicht stören, dass man das Gefühl kriegt, etwas verpasst zu haben, nämlich die "Basis-Variante" des Konzepts, während das hier sozusagen schon eine """"klug"""" weitergedachte Fortsetzung ist.
    Ich glaube, wenn man auf Nummer sicher gehen will, kann man auch mal in die ersten ein, zwei Folgen des TV-Animes von 2000 gucken, da sollte man einen guten Eindruck des Originals kriegen, auch wenn der Anime selbst nicht so wahnsinnig geil ist. Oder man klickt sich einfach mal auf Youtube durch die verschiedenen Intros und ein paar Szenen. Ich bin ja auch nur durch die (noch SEHR viel schlechteren) OVAs (auf Ebay-CDs mit Raubkopie-Qualität aus, äh, Vietnam? xD) und Filme zu dem Franchise gekommen. ^^
    Oder man spielt die Fan-Translation des ersten Teils. Muss ich aber selbst auch noch machen.

    Zitat Zitat
    Böse Zungen würden sogar behaupten, dass die hübschen Menschen in stylishen Klamotten das einzig gute an Bleach waren *g*
    Ich würde noch die Konzeptarbeit ergänzen, aber ja, um es positiver auszudrücken: Zumindest für das Charakterdesign würde ich ihn jederzeit anheuern.



    Lustigerweise hat mich ein Freund drauf hingewiesen, dass der japanische Titel NOCH eine Ebene hat, die in der Übersetzung verloren geht: "Sakura-tai" war wohl der Name der Schauspielerinnentruppe aus Hiroshima, die Pate für die Idee des Spiels stand, was Sakura Taisen gleich zu einem mehrfachen Wortspiel macht. <3

  4. #4
    Zitat Zitat von La Cipolla Beitrag anzeigen
    Ich bin ja auch nur durch die (noch SEHR viel schlechteren) OVAs (auf Ebay-CDs mit Raubkopie-Qualität aus, äh, Vietnam? xD) und Filme zu dem Franchise gekommen. ^^
    Oder man spielt die Fan-Translation des ersten Teils. Muss ich aber selbst auch noch machen.
    Waren das noch die prä-Kazaa-Zeiten? *g*

    Nach den Eindrücken denke ich, dass man mit dem neuen Teil dann doch ganz gut fahren kann, weil ichs ja vor allem für Cringe spielen würde
    Und wenn das KS vorher auch nicht anspruchsvoll war, nur vermutlich langsamer (weil Strategie), dann kann ich darüber wegsehen. Schätze das spielt man eh nicht wegen des Gameplays^^

  5. #5
    Klingt schon nach einer amüsanten Mischung, sofern man es aushalten kann
    Kommt zumindest mal auf die Liste für später.

    Und da das Christmas Cake Alter bei 25 liegt, ist es ja kein Wunder, dass sie schon mit 13 anfangen müssen xD. Ich hätte ja vielleicht noch die kleine Hoffnung, dass diese Option dann zumindest etwas harmloser gestaltet wäre, aber die Chancen stehen vermutlich schlecht.

  6. #6
    Alles unter "Cringe" kann ich echt so unterschreiben. *schauder*
    Wer braucht Photobucket? Kein Schwein!
    Libenter homies id, quod volunt, credunt.
    Alle GF-Aktionen auf einen Blick

  7. #7
    The Witcher III
    The Witcher III – Hearts of Stone
    The Witcher III – Blood and Wine




    Es gibt so Spiele, bei denen es sich irgendwie falsch anfühlt, eine allzu klare Meinung zu haben, selbst wenn man sie 180 Stunden lang gespielt hat ...? Bei Witcher III liegt es einfach daran, dass dieses Spiel und seine Metaebene so verdammt vielseitig und komplex sind, und dass selbst diese Komplexität noch diverse Ebenen hat ...?
    Ich will sagen: Es ist ja allgemein bekannt, dass es ein gottverdammt gutes Spiel ist, und gerade in diesem Licht fühlt es sich nach Verschwendung an, ein paar Jahre nach der Veröffentlichung allzu viel Meinung darüber zu schreiben. Am ehesten in die Nähe eines treffenden Reviews kommt für mich vielleicht wieder Super Bunnyhops Video – und selbst bei ihm merkt man, dass er nicht versucht, eine "gestreamlinete" Gesamtaussage zusammenzukriegen, sondern eher seine Gedanken sammelt. ^^
    Ich will mich daher auf ein paar Fragen konzentrieren, die ich persönlich interessant finde.


    Für wen ist dieses Spiel?

    Es ist ziemlich wild, wie groß das Franchise inzwischen geworden ist, aber ehrlich gesagt fand ich die Frage schon spannend, als ich den ersten Teil in der winzigen Fachbesucherkabine der Games Convention in Leipzig angespielt habe. xD
    Die Witcher-Reihe ist auf der einen Seite EINDEUTIG ein klassisches West-RPG, mit ganz viel Bioware-Einfluss und ganz viel Fantasy. Aber andererseits hat es nicht nur den europäischen (oder genauer: Ostblock-)Märchen-Twist und die "kleinformatige" Monsterjäger-Core-Story, sondern hatte auch von Anfang an so seeeeltsame Erzählstrukturen und Dramaregeln, manchmal ziemlich weit weg von Hollywood, Heldenreise & Co. – wodurch es oft angenehm überraschen kann. Gerade die Finalszenen der ersten beiden Teile haben das für mich ganz hervorragend verdeutlicht, und Teil 3 geht zum Glück wieder genau denselben Weg. Ich will sagen: Wer mal was inhaltlich und erzählerisch anderes will, das dennoch tief im West-RPG-Bereich verankert ist, der kommt um den Witcher nicht herum.
    Ein Teilaspekt davon ist auch, dass hier nicht immer alles erklärt wird, oder nur sehr langsam. Das gilt für das Setting, aber es gilt sogar für die Story, wodurch man seit Teil 1 immer so ein angenehm exotisches Gefühl hat, in eine wirklich fremde Welt und in die komplexe Geschichte wirklich faszinierender Personen einzutauchen. "Sense of Wonder" ist hier mal wieder das Schlüsselwort, und daran scheitern andere RPGs ja wirklich regelmäßig.
    Der Witz ist, dass dieser Sense of Wonder der Reihe inzwischen auf eine andere Art und Weise hilft, die sicherlich nicht geplant war: Egal, wie viel Witcher man schon kennt, man fühlt sich selten wirklich verloren, zumindest im negativen Sinne. Ich dachte beim Spielen erst, dass der dritte Teil ohne die ersten beiden ziemlich überwältigend sein muss, aber inzwischen glaube ich, dass es gar nicht so wild sein dürfte. Schließlich habe ich die Bücher nicht gelesen, die Serie nur angefangen, und tatsächlich trägt all dieser Kontext, der mir offensichtlich fehlt, eher noch dazu bei, mich in dieses Spiel hineinzuziehen. Man braucht keine Bücher, keine Serie, eigentlich nicht mal Teil 1+2. In einem gewissen Sinne trägt die Komplexität des Franchises also dazu bei, es zugänglicher zu machen. Man muss sich nur ins tiefe Wasser trauen. ^^
    Oh, aber man braucht Ausdauer zum Schwimmen. Selbst The Witcher III, das absolute Vorzeigekind des Open-World-Genres, ist in meinen Augen immer noch 1/3 zu lang. ^_~ Und natürlich, abermals, wonk as fuck, aber das kennen wir ja seit Teil 1.


    Was ist das für ein Spiel?

    Viele RPGs legen ihren Fokus auf die Handlung und/oder die Charaktere, und manche eher auf die Welt, das Eintauchen und das Erobern. Und ich muss sagen: Gerade letzteres funktioniert für mich nur sehr selten, und ganz oft sabotieren sich die beiden Seiten auch gegenseitig. Die Elder Scrolls bspw. hatten für mich nie irgendeinen Sense of Wonder, die ersten Fallout-Teile u.ä. konnte ich auch nicht lange spielen. Bei Bioware hat mich meistens genervt, dass die typischen drei Planeten/Regionen etc. von der Hauptstory abgelenkt haben. Es gibt Positivbeispiele, aber das sind Ausnahmen, und selbst die sind selten konsistent.
    Der Witcher allerdings pendelt auf eine interessante Art und Weise zwischen diesen Reizen umher: Der zweite Teil etwa ist ganz eindeutig ein Story-Spiel – scheinbar auch aus Geldgründen –, der erste eine eher klassische Mischung. Der dritte Teil wiederum hat sich, so meine Vermutung, ERNSTHAFTE Gedanken über die Frage gemacht, wie man diese zwei Reize verbinden kann, ohne dass sie sich gegenseitig in die Beine grätschen. Die ersten 2/3 des Spiels bspw. sind eigentlich eine einzige Schnitzeljagd quer durch die Welt, die an der Oberfläche nur peinlich wenig mit der Story zu tun hat. Wenn man drüber nachdenkt, wird es aber erst durch diese lose Verbindung möglich, die Welt ohne allzu viele "Störgeräusche" zu erkunden und auch komplexe Nebenhandlungen zu erfahren, u.a. weil die Hauptstory noch überhaupt nicht interessant geworden ist – was natürlich nur funktioniert, weil der Neben-Content selbst verdammt interessant ist. Diese Struktur ist nicht immer logisch (Willst du nicht mal langsam deine Ziehtochter suchen statt Karten zu spielen ...?), aber wenn nach, äh, 70 Stunden oder so der storyintensive Part beginnt, kennt man die Welt bereits so richtig gut, und hat auch Bock auf mehr Story IN DIESER WELT, ohne sich aber zu ärgern, dass man Erkundungskram verpasst. In anderen Spielen hört das Spiel meistens schon fast wieder auf, oder man backtrackt nur noch, aber hier baut die Story wirklich ein bisschen auf der Erkundung auf, und läuft dann angenehm unterbrechungsfrei. Es wirkt einfach durchdacht.
    That being said, The Witcher ist auch eindeutig die Geschichte eines bestimmten Mannes. Kein generischer Avatar, nicht mal ein blasses "Chosen One"-Bioware-Ding, sondern eben Geralt, der Witcher, und wenn man hier Entscheidungen trifft, geht es um die Frage, welche Entscheidungen Geralt in den Augen des Spielers treffen sollte. Und das erfordert natürlich auch, dass diese Entscheidungen über "rechtschaffen guter Geralt" und "Vollidiot Geralt" hinausgehen ...
    Und ja, die Witcher-Reihe macht Dark Fantasy wirklich fucking gut, aus zwei Gründen: Sie versteht, dass "Dark" ein spezifisches Geschmäckle ist, nicht der gesamte Brei. Die depressive Spielwelt und die schweren Entscheidungen können nur funktionieren, wenn all das auch positive Seiten, schöne Momente und sogar potenziell angenehme Ergebnisse haben kann. Ich meine ... man kann in Witcher III ein HARDCORE-Happy-End erreichen, das sich ernsthaft verdient anfühlt! In diesem Sinne versteht die Reihe auch, dass nicht alle Entscheidungen auf Teufel komm raus bitterböse Dilemmas sein müssen, sondern dass böse Dilemmas aus sich selbst, aus echten Konstellationen erwachsen, und auch nicht aller 5 Minuten. Und dass es manchmal einen vernünftigen Kompromiss geben kann, oder einen ruhigen Moment, oder echte positive Emotionen. Und umso härter hauen dann die echten Dilemmas rein.
    The Witcher ist für all seine Sex-Cards, seine alten Klischees, seine FUCKING pubertären Gewaltanimationen und seine blöden Witze eben doch ein angenehm erwachsenes Spiel, zumindest in den Momenten, in denen es wirklich zählt.


    Wie passen die DLCs mit rein?

    Kurzform: Alle sagen, man soll die DLCs mitnehmen, und obwohl Witcher III perfekt (!) abgeschlossen ist, würde ich das uneingeschränkt unterstreichen. Was für ein Grundspiel mit 100+ Stunden eine echte Ansage ist, gerade für meine Verhältnisse ...? yet here we are
    Hearts of Stone ist praktisch wieder eine recht geradlinige Story à la Witcher II, aber eine VERDAMMT gute. Und ehrlich gesagt? Das war nach dem Hauptspiel genau das richtige. Ich hatte noch nicht wieder Bock, irgendwelche Umgebungen abzugrasen, aber bei so einer netten kleine Nebenhandlung mit wirklich faszinierenden Charakteren und Szenen war ich sofort dabei. Ich mag das Ende von Witcher II extrem gern, aber ich glaube, im Großen und Ganzen ist dieser DLC mein Höhepunkt der Trilogie.
    Blood and Wine wiederum ist dann wieder mehr von Teil 3, und das ist – ebenfalls – genau richtig, zumindest als letzter DLC nach Hearts of Stone. Wenn ALLES an Teil III ein bisschen kürzer gewesen wäre, hätte ich den radikalen Wechsel in Umgebung und Tonfall wahrscheinlich sogar richtig großartig gefunden, aber so war die Luft ein bisschen raus; was ehrlich nicht am DLC selbst lag. Der hat coole Höhepunkte und vor allem coole Charaktere, auch wenn er nicht so ganz an die besten Momente der restlichen Reihe heranreicht. In einem gewissen Sinne also ein ruhiges Ausklingen, was auch noch mal von den grooooooooßartigen letzten beiden Szenen unterstrichen wird ... Und ja. Ja, doch, das passt. =3
    Bloß nicht drüber nachdenken, was Yennefer zu der ganzen potenziellen Vögelei in den DLCs sagen würde.

    Damit verkünde ich, dass nun offiziell ALLE Fragen zu Witcher III beantwortet wurden.


    Neues Achievement!
    nothing left to witch


  8. #8
    Ich, äh, spiele immer noch Hades. Oh, und ich habe mit Smash Bros Ultimate ein neues Sakurai-Spiel (Heißt: abartig rund, durchdacht und umfangreich!), also in diesem Jahr bitte keine Challenge-Wunder mehr erwarten. LiS 2 spiele ich definitiv noch durch, danach könnte es knapp werden. ^__~
    Eine kleine Sache war aber noch offen!



    Sakura Wars: The Animation

    Zitat Zitat von La Cipolla Beitrag anzeigen
    Die Tage folgt dann sicher noch ein kurzes Review des Tie-In-Animes ...
    Oh my, die Formulierung "die Tage" hat hier eine MENGE Arbeit geleistet!

    Unspektakulär bis lame, aber im Gesamtbild trotzdem besser als gedacht ...? xD' So ziemlich alles an diesem Anime war standard, von der generellen Story über das Writing bis hin zu den Animationen. Außerdem war die Inszenierung total anime-melodramatisch, ohne es sich so riiiiichtig zu verdienen, und von Anfang bis Ende TROPEY. as. FUCK! Kein einziger Funken Innovation in diesen 12 Folgen. Durch die fehlende Interaktion fällt glücklicherweise ein bisschen Cringe weg – Oh hey, der Hauptcharakter ist ja nur noch halb so anstrengend, wenn man ihn "von außen" sieht! –, aber leider auch ein gutes Stück des ursprünglichen Reizes. Ohne das Spiel wäre ich bei diesem Anime niemals über die erste Folge hinausgekommen; nicht weil er schlecht wäre, sondern weil er halt so richtig, richtig durchschnittlich ist.

    Was mich positiv überrascht hat, war allerdings eben diese Einbindung in das Franchise, die ganze Spin-Off-Natur der Serie und überhaupt der Versuch, etwas Multimediales zu machen. Es ist ein einwandfreies Sequel des Spiels (so sehr, dass es mit mehr Interaktivität wohl sogar ganz unterhaltsam gewesen wäre! ), erweitert das Setting passend, hat Spaß mit den bekannten Charakteren und führt ein paar Neue ein, die bis zum Ende auch nicht ALLE praktikabel über den Jordan gehen. Es würde mich nicht mal wundern, wenn es ein paar Status-Quo-Änderungen in den nächsten Hauptteil schaffen. Und da habe ich ehrlich gesagt VIEL weniger erwartet, nämlich eine schlechte, konsequenzlose Fan Fiction als schnellen Cash Grab. Also, letzteres ist das sicherlich irgendwo, aber man merkt definitiv (wie schon beim Spiel!), dass die Leute dahinter das Franchise tatsächlich zu schätzen wissen.

    Heißt: Keine Empfehlung, es sei denn man hatte wirklich Spaß mit dem Hauptspiel und möchte einen zweiten, weniger intensiven Schuss. Yeah ...?

  9. #9
    Meine Fresse, du zockst dieses Jahr all die Spiele, für die ich nie Zeit finde.
    Erst Hollow Knight, dann Dragon Quest Builders 2, Sunless Sea und jetzt Hades.
    Letztes Jahr waren das glaub ich Planescape: Torment & Torment: Tides of Numenera.

    Aber ich sehe schon, du hast dir da einige CRPGs rausgepickt, die sehr auf der philosophischen Ebene abzielen.
    Reiner Zufall oder generell was für dich?

    Und wie schaut es mit Life is Strange 2 aus?
    Now: Bloomtown: A Different Story & Beyond Galaxyland / Done: Tekken 8
    Now: Tales of the Teenage Mutant Ninja Turtles / Done: Kung Fu Panda 4
    Now: Deadpool Weiber, Wummen und Wade Wilson / Done: Invincible Band 12
    RPG-Challenge 2024 / Now: Piraten-Karibik-Challenge

  10. #10
    Ja, Life is Strange 2 ... läuft weiter nett nebenbei. Ich bin jetzt bei Kapitel 4 und habe immer noch keine wirkliche Eile, durchzukommen. Sollte in den Ferien klappen! Ich hebe mir die endgültige Meinung aber auch lieber für das Gesamtbild auf. ^^



    Zitat Zitat von Ὀρφεύς Beitrag anzeigen
    Meine Fresse, du zockst dieses Jahr all die Spiele, für die ich nie Zeit finde.
    Erst Hollow Knight, dann Dragon Quest Builders 2, Sunless Sea und jetzt Hades.
    Letztes Jahr waren das glaub ich Planescape: Torment & Torment: Tides of Numenera.

    Aber ich sehe schon, du hast dir da einige CRPGs rausgepickt, die sehr auf der philosophischen Ebene abzielen.
    Reiner Zufall oder generell was für dich?


    Nee, am Ende des Tages will ich einfach Spiele spielen, die entweder ordentlich zerstreuen (Aufbaustrategie, Roguelikes etc.) ... oder aber so richtig hängenbleiben und nicht "einfach nur das nächste gute Videospiel" sind, das ich gespielt habe. Das kann auf der emotionalen Schiene laufen (wie Life is Strange), aber es können bspw. auch Spiele sein, die mich tief in fremdartige Welten oder andere Perspektiven eintauchen lassen, oder einfach ein sehr eigenes Konzept haben. Und das alles kriegen die konzeptuell runderen West-RPGs tendenziell ziemlich gut hin. Das ist auch der Grund, warum die Elder Scrolls bei mir nicht so richtig zünden, und viele (!) Ost-RPGs genauso wenig: Man muss zu tief eintauchen, als dass sie Zerstreuung wären, aber ich habe beim Eintauchen auch nur selten irgendwas gefunden, was wirklich hängen geblieben wäre. Ganz selten machen Spiele sogar beides. Wie Hades eben! Oder Persona.



    Ich habe unterdessen auch noch Atelier Ryza angefangen. Ein umfangreich-komplexes, süßes und liebenswürdiges Ding, bei dem ich nach ~15 Stunden immer noch nach der individuell besten Art und Weise suche, es zu spielen ... Ich berichte dann, ob ich sie gefunden oder das Ganze davor abgebrochen habe. Den Versuch bereue ich auf keinen Fall!

  11. #11
    Fuck, das Forum hat einen Beitrag gefressen ... Ich hasse den Shit mit den Security Tokens, und dass es mir nach 15 Jahren oder so immer noch passiert. =__=
    Kurzform: Zwei Spiele abgebrochen!

    Nights of Azure fand ich irgendwie überraschend ästhetisch, atmosphärisch und irgendwo interessant, aber auch der cutesy Fan Service konnte mir nicht über das waaahnsinnig langweilige Gameplay hinweghelfen. Thank you, next.

    Atelier Ryza ist wirklich cool, aber ich finde es auch immer ziemlich doof, wenn ich in meinen Chill-Spielen plötzlich den Kopf anstrengen muss. Und das passiert hier jedes Mal, wenn ich auch nur einen mittelmäßigen Stahlbarren aus dem Alchemiekessel ziehen will. Das Kampfsystem könnte auch etwas chilliger sein. Das ist für mich einfach eine blöde Gemengelage, denn sonst hat es echt angenehm nostalgische Grandia-Vibes!

    Und am Ende noch ein schnelles Hot Take: Fan Service kann ein wirklich gutes, rundes Spiel zerstören, aber auch ein wirklich mittelmäßiges Spiel spielenswert machen? 8D Bei Ryza bspw. finde ich das Charakterdesign zwar ziemlich nice, aber auch ziemlich unpassend, weil es diesen fast schon kindischen Charme hat. Bei Nights of Azure oder Sakura Wars dagegen ist der Fan Service eher ein Pluspunkt, weil er da besser ins Konzept passt ... oder sowieso nicht so viel kaputt machen kann. ^_~

  12. #12



    HoloVista

    HoloVista ist ein Cyberpunk-Handyspiel, das man auf dem Handy spielen sollte, am besten mit der Bewegungssteuerung! Es ist außerdem sehr billig, ein paar Stunden lang und dieses billige Geld im Großen und Ganzen definitiv wert. Ich sage das jetzt schon, weil ich es möglichst wenig spoilern und keinen falschen Eindruck hinterlassen möchte. =3

    Man schlüpft in die Rolle einer erfolglosen jungen Architektin, die gerade das Jobangebot ihres Lebens bei einem exzentrischen Konzern bekommt. Die Hälfte des Spiels besteht daraus, über Social Media mit Freunden zu reden und Posts abzusetzen, bei denen man aber eigentlich nur die richtigen Bilder auswählt und weiterklickt. Das Writing ist gut und beizeiten ernsthaft witzig, aber auch nicht überragend natürlich oder sowas. Es geht klar, und da das Spiel generell extrem light on Gameplay ist, wirkt dieser Teil – und generell der Start ins Spiel – einfach nur "okay". Ich selbst bin ja immer etwas allergisch gegen "okay" und habe es daher in der ersten Stunde fast noch abgebrochen, was aber definitiv ein Fehler gewesen wäre.





    Spannender wird es nämlich, sobald sich die Protagonistin in ihrer neuen Arbeitsumgebung wiederfindet. In einem neuartigen Luxus-Apartment soll sie (bzw. die Spieler*in) spezifische Fotos schießen und sich online über ihre Erfahrungen austauschen ... was natürlich weder so simpel noch so ungefährlich ist, wie es erst einmal klingt. Ohne viel zu spoilern: Das Apartment ist faszinierend as fuck in all seinen kleinen Details, und je mehr man darüber erfährt, desto faszinierender und CREEPIGER wird es, nicht nur trotz, sondern auch wegen der artifiziell-überbunten Neonoptik. Tatsächlich druckst die Geschichte ebenso wenig herum und eskaliert wahnsinnig schnell, im allerbesten Sinne. HoloVista wird nicht nur emotional, sondern rabiat persönlich, und man merkt lebhaft, wie hier jemand seine eigenen Erfahrungen in ein Spiel gegossen hat. Die Hauptautorin hat mir das auch auf Twitter bestätigt, was ich ein bisschen lustig finde.
    Und in diesem persönlichen, emotionalen Rahmen endet das Ganze dann auch sehr kathartisch und vollkommen zufriedenstellend. Ein paar eigentlich interessante Dimensionen – siehe Spoiler! – bleiben dabei seltsam offen, aber irgendwie geht es trotzdem klar, weil es in HoloVista offensichtlich um die Protagonistin geht, als Mittelpunkt ihrer Welt. Und das ist auf irgendeiner Metaebene definitiv Cyberpunk. ^^






    Neues Achievement!
    Schon mal mehr punk als Cyberpunk





    So, nu aber Life ist Strange 2 ... xD''

  13. #13
    Life is Strange 2

    Sooo, geschafft, und ohne Ferien hätte ich sicher noch etwas länger gebraucht. Wir machen zwei Teile draus: Ganz kurz, warum es ein wirklich gutes Spiel und ein wirklich gutes Life is Strange ist, und dann etwas ausführlicher, warum es für mich trotz allem nicht so wirklich funktioniert hat. Ich bleibe spoilerfrei, was die Story selbst angeht, werde aber auf die Konzepte und Ideen eingehen, die wahrscheinlich dahinterstanden.

    #1

    Also ja, Life is Strange 2 ist richtig gut gemacht, funktioniert größtenteils in dieser nebligen Zwischenwelt aus Walking Simulator und Adventure, die die Reihe schon immer für sich eingenommen hat, weiß über 20 Stunden ohne große Unterbrechungen zu unterhalten und hat vor allem auch die sympathischen Haupt- und Nebencharaktere, die schon die Vorgänger so beliebt gemacht haben. Ich finde zwar, dass Sean und Daniel nie so 100% an die Facetten einer Max oder Chloe oder Rachel herankommen, aber dafür liegt hier ein stärkerer, tieferer Fokus auf ihrem Zusammenspiel, ihrer Entwicklung und den Verbindungen zu ihrer Umgebung, so dass auch dieser Teil seinen eigenen Reiz entwickeln kann. Und das tut er generell: Es fühlt sich weiterhin wie Life is Strange an, durch die Optik und die Musik, durch die ruhige Grundstimmung, durch den Teenager-Bullshit, durch das Writing, das irgendwo zwischen subtil und anstrengend on-the-nose pendelt – imho etwas gelungener als in den Vorgängern! –, und natürlich durch die Americana-Ästhetik, diesmal mit Wildnis statt Kleinstadt, eben als Road Trip. Es hat aber durch Daniels Telekinese und den Fakt, dass man weder Daniel noch diese Telekinese direkt kontrolliert, eine ganz neue Herangehensweise an das Lösen von Problemen. Es hat durch die Entscheidungen, die hier weniger persönlich und mehr "erzieherisch" wirken, und durch die Storystruktur, in der man immer mehr Abstand von der Gesellschaft nimmt, so viele eigene Ideen, dass es keinesfalls wie ein billiges Cash-In wirkt.



    Und bei diesen eigenen Ideen liegen auch die Entscheidungen, die LiS2 für mich zu einem deutlich schwächeren Spiel machen.

    #2

    Ich muss aber zuerst sagen, dass ich voreingenommen bin. Ich habe hier schon mal ausführlich ausgeführt, dass mich die Vorgänger so richtig hart erwischt haben, und zwei Posts darunter auch noch mal ergründet, warum ich LiS1, Before the Storm und die Bonus-Episode für so ein rundes, beeindruckendes Gesamtbild halte. Kurz zusammengefasst: Diese Spiele erkunden die Frage, inwiefern man beim Aufwachsen die Träume der Kindheit und die "erwachsene" Realität in Einklang bringen kann, was es zu akzeptieren gilt und wann man stur bei den eigenen, egoistischen Wünschen bleiben muss. Und ALLES in diesen Spielen passt dazu – die Arcs der Charaktere, der Aufbau der Stories, die Superpower, die Endings ... ein Gesamtpaket eben.

    LiS2 versucht das auch, und zwar mit der Frage, inwiefern man sich als Aufwachsender zwischen der Gesellschaft und den eigenen Wünschen positionieren kann. Was eine gute Idee ist! Schließlich haben wir diesmal Charaktere mit mixed race Eltern, die in den USA also schon von Anfang an zwischen den Stühlen stehen, wir haben eine Superpower, die dem einen Bruder eine gewisse Macht gibt, sich persönlich über die Regeln der Gesellschaft hinwegzusetzen, und wir haben einen Road Trip, der mit jeder einzelnen Station der Reise fragt, ob man sich einordnet oder widersetzt. Und auch am Ende entscheidet sich dann, ob man – und vor allem, ob Daniel! – den "Weg der Gesellschaft" geht oder eben nicht. Das Problem ist nur, dass ich all das intellektuell sehe und erklären kann ... es beim Spielen aber nur selten GEFÜHLT habe. Und das ist definitiv kein persönliches Problem, denn die Frage geht mir mindestens genauso nah wie die Frage aus Teil 1. Die beiden gehören ja auch untrennbar zusammen, wenn wir ehrlich sind. Life is Strange 2 schafft es für mich aber nur sehr bedingt, diese Allegorie a) wirklich einzubinden und b) sie konsequent zu erkunden. Ein Beispiel: Das Spiel hat ja definitiv eine Menge Gesellschaftskritik – tatsächlich ist es beeindruckend, wie aktuell es sich oft anfühlt! –, aber irgendwie ist es sich sehr unsicher, wie es die positiven und negativen Seiten der Gesellschaft zusammenbringen oder erklären soll. Und dasselbe gilt für die verschiedenen Seiten der persönlichen Wünsche! Wir lernen viele coole Außenseiter kennen, aber auch Arschloch-Hillbillys, wir leiden unter dem Egoismus der Mutter, aber profitieren von unseren Diebstählen. Und wenn Daniel "aus Spaß" mit einem Skorpion herumspielt, ist das schon ziemlich stumpf. Aber irgendwie weiß ich nicht, was mir das Spiel damit sagen will. "Die Gesellschaft hat gute und schlechte Seiten? Egoismus auch? Und alles hat Konsequenzen?" Okay. Das ist schwammig as fuck, und ehrlich gesagt kann ich nichts daraus mitnehmen. Ein Jugendlicher wahrscheinlich auch nicht. Teil 1 und BtS waren da direkter: "Dinge zu akzeptieren, ist einfacher, aber du könntest auch sehr unzufrieden enden. Deinen Wünschen zu folgen, kann allerdings dir und anderen weh tun. Mal ist das eine nötig, mal das andere." Das ist eine ziemlich klare Analyse, und zwar OHNE zu sagen, dass eine Option besser ist. Teil 2 dagegen analysiert nicht, er beobachtet nur. Das merkt man vor allem an den Endings: Ich mochte mein Ending und habe mir auch die anderen angeguckt, aber keins fühlt sich für mich so folgerichtig wie die beiden Endings in Life is Strange 1 an. Die Gesellschaft wirkt hier wie ein unbeweglicher Punching Bag, mit dem man irgendwie klarkommen muss oder von dem man sich abwenden muss, nicht wie ein komplexes Gebilde, das sich an allen Ecken und Enden beeinflussen lässt.

    Ich merke beim Schreiben, dass ich meinen Finger nicht wirklich auf mein Problem mit LiS2 legen kann. Vielleicht geht es wirklich darum, dass das Spiel irgendwie sehr ... Status Quo ist. Selbst mit Superkräften kannst du nur "dazugehören" oder "nicht dazugehören", aber du kannst nichts verändern. Vielleicht ist das auch eine sehr privilegierte Sichtweise, und wahrscheinlich ist es gerade für Latinos und andere marginalisierte Gruppen deutlich schwieriger, etwas zu "verändern" ... Dann soll das Spiel das aber bitte auch explizit machen, es zum Thema erklären! Trump Wall BAD, ist schon klar, und der Polizeirassismus am Anfang setzt auch ein starkes Zeichen, aber all das wird halt nicht explizit genug mit der Handlung verbunden, mit den Entscheidungen, die die Brüder treffen. Und ich wiederhole noch mal, weil der Post vielleicht etwas "kopflastig" wirkt: Das ist kein Problem, das ich mir aus dem Kopf gezogen habe. Ich hatte beim Spielen einfach viele Gefühle, und andere Gefühle, die ich gerne gehabt hätte, hatte ich leider nicht. Und jetzt will ich das verstehen, denn man kann es definitiv nicht einfach darauf schieben, dass das Spiel irgendwie schlecht gemacht wäre.

    Alleinstehend als Spiel würde ich es definitiv empfehlen, aber der Vergleich mit den anderen Teilen bleibt halt nicht aus, und da bin ich dann eher enttäuscht.


    Neues Achievement!
    less life, still strange


  14. #14
    Deine Analysen zu den LiS Spielen gefallen mir immer sehr gut, danke dafür!

    Zitat Zitat von La Cipolla Beitrag anzeigen
    aber profitieren von unseren Diebstählen
    Du sagst ja "stehlen ist nützlich", aber vielleicht geht es hier auch um den Grund, aus dem das Stehlen rationalisiert werden kann: immerhin besteht das Pärchen aus übelsten Rassisten, von *solchen* Leuten zu stehlen kann doch gar nicht böse sein, oder? Vielleicht auch eine der Dimensionen: Wie sehr kann man noch den eigenen Moralvorstellungen treu bleiben, wenn alles darauf hindeutet, dass man es mit absoluten Kackbratzen zu tun hat. Übrigens etwas, was IMO auch LiS1 mit dem "screw Arcadia Bay" Ending gemacht hat, wo ich immer noch nicht verstehen kann, wie man das ernsthaft wählen kann, auch wenn die Stadt größtenteils nur aus Arschlöchern besteht^^

    Zitat Zitat
    Die Gesellschaft wirkt hier wie ein unbeweglicher Punching Bag, mit dem man irgendwie klarkommen muss oder von dem man sich abwenden muss, nicht wie ein komplexes Gebilde, das sich an allen Ecken und Enden beeinflussen lässt.
    Hier kommt vermutlich durch, wie abgestumpft ich bin, aber in gewisser Weise stimme ich der Ansicht von LiS2 zu. Für die meisten Menschen ist die Gesellschaft ein immovable object. Es gibt natürlich Ausnahmen, wo viel Glück und Timing dazugehört, aber bis auf lokale Änderungen (die LiS2 ja durchaus zeigt) glaube ich nicht, dass jeder die Chance hat, die Gesellschaft wesentlich zu verändern (natürlich kann eine Kettenreaktion lokaler Änderungen dann zu globalen führen). Daher ist auch das "I hate the world"-Ending von LiS1 für mich eher verklärter Teenager-Kram.

    In all der globalen Kritik an der politischen Message vom Spiel darf man IMO die brüderliche Beziehung nicht vergessen, welche ebenfalls sehr relevant für das Spiel und die Enden ist. Welche witzigerweise recht wenige Zeilen bekommt, ich vermute, dass das nicht so ganz gezündet hat bei Dir? Denn gerade wenn man das einbezieht fand ich die Endings von LiS2 deutlich passender als das, was einem LiS1 da vorgesetzt hat.

    Zitat Zitat
    Vielleicht ist das auch eine sehr privilegierte Sichtweise, und wahrscheinlich ist es gerade für Latinos und andere marginalisierte Gruppen deutlich schwieriger, etwas zu "verändern" ... Dann soll das Spiel das aber bitte auch explizit machen, es zum Thema erklären!
    Vielleicht verstehe ich Deine Kritik hier nicht richtig, aber wenn ich mir so ansehe, was Du geschrieben hast, dann war es doch irgendwie das Thema vom Spiel? Du bringst diesen Aspekt mit der unveränderlichen Gesellschaft mehrmals an. Der Punkt, dass es für Randgruppen schwerer ist etwas wesentliches zu verändern ist sehr gut und passt auch gut zu vielen Aspekten im Spiel, wo die beiden eben trotz der Fähigkeiten global in der Gesellschaft nicht viel verändern können. Ist LiS2 in dem Sinne eine Antithese zu LiS1, wo man ja wesentliche Änderungen durch die Superkräfte erreichen konnte?

  15. #15
    Die brüderliche Beziehung und vor allem Daniels Erziehung finde ich tatsächlich sehr gut umgesetzt und auch ziemlich passend zu allen möglichen Themen des Spiels! Deshalb bin ich auch nicht groß drauf eingegangen außer in #1 oben.

    Ich hatte hier das Ending, in dem Sean in Mexiko landet und Daniel zuhause. Ich fand die Endings aber alle okay, die gehen halt klar, solang man sie nicht im Gesamtbild der Themen betrachtet. Sie stellen für mich halt nur keinen so wahnsinnig klaren i-Punkt auf dem gesamten Spiel dar wie in LiS1. Ich habe das Gefühl, über die LiS2-Endings könnte man sich deutlich weniger streiten, und das ist schade. Die Endings in LiS1 unterstreichen eben noch mal, dass man sich beim Erwachsenwerden zwischen diesen zwei Extremen, zwischen unrealistischen Träumen und trister Realität einfinden muss. Mehr dazu unten.


    Zitat Zitat
    Vielleicht verstehe ich Deine Kritik hier nicht richtig, aber wenn ich mir so ansehe, was Du geschrieben hast, dann war es doch irgendwie das Thema vom Spiel? Du bringst diesen Aspekt mit der unveränderlichen Gesellschaft mehrmals an. Der Punkt, dass es für Randgruppen schwerer ist etwas wesentliches zu verändern ist sehr gut und passt auch gut zu vielen Aspekten im Spiel, wo die beiden eben trotz der Fähigkeiten global in der Gesellschaft nicht viel verändern können. Ist LiS2 in dem Sinne eine Antithese zu LiS1, wo man ja wesentliche Änderungen durch die Superkräfte erreichen konnte?
    Die Antithese zur Akzeptanz ist ja schon Before the Storm.

    Okay, im nehmen wir mal an, die Aussage von LiS2 wäre "Gerade marginalisierte Gruppen können nicht viel an unserer Gesellschaft ändern." Dann würden die Inhalte, die DIESES Spiel zeigt, aber ziemlich genau bedeuten: "Wenn es dir hier nicht gefällt, musst du halt gehen!" Beispielsweise nach Mexiko, oder in eine Hippie-Kommune, oder eben wie Brody als kleiner Online-Revoluzzer in nem Auto leben. Oder du musst eben irgendwie mit den ganzen Rassisten, der diskriminierenden Polizei, der allgegenwärtigen Religion und dem ganzen anderen Shit klarkommen. *schulterzuck*

    Und damit habe ich zwei Probleme:
    1. Es ist mir deutlich zu zynisch. Wir als Gesellschaft, aber auch gerade marginalisierte Gruppen haben so viel erreicht in den letzten Jahrhunderten, da will ich doch niemandem sagen, dass er mal bitte klarkommen oder verschwinden soll. Und vor allem keinen PoCs.
    2. Es ist aber auch seeeltsam colourblind: Wer mal in einer Hippie-Kommune – Link zur Bildersuche! – war, wer mal Leute getroffen hat, die in nem Auto quer durch das Land fahren? Das sind üblicherweise keine PoCs, sondern Weiße aus privilegierten Hintergründen, wie eben die Mutter von Sean & David. (Es hat Gründe, warum das nicht ihr Vater war! Und die Zusammensetzung der LiS2-Kommune ist, äh, definitiv eine statistische Anomalie, um es freundlich auszudrücken. ) Es gibt natürlich richtige urbane Obdachlosen-Camps, wo die Verteilung gerade in den Staaten wieder anders aussieht, aber oh Wunder, die hat uns das Spiel jetzt nicht unbedingt als gleichberechtigt "alternativen Lebensstil" gezeigt. Zum Glück, muss ich an dieser Stelle sagen ...? Es ist eben doch kein David-Cage-Niveau. ^__~

    Das meinte ich auch im Nachbarthread, wenn ich sage, dass man aus der Grundidee, als marginalisierte Person wenig verändern zu können, etwas hätte machen KÖNNEN. Dann muss das Spiel aber klarmachen, wo die Zusammenhänge liegen, und zwar im Gameplay: Sean kann sich der Polizei nicht "einfach so stellen" (wie David vorschlägt), WEIL er Latino ist. Und wenn es der Spieler am Ende doch tut, dann sollten die Polizisten Sean eigentlich direkt erschießen. Nicht mal vorrangig, weil es in der Realität ziemlich wahrscheinlich wäre, sondern eher, weil es dieses Thema unterstreichen würde, die Unterschiede eben. Dass er durch den Knast traumatisiert wird, verbindet das Spiel ebensowenig mit seiner Ethnie, obwohl es bekanntlich ein riesiges PoC-Problem in den Staaten ist. Wirkt auf mich eher wie "der schlimme Knast eben"!
    Das ist wahrscheinlich auch das, was ich mit "schwammig" meine, und du hast das im anderen Thread vielleicht auch ganz gut getroffen: Das Spiel will viel zu viel thematisieren und verheddert (und widerspricht) sich dabei in seinen Intentionen. Soll das Knast-Ende jetzt zeigen, dass Latinos oft im Knast landen, für Dinge, die sie gar nicht getan haben? Wird höchstens in Kapitel 1 thematisiert. Ist das amerikanische Justizsystem insgesamt broken? Wird nicht deutlich, und wir haben sogar auffällig viele "good guys", sodass das definitiv nicht als Aussage zu halten ist. Ist dieses Ending einfach die Konsequenz aus all den Entscheidungen, die Sean getroffen hat? Dann übergehen wir den Rassismus wieder und sagen den Latinos, dass sie sich mal bitte zusammenreißen sollen.
    Vielleicht unterstreichen die vier, fünf Endings das Ganze doch ganz gut, nämlich insofern, dass LiS2 halt nicht so genau weiß, was es sagen will.

    Man KANN jetzt sehr freundlich herangehen und sagen, LiS2 würde einfach ein "Gesamtbild" der USA zeichnen, ohne eine klare Message oder sowas. Aber dafür – und das haben wir ja alle schon unabhängig voneinander festgestellt – ist das Spiel deutlich zu politisch motiviert. Wenn du dich mit Politik beschäftigst, musst du auch bewusst und entschieden eine Position einnehmen oder zumindest klare Positionen unterscheiden (keine Strohmänner wie die "bösen Rechten"!), sonst rutschst du automatisch in den gesellschaftlichen Standard ab – und dieser "Standard", der Status Quo, ist nun mal ein grundlegend konservatives Ding.
    Deshalb ist das Spiel für mich auch nicht halb so links wie es gerne wäre. Dafür reicht es nicht, ein paar böse Rassisten und ein paar freundliche Schwarze zu zeigen. In den USA landest du damit höchstens in der Mitte der "Liberals" oder "Democrats", bist aber noch weeeeeit von den "Leftists" oder "Progressives" entfernt.


    Zitat Zitat
    Du sagst ja "stehlen ist nützlich", aber vielleicht geht es hier auch um den Grund, aus dem das Stehlen rationalisiert werden kann: immerhin besteht das Pärchen aus übelsten Rassisten, von *solchen* Leuten zu stehlen kann doch gar nicht böse sein, oder? Vielleicht auch eine der Dimensionen: Wie sehr kann man noch den eigenen Moralvorstellungen treu bleiben, wenn alles darauf hindeutet, dass man es mit absoluten Kackbratzen zu tun hat. Übrigens etwas, was IMO auch LiS1 mit dem "screw Arcadia Bay" Ending gemacht hat, wo ich immer noch nicht verstehen kann, wie man das ernsthaft wählen kann, auch wenn die Stadt größtenteils nur aus Arschlöchern besteht^^
    Eher andersrum: Dass stehlen potenziell richtig sein kann (gerade in der Rassisten-Tankstelle!), finde ich sogar gut, ich finde nur blöd, dass dich das Spiel dann dafür bestraft, weil dein Bruder plötzlich denkt, stehlen sei IMMER richtig, selbst bei dem netten Auto-Hippie. Man kann das natürlich darauf reduzieren, dass Kinder oft ein bisschen simpel sind und dumme Dinge tun, aber wenn das im Spiel die emotionale Konsequenz aus deinen Entscheidungen ist, trifft das Spiel damit natürlich auch eine Aussage, und zwar: Stehlen ist eine Handlung gegen den gesellschaftlichen Zusammenhalt, und wenn du das tust, endet dein Bruder am Ende als Gangbanger in Mexiko. Und das, obwohl du nur die Zelte von dem Holzbär-Rassisten geklaut hast, um nicht in der Nacht zu erfrieren.





    EDIT!

    Ich muss noch einmal einen ganz wichtigen Punkt wiederholen: Ich kann wie gesagt nicht so 100% meinen Finger auf die Probleme legen, die ich mit dem Spiel hatte. Es hat sich für mich nur irgendwie falsch angefühlt, fast schon wirkungslos im Vergleich mit den anderen Teilen. Und jetzt versuche ich, zu verstehen, woran das lag. ^_~ Wenn sich die Argumente widersprechen oder ich hier und dort meine Meinung ändere ... nicht wundern! Diese Posts sind ein Prozess.

  16. #16
    Zitat Zitat von La Cipolla Beitrag anzeigen
    Die brüderliche Beziehung und vor allem Daniels Erziehung finde ich tatsächlich sehr gut umgesetzt und auch ziemlich passend zu allen möglichen Themen des Spiels! Deshalb bin ich auch nicht groß drauf eingegangen außer in #1 oben.

    Ich hatte hier das Ending, in dem Sean in Mexiko landet und Daniel zuhause. Ich fand die Endings aber alle okay, die gehen halt klar, solang man sie nicht im Gesamtbild der Themen betrachtet. Sie stellen für mich halt nur keinen so wahnsinnig klaren i-Punkt auf dem gesamten Spiel dar wie in LiS1. Ich habe das Gefühl, über die LiS2-Endings könnte man sich deutlich weniger streiten, und das ist schade. Die Endings in LiS1 unterstreichen eben noch mal, dass man sich beim Erwachsenwerden zwischen diesen zwei Extremen, zwischen unrealistischen Träumen und trister Realität einfinden muss. Mehr dazu unten.
    Ich stimme Dir zu, dass man über die LiS2 Endings schlechter streiten kann, aber das würde ich hier sogar als Positivaspekt sehen, weil die Enden aus meiner Sicht mehr widerspiegeln, was man im Spiel getan hat. LiS1 hatte - so gut es auch zur Interpretation passt - einfach sehr radikale Enden. Und, wie schon mehrfach erwähnt, sehe ich das "fuck Arcadia Bay" Ending sogar eher als das falsche Ende an, so dass es effektiv nur eines hat. Teil 2 hat, abhängig davon, wie man Daniel behandelt und "erzieht", vier recht logische Enden.

    Vielleicht kommt da auch einer der Punkte her, weswegen LiS2 etwas verwirrt wirkt. Sie wollten einen Scheinwerfer auf Missstände werfen, durchaus recht klar die eigenen Ansichten darstellen, aber am Ende den Spielenden immer noch ein wenig einräumen, eigene Entscheidungen in der Handlung zu treffen. Ich denke, das ist bei so hochpolitischen Themen wie LiS2 sie hat viel schwerer als mit dem Teeniedrama, was LiS1 hatte. Hab das glaube ich im anderen Thread mal geschrieben: die Ansichten von Chloe teile ich praktisch gar nicht, aber ich kann sie sehr leicht als Spinnereien von einem Teenager abtun und alles findet irgendwo in dem Mikrokosmos statt, der die Schule darstellt. Das wird LiS2 nicht eingeräumt, dort geht es knallhart um die politischen Probleme. Zugegeben, das Laster haben sich die Entwickler selber auferlegt, und es ist ihnen definitiv nicht immer gelungen, es sinnvoll umzusetzen. Besonders Kapitel 4 über die Kirche fand ich schon sehr haarsträubend, hätte fast von nem Japaner geschrieben worden sein können

    Zitat Zitat
    1. Es ist mir deutlich zu zynisch. Wir als Gesellschaft, aber auch gerade marginalisierte Gruppen haben so viel erreicht in den letzten Jahrhunderten, da will ich doch niemandem sagen, dass er mal bitte klarkommen oder verschwinden soll. Und vor allem keinen PoCs.
    Mir kommts gerade so vor, als hätte ich devil's advocat gespielt *g*
    Die Frage ist halt: wenn die Gesellschaft Dich ausgestoßen hat, was ist dann der Weg, den Du gehst? Probierst Du alternative Lebensweisen aus, oder probiert Du Dich trotzdem noch irgendwie wieder zu reintegrieren? Und was machst Du, wenn Du noch eine Familie hast, die es zu beschützen gilt? Tatsächlich wird ja hier viel von dem, was Sean und Daniel machen, von der Gesellschaft gelenkt, über die sie wenig Kontrolle haben. Ich denke der Ansatz, dass man eben in so einer Situation nicht fundamental die Gesellschaft verändern kann, ist schon nicht falsch, auch wenn er zynisch ist. Meiner Aussage vorhin hat natürlich sämliche Qualifikation gefehlt und daher ist sie sehr fatalistisch.

    Ich frage mich aber: muss LiS2 seine Message in ein so tightes Paket packen, wie es Teil 1 (für Dich) getan hat? Wenn Du mich nämlich danach fragst, würde ich LiS1 auch nicht als so klar auffassen, weil wir ja den Serial Killer Plot nicht ausklammern wollen, der sehr tangential zu der (von Dir empfundenen) Kerngeschichte ist (gibt auch genug Leute, für die gerade dieser Plot der Kern von LiS1 ist). LiS2 ist natürlich viel weniger tight als Teil 1, alleine wegen der Überzahl an Themen, und das soll keine Verteidigung sein. Der größte Kritikpunkt bleibt bei LiS2 ja die Oberflächlichkeit der behandelten Themen.

    Zitat Zitat
    Es ist eben doch kein David-Cage-Niveau. ^__~
    Heh, guter Seitenhieb, sind ja auch beides französische Studios die aus der Linse in die USA blicken. Vielleicht auch ein Grund, wieso LiS2 teilweise so Holzhammer ist (siehe die bösen Rechten *g*). Was Teil 1 natürlich auch war, aber Holzhammer-Erzählung an Schulen ist halt, wie oben geschrieben, ein wenig anders als eine gesamte Gesellschaft damit zu behandeln^^

    Zitat Zitat
    Ist dieses Ending einfach die Konsequenz aus all den Entscheidungen, die Sean getroffen hat? Dann übergehen wir den Rassismus wieder und sagen den Latinos, dass sie sich mal bitte zusammenreißen sollen.
    Im Prinzip... siehe oben. Und meine Antwort wäre "ja, alle Entscheidungen aus der Grundsituation heraus und gegeben den Problemen". Man darf halt nicht vergessen, dass für das Spiel nicht nur die Rassismusthematik sehr wichtig ist, sondern auch das Verhältnis der beiden Brüder. Da stimme ich Dir durchaus zu, dass es ein wenig drüber und drunter geht und beim Ende gewinnt dann einfach die Seite, bei der das Spiel fragt, wie man Daniel erzogen und sich gegenüber ihm verhalten hat. Was ich für einen sehr gelungenen Abschluss halte. Und dass Latinos für Dinge, die sie nicht getan haben, öfter Probleme kriegen, ist doch auch abseits von Kapitel 1 der Unterton vom Spiel? Kapitel 1 dient ja als Grounding für alles weitere, meiner Meinung nach musste das nicht noch regelmäßig explizit angesprochen werden - obwohl ich bei einem Spiel, was die Rassistenkeule so oft rausholt, durchaus erkennen kann, wieso man es erwarten würde *g*
    Übrigens finde ich da, dass Kapitel 4 mal wieder extrem rausfällt und ich bin immer noch nicht so ganz sicher, was zum Teufel die hier eigentlich tun wollten, außer noch mal schnell nen sinnfreien Seitenhieb gegen Religion reinballern^^
    Ich denke nicht, dass der Knast eine besondere Aussage über Latinos dort machen wollte. Dass das Spiel zumindest die Tatsache anprangert, dass das System grundlegend rassistisch ist, wird glaube ich mehr als deutlich - ungeachtet von einigen Positivbeispielen.

    Zitat Zitat
    Eher andersrum: Dass stehlen potenziell richtig sein kann (gerade in der Rassisten-Tankstelle!), finde ich sogar gut, ich finde nur blöd, dass dich das Spiel dann dafür bestraft, weil dein Bruder plötzlich denkt, stehlen sei IMMER richtig, selbst bei dem netten Auto-Hippie. Man kann das natürlich darauf reduzieren, dass Kinder oft ein bisschen simpel sind und dumme Dinge tun, aber wenn das im Spiel die emotionale Konsequenz aus deinen Entscheidungen ist, trifft das Spiel damit natürlich auch eine Aussage, und zwar: Stehlen ist eine Handlung gegen den gesellschaftlichen Zusammenhalt, und wenn du das tust, endet dein Bruder am Ende als Gangbanger in Mexiko. Und das, obwohl du nur die Zelte von dem Holzbär-Rassisten geklaut hast, um nicht in der Nacht zu erfrieren.
    Daniel tut ja durchaus dumme Sachen, und eigentlich finde ich es sogar sehr gelungen, wie sie ihn als Kind umgesetzt haben. Deine Extrapolation finde ich ein wenig extrem, denn immerhin ist das nicht die *einzige* Entscheidung, die Daniels Verhalten beeinflusst. Man muss es schon sehr stark weiter in die Richtung drücken, damit er zum Gangbanger wird *g*
    Ich muss aber zugeben, dass ich das Zelt nicht gestohlen habe und daher auch nichts aus Brodys Wagen, daher kann ich nicht sagen, was für eine Reaktion Sean darauf hat.

  17. #17
    SPOILER!





    Zitat Zitat
    Ich frage mich aber: muss LiS2 seine Message in ein so tightes Paket packen, wie es Teil 1 (für Dich) getan hat? Wenn Du mich nämlich danach fragst, würde ich LiS1 auch nicht als so klar auffassen, weil wir ja den Serial Killer Plot nicht ausklammern wollen, der sehr tangential zu der (von Dir empfundenen) Kerngeschichte ist (gibt auch genug Leute, für die gerade dieser Plot der Kern von LiS1 ist). LiS2 ist natürlich viel weniger tight als Teil 1, alleine wegen der Überzahl an Themen, und das soll keine Verteidigung sein. Der größte Kritikpunkt bleibt bei LiS2 ja die Oberflächlichkeit der behandelten Themen.
    Uhhh. Ich denke, das ist eine sehr gute Frage, vielleicht die entscheidende! Ich glaube, inzwischen verstehe ich auch deutlicher, wo mein Problem liegt. ^^

    Ich würde sagen: Es muss kein so tightes Paket packen, aber es spielt definitiv von sich aus mit diesem Gedanken herum und ist sich am Ende wahrscheinlich selbst nicht so ganz sicher, ob es nun eine klare Aussage haben will oder nicht. Schau mal hier, das war mein Ende:



    Diese Wortwahl in diesem Screenshot ist ja definitiv nicht zufällig.
    Und die Auswahl der Szenen über die fünf Folgen hinweg unterstützt diesen Grundkonflikt, dieses Thema total, genau so wie die Arcs sämtlicher Charaktere: Die klassische Familienumgebung und -vorstellung bei Papa und den Großeltern, die Drogenfarm, die Kommune, Brody, die Vigilantes, selbst so Charaktere wie Flores (Latina, würde ich tippen!) und der Reverend, der sich seine eigene kleine gesellschaftliche Bubble aufgebaut hat. Und soll Mama denn nun egoistisch handeln und dafür glücklich werden oder soll sie ihre gesellschaftliche Pflicht erfüllen?
    Das Spiel macht also auf jeden Fall eine Skala zwischen diesen zwei Extremen auf. (Deshalb finde ich die Beziehung der Brüder auch eher zweitrangig für die Diskussion: Sowohl Seans letzte Entscheidung als auch die Frage, wie er Daniel erzogen hat, beziehen sich auf dieselbe Skala.)
    Und da sind wir wieder an dem Punkt, an dem ich vorhin war: Wenn du ein Spiel machst, das so offensichtlich politisch sein will – und das Thema selbst ist ja schon inhärent ein ungemein politisches –, dann musst du dich auf dieser Skala irgendwie positionieren, oder zumindest die verschiedenen Seiten der Skala bewerten. Wenn du das nicht tust, wenn du nur sagst "Joah, das sind halt die beiden Seiten, und beide haben was Gutes und was Schlechtes!", landest du wahrscheinlich ungewollt beim Standard, beim Status Quo, also bei der Aussage: "Die Gesellschaft ist ein gegebener Fakt. So ist es nun mal!" Deshalb sage ich auch, dass sich das Spiel für mich irgendwo konservativ anfühlt. Es bewegt sich immer in dem Rahmen, den die Gesellschaft vorgibt, selbst die "Rebellen" cosplayen eigentlich nur eine kleine, gemütliche Revolution in ihrem persönlichen Leben, während in der Realität überall in den USA massive Proteste gegen Rassismus stattgefunden haben, mit sehr realen Effekten (einige Städte mit gesenktem Polizeibudget oder aufgelöstem Polizei-Department, gesammeltes Bail money für tausende schwarze Angeklagte, ein ziemlich krasser Shift des Overton Window, um ein paar greifbarere zu nennen).

    Also um noch mal zur Frage zurückzukommen: Eigentlich MÜSSTE das Spiel kein so tightes Paket packen, aber es hadert halt mit dem Gedanken herum, statt sich zu entscheiden? Oder es VERSUCHT es sogar und scheitert dabei, weil es so oberflächlich bleibt, dass es keine politisch kohärente und schlüssige Aussage findet. Letzteres könnte natürlich auch "nur" eine persönliche Sache sein, aber ich denke ehrlich gesagt, dass Politik deutlich weniger mit Meinungen zu tun hat, als es oft den Anschein hat. Denn dass man die Gesellschaft ändern kann, ist vielleicht ideologisch, aber auch ein historischer Fakt, und wenn ein Spiel mit Superkräften dir sagt, dass SELBST DU es nicht kannst, egal was du tust (in vier oder fünf verschiedenen Endings!), ist das eine sehr politische Aussage. Man könnte jetzt vielleicht argumentieren, dass das Spiel eher persönliche Entscheidungen aufzeigen will ... aber Politik entsteht ja am Ende des Tages durch persönliche Entscheidungen.
    (Man könnte hier noch einen komplexen Riesenpost über die Superhelden-Metaphern im Spiel einbringen, aber da würden wir am Ende bei der Frage landen, warum Bruce Wayne nicht einfach die Obdachlosigkeit in Gotham mit einem finanziellen Fingerschnippen beendet, und davon hat jetzt gerade niemand was. )

    Zitat Zitat
    Deine Extrapolation finde ich ein wenig extrem, denn immerhin ist das nicht die *einzige* Entscheidung, die Daniels Verhalten beeinflusst. Man muss es schon sehr stark weiter in die Richtung drücken, damit er zum Gangbanger wird *g*
    Richtig, aber genau das ist diese Achse: Wenn du zu viel von X tust, passiert Y! Das ist ja auch generell das große Problem mit so einer binären Videospielskala (ich sage nur "gut/böse", "light/dark side" oder "paragon/renegade" ), jede einzelne Entscheidung muss den Zeiger in eine bestimmte Richtung bewegen. Alle Komplexitäten dazwischen gehen verloren.

    Das Ganze hat auch eine Gameplay-Dimension: Die simplen ja/nein-Entscheidungen eignen sich natürlich viel besser für ein Spiel mit einer klaren Skala, mit einem klaren, thematischen Konflikt. Wenn man eine komplexe Matrix aus Einflüssen aufmachen will, könnte es sinnvoller sein, West-RPG-esque 6 verschiedene Antwortmöglichkeiten zu geben und jede einzelne mit ihren eigenen kleinen Konsequenzen auszustatten. Vielleeeicht haben sie das sogar versucht, über die "Erziehung" Daniels, die sich ja gerade NICHT durch eine einzelne Entscheidung begründet, wie du schon richtig angemerkt hast. Dann sollte es aber nicht zu nur zwei möglichen Enden führen: Daniel zuhause als netter Typ bei den konservativen Großeltern (in zwei Endings) und Daniel als Krimineller in Mexiko (in zwei Endings). O_ô Denn wenn das keine politische Aussage ist, in einem Spiel über Latinos und die Gesellschaft, dann weiß ich auch nicht mehr. ^^

    Schnell am Rande: Wobei ich den Serienkiller-Plot schon als wichtig für die Themen von LiS1 empfinde. Er bringt sozusagen den Tod als absolute Grenze ein, die alle Lebensentscheidungen der Aufwachsenden mit greifbaren Konsequenzen versieht: Dein Leben ist nicht endlos. Du wirst irgendwann sterben (gilt generell), du KÖNNTEST sogar jederzeit sterben (gilt mit nem Serienkiller!) ... Was tust du? Bist du zufrieden mit deinem Leben, wenn es soweit ist? Wie viel willst du riskieren, bis hin zu deinem Leben, um glücklich zu werden?





    Ich fand Kapitel 4 übrigens auch etwas, äh, reißerisch, aber ich muss auch sagen: Wir wären wahrscheinlich schockiert, wenn wir mitkriegen würden, wie die Priester in den Staaten wirklich reden und handeln. ^_~ Trotz allem, da hätte man mehr draus machen können, und übrigens auch mal thematisieren können, dass Religion ein DICKES Thema in den meisten Familien mit mexikanischem Hintergrund ist! Hat mich das ganze Spiel über etwas gewundert. Du hast bspw. den Effekt, dass Second-Generation-Kinder oftmals einen Konflikt mit der Religion ihrer Eltern haben und dementsprechend anfällig für Kulte u.ä. sind. Warum reden wir in Kapitel 4 nicht einmal über Daniels Religion (oder ihren Mangel!) vor dem Kult? So ist es halt ein vages "Die finden mich und meine Powerz cool hier!", und damit wird das Schreiduell am Ende eben auch nur ein ebenso vages "Wer mag mich denn jetzt wirklich?", was nicht viel zum Thema beiträgt. Dass sich die Brüder doll lieb haben, war an der Stelle ja schon klar, und das Spiel weiß das auch ganz genau, weil man besagtes Schreiduell nicht wirklich verlieren kann – es geht wieder nur darum, ob man egoistisch Rache nimmt, sich an die Gesetze hält u.ä. Da wäre so viel mehr drin gewesen.
    Aber hey, es war schon lustig, dass sowohl Mama als auch ihre Kinder jeweils eine Kirche niedergebrannt haben. 8D

  18. #18
    Vorsicht, Gedankenchaos. Und natürlich auch Spoiler.

    Wahrscheinlich habe ich einen etwas weniger kritischen Blick auf Storys generell und auch keinen so ausgeprägten Sinn, in bestimmten Dingen gleich (oder auch im Nachhinein) etwas hineinzuinterpretieren. Aber für mich persönlich hatte sich nie die Frage gestellt, was das Spiel mir sagen möchte, welches die im Spiel angesprochenen Thematiken sein sollen und welche politische Stellung die Entwickler einnehmen. Ich hatte das Spiel mehr als eine Vermittlung von Eindrücken wahrgenommen und das hat für mich auf die Weise wirklich gut funktioniert.

    Natürlich waren viele Szenen, insbesondere in Episode 4 und 5, schon sehr holzhammermäßig in Sachen Religion und Rassismus unterwegs, das will ich absolut nicht abstreiten (auch trotz der vielen Szenen, in denen die Menschen sich ihnen gegenüber sehr offen und hilfsbereit verhalten haben). Ich muss aber auch sagen, dass ich (und viele andere wohl auch) als Teenager eine sehr dichotome Weltsicht innehatte, in der vieles in "Find ich super!" oder "Voll der Käse" eingeteilt wurde. Dementsprechend konnte ich die Motivationen und Zielsetzungen der Charaktere in den entsprechenden Situationen gut nachvollziehen. Ich stecke selber in einer christlichen Familie fest, die darüber hinaus aus Methodisten besteht, deren Praktiken mit vergleichbaren Gemeinden aus den USA sehr ähnlich sind. Die Erfahrungen und Eindrücke, die sowohl Sean (ich mit ca. 16 Jahren) als auch Daniel (mein eigener kleiner Bruder mit ca. 9 Jahren) gemacht haben, haben sich teils haargenau mit dem gedeckt, was wir selbst erlebt hatten. Natürlich hatte mein kleiner Bruder keine Superkräfte, und ich habe ihn auch nicht aus einem großen Kirchenbrand von den Klauen unserer Gemeinde befreit. Da diesem Spiel allerdings eben nun mal diese Ebene mit Daniels Superkräften unterliegt und dadurch sehr spezielle Umstände entstehen, hat mich die Abwesenheit einer darauffolgenden ambivalenten Sicht der Dinge auch nicht weiter gestört.

    Die Szene in Kapitel 2, in der man Daniel dazu bringen kann, mit der Großmutter zu beten, was dann quasi die Option "follow the rules of society" darstellte, konnte ich ebenfalls sehr gut nachvollziehen. Ich folge selber nicht dem Glauben meiner Familie, aber ich wollte auch nicht, dass meine kleinen Brüder sich die Bindung zu ihrer Familie verscherzen und sie daher immer dazu ermutigt, erstmal den Wünschen Folge zu leisten, die unsere Eltern in Sachen Religion an sie hatten. Infolgedessen waren sie auch mehr oder weniger anfällig für gottesfürchtige Lehren, aber ich bin auch davon ausgegangen, dass sie in ihrem Alter sowieso nicht mit der Intensität des Glaubens unserer Familie mithalten können und sich ihre eigene Gedanken machen können, sobald sie ein bestimmtes Alter erreicht haben. Diese Handhabung hatte ich dementsprechend auch auf Seans Handlungen interpretiert und auch erfolgreich anwenden können, daher fand ich den Aspekt "Religion" so, wie er im Spiel umgesetzt wurde, auch nicht weiter schwierig.

    Wie Sylverthas schon erwähnt hatte, empfand ich den Aspekt der Dynamik zwischen den beiden Brüdern als viel ausschlaggebender als alles andere, was mir das Spiel vorsetzen wollte. Diese war genau so vielschichtig und glaubwürdig umgesetzt, wie ich es von den zwei Brüdern in ihrem Alter erwartet hätte, und natürlich auch dem Dilemma entsprechend, in dem die beiden stecken. Wahrscheinlich sag ich das auch vor allem deswegen, weil ich selber mit drei Brüdern zuhause festsitze (die ich ebenfalls ohne meiner eigenen Mutter großziehen musste) und ich all die Konflikte hautnah miterlebt habe, die im Spiel dargestellt worden sind. Letztendlich hatte ich die Thematik rundum Religion und Politik eher als Randerscheinungen wahrgenommen, die der Herkunft und vor allem den sehr ungewöhnlichen Umständen der beiden Brüder geschuldet sind, und ich fand die Situationen, in die sie deshalb geraten sind, zwar zugegebenermaßen sehr vom Pech verfolgt (und vielleicht auch etwas erzwungen), aber auch nicht unglaubwürdig. Es hat mir dabei geholfen, mich auf das Wesentliche der Story zu konzentrieren, und ich hatte es auch so interpretiert, dass die Charaktere es ähnlich empfunden hatten und auch nicht wirklich die Zeit oder Reife gehabt hätten, über solche gesellschaftskritischen Themen ordentlich zu reflektieren.
    Geändert von Ligiiihh (04.01.2021 um 21:55 Uhr)
    ٩( ᐛ )و

  19. #19
    Zitat Zitat von La Cipolla Beitrag anzeigen
    Deshalb finde ich die Beziehung der Brüder auch eher zweitrangig für die Diskussion: Sowohl Seans letzte Entscheidung als auch die Frage, wie er Daniel erzogen hat, beziehen sich auf dieselbe Skala.
    Ayo, es geht um Akzeptanz oder Isolation von der Gesellschaft, da stimmen wir überein. Ich denke im Gegensatz zu Dir nur anscheinend nicht, dass eine dritte Möglichkeit - die fundamentale Änderung der Gesellschaft - hier nötig gewesen ist. Ich sehe auch Deinen Punkt, dass man das sehr einfach so deuten kann, dass es eine "Friss oder geh weg"-Nachricht vermittelt. Auf der anderen Seite hätte aus meiner Sicht eine Nutzung der Superkräfte, um die Gesellschaft fundamental zu verändern, im Prinzip die vorherigen Kapitel untergraben. Die Beziehung der Brüder in dieser schwierigen Situation halte ich für mindestens so relevant wie die politischen Folgen. Bzw. würde ich fast schon vermuten, dass es für die Entwickler die relevantere Dimension des Spiels ist, was Ligiiih eigentlich auch sehr nett durch seine Anekdote rübergebracht hat. Ist ja auch ein Grund, wieso das Ende bei mir so gezündet hat, weil es diese Dimension im Fokus hat und daher für mich ein sehr runder Abschluss der Geschichte dargestellt hat.

    Ich will jetzt noch mal anmerken, dass manche der schlechteren Nachrichten, die Du aus dem Spiel entnimmst, vermutlich ungewollt und nicht die Intention der Entwickler waren. Sowas ist ja auch nicht unüblich, dass gerade bei komplexeren (und weniger tighten Konstrukten, das haben wir glaube ich jetzt bei LIS2 etabliert *g*) sehr leicht Nachrichten entstehen können, die unbeabsichtigt waren. Entschuldigt das, dass die Entwickler nicht daran gedacht haben, dass man die Geschichte eventuell als recht defätistisch ansehen könnte? Ehrlich gesagt habe ich darauf immer noch keine Antwort. Gerade heutzutage in Zeiten des Internets und der allgemeinen Diskussionskultur wird immer so viel auf die Waagschale gelegt. Weil LIS2 halt mit einigen Themen doch sehr holzhammermäßig umgeht würde ich teilweise sogar hinterfragen, ob subtilere Thematiken wie das Auslassen eines Endes, was die Gesellschaft verändern soll, darauf hindeutet, dass die Entwickler tatsächlich diese "akzeptiere oder geh"-Message rüberbringen wollten.

    Zitat Zitat
    Deshalb sage ich auch, dass sich das Spiel für mich irgendwo konservativ anfühlt. Es bewegt sich immer in dem Rahmen, den die Gesellschaft vorgibt, selbst die "Rebellen" cosplayen eigentlich nur eine kleine, gemütliche Revolution in ihrem persönlichen Leben, während in der Realität überall in den USA massive Proteste gegen Rassismus stattgefunden haben, mit sehr realen Effekten (einige Städte mit gesenktem Polizeibudget oder aufgelöstem Polizei-Department, gesammeltes Bail money für tausende schwarze Angeklagte, ein ziemlich krasser Shift des Overton Window, um ein paar greifbarere zu nennen).
    Vielleicht ist hier das Problem, dass Du zu viele globale Veränderung von den Protagonisten erwartet hast? Stehen hier für Dich die Superkräfte synonym mit dem Potential, die Gesellschaft fundamental zu ändern (weil dies ja auch Thema in vielen Superheldengeschichten ist)? Sicherlich hätte man diese Option einbauen können, und man könnte hier pro Kapitel 4 argumentieren, dass das vielleicht sogar ein Thema war, was sie hier anschneiden wollten. Zusammen mit den hundert anderen Themen, die das Spiel behandelt.

    Zitat Zitat
    dass es keine politisch kohärente und schlüssige Aussage findet. Letzteres könnte natürlich auch "nur" eine persönliche Sache sein, aber ich denke ehrlich gesagt, dass Politik deutlich weniger mit Meinungen zu tun hat, als es oft den Anschein hat. Denn dass man die Gesellschaft ändern kann, ist vielleicht ideologisch, aber auch ein historischer Fakt, und wenn ein Spiel mit Superkräften dir sagt, dass SELBST DU es nicht kannst, egal was du tust (in vier oder fünf verschiedenen Endings!), ist das eine sehr politische Aussage. Man könnte jetzt vielleicht argumentieren, dass das Spiel eher persönliche Entscheidungen aufzeigen will ... aber Politik entsteht ja am Ende des Tages durch persönliche Entscheidungen.
    Ich meine... vielleicht war das nicht die Intention der Entwickler? Also eine Geschichte zu erzählen, bei der fundamental Änderungen stattfinden sollen durch die Superkräfte? Wenn ich das richtig verstehe hättest Du es besser gefunden, hätten die Entwickler einem eine klare Option geben, sich gegen die Gesellschaft derart aufzuwiegeln, dass man sie verändern kann, statt zu fliehen. Und man das durch den Nutzen der Kräfte hätte unterstützen müssen, um eine "Du kannst die Gesellschaft ändern"-Nachricht rüber zu bringen. Und ja, damit kommt dann am Ende eher die Beobachtung der Gesellschaft raus, in der die Akteure handeln, weil diese Option fehlt. Was Du ja auch angesprochen hast, ich aber nicht als einen negativen Punkt sehe. Schließlich komme ich noch mal zu nem Punkt von einem meiner früheren Posts: nicht jeder hat den Willen / Drive, die Gesellschaft zu verändern. Vielleicht kann man die Geschichte daher auch als grundlegend egoistisch ansehen, weil es Sean und Daniel primär um sich selber geht, was aber auch wieder die Beziehung der beiden, die im Fokus steht, reflektiert, und von dem Roadtrip, bei der die beiden eigentlich die einzigen Konstanten sind, gestützt wird.

    Letztendlich würde ich sagen, dass es schwer ist, sich in dem Spannungsfeld der Gesellschaft ganz klar pro oder contra zu positionieren - immerhin gibt es gute und schlechte Seiten. Und obwohl es üble Rassisten gibt, gibt es auch nette Leute - ansonsten wäre die Entscheidung für Sean und Daniel auch sicher nicht so schwer. Das ist ein wenig im Gegensatz zu LiS1, was Arcadia Bay größtenteils als ziemlich arschig darstellt und am Ende eine fast schon cartoonhafte Entscheidung abverlangt - ficke alle, weil sind ja größtenteils Arschgesichter oder ficke Dich selber, weil so ein Genozid vielleicht doch ein wenig extrem ist? Vielleicht ist es aber auch hier das überzeichnete vom Ending, was die Nachricht so klar macht? Und genau das ist es ja, was ich an der LIS1 Entscheidung so lächerlich finde, während ich die in LIS2 für deutlich sinnvoller und passender halte.

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