Meine Scion 2.0 Regelwerke sind angekommen und ich finde sie bisher sehr spannend. Unser hauseigenes Regelkonstrukt werden sie wahrscheinlich nicht einreißen, aber sie bieten definitiv viel Inspiration für Kniffe und neue Abenteuer.

Insgesamt ist mir nach dem ersten Lesen nicht so ganz klar, wofür Origin eigentlich da ist. Man spielt Scions vor ihrer Erhebung – also essenziell Menschen mit ein bisschen Wumms dahinter. So weit ich das verstanden habe, kann man sich mit dem Regelkonstrukt auch andere "Charakterklassen" wie Kitsunes oder Amazonen bauen. Grundsätzlich eine sehr gute Idee, aber die deutlich reduzierte Liste an Fertigkeiten und Optionen zur Charakterentwicklung macht das System etwas langweilig. Gerademal 16 Skills? Unser hauseigener Charakterbogen hat 43 Fertigkeiten (plus optionale Spezialtalente):



Im Gegenzug dazu sehen die offiziellen Talente etwas mickrig aus:



Origin betreibt sehr schönes Worldbuilding und bietet viele Anreize, in die Story reinzuhoppsen. Es schießt nur gelegentlich mit epischen Textwänden etwas über das Ziel hinaus. Allerdings, da man ja Pre-Visitation Scions spielen soll, sind die Möglichkeiten arg begrenzt. Das hat das Buch auch selber erkannt und empfiehlt zum Beispiel eine zweistufige Kampagne: Mal spielt man die "richtigen" Scions, und abwechselnd dazu als Support die Handlanger, Kultisten und schwächeren Charaktere aus Origin. Sehr schade finde ich, dass die Pantheons und Götter nur als langweilige Tabelle am Ende aufgeführt sind und erst in Hero richtig erklärt werden. Ich meine, Ja, macht Sinn, man hat als Pre-Visitation Scion noch nicht so wahnsinnig viel mit seinem Pantheon zu tun. Aber für mich stellt das die Existenzberechtigung von Origin wieder so ein bisschen in Frage.

Das neue Kampfsystem sieht auf den ersten Blick nach erheblich weniger Clusterfuck aus, und ich mag das System mit den Verletzungsstufen. Einige andere Sachen haben das Regelwerk-typische Problem, unglaublich hyperkompliziert zu sein. Das Kapitel über Antagonisten und ihre Motivationen zum Beispiel presst alles in ein unnötig aufgebauschtes Regelkonzept – Villains haben aus irgendwelchen Gründen ein komplett eigenes Erstellungssystem und interagieren mit den PCs auf Basis von einem Tension-Punkte-System. Das Regelwerk spricht sehr ausführlich über die kampf- und regeltechnische Funktion von Antagonisten. Unser Spielstil geht eher in die Storytelling-Richtung, in der Gegenspieler "normale" NPCs sind, deswegen wirkt das auf mich etwas befremdlich (und das sage ich nicht nur deswegen, weil meine Charaktere gar keine Gegenspieler brauchen, um sich massiv selbst im Weg zu stehen! LOOKING AT YOU, Chryssos.)

In das neue Hero 2.0 habe ich bisher noch nicht allzu intensiv geschaut, aber ich weiß noch nicht, was ich von den Patheon- und Götterbeschreibungen halten soll. Einerseits sind sie "authentischer" und komplexer als im ursprünglichen Regelwerk, andererseits gehen durch die Nuancen auch viele nützliche Stereotype verloren, auf denen man später aufbauen kann. Es ist interessant, dass Bastet jetzt als Alkoholikerin dargestellt wird, die 4 verschiedene Mantle-Ausprägungen hat und quasi alles sein kann, wenn man das will. Macht es für meinen Bastet-Scion aber schwierig, eine klare Linie zu bekommen. Versteht ihr, was ich meine? Scion spielt ja auch mit den Klischees über die Götter: Jeder weiß, was er (so ganz grob) von einem Aphrodite-Scion oder einem Athene-Scion erwarten kann. Wenn man das aufweicht, geht etwas verloren, finde ich.

Unsere aktuellen Kampagnen bewegen sich solide im Halbgott- / Hero-Bereich. Von unseren aktuell drei Kampagnen ist auch nur eine überhaupt noch im Bereich Urban Fantasy angesiedelt. Da sind wir auf Halbgott-Niveau und haben aktuell tatsächlich die Situation, dass unsere Mainchars in einem unbekannten Elysium unterwegs sind und wir abwechselnd dazu unsere gümmeligen Scions auf der Erde spielen, um den strahlenden Halbgöttern das Leben leichter zu machen. Die anderen beiden Kampagnen nutzen unser Scion-Regelsystem für Ausflüge in eine Mittelalter-Welt und in ein Space-Abenteuer. Ich kann mir grundsätzlich vorstellen, Pre-Visitation-Abenteuer zu spielen, aber eher als One-Shot. Ich bin froh, die Bücher als Inspirationsquelle im Regel zu haben (insbesondere für neue Knacks/Kniffe!), aber für meinen Spielstil sind sie zu überladen.

Als Beispiel, wie ein fertiger Char in unserem System aussieht: