Es ist interessant, dass viele Charaktere englische Namen haben, aber die Geschichte offensichtlich in Japan spielt. Ich weiß nicht, ob das als eine Art Ablenkung genutzt wurde, damit man nicht zu schnell auf einen der Twists kommt. Aber wenn in Berichten von Erdbeben, Flutwellen und Radioaktivität die Rede ist muss man nur kurz die Daten der Artikel abgleichen um sicher darauf zu schließen, dass hier von Fukushima die Rede ist. Der wichtigste Teil dabei ist, dass der Vater des Jungen ein Arbeiter im Reaktor war, der freiwillig dort geblieben ist, damit er helfen kann. Und die dunkle Seite des Jungen (Yami) es nicht verzeihen kann, dass er sie im Stich gelassen hat. Es erklärt auch, wieso Teile des Krankenhauses so verfallen sind.
Dass der Junge Krebs hat wird auch vom Spiel nicht stark verdeckt (ein kurzes googlen der Medikamente, die er nimmt; der seltsame Origami-Samuraihelm lenkt die Gedanken aber vielleicht auch schon in die Richtung). Aber das ist alles nicht so wirklich wild, immerhin können Emotionen nicht nur durch einen Schock entstehen. Auch die die Furcht vor der Enthüllung, die man unweigerlich kommen sieht, die sich immer weiter aufbaut, kann sehr stark sein. Ich würde sogar sagen, dass mit dem Hintergedanken, dass man hier einen Jungen spielt, dessen Mutter ihn auf seinen letzten Tagen begleitet, das Spiel effektiver wird.
Dann die Überlegung, ob alles nur im Kopf des Jungen stattgefunden hat und die Mutter ihm quasi diese Geschichten erzählt hat. Oder es Projektionen vom Jungen waren, weil er die Menschen im Krankenhaus ja alle kannte und auch deren Umstände. Immerhin hat er dort eine lange Zeit verbracht und kam, soweit ich das sehe, nach seiner Einlieferung nicht mehr nach Hause. Es ist recht offensichtlich, dass viel von dem, was man im Spiel sieht, *so nicht stattgefunden haben wird, außer die Welt enthält wirklich Magie. Aber nimmt man an, dass alles nur im Kopf vom Jungen stattfindet, ist das durchaus eine extrem düstere Nachricht.
Alle Patientengeschichten sind ziemlich tragisch, aber bei den ersten beiden wird zumindest im Spielverlauf noch ein positiver Spin gegeben. Klar, dass Winston und Gemma wegen ihrer rassistischen Eltern in die Enge getrieben wurden und sie nun im Koma liegt ist schlimm. Aber zumindest zeigt das Ende, dass Gemma aus dem Koma erwacht sein könnte (sie ist mit den anderen Leebles auf einem Schiff). Und Tony liegt zwar weiterhin im Krankenhaus, hat sich aber nach langer Zeit endlich wieder mit seiner Tochter versöhnt. Dann haben wir Kisaburo, dessen Gedächtnis aufgrund eines Tumors immer weiter nachlässt. Immerhin konnte er sich aber noch an die Blumen erinnern, welche seine Frau so mochte. Er stirbt am Ende, aber immerhin ist es noch bittersüß, weil er seine Frau doch nicht ganz vergessen hat. Dies ist aber die erste Geschichte, die mich wirklich mitgenommen hat.
Denke Sues Tod ist der, der am meisten zündet. Es ist schon beeindruckend, wie viel Bindung man zu ihr aufbaut, obwohl man ihr abseits ihrer Sequenz mit ihrer Hündin nur ein paar Murmeln bringt. Normalerweise war sie recht lethargisch. Ihre Geschichten, über die Welten, die in ihren Murmeln existieren, waren sehr farbenfroh erzählt und man hatte immer das Gefühl, dass wieder Leben in sie zurückkehrt. Sicherlich auch ein Grund, wieso ihr Tod dann so reinhaut. Als dann Build a Little World With Me gespielt wird hab ich mir gleich "och nee" gedacht. Besiegelt wird die Szene dann natürlich mit dem Brief und den Murmeln auf dem Bett. Danach geht es dann alles weiter bergab, so dass man sich kaum ausruhen kann. Nach Sues Tod bricht der Junge zusammen und wird von seiner Trauer, Angst und Wut übermannt. Schöner Aufbau, damit die Augen nicht trocken bleiben.
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Klasse fand ich, wie die Geschichte die Tragik von dem Jungen auf die Mutter überträgt. Während des Spielsverlauf steuert man ja den Jungen und weiß, dass seine Reise nach Rakuen im Prinzip nur die ins Jenseits ist. Die Mutter ist dabei die Begleiterin. Kurz vor Ende steuert man aber dann die Mutter und erfährt von den Ereignissen im Reaktor und das ihr Mann gestorben ist. Man erlebt die Frustration ihres Sohnes, seine Angst, Trauer und Schmerzen. Ab diesem Zeitpunkt fängt auch der Junge an ihr zu sagen, dass er sie nicht alleine lassen möchte. Das ist ein wirklich cleverer Schachzug, dass man nun die Situation aus den Augen der Mutter erlebt, die einen todkranken Sohn hat und stark für ihn sein muss, obwohl sie selber so viel zu verlieren hat. Besonders hart ist dann die Szene, als sie anfängt für ihn zu singen, aber sie nach kurzer Zeit anfangen muss zu weinen und ihre Stimme versagt. Auch, wie sie sich selber anlügen muss um ihrem Sohn Mut zuzusprechen ist stark.
Ein Trick vom Spiel ist hier auch, dass man als Spieler möglicherweise aus den Augen verliert, dass sie noch einen anderen Sohn hat (was, so makaber das klingt, wohl die Situation etwas dämpfen würde). Zumindest ich war am Ende doch sehr überrascht als ich den anderen Jungen gesehen habe, weil ich mich gar nicht mehr an den Dialog vom Anfang erinnern konnte. Inmitten der ganzen Tragik, dient das Ende dann doch als ein kleiner Lichtblick. Sie und ihr Sohn haben akzeptiert, dass er stirbt. Sie geht wieder ihrem Job nach. Immerhin hat sie dem Jungen versprochen, stark zu sein. Und am Ende sieht man sie dann, wie sie mit ihrem anderen Sohn spielt. Denn das Spiel hat mit Tonys Geschichte ja gezeigt, dass es auch anders sein könnte. Wenn sie den Tod ihres Mannes und Kindes nicht hätte verkraften können, dann würde dies auch ihrem anderen Sohn schaden.
Übrigens ist Laura Shigihara auch auf Steam aktiv und hat z.B. Hier
https://steamcommunity.com/app/55921...9163412083518/
einige Fragen zum Spiel beantwortet.