"Irgendwie sein stilistisches Brain Child" trifft es wahrscheinlich total gut und das bestreite ich auch gar nicht. Er hat sich schließlich diese Welt, die Charaktere und ihre Story ausgedacht, inklusive mancher Design-Aspekte. Allerdings gibt es unheimlich viele Leute, die felsenfest davon überzeugt sind, dass Nightmare before Christmas durch und durch sein Film war und das trifft einfach nicht zu (eine Freundin zum Beispiel wollte mir vor einer Weile fast erbost nicht glauben, dass Burton nicht Regie führte; sie dachte ich spinne, bis sie's nachgeschaut hat :P).

Er lieferte die Grundlagen und hat zusammen mit Denise Di Novi produziert, die ihn auch bei diversen anderen Projekten in jener Funktion unterstützte. Aber Burton hat nichtmal das Drehbuch selbst geschrieben - wie immer übrigens, hat er noch nie (!) gemacht. Anders als die Herren der vorangegangenen drei Umfragen, bei denen das fast immer der Fall ist, lässt der Tim auch seine eigenen Geschichten stets von anderen adaptieren. Und ich bin mir ziemlich sicher, dass doch eine ganze Menge von dem, was Nightmare before Christmas so toll machte, letztlich von Henry Selick stammt, der sein Können gerade in Bezug auf Stop-Motion-Animation schon das ein oder andere Mal unter Beweis gestellt hat. Empfehle auch, sich dazu mal die verschiedenen Audiokommentar-Spuren auf den DVDs und Blu-rays reinzuziehen


Die englische Wikipedia fasst das mit entsprechenden Quellen und interessanten Zitaten belegt ganz gut zusammen:

Zitat Zitat
Burton could not direct because of his commitment to Batman Returns and he did not want to be involved with "the painstakingly slow process of stop motion". To adapt his poem into a screenplay, Burton approached Michael McDowell, his collaborator on Beetlejuice. McDowell and Burton experienced creative differences, which convinced Burton to make the film as a musical with lyrics and compositions by frequent collaborator Danny Elfman. Elfman and Burton created a rough storyline and two-thirds of the film's songs. (...) With Thompson's screenplay, Selick stated, "there are very few lines of dialogue that are Caroline's. She became busy on other films and we were constantly rewriting, re-configuring and developing the film visually."

(...) On the direction of the film, Selick reflected, "It's as though he [Burton] laid the egg, and I sat on it and hatched it. He wasn't involved in a hands-on way, but his hand is in it. It was my job to make it look like 'a Tim Burton film', which is not so different from my own films." When asked on Burton's involvement, Selick claimed, "I don't want to take away from Tim, but he was not in San Francisco when we made it. He came up five times over two years, and spent no more than eight or ten days in total." (...) Burton found production somewhat difficult because he was directing Batman Returns and in pre-production of Ed Wood.

Eine vergleichbare Situation finden wir etwa bei Star Wars Episode V: The Empire Strikes Back. Regie führte Irvin Kershner, Gary Kurtz produzierte und das Drehbuch schrieben Lawrence Kasdan und Leigh Brackett. George Lucas bekam den Credit für Story und Charaktere und war ansonsten nur ausführender Produzent, was hauptsächlich mit Finanzierung und Marketing zu tun hat und auch eine gewisse kreative Beteiligung beinhalten kann, aber im Gegensatz zum Produzenten für gewöhnlich nicht direkt am Set. Dass das Ganze irgendwie trotzdem auf seinem Mist gewachsen ist und er auch weiterhin daran mitwirkte, nur eben mehr im Hintergrund, steht außer Frage.

Nun könnte man argumentieren, dass es andersherum auch viele Filme gibt, bei denen ein Regisseur "nur" seinen Job erledigt und nicht weit darüber hinaus, sozusagen als wahrer Auteur, in alles andere von Anfang bis Ende involviert ist. Im Falle von Burton war das zum Beispiel mehr oder weniger bei Big Eyes so, bei dem ursprünglich jemand anderes Regie führen sollte, aber Burton dann halt eingesprungen ist. Ein biographisches Drama basierend auf wahren Begebenheiten, in dem ohnehin nicht viel Platz für seinen typischen Stil gewesen wäre. Doch irgendwo muss man die Grenze ziehen, daher hielt ich die Regiearbeit als objektiven Zuordnungs-Maßstab für eine Evaluation per Umfrage am sinnvollsten. Würde ich hier noch jede Ausnahme mit aufnehmen, bei der ein bekannter Filmemacher mal nicht die Regie übernahm aber stattdessen in anderen Funktionen einen spürbaren Einfluss hatte, nähme das kein Ende mehr und alles käme durcheinander

Ich mein... ich versteh das schon. Nightmare before Christmas ist zu Recht untrennbar mit Tim Burton verbunden und in den Augen vieler möglicherweise sogar tatsächlich der beste Film, der ursprünglich auf ihn zurückgeht, wie Sölf oben schon meinte. Hier passte das jedoch nicht rein. Da hab ich lieber die Gelegenheit genutzt, um auf einen viel zu häufig gemachten Trugschluss hinzuweisen ^^ Burton bekommt dafür aus Popkultur-Kreisen mehr Anerkennung, als er eigentlich verdient ...und Selick, dessen Arbeit gerade in einem Film mit so viel visuellem Storytelling kaum überschätzt werden kann, zu wenig.

Jetzt hab ich doch wieder mehr dazu geschrieben als ich vorhatte :-/