Die Mitstreiter von Evan: Hier einmal die kompletten Spielercharaktere gemeinsam. |
Der Vorgänger hatte viel Charme, was seine verrückten Einfälle betraf. So gab es eine Stadt, in die man sich nur mit Badeklamotten Zutritt verschaffen konnte, da diese den Dresscode bestimmten. Oder die Feen wurden in einer großen Fee aufgezogen, samt Kindergarten und Schule... Auch Ni No Kuni 2 hat diese verrückten und auch unglaublich charmanten märchenhaften Momente, zumindest zwei davon. Leider schwankt die Handlung zwischen originell und belanglos hin und her. Es gibt tatsächlich mehrere Momente, die mit generischster RPG-Kost recht langweilig sind. Denn Evan muss mit seinem Hofstaat die verschiedenen Länder besuchen und mit diesen „Aldavans Abkommen“ schließen – ein Friedensvertrag. Gerade die Mitte des Spiels gestaltet sich sehr formelhaft. Bestes Beispiel für Hydropolis: Die Wasserstadt an sich sieht sehr schön aus. Man reist also hin, redet ein wenig mit der Bevölkerung und wird nach einiger Zeit empfangen. Dann bekommt man den Kanzler Leander an die Seite gestellt und muss durch einen äußerst langwierigen Dungeon, um ein Problem zu lösen. Am Ende schließt sich Leander, der Vertraute der Königin von Hydropolis an, der fortan in Evans Team kämpft. Genau so ähnlich passiert das dann in Mechbaum. Hier ist der Generaldirektor des Landes ein ziemliches Arschloch geworden und zusammen mit Suzie, der ersten Ingenieurin bringt man ihn wieder zur Vernunft, nachdem man vier Speicherkarten mit Videos in dem Fabrik-Dungeon besorgt hat.
In Hydropolis machen sich die Entwickler noch nicht einmal die Mühe, die Geschehnisse mit vernünftigen Cutscenes zu erklären. Da läuft einfach nur der Dialog runter. Das ist in Mechbaum etwas besser gelöst. Allerdings entfalten die beiden Figuren keine richtigen Charaktere. Sie sind nicht einmal besonders klischeehaft, sie sind einfach nichts. Es würde nicht auffallen, wenn die nachträglich ins Team aufgenommenen Mitglieder nicht da wären. Leander ist zwar ein super Kämpfer, aber für die Handlung trägt er nichts bei.
Auch lästig sind viele Einschübe, bei denen man gezwungen ist, zusammenhangslose Nebenaufgaben zu absolvieren, damit man weiterkommt. An einer Stelle möchte eine Archivarin von Euch Zutaten für einen Lippenstift haben, damit sie Euch Büchereiausweise ausstellt. Zähneknirschend akzeptiert Ihr und seid erst mal mehrere Stunden unterwegs, da die Zutaten für den Lippenstift etwas seltener sind. Diese Aufgaben dienen zwar nur dazu, Euch mit dem Nebenaufgaben-System vetraut zu machen, aber das hätte man auch deutlich eleganter in das Spiel integrieren können.
Auf der anderen Seite bietet das Spiel jedoch auch die aus dem Vorgänger bekannten skurrilen und definitiv starken Momente, was die Handlung betrifft. Allerdings viel seltener. Ein richtig starkes Kapitel ist das in Goldorado, welches das erste Land ist, mit dem Evan das Abkommen schließen möchte. In diesem Land leben hundeartige Wesen, die Wauz. Das herrlich skurrile an diesen ist, dass sie über sehr viele Dinge den Zufall entscheiden lassen. Also eine Münze werfen oder würfeln. Mit dem großen Cubicus, einem Riesenwürfel wird zum Beispiel immer der aktuelle Steuersatz festgelegt. Daher haben sie auch das Kasino und an jeder Ecke Glücksspiel. Regiert wird die Stadt vom großen Orakelkönig Sixtinius. Und natürlich muss man für eine Audienz bei diesem erst mal mit den Wachen würfeln. Dabei verfällt Evan in die Spielsucht und merkt nicht, dass die Würfel gezinkt sind. So bekommt er letztenendes einen Krähdit, da er sich mit 10 Millionen Gulden verschuldet, die er natürlich nicht begleichen kann. Der Krähdit ist ein Vogel, der ihn die ganze Zeit erinnert, dass er noch Schulden hat und ihm nicht mehr von der Seite weicht. Bei Recherchen im Kasino holt sich der Luftpirat Zoran, der auch zu Eurer Gruppe gehört, auch einen Krähdit. Er gibt zu, schwach geworden zu sein. An dieser Stelle sind die Figuren und die Dialoge super und man bekommt wirklich Handlung geboten. Wie werden Evan und Zoran ihren Krähdit also los? Und wie wird eine Audienz bei Sixtinius möglich? Und wo werden die gezinkten Würfel hergestellt?
Auch gegen Ende wird es noch mal richtig spannend. Im Vorfeld der Verhandlungen mit Mausinger in Ding Dong Dell gibt es einen Verrat. Jemand läuft über und sorgt für einige Verwirrung beim Spieler. Diese starken und sorgfältig erzählten Momente retten die Handlung des Spiels letzten Endes aus der Belanglosigkeit. Leider gibt es eben auch viel unmotiviert erzähltes. Am Anfang muss Evan ja seinen Pakt mit einem Wächter schließen, um König werden zu dürfen. Dazu muss er auf Luftpiraten-Terrain. Dabei werden Roland und er geschnappt und sollen sofort erschossen werden. Durch Flehen werden sie dem Luftpiratenkapitän Zoran vorgeführt, der sie wiederum sofort erschießen lassen möchte. Nur wird in diesem Moment die Tochter von Monstern entführt und Roland und Zoran bieten sich an, sie zurückzuholen, um verschont zu bleiben. Natürlich gelingt alles und Zoran schließt sich samt Tochter sofort der aktiven Gruppe an und sie gründen alle zusammen Evans Königreich.
Viele Stellen werden total überhastet erzählt, die Charaktere haben keine Zeit sich zu entfalten. Es wirkt alles, als würden die Autoren eine Checkliste abhandeln und systematisch die Ereignisse herunter erzählen. Das ist leider oft so. Das märchenhafte, naive Entdecken wie noch bei Ni No Kuni 1 scheidet aus. Es ist alles gewöhnlich. Hinzu kommt, dass jetzt auch der Plot-Twist am Ende nicht so spannend ist. Tatsächlich wirkt das Spiel nach Abschluss arg vorhersehbar. Es gibt keinen wirklich tieferen Sinn und auch nichts, was emotional besonders mitreißend wäre. Klar ist das Leitmotiv, Einheit und Frieden wieder her zu stellen. Aber das hätte man deutlich eindringlicher erzählen können. Man wird lediglich am Ende mit der wahren Bedeutung Roland überrascht – 20 Minuten vor Schluss. Während Zidane in FF IX den wahren Zweck seiner Existenz rund 5 Stunden vor dem finalen Showdown erfährt und erst mal längere Zeit down ist. Oder Cloud in FF VII eine längere Zeit nach den Ereignissen im Krater nicht mehr in der Gruppe ist und später dann im Rollstuhl wieder auftaucht. Auch der erste Teil von Ni No Kuni ist in der Regel besser, als der kleine Oli eben einige bittere Pillen in Bezug auf die Suche nach seiner Mutter schlucken muss und man merkt, was die Autoren ihm eigentlich für eine schwere Bürde zumuten.
Die Charaktere sind in der Regel auch zu wenig beleuchtet. Leander hat gar keine Persönlichkeit und Suzie ist ein Standardcharakter, die nicht wirklich eine Entwicklung durchmacht und kaum mehr als eine handelnde Statistin ist. Zoran und Shanty sind dabei etwas besser geraten. Sie haben zumindest im gemeinsamen Dialog mit Evan noch einige charakterlichen Dinge. Allerdings kommen auch sie nicht wirklich vor. Es geht nie um die beiden. Am ehesten wird Zoran noch bei seiner Spielsucht in Goldorado charakterisiert oder als er bei dem Verrat den Verräter am liebsten einen Kopf kürzer machen möchte. Shanty sorgt hingegen vor allem für Lacher aufgrund ihrer holprigen Rechtschreibung in Beiträgen des sozialen Netzwerks Mechbook. Bleiben also nur Evan und Roland. Die beiden werden sich im Laufe der Story sehr vertraut. Allerdings fehlen auch hier längere, klärende Dialoge. Diese existieren nur in Ansätzen.
Allerdings ist die Story immer noch um Galaxien besser als z.B. bei Lost Sphear. Auch wenn hier und da das Writing etwas generisch ist, so ist die Story doch immer noch gut geschrieben. Die Dialoge sind dabei ein Hauptgrund. Die Figuren sind schön überzeichnet und die Dialoge bringen die Figuren gut rüber. Dabei fehlt die Sprachausgabe fast immer. Das ist aber auch ein Vorteil. Denn die Untertitel erzählen etwas ganz anderes was in den vertonten Zwischensequenzen gesagt wird. Teilweise sind Dinge einfach komplett falsch übersetzt und die Handlung divergiert sogar. Das ist auch genau das Problem. Dialoge und Sprachausgabe passen überhaupt nicht zusammen. Daher umso besser, dass es fast keine Sprachausgabe gibt.
Insgesamt kommt das Spiel gerade in Bezug auf Handlung, Charaktere und Dialoge ziemlich unfertig rüber. Man hat immer wieder das Gefühl, dass hier ein deutlich spannenderes Abenteuer geplant war – mit mehr Verstrickungen und auch dem ein oder anderen Kapitel mehr. Vielleicht sogar noch ein oder zwei Charakteren mehr.