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Mirokurator
Schön 
Ich muss jetzt mal die ersten 150 Seiten Das Glasperlenspiel von Hermann Hesse reflektieren, denn das ist in mehrfacher Hinsicht ein verdammter Klopper, den ich nicht einfach so herunterlesen werde (oder herunterlesen kann) ... @_q''

Es geht um die fiktive Lebensgeschichte eines hohen Gelehrten, der entscheidend die Zukunftswelt mitbegründet hat, die im Buch beschrieben wird. Das Glasperlenspiel ist dabei eine Art "Generalwissenschaft und -kunst", die in dieser Welt sämtliche andere hat irgendwo obsolet werden lassen.
Zuerst etwas persönliche Hesse-Erfahrung, weil ich niemandem empfehlen würde, dieses Buch auch nur anzugucken, eh man nicht eine vage Vorstellung davon hat, wie der Mann so geschrieben (und vielleicht auch ein bisschen gedacht) hat. Der Steppenwolf war ein total wichtiges Buch in meiner Pubertät und eins der wenigen, die ich später noch einmal gelesen habe. Siddartha, Narziss und Goldmund sowie viele seiner Gedichte habe ich ebenfalls sehr genossen, dann aber schon als Erwachsener und aus ganz verschiedenen Gründen – sie sind auch definitiv zugänglicher als der Steppenwolf. Als einzigen Totalausfall empfinde ich bisher Unterm Rad. Das Glasperlenspiel wiederum gilt sozusagen als Hesses "Opus Magnum", und wenn man schon ein bisschen was von ihm kennt, kann man den Gedanken schnell nachvollziehen.
Das Buch liest sich a) anstrengend und unangenehm elitär sowie b) zunehmend faszinierend und unapologetisch AS FUCK. Hier hat ganz eindeutig ein alter Mann geschrieben, was er unbedingt schreiben wollte, wahrscheinlich (?!) ohne sich allzu große Sorgen um den Leser zu machen. Es beginnt mit einer trockenen Einführung, die mich negativ an den Steppenwolf erinnert, aber im Gegensatz zu diesem ihren Reiz nicht aus dem Mindset einer einzelnen Figur, sondern einer ganzen fiktiven Zukunftskultur schöpft, die auf mich persönlich erstmal schrecklich negativ wirkt – ohne dass ich aber mit gutem Gewissen sagen könnte, dass sie auch wirklich so gemeint ist, oder ob es mehr am Snobismus des Erzählers liegt (denn später klingt sie schon positiver). Außerdem ist sie zu nah an der Realität, um eine "Faszination auf den ersten Blick" aufzubauen, wie man sie etwa aus der Science Fiction kennt. Ich muss sagen, nach 150 von 600 Seiten bin ich langsam richtig drin, und obwohl das Buch von Anfang an viele interessante Fragen aufwirft, vor allem über das Setting (Utopie? Dystopie?) und die Grundaussage, habe ich diese Seiten auch echt gebraucht. Das Faszinierende (und ich überstrapaziere den Begriff hier sehr gern!) liegt eher in der tatsächlichen "Anwendung" des Settings, in der Philosophie, die abermals am Lebenslauf eines Mannes durchexerziert wird, sich aber trotz des starken, staaaarken Pathos, den der Erzähler mitbringt, nie so wirklich wie eine billige Wertung des Autors anfühlt; was ich wiederum mit gutem Gewissen sagen kann, denn wie gesagt, momentan kann ich nicht mal ansatzweise mit guten Gewissen sagen, was die Ansicht des Autors ist.
Solche Unklarheiten und Widersprüche mag Hesse ja eigentlich immer ganz gern, und ich bin gespannt, ob sich das in seinen späteren Jahren geändert hat. Das Buch "riecht" ein bisschen mehr nach dem Konzept Wahrheit. Und langsam (!) kommt auch etwas Handlung und Spannung auf. Disclaimer: Hätte ich nicht den Steppenwolf gelesen und allgemein etwas Erfahrung mit Hesse gehabt, hätte ich hier keine 50 Seiten durchgehalten.
Zwei seltsame Details:
2. Hesse schafft es, in 150 Seiten genau einmal beiläufig zu erwähnen, dass es auch Frauen in dieser Welt gibt, und sonst völlig selbstverständlich davon auszugehen, dass sie zumindest in den fiktiven "höheren Sphären", die das Buch beschreibt, faktisch nicht vorkommen. Ich kann NULL sagen, ob das einfach sein Weltbild ist (würde mich meiner Erfahrung nach nicht völlig wundern, gerade was "dualistische" Philosophien angeht), ob das Setting bewusst so designt wurde, vielleicht sogar aus einer kritischen Überlegung heraus, oder was auch immer da der Hintergrund ist. Die Selbstverständlichkeit hat heutzutage jedenfalls schon wieder etwas sehr Faszinierendes, Fremdartiges, gerade weil Hesse ja jetzt auch nicht 250 Jahre alt ist oder sowas. Dazu kommt wieder, dass es streckenweise wieder ziemlich homoerotische Schwingungen hat (Narziss und Goldmund war da aber deutlich krasser). Spannend jedenfalls.
2. Hesse schreibt schon sehr deutsch, sehr gehoben, und AUS IRGENDWELCHEN GRÜNDEN hat er sich wohl total in das Wort "Outsider" verliebt, das hin und wieder ganz selbstverständlich vorkommt und jedes Mal wie etwas wirkt, das in einer Übersetzung übersehen wurde. xD kA was da los ist!
OKAY, das ist mal wieder eine ganz schöne Wall of Text geworden! 
Also ja, ich bin fasziniert, aber es ist ein fremdartiger Brocken. ^^
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