Buch 1: American Elsewhere (Robert Jackson Bennett)
Gestartet: 14.01.2018
Beendet: 18.01.2018
Wertung: ★★★★✰
"She cannot die. Death cannot touch Her. Age cannot wound Her. She cannot die. She may sleep, or wait, but never die."
American Elsewhere (Robert Jackson Bennett)
Warum gerade dieses Buch? Nachdem ich vor 2 Jahren Lovecraft für mich entdeckte suchte ich nach modernen Werken aus dem Genre "Cosmic Horror". Wenn man von Stephen King mal absieht (bei dem die kosmische Komponente ja entweder keine Rolle spielt oder aber von Anfang an im Rampenlicht steht) gibt es aber relativ wenig in die Richtung - "14" und "Der Spalt" von Peter Clines sind meine persönlichen Empfehlungen, die können beide einzeln gelesen werden, hängen aber zusammen. Die Empfehlung für "American Elsewhere" kam letztendlich von meiner Schwester.
"It's everything, Mal!" shrieks Bonnie through ravaged lips and cracked teeth. "Everything in the world! In his eyes is everything in the world! I didn't want to see! I didn't want to see!"
American Elsewhere (Robert Jackson Bennett)
Worum gehts? In der Kleinstadt Wink scheint die Zeit wie in den 70ern stehen geblieben. Häuser und Vorgärten wirken wie in einer damaligen Sitcom, und aus dieser Zeit stammt auch das Fernsehprogramm, welches in ewigen Wiederholungen über den Fernseher flimmert. Homosexualität scheint nicht zu existieren, und jede Frau ist ein perfektes Stepford-Püppchen, während die Männer Pfeife rauchen und sich mit Autos beschäftigen. In diese rein weiße, heteronormative Gesellschaft stößt Mona Bright, eine ehemalige Polizistin auf der Suche nach Informationen über ihre Mutter, die Selbstmord beging, als Mona noch ein kleines Mädchen war. Als Monas Vater starb erfuhr sie, dass ihre Mutter, die Mexikanerin Laura Alvarez, diesem ein Haus vermachte, welches nun in den Besitz von Mona überging.
Doch Wink ist mehr Schein als sein. Viele Regeln, sowohl ausgesprochene als auch unausgesprochene, existieren in dieser Gesellschaft. Nachts verlässt niemand das Haus, denn dann streifen SIE durch die Gegend. Die Wälder sind IHR zu Hause, aber wer könnte SIE schon daran hindern, die Jahrzehnte alten Vereinbarungen zu brechen? Doch nicht nur das, einige von IHNEN leben auch in Menschengestalt unter den Leuten von Wink und sorgen dafür, dass alles seine Ordnung hat und sich nichts verändert. Zumindest so lange, bis etwas sehr mächtiges beginnt, SIE zu töten...
Welche Rolle spielt das Coburn National Laboratory and Observatory, in dem vor mehr als dreißig Jahren Quantenmechaniken erforscht wurden, und welches bei einer schweren Tragödie vernichtet wurde?
As a young girl Mona sucked up every bit of knowledge Earl Bright had to offer. She came to know the dance and wriggle of every type of round, the rifling twist rate of every rifle and the primer type of every commercially available cartridge, the difference between shooting with a hot barrel and a cold one. She came to intuit which parts of the landscape better serve the shot, and how to sit for hours at a time with her eye on the sight without allowing herself to cramp, how to ignore hunger for most of a day, how to keep her hands warm and functioning in the cold, and how to stalk through mesquite forests and huisache forests and pine forests.
American Elsewhere (Robert Jackson Bennett)
Rezension American Elsewhere bedient sich der Tropen des Cosmic-Horror-Genres, ohne dabei wirklich eine Cosmic-Horror-Geschichte zu sein. Das Buch kokettiert damit relativ wenig, es wird bereits in den ersten 10% des Buches klar, dass es sich bei den nicht-menschlichen Gestalten, welche Wink bevölkern, um Eldritch Abominations handelt. Dabei bedient sich Robert Jackson Bennett allerdings keineswegs nur abgedroschener Klischees (zumindest bis auf die Tentakeln), sondern bringt neue Ideen ein. Die größte Stärke von American Elsewhere ist jedoch, dass der Author eben diese klassischen Cosmic-Horror-Tropen dekonstruiert. Grob vereinfacht: Wenn Cthuluh sich in unsere Dimension schleicht, so hat das nicht nur Konsequenzen für die Menschen um Cthuluh herum, sondern auch auf Cthuluh selber, trotz quasi-kosmischer Kräfte. Die Vermenschlichung der Dinger in Menschengestalt findet also nicht nur in rein physischer Form statt, sondern hat auch Auswirkungen auf ihren Geist. Dies hilft, Empathie beim Leser zu erzeugen, wobei Bennett es es gleichzeitig schafft, eben nicht den moralischen Zeigefinger zu heben und der Geschichte die Aussage "So groß sind die Unterschiede zwischen uns gar nicht" zu verpassen, denn die Unterschiede sind nach wie vor unüberwindbar, und die Bedrohung für die Menschheit bis zuletzt gegeben.
Die Hauptfigur, Mona Bright, ist extrem cool. Als Excop kann sie mit Waffen umgehen, sie ist getrieben von ihrer Motivation, mehr heraus zu finden, und selbst, wenn sie sich auf das Geschehen - im Gegensatz zum Leser - keinen Reim machen kann, so vermeidet sie es, in offensichtliche Fallen zu laufen oder grobe Fehlschlüsse zu ziehen. Was die Befriedigung allerdings etwas mindert ist, dass Mona bis kurz vor Schluss des Buches emotional etwas blass bleibt. Ihre Reaktionen auf alles wirken oft extrem nüchtern, und wenn sie mal Emotion zeigt dann ist es meistens Wut - diese Wut allerdings macht es leicht, sie sympatisch zu finden, denn er ist die Waffe des Buches gegen die Verzweiflung des Leser, die bei der schier unmöglichen Aufgabe, die vor Mona liegt, aufkommen kann.
Obwohl Mona Bright die Hauptfigur des Buches ist wechselt American Elsewhere sehr häufig die Perspektive um die Welt des Buches zu illustrieren. Ein Nebenzweig der Geschichte dreht sich um den Mord an einem der Dinger in Menschengestalt, und wird aus der Perspektive der Mörder erzählt. Auch mehrere der Einwohner Winks bekommen ihre Stunde im Rampenlicht und zeichnen so ein allumfassendes Bild, so dass am Ende des Buches keine Fragen mehr offen bleiben. Dies hat den Nebeneffekt, dass der Leser stets mehr weiß als die einzelnen Charaktere, doch Bennett schafft es, dass dies nicht frustrierend auf den Leser wirkt, denn das nächste Geheimnis liegt schon hinter der nächste Ecke. Außerdem erspart er uns ewig langes Gezeter von Charakteren, dass etwas unmöglich sei, dass es so etwas gar nicht geben könnte, und ähnlichen Käse, der so manch anderes Mystery-Werk bereits kaputt gemacht hat.
American Elsewhere ist viele Genres auf einmal: Mystery, Whodunit, Slice of Life und Horror. Im Gegensatz zu vielen anderen Horrorwerken erzeugt es den Horror nicht allein dadurch, dass man um das Überleben eines Charakters bangt, sondern durch den schier auswegslosen Konflikt, der sowohl die menschlichen als auch die nichtmenschlichen Charaktere betrifft.
ERIC BINTLY: I saw you. And Dick. And a lot of the other staff. Screaming. The walls where shaking. And the floor and ceiling were cracking. Lights going out. And someone said... "There's something up there."
[SILENCE]
MICHAEL DERN: What did he... do you mean?
ERIC BINTLY: I don't know. But... I thought me meant that there was something on top of the building. The mesa, I mean.
American Elsewhere (Robert Jackson Bennett)
Gedanken & Eindrücke (Spoiler!) Ich fange mal beim Ende an: Im Laufe des Buches verdeutlichte sich mir von der Erzählstruktur, dass es eigentlich nur einen Ausweg aus der Geschichte geben kann, nämlich dass die "Leute" von Anderswo - zumindest die, welche Mona nicht explizit freundlich gesinnt sind - die Geschichte auf die eine oder andere Art verlassen müsse. Das ist letztendlich auch genau das, was passiert, denn am Ende sterben in einem apokalyptischen Showdown alle dieser Wesen, und die Leute von Wink, die diese Wesen zu Gesicht bekommen, entleiben sich kollektiv freiwillig, "but this, of course, is better than Seeing". Überhaupt ist "Going Mad from the Revelation" eine der wenigen Lovecraft-Tropen, die absolut ohne Kniff ausgespielt werden, allerdings auf so frische Art und Weise, dass sie dadurch doppelt effektiv wirken.
Da man die Geschichte, wie gesagt, aus unterschiedlichen Perspektiven miterlebt, hatte ich im Verlauf sehr viel Spaß daran, meine eigenen Theorien zu den Geheimnissen Winks aufzustellen. Einige davon erwiesen sich als falsch, andere allerdings als richtig - unter anderem erriet ich korrekterweise, dass Monas Mutter nicht wahnsinnig war, sondern die Mutter der Wesen, was Mona zu deren Halbschwester macht - und das schon vor dem Reveal, dass etwas von Laura Besitz ergriffen hatte.
Wenn man glaubt, der Autor hat einen gewissen Stil erfunden kommt plötzlich etwas völlig neues - ein Kapitel ist z.B. komplett in Form von Gesprächsprotokollen gehalten worden. Das ist allerdings nicht nur ein Gimmick, sondern sind in diesem Fall Dokumente, die Mona liest.
Die Geschichte hat mir definitiv mehr Lust auf weitere Werke von Bennett gemacht.
The first baby bird to hatch was gifted with perception, and could see things far, far away, even things hidden to most eyes.
The second baby bird possessed a great wisdom, and could spot folly and truth where others could not.
The third possessed great hope, and all who came near him felt sure their futures were bright and rosy.
The fourth was shrewd and practical, and could think up cunning plans and clever plots while other birds were dumbfounded.
And the fifth baby bird was incredibly strong and fearsome, and could overcome any foe or obstacle.
American Elsewhere (Robert Jackson Bennett)
Lesezeit und -rythmus 3 etwas längere Sessions von ca. 3-7 Stunden. Das Buch hat immerhin Stephen-King-Länge!
"Well, fuck."
American Elsewhere (Robert Jackson Bennett)