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Drachentöter
Einige werden sich gerade fragen, warum spielt Rusk nachdem er Tokyo Xanadu eX+ in Grund und Boden kritisiert hat, das spieleähnliche The Legend of Heroes: Trails of Cold Steel? Nun, ich kann euch sagen: Er weiß es selbst nicht. Er dachte sich, er versucht es und gibt Falcom noch einmal eine Chance und siehe da, Mut zahlt sich aus. Cold Steel war echt eine Überraschung und nach satten 64h kann ich mit voller Überzeugung sagen, dass sich das Spiel sehr gelohnt hat. Bisher das eindeutig beste JRPG-Spiel in meiner Challenge, die obligatorische Aufnahme von Teil 2 in die Challenge ist daher nur mehr eine Selbstverständlichkeit gewesen. Ich werde in meinem Bericht ab und zu den Vergleich zu Tokyo Xanadu machen, da dies mein einziges bisher gespieltes Falcom Spiel ist. Die Trails in the Sky Reihe habe ich nämlich nie gespielt. Zudem habe ich versucht, bei einem Kaliber wie Cold Steel den Bericht so kurz wie möglich zu halten - gehe also nicht auf alles detailliert ein. Spoilerfrei wie immer.
Story
Cold Steel macht im Grund von der Story her nicht viel anders als Tokyo Xanadu, in beiden Spielen nimmt die Story sehr spät Fahrt auf. Was aber Cold Steel um Welten besser macht und mich auch dazu gebracht hat, es bis zum Schluss durchzuhalten, sind seine Charaktere. Ist man in Tokyo Xanadu noch mit einer Kindergartengruppe unterwegs, spielt man in Cold Steel, schon etwas ältere Charaktere die alle durch die Bank sympathisch sind. Durch den sehr, sehr langen und gemächlichen Aufbau bekommen die Protagonisten sehr viel Screentime und zeigen so im Laufe der Handlung verschiedene Emotionen, Ansichten, Meinungen usw. Man erfährt sehr viel über deren Vergangenheiten, Familien und ihre Heimatländer, welches zusammengefasst sehr der Charaktertiefe zu Gute kommt. Durch ihre verschiedenen Herkünfte sind Probleme bereits vorprogrammiert, es herrscht also nicht immer Friede Freude Eierkuchen in der Klasse.
Doch worum gehts eigentlich? Man spielt den jungen Rekruten Rean Schwarzer, der auf die Thors Militärakademie kommt, wo er mit 8 anderen jungen Leuten in die Sonderklasse "Class VII" zusammengesteckt wird. Jedes Kapitel läuft im Grunde nach demselben Schema ab: Die ersten Tage verbringt man in der Schule bzw. auf dem Campus und der nahegelegenen Stadt Trista. Hier kann man Quests lösen, Gefährtenepisoden spielen welche die Bindung zw. Rean und den anderen stärkt, neue Ausrüstung und Items kaufen und und und. Es dient also wie eine Art Hub. Hat man alles gemacht, was man will, wird man in einer bestimmten Gruppen-Konstellation zu einem ausgewählten Ort im Kaiserreich geschickt, wo man eine Feldstudie durchführt. Das ist nichts anderes als vorgegebene Quests zu lösen, die dann in einem Konflikt enden, welche die Hauptstory vorantreibt. In den ersten Kapiteln passiert noch sehr wenig, erst später beginnt sich eine Story herauszukristallisieren, die bis zum Schluss sehr spannend bleibt. Das Spiel ist also nichts für Leute, die nicht viel Zeit übrighaben und mit einem solchen Spielprinzip wenig anfangen können. Cold Steel ist sehr zäh und linear - keine Frage, doch birgt die Handlung viele Wendungen und spannende Ereignisse. Wäre da nicht der tolle Cast, hätte ich das Spiel schon sehr schnell zu Beginn abgebrochen. Falcom hat an dieser Stelle sehr viel richtiggemacht. Meine Lieblingscharaktere waren übrigens Fie und Laura, sowohl charakterlich als auch spielerisch.
Die Schüler der Class VII:

Die Idee, dass man viel in der Spielwelt herumkommt fand ich sehr gelungen. In Tokyo Xanadu war man eher in einer kleinen und langweiligen Ausgabe von Tokio unterwegs. Cold Steel lässt den Spieler mehr Freiheiten, die sich auch sehen lassen können. Die verschiedenen Gebiete unterscheiden sich sehr, da gibt es bspw. die Hauptstadt Heimdallr, den hohen Norden mit seinen weiten endlosen saftigen Wiesen oder die Industriestadt Roer. Was ich auch noch anmerken muss: Erebonia, also das Kaiserreich, in dem die Handlung spielt, ist sowohl äußerlich als auch kulturell sehr an Europa angelehnt. Heißt man hört überall eher für unsere Gefilde bekannte Namen (Rean heißt bspw. im Nachnamen "Schwarzer") weshalb man sich besser mit den Personen und Orten identifizieren. Das trägt ungemein zur Atmosphäre des Spiels bei. Auch der Deutschfetisch der Japaner hat es in Cold Steel geschafft, es gibt viele deutschen Namen oder Wörter. So sagt Fie, eine der Class VII Mitlieder, oft "Ja". Da ich die Trails in the Sky-Reihe nie gespielt habe, ist Cold Steel mein erster Kontakt mit dem Franchise und dieser Welt. Falcom hat es aber sehr gut gelöst auch Neueinsteiger in die Materie dieser durchaus komplizierten Welt einzuführen. Es wird nichts überhastet, fremde Begriffe oder die einzelnen Fraktionen, Gemeinschaften, Länder usw. werden gut erklärt. Trotzdem muss man eine gewisse Affinität für politische Themen haben, um ein Spiel wie Cold Steel zu mögen. Die Politik nimmt einen sehr großen Stellenwert im Spiel ein und beeinflusst fast alle Kernelemente, selbst die Beziehungen der Charaktere untereinander. So dreckig und brutal wie in einem Game of Thrones geht es aber nicht von statten. 
Gameplay
Cold Steel besitzt ein rundenbasiertes Kampfsystem, was ich bis zum Spielende als überaus spaßig und äußerst gelungen finde. Grundsätzlich besitzt man folgende Optionen, um Gegnern Schaden zuzufügen: Crafts, das sind Spezialangriffe die CP verbrauchen (diese bekommt man indem man Schaden austeilt oder erhält), den üblichen Standardangriff und Arts, was die Zaubersprüche darstellt. Letzteres verbrauchen EP, das Synonym für MP in Cold Steel. Das Kampfsystem wird zudem im Laufe des Spiels mit zusätzlichen netten Gimmicks erweitert. Durch die sog. Link-Attacks können z.B. kombinierte Angriffe mit einem Partymitglied ausgeführt werden, welche sich später noch steigern können. An sich ist das Spiel nicht schwer, erst in den Bosskämpfen muss man wirklich Köpfchen einsetzen, da diese teilweise knüppelhart sein können. Sollte man einen Gegner nicht besiegen können, kann man den Kampf jederzeit wiederholen, wahlweise mit etwas schwächeren Gegnern. Ich musste von dieser Option nur einmal Gebrauch machen, der Kampf war trotzdem auch so noch bockschwer. Wer also kein Geschick oder gar überhaupt keine taktischen Kämpfe mag, wird mit Cold Steel keine Freude haben. Die Kämpfe selbst spielen sich recht dynamisch ab, da viel Einflüsse das Kampfgeschehen beeinflussen können: Es gibt eine Vielzahl an Status, Anfälligkeiten gegen Waffen, Elemente oder Status oder wie die Gruppe den Kampf beginnt (Hinterhalt, Prävention). Wer sich also die vielen Vorteile zunutze macht, wird es eindeutig leichter in Ereboria haben.
Abseite der Kämpfe verbringt man seine Zeit mit dem Erkunden der Spielwelt und dem Lösen der Quests. Man darf sich keine Open-World im herkömmlichen Sinne vorstellen, die Gebiete sind in sich geschlossen, unterteilt in Maps und recht überschaubar. Lediglich die Städte fallen manchmal etwas größer aus, man kann aber flott mit der Schnellreise-Funktion herumspringen. Die Quests selbst sind fast alle ... nun ja sehr generisch. Sie sind zwar nett und fügen sich gut in die Spielwelt ein, sonderlich viel darf man sich nicht erwarten. Hin und wieder stechen aber wieder einfallsreiche heraus, diese sind aber eher selten. Wer zudem viele Nebenquests macht, steigt im Rang auf, wo man je nach Rangstufe bestimmte Belohnungen erhält. Ich habe so gut wie möglich versucht alle zu machen, manche habe ich aber übersehen. Von Dingen wie Angeln oder Crafting habe ich mich komplett ferngehalten, in meinen Augen nur unnötiges Beiwerk.
Besonders motivierend ist das Charaktersystem. Man kann seine Helden mit je einer Waffe, einer Rüstung, Schuhen und zwei Schmuckgegenständen ausrüsten. Jeder Held trägt einen bestimmten Waffentyp, Überschneidungen gibt es nicht. Wirklich motivierend ist jedoch erst das Quartz-System. Jeder Held hat eine bestimmte Anzahl an Slots, die man mit Quartz besetzen kann. Manche verleihen lediglich Stats-Boni, andere wiederum Skills und andere sogar beides gleichzeitig. Hier kann man minutenlang experimentieren und seine Gruppe optimal für seine Bedürfnisse gestalten. So entwickelt sich eine kleine Suchtspirale auf der Suche nach immer mächtigeren und selteneren Quartzen. Zudem hat jeder Held einen Master-Quarts, der von Haus bestimmte positive Effekte und Skills verleiht. Dieser levelt auch mit und ist auch austauschbar, was aber eher nicht wirklich relevant sind. Die Standard Master-Quartz sind bereits optimal für die jeweiligen Helden.
Technik
Die Technik ist leider der schwächste Part von Cold Steel. Nicht, dass das Spiel hässlich ist - man merkt halt der Engine mittlerweile doch ihr Alter an. Doch so altbacken die Grafik auch ist, der Stil ist gelungen und das Design der Orte und Landschaften schick. Auch die Charaktere sind optisch sehr ansprechend, wenn auch die Schuluniform bei jedem gleich aussieht. Die PC-Version besitzt zudem zusätzlich einige Verbesserungen, hauptsächlich grafischer Natur. Am besten ist aber der Turbo-Modus, wirklich sehr praktisch um lange Laufwege oder bereits gelesene Dialoge im Schnellmodus durchzulaufen. Das Opening gefällt mir hingegen nicht wirklich, da dieses nur sehr spärlich animiert ist. Bewegte Animeszenen oder Rendersequenzen kommen ingame nicht vor. Generell ist die Inszenierung sehr spartanisch, große Menschenmengen werden z.B. mit nur sehr wenigen Menschen dargestellt. Umso gelungener ist die musikalische Untermalung. Es sind wirklich schöne Stücke dabei, von melodramatischen bis zu fetzigen Kampftracks hat mir fast alles gefallen.
Im Westen erschien Cold Steel nur in englischer Sprachausgabe, eine deutsche Lokalisierung gibt es nicht. Ich habe zwar eine Möglichkeit gefunden, es mit der japanischen zu spielen, hab mich jedoch dagegen entschieden. Erstens hat die westliche Version zusätzlich 5.000 vertonte Dialogzeilen und zweitens ist die englische Lokalisierung ziemlich gelungen. Viele der Sprecher passen wie die Faust aufs Auge und selbst die anfangs nervigen Stimmen (ich sage nur Alisa oder Millium) fügen sich gut in die Atmosphäre hinein. Und leider, das weiß wohl nur Gott, sind wieder wie in Tokyo Xanadu manche unwichtigen Dialoge voll vertont und andere wichtige storyrelevante dafür nicht. Das hat größtenteils wieder den Hauptprotagonisten Rean getroffen, so schlimm wie in Tokyo Xanadu empfand ich es jedoch nicht.
FAZIT: Ich muss ehrlich sagen: Cold Steel hat mich eiskalt erwischt. So zäh und langsam der Spielablauf ist, so unterhaltsam sind
die Charaktere und die Spielwelt. Das Spiel versprüht auf eine eigene Art seine Magie, von der man nicht zu schnell wegkommt. Vergesst die PS3 Grafik,
die tausenden Klischees oder die spät in Fahrt kommende Story, Cold Steel kann trotzdem begeistern und fesseln. Am Ende war ich selbst sehr überrascht,
wieviel Spaß ich mit dem Titel gehabt habe. Wer schon immer mit dem Gedanken gespielt hat, es zu spielen oder durch mein Review die Lust dazubekommen hat:
Versucht es! Nehmt aber viele Stunden in die Hand, erst dann entfaltet Cold Steel sein gesamtes Potenzial. Teil 2 ist nur mehr eine Frage der Zeit!
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