Ich dachte, das könnte endlich mal eine deutsche (dramatische live-action) Serie werden, die mir zusagt, denn eine andere aus Schland fällt mir spontan nichtmal ein. Dark wurde ja ziemlich gehyped und auch gut aufgenommen. Und doch muss ich feststellen, dass ich maßlos enttäuscht bin. Hatte viel mehr davon erwartet. Die Prämisse ist spannend und einige gute schauspielerische Leistungen sind auch dabei. Aber es gibt mehrere zusammenhängende Problemkreise, die mir die Freude daran völlig zunichte gemacht haben und wegen derer ich folgende Staffeln auch nicht mehr schauen, geschweigedenn Dark irgendwem empfehlen werde.

Da wäre zum einen das grauenvolle Pacing. Ich hab nichts gegen gemächlichere Geschichten. Ich mag Mystery und diese Art von Erzählung kann sehr davon profitieren, wenn man die Geheimnisse langsam aufbaut und dann auch entsprechende Antworten liefert. Aber bei Dark denk ich mir in fast jeder zweiten Einstellung, dass die Kamera ein paar Sekunden zu lange verweilt. Als würde es sich in der eigenen Atmosphäre suhlen wollen. Wäre es möglich gewesen, hätte ich die gesamte Staffel in anderthalbfacher Geschwindigkeit laufen lassen. Bei guten Serien bin ich nach der ersten oder zweiten Folge "hooked" und möchte unbedingt wissen, wie es weitergeht. Hier jedoch habe ich die ganze Zeit darauf gewartet, dass es endlich richtig losgeht und mehr passiert. Irgendwann dachte ich mir dann nur noch, jetzt der Vollständigkeit halber auch noch den Rest zu gucken, ohne dafür wirklich Begeisterung mitzubringen. Ein Großteil der Serie ist nur lahmes Setup mit verstreuten Hinweisen aber minimalem Pay-off. Wären es sechs oder sieben anstatt zehn Episoden geworden, wäre es für mich wahrscheinlich eine deutlich bessere Erfahrung gewesen.

Die Charaktere und Dialoge. Es wird kaum mal Klartext gesprochen. Und sorry, ich halte es für einen gigantischen Fehler, in einer Show, die so sehr auf seine Charakterbeziehungen und Konstellationen aufbauen und diese in den Mittelpunkt stellen möchte, so gut wie niemanden von diesen Charakteren mal vernünftig vorzustellen und einzuführen. Denn es gibt echt Unmengen von denen! Selbst nach der ganzen Staffel und nach Einblicken in erst zwei, dann drei verschiedene Zeitebenen habe ich das Gefühl, die Figuren so gut wie gar nicht zu kennen. Werden einem von Anfang an permanent entgegengeworfen und verschwinden dann teilweise wieder für diverse Folgen oder spielen eigentlich gar keine wichtige Rolle. Von den Namen kriege ich auch nur wenige zusammen. Es wird viel zu wenig deutlich gemacht, wer wie genau zu welcher Familie gehört und wie die zueinander stehen. Ich kapier ja, dass es auch seinen Reiz haben kann, wenn man bestimmte Zusammenhänge erst nach und nach aufdeckt, damit habe ich überhaupt kein Problem. Und tatsächlich findet man in den letzten paar Folgen so einigermaßen hinein. Doch wenn nichtmal bei den Basics narrativ gute Arbeit geleistet wurde, dann vertieft das nicht die Wirkung der Serie, sondern schmälert sie!

Besagte Zusammenhänge sind nämlich viel effektiver, wenn man neue Informationen auch richtig zuordnen kann. Ich mag filmische Puzzle, aber nope, wenn ich mir schon zu Beginn erst Papier und Bleistift holen muss, um ein Diagramm der Verwandtschafts- und Bekanntschaftsbeziehungen der schwach ausgearbeiteten Leute zueinander zu erstellen, um diese in den Kopf zu kriegen, dann hat die Serie nicht etwas richtig, sondern etwas falsch gemacht. Der Zuschauer ist nicht da, um die Arbeit der Autoren im Nachhinein zu erledigen. Sicher gibt es auch Serien, in die man sich bewusst erst allmählich hineindenken soll, wo man sozusagen ins kalte Wasser geworfen wird. Aber die haben dann aus gutem Grund für gewöhnlich nur einen Bruchteil der Figurenfülle von Dark. Hier waren es so viele, dass ich echt schnell durcheinandergekommen bin und lange Zeit den Überblick verloren habe. Manche mit wenig Screentime ähneln sich sogar äußerlich leicht, sodass Verwechslungen möglich sind. Da wäre weniger definitiv mehr gewesen. Vielleicht haben sie das absichtlich alles so lange vage und schwammig gelassen, in der Hoffnung, später bei den Semi-Erklärungen größere Aha-Momente zu erzeugen, aber dann ging der Schuss gehörig nach hinten los.

Die Charaktere selbst stören mich auch ziemlich. Manche belächeln ja inzwischen den Vergleich mit Stranger Things, und ich stimme zu, dass die Überschneidungen eher oberflächlicher Natur und beide Shows ihr ganz eigenes Ding sind. Aber da Stranger Things gerade sehr angesagt ist, ich es jetzt erst entdeckt habe und total begeistert davon bin, ziehe ich es hierfür trotzdem mal heran: Vielleicht der Hauptgrund, warum letztgenannte Serie für mich trotz diverser alter Klischees so unsagbar gut funktioniert, sind die sympathischen und größtenteils gut beleuchteten Charaktere. Schon nach zwei Folgen hatte ich das Gefühl, die zu kennen und einschätzen zu können, man war stets nah am Geschehen dran, lernte sie auch privat kennen. Man weiß etwas über ihre Vorlieben und Wünsche, über ihre Vergangenheit, wie sie ticken. Wie sie sind, wenn sie sich freuen. Und teilweise konnte ich mich mit denen wirklich identifizieren - sowohl mit den Kids über nostalgische Kindheitserinnerungen, als auch mit den Erwachsenen. Das ist das Fundament, auf den der ganze übernatürliche Kram erst übergestülpt wird. Deshalb ist das ganze so wirkungsvoll. Mich kümmert, was mit diesen Menschen passiert. Ich fiebere mit ihnen mit, möchte, dass sie erfolgreich sind, habe Angst um sie, wenn sie in Gefahr geraten.

Und auf der anderen Seite dieser Gleichung haben wir Dark. Schlimme Dinge passieren dort, aber lassen mich komplett kalt. Denn sie sind nur schlimm weil wir das aus einem realen Kontext beurteilen und weil die Serie uns (manchmal überaus aufdringlich) sagt, dass gerade alles ganz arg blöd ist. Empfinde ich als geradezu manipulativ. Jo, tote und vermisste Kinder. Je heftiger das Thema bzw. der Aufhänger, desto mehr Zuschauer glaubt man wohl abholen zu können, ohne in der Entwicklung der Handlung und Charakterzeichnung auf kreativer Ebene etwas dafür tun zu müssen. Die Figuren der Serie schaffen es nicht aus sich selbst heraus, mich mitzureißen. Es sind und bleiben Fremde. Nur Schachfiguren in einem sinnlosen Spiel, das sich im Kreis dreht. Die meisten sogar auf Anhieb äußerst unsympathisch. Wir sehen sie nie im Gleichgewicht, alles ist stimmungsmäßig permanent im Arsch. Letztenendes sind mir diese Fremden und was aus ihnen wird also egal. Da kann das zugrundeliegende Mysterium noch so clever ausgedacht sein, die (vor allem emotionalen!) Einsätze sind einfach extrem niedrig. Zumindest für mich. Das ist es, was für einschläfernde Langeweile sorgt und weshalb Dark sich wie Kaugummi zieht.

Das Tolle an Stranger Things war ferner, wie Paddy im Thread bereits erwähnte, dass die Charaktere irgendwann ihre Informationen teilen und das nicht zu lang hinausgezögert wird. Hier dagegen? Man wartet die ganze Zeit darauf, aber nichts tut sich. Der Zuschauer weiß längst, worum es geht - das Zeitreise-Thema wurde schon in jedem einzelnen Trailer verraten und auch in der Serie selbst ist es von Beginn an ein offenes Geheimnis, steht spätestens ab der dritten Folge felsenfest - aber dennoch tappen alle nicht unmittelbar betroffenen Charaktere immer noch im Dunkeln. Viele selbst am Ende der Staffel noch! Weil jeder, der was weiß, seinen Kram für sich behält. Das wird sogar noch richtig auf die Spitze getrieben mit mehreren Dialog-Szenen im Stile von "Wolltest du mir noch irgendetwas Wichtiges hierzu sagen? Dann raus damit!" Antwort: "Ach weißt du... ich, äh... ach nichts." oder "Ach du, ich kann grad nicht. Ich rufe dich später zurück, okay? Tschüss." >_>' Boah, wie ich so etwas hasse! Lazy Writing 101. Wenn die richtigen Figuren sich an den richtigen Stellen einfach ausgetauscht hätten, hätten wir uns mindestens die Hälfte von dem ganzen Mist sparen können.

In dem Zusammenhang hat mich übrigens auch das ausgelutschte Klischee-Cliffhanger-Ende gestört. Überhaupt war das Ende überraschend schwach. Noch etwas, das Stranger Things dieser Produktion voraus hat: Dort funktionierte die erste Staffel wunderbar in sich, für sich alleine stehend, aber ließ trotzdem genug offene Handlungsfäden übrig, um weiterzumachen. Dark ist soweit alles andere als eine runde Geschichte. Die wirklich wichtigen Fragen bleiben alle unbeantwortet, die Charakterbeziehungen ohne Höhepunkt oder Auflösung von begonnenen Konflikten mittendrin stehen. Es gab nicht eine einzige überraschende Enthüllung am Ende, viel mehr wurden Dinge aufgebauscht, die jedem Zuschauer bis dahin schon lange klar waren. Da hab ich mich wirklich geärgert, der Serie die Chance gegeben und doch noch selbst so lange durchgehalten zu haben!

Dann ist da noch das grässliche Sounddesign. Andauernd dröhnen und pfeifen einem diese schrillen, metallischen WROOOM-Geräusche wie aus Film-Trailern um die Ohren, und das von Anfang an. Als würde gerade irgendetwas total Bedeutendes oder Erschreckendes enthüllt werden, dabei handelt es sich meistens nur um ganz alltägliche oder belanglos-banale Szenen und Gespräche! Wenn irgendein übernatürlicher Horror im Spiel wäre, hätte das zumindest beinahe eine Art Berechtigung. Aber nö, fast immer sind es völlig menschliche Auseinandersetzungen, die mal mehr, mal weniger entfernt etwas mit Zeitreisen zu tun haben. Was, der Verdächtige hat kein Alibi für den fraglichen Zeitpunkt? Gleich mal die volle Dröhnung Gruselmucke drüberlegen *rolleyes* Unheimlich geht anders. Und das Schlimmste - dieser Lärm, den ich nicht guten Gewissens als Soundtrack bezeichnen kann, ist ungefähr zehn mal so laut wie die Dialoge! Das Problem ist aus Filmen bzw. Heimkino ja hinlänglich bekannt, aber hier meiner Ansicht nach um ein Vielfaches verstärkt und noch wesentlich erschwert dadurch, dass die Darsteller ohnehin schon andauernd nuscheln oder undeutlich und leise sprechen. Von dem bisschen, was sie sagen, verpasst man dann manchmal auch noch einen Teil.

Nee Leute, ganz dickes Minus. Fand ich schade, denn auch ich wünsche mir mehr deutsche Serien, die sich an Genre-Themen heranwagen. Aber diesmal ist das Experiment misslungen. Dark ist oft langweilig und langsam, immer kalt und distanziert und nimmt sich selbst viel zu ernst. Ich brauche keine Witze oder Lacher, aber man sollte Menschen in dieser Art von Geschichte auch mal als ganz normale Menschen zeigen, um sie dem Publikum näher zu bringen, und nicht nur von ihrer schlechtesten Seite oder kaputt und unter Anspannung. Kann mich an kein einziges Lächeln erinnern. War mir stimmungsmäßig alles zu depri, negativ, einseitig und oberflächlich. Hielt sich storytechnisch für weitaus cleverer als es war, verwechselt umständlich mit intelligent. Und visuell alles zu grau und entsättigt, trotz einiger schöner Aufnahmen im Wald. Da hätte ich es lieber wie Cipolla halten und mich von dem Zeug fernhalten sollen