Also ich musste den Film erstmal ein bisschen sacken lassen, aber letzten Endes war ich nicht nur zufrieden, sondern auch überzeugt von Blade Runner 2049. Der Kritiker-Hype ist wirklich ein wenig extrem, ich halte den Film nicht für das Meisterwerk des Jahrhunderts, aber für einen sehr guten und bisweilen genialen Film wie auch für eine absolut würdige Fortsetzung.

Es war eine faszinierende und stylishe, immersive Erfahrung, die man als Genre-Fan unbedingt auf der großen Leinwand miterlebt haben sollte. Okay, je nach Sichtweise war der Film anspruchsvoll und/oder langatmig. Ich kann die Leute ja ein wenig verstehen, denen das nicht schnell genug ging, aber mit nem anderen Tempo wäre das nie so rübergekommen wie es sollte. Glaube da hatten die paar Nörgler da draußen einfach falsche Erwartungen (woran einige Trailer vermutlich nicht ganz unschuldig sind). Leute mit ADHS werden Blade Runner 2049 garantiert hassen.

Action und Spektakel sollte man darin nicht suchen, viel mehr ist es etwas, das man auf sich wirken lassen sollte. Immer noch Film Noir. Die beinahe traumartige Atmosphäre und die ganzen Themen und Ideen und die Geschichte hatten was. Sicher kein Film, den man sich in Zukunft ständig zum Spaß anschauen wird, aber ich weiß es zu schätzen, mal wieder hochklassige Sci-Fi im Kino bekommen zu haben, die zum Nachdenken anregt. Das letzte Mal war ziemlich lange her.

Visuell ist der Streifen eine Wucht. Das Setdesign, die Farben, die Architektur, die ganzen Details, die Bildgestaltung... alleine das rechtfertigt meiner Meinung nach bereits den Eintrittspreis für die Kinokarte. Roger Deakins ist ein Meister seines Fachs, vielleicht der beste lebende Kameramann derzeit. Nach dreizehn Nominierungen ohne Auszeichnung wärs auch endlich mal Zeit für einen Oscar. Der Soundtrack war auch sehr gelungen und passend, hat mich andererseits aber nicht so ganz vom Hocker gehauen.

Die Handlung ist gemächlich und lässt sich Zeit, aber wie schon erwähnt ist das auch wichtig, um so einen tiefen Einblick in die Hauptfigur (und zum Teil andere Charaktere) zu bekommen und gedanklich in diese Zukunftsvision eintauchen zu können. Fand den Film zwar ebenfalls lang, aber wüsste andererseits auch nicht, wo oder was man hätte kürzen können. Jede Szene war von Bedeutung. Das zentrale Mysterium ist gelungen und bietet auch ein oder zwei mittelgroße Überraschungen, vor denen der Zuschauer eine Weile miträtseln darf. Darüber hinaus war der Umgang mit dem "Erbe" aus dem ersten Film bzw. die Verbindungen dazu respektvoll und clever. Und das Ende fand ich super klasse. Einziger Nitpicking-Punkt ist für mich, dass die letzte physische Auseinandersetzung zum Finale nicht annähernd so aufregend und toll war wie im Vorgänger. Hätte mir für die Stelle dann doch irgendetwas mit mehr Pepp gewünscht.

Hier noch ein paar Gedanken, die ich besser in einen Spoilerkasten packe:



Unter'm Strich super Film. Ab und an ein kleinwenig anstrengend, aber auch vereinnahmend und wie in Trance mitreißend, wenn man sich drauf einlassen kann. Definitiv eines der Jahreshighlights für mich. Dennoch muss ich sagen, dass mir der Vorgänger eine kleine Ecke besser gefallen hat, vielleicht auch bloß, weil er runder rüberkam und mit einer Dreiviertelstunde weniger Laufzeit zugänglicher war. Aber mit dem Original weitgehend gleichzuziehen und es in ein paar Teilbereichen sogar zu übertreffen, ist in diesem Fall soweit es mich angeht bereits eine überragende Leistung. Erst recht wenn man bedenkt, wie viele miese oder durchschnittliche Fortsetzungen zu Klassikern heutzutage erscheinen, bei denen die Verantwortlichen den Reiz der älteren Filme überhaupt nicht verstanden haben.



Zitat Zitat von Itaju Beitrag anzeigen
Unterm Strich ist die Handlung nur leicht überdurchschnittliche Mainstreamkost.
Fand ich jetzt ehrlich gesagt nicht. Gewiss gibt es Filme, die weiter gehen. Und wenn man die ganze Grüblerei zwischen den Zeilen herausrechnet, also wir uns nur auf den vordergründigen Plot beschränken, dann mag es zwar sein, dass BR2049 nun nicht unbedingt überwältigend bewusstseinserweiternd ist - aber ich wäre im Himmel, wenn das, was uns da serviert wurde, dem aktuellen Durchschnitt entspräche. Vor allem bezogen auf Science Fiction im Kino. Im vorliegenden Streifen konnte ich selten eine Entwicklung klar vorhersehen, mehrfach änderte die Handlung während und nach Ks Nachforschungen die Richtung. Und man wird als Zuschauer eine Weile auf die falsche Fährte geführt. Man vergleiche das mit all den hirnlosen Blockbustern wie etwa Transformers. Davon abgesehen kann selbst ein relativ einfacher Handlungsverlauf unglaublich gut sein, wenn man Gründe hat, mit den Figuren mitzufiebern. Das war für mich hier gegeben. Ich mein, der erste Blade Runner Teil war von der reinen Handlung her nun auch keine filmhistorische Offenbarung, insofern habe ich beim Sequel keine Wunder erwartet. Was in der Welt von Blade Runner 2049 passiert, ist nicht so bedeutend wie das, was sich in und zwischen den Charakteren abspielt.

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Wir bekommen hier eine Welt vorgesetzt, in der künstliches Leben erschaffen werden kann, in der Hologramme frei herumlaufen können, (...) aber trotzdem kann eine schicke Dame unbemerkt wichtige Materialien aus einer Polizeistation stehlen und dann noch einmal (!) bis in die Chefetage vordringen und die Polizeichefin töten??? Überwachungskameras oder so sollte es da schon geben, oder?
Imho kein Logikloch, auch wenn ich mir gewünscht hätte, dass das etwas besser verdeutlicht worden wäre. Die Welt von Blade Runner wird von Konzernen beherrscht, eine klassische Maxime auch vertreten in gefühlt 90% von PKDs oft paranoidem Lebenswerk:


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Mir schwant, dass jetzt bald ein viel schlechterer inhaltsleerer dritter Teil kommt, bei dem dann die fehlende Action nachgeliefert wird. Ich hätte dann lieber gerne ein paar novellenartige Geschichten, die nicht das ganz große Fass aufmachen, aber einfach MEHR von Filmwelt, Sound und Optik bieten.
Zu dem ersten Satz: Jetzt vermutlich nicht mehr, der Film ist an den Kinokassen ja leider ziemlich abgestürzt und wird wohl als (wenn auch nicht einschneidendes) Verlustgeschäft für das Studio enden :-/ Aber hey, der erste Teil war ursprünglich auch kein Erfolg und wurde dann zum Kult. Vielleicht müssen wir nur nochmal 35 Jahre warten :P Zum zweiten Satz stimme ich weitgehend zu ^^ Generell würde ich gerne mehr von dieser Welt sehen. Gibt ja auch noch die Kolonien, von denen wir bis jetzt nur aus zweiter Hand gehört haben. Thematisch mag ich schon das Aufmachen ganz großer Fässer, aber von mir aus müsste ein rein hypothetischer dritter Teil überhaupt nichts mehr mit den bisherigen Hauptcharakteren zu tun haben. Wo du hier novellenartige Geschichten erwähnst... ich fände eine Handlung interessant, die abwechselnd den Leben verschiedener Charaktere (sagen wir mal drei) aus deren Perspektive folgt, die sich anfangs gar nicht, aber dann zunehmend immer stärker überschneiden und gegenseitig beeinflussen, bis zu einer dramatischen Kulmination. In so etwas könnte man immer noch viel Noir Detektiv Zeugs unterbringen, aber würde es nicht so krass auf eine einzige Hauptfigur beschränken wie bisher, was vielleicht für mehr Abwechslung und Tempo sorgen würde - auch ohne allzu aufdringliche Actionszenen alle zwei Minuten -_^

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Plothole aus dem ersten Film: warum sollte Deckard ein Replikant sein, der andere Replikanten jagt, wenn er ihnen selbst körperlich so heftig unterlegen ist?
Aber ist er das? Du darfst nicht vergessen, dass Roy Batty ein Modell war, das eigens für Kampfeinsätze entworfen wurde. Kein Wunder, dass Deckard damit Schwierigkeiten hatte, ganz unabhängig davon, ob er ein (anderer) Replikant oder ein Mensch ist. Die übrigen Replikanten, die er erwischt hat, konnte er doch mehr oder weniger locker flockig über den Haufen ballern.

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Und für einen Film ab 12 war er dann doch recht hart. Mein Vater musste immer wieder anmerken, dass so etwas vor 20 Jahren nie durchgegangen wäre. Herausgeschnittene Augen, Verrenkte Kiefer, Blut, Blut Blut. Also mit welchen Verrenkungen die FSK das hingebogen hat, ist mir ein Rätsel.
Joah. Ging so. Für FSK 12 war das schon nicht ohne. In den USA gabs ein R-Rating für "violence, some sexuality, nudity and language", das fand ich dann im anderen Extrem wieder zu übertrieben. Aber man kennt das ja, sobald ein bisschen Nacktheit zu sehen ist, drehen anderswo Leute am Rad. In manchen Ländern (unter anderem Indien) wurden einige dieser Szenen sogar zensiert.

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Mit nochmal zu Enkidus Kommentar zu CGI-Rachael gespannt. Diesmal war es so unglaublich gut umgesetzt, dass ich erst googlen musste, ob das nun ein Bodydouble war, oder wie sie das hinbekommen haben.
Fand ich auch klasse umgesetzt, hat mich überhaupt nicht gestört. Profitiert aber auch einfach davon, dass es nur eine einzige kurze Szene ist, die in einem relativ dunklen Raum stattfindet, und besagter Charakter nicht viel zu tun oder in Nahaufnahme zu reden hat.