Wie seht ihr das denn? Ist jemand ganz anderer Meinung, auch in Hinblick auf die Konsequenz, die sich aus meiner These ergibt?
Ich fass nochmal zusammen: Oft kann man beobachten, dass Menschen ganz gegensätzliche Meinungen über eine Story haben. Während der eine sie bewegend findet, liegt der andere lachend auf dem Boden. Für den einen ist eine Geschichte anspruchsvoll, für den anderen der größte Unsinn, den er jemals gelesen hat. Die krassen Unterschiede legen mMn nahe, dass Menschen Geschichten unterschiedlich wahrnehmen und zwar abhängig davon, wie gut sie unterhalten wurden. Der Unterhaltungswert wiederum wird maßgeblich von unserer Einstellung gegenüber den Charakteren beeinflusst. Je stärker wir die Charaktere (auf die es ankommt) mögen bzw. nicht mögen, desto größer ist der Einfluss. Ich will damit z. B. sagen, dass wir eine Figur nicht nur deswegen glaubwürdiger als eine andere finden, weil sie tatsächlich besser geschrieben ist, sondern auch, weil wir sie mehr mögen. Ganz unabhängig davon stört es uns auch weniger, wenn eine Figur, die wir mögen, unglaubwürdig ist (was übrigens total in Ordnung ist, denn viele Geschichten - besonders die leichtherzigen - brauchen mMn keine sonderlich glaubwürdigen Figuren).
Inwiefern betrifft das nun uns Maker-Entwickler? Naja, bei uns ist das nicht anders als bei jedem anderen Medium auch. Wenn die Spieler unsere Figuren nicht mögen, dann unterhält sie die Story nicht. Ein Spiel mit langweiliger Story macht weniger (oder sogar gar keinen) Spaß. Das Gameplay kann eine schwache Handlung natürlich kompensieren, aber das ist ein anderes Thema. Wie gesagt, man kann die beste und anspruchsvollste Story schreiben: Wenn der Spieler die Figuren nicht mag, wird er auch die Handlung schlecht finden, weil ihm das Schicksal der Charaktere egal ist. Es ist also wichtig, dass möglichst viele Spieler die wichtigen Figuren mögen.
Es gibt einerseits kein Patentrezept, wie man sympathische Charaktere schreibt, aber andererseits bin ich mir auch sicher, dass Sympathie nicht nur vom Geschmack abhängt. Vielleicht sollte man nicht fragen "Wie schreibt man sympathische Charaktere?", sondern eher "Wie mache ich den Charakter, den ich hab, sympathischer?" Es wird ja oft gesagt, dass man Charakteren Schwächen geben soll. Perfekte Charaktere sind auch tatsächlich irgendwie unsympathisch, zumindest bei einigen Geschichten. Bei anderen nicht. Kenshiro (Fist of the North Star) ist toll und die Mary Sues aus den Kinderbüchern auch. Aber ich schweif ab. Ich glaub, es geht gar nicht so sehr darum, dass Schwächen die Figuren interessanter machen, sondern sympathischer. Man kann sich mit ihnen besser identifizieren. Wichtig ist aber, dass die Schwächen die Charaktere nicht unsympathisch machen und hier kommt dann wirklich das Handwerk ins Spiel. Entscheidend ist, wie die Schwächen dargestellt werden. Von Mackwitz - ja eine sehr beliebte Figur bei uns - ist auf eine liebenswerte Art trottelig. Das ist sympathisch. Ein richtig dummer Charakter ist es eher nicht. Einen Charakter, der Probleme mit dem Selbstbewusstsein hat (aber doch nicht wirklich schwach ist) und im Laufe der Geschichte über sich hinauswächst, schließen viele schnell ins Herz. Doch eine weinerliche Figur, die im Selbstmitleid versinkt, können viele nicht ausstehen. Aber so viel dazu, ich möchte jetzt nicht weiter ins Detail gehen. Mit den positiven Eigenarten ist es natürlich genauso, auch die dürfen die Figuren nicht unsympathisch machen. Eine gewisse (vielleicht nur gespielte) Arroganz kann ja ganz lustig sein, ein arrogantes Arschloch mögen nur die wenigsten. Bevor man sich allerdings Gedanken über die Darstellung der Eigenarten machen kann, müssen die Figuren erst mal welche haben. Ich sprach das Problem mit den blassen Charakteren ja oben schon an. Unsere Community hat schon einen gewissen Nachholbedarf. Oder seid ihr anderer Meinung?