Ich habe ja bereits des Öfteren erwähnt, dass man als Zuschauer nicht jeden Teil eines Films und was darin gut ist bewusst erkennen muss. Jeder Produktionsbeitrag zum Film (und der Film, den wir sehen, ist der 'fertige', also ist das Wortklauberei) ist wichtig, das sehe ich auch so. Aber noch mal: Ich bewerte nicht den Produktionsvorgang, sondern das Resultat (was in vielerlei Hinsicht offensichtlich UND weniger offensichtlich davon beeinträchtigt wurde).
Generell verstehe ich, dass es meinungsalternierende Maßstäbe gibt. Hätte ich - was das reine Acting angeht - in der Kategorie Best Supporting Actor dieses Jahr keinen Favoriten gehabt, wäre meine Wahl wohl automatisch auf Tom Hardy gefallen, weil ich ihn sonst einfach toll finde. Ich kann mich ja auch nicht komplett davon frei machen, versuche es aber so gut es geht. Und das ist dann eben doch noch mal was anderes; persönlicher Geschmack. Und weil ich mich davon frei mache kam ich beispielsweise zu dem Schluss, dass Mark Rylance besser war als Hardy. Oder Larson besser als Ronan (auch wenn Erstere für mich zuvor ein unbeschriebenes Blatt war und ich Zweitere schon sehr mochte).
Ein Problem, was ich da auch habe: Ich finde es zu vage, was man nun als 'Extra-Mile' ansieht und was nicht. Klar kannst du sagen, dass das persönliche Engagement von Brie Larson besonders ist und sie der Rolle so nah war, dass dieses Herzensprojekt als Extra-Meile zählt. Genau so gut kann man aber argumentieren, dass Brie Larson die Extra-Meile gegangen ist, weil sie glaubhaft eine Person spielte, die ein Schicksal hatte, in das man sich nur schwierig hineindenken kann.
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Ich finde die Begrifflichkeit 'Oscar Bait' inzwischen echt anstrengend. Es gibt kaum einen Film, dem nicht irgendwer dieses Attribut zusprechen will. Als würde man Leute diskreditieren, die eine bestimmte Art von Stilistik oder Stimmung in ihrem Film oder Skript unterbringen, weil das auch die Filme sind, die die Academy oft nominiert. Wenn die Academy jung wär und einen Faible für originelle, frische Ideen hätte, dann wären Eternal Sunshine und Her Oscar-Bait.
Originalität wird mir dabei auch viel zu sehr auf die Goldwaage gelegt. Natürlich ist es wichtig, dass es Filme gibt, die das Kino vorantreiben, etwas neu machen und Akzente setzen, die zuvor noch nicht oder nur anders gesetzt wurden, aber es kann und soll nicht jeder Film die Windrichtung ändern. Und wenn es um die Prämierung geht, heißen die Kategorien idR nicht 'Most Influential', sondern 'Best'. Warum soll das Drehbuch von Little Miss Sunshine besser sein als das von The King's Speech? Weil es ein historisches Thema behandelt? Es gibt in den letzten zehn Jahren kaum Filme mit so herausragenden Dialogen. Ich finde ja auch, dass die Academy zu oft ähnliche Filme (bspw. dramatische Biopics) nominiert und damit in den Reihen der Nominees für zu wenig Abwechslung sorgt. Aber ich kann doch den einzelnen Film und die Beteiligten an diesem Film nicht für dieses Academy-Versäumnis verantwortlich machen und dem Film anhand dieser Entscheidungen seine Qualität absprechen.
Ich denke, dass es beim Adaptieren einer Vorlage kaum darum geht, wie weit entfernt das Script vom Source Material ist, sondern schlicht und einfach, wie gut die Übersetzung eines Stoffs gelungen ist, der ursprünglich nicht für das Medium (Spiel)Film gemacht war. Das wird natürlich tatsächlich durch überdenkenswerte Regelungen zum Teil ad absurdum geführt, macht abseits davon aber Sinn.