Unheil droht dem Lande Wolfenhain: Unheimliche, kalte Dornen brechen aus der Erde hervor, wilde Tiere verwandeln sich in reißende Bestien, tote Gebeine erheben sich und verzehren sich nach den Lebenden. Um das Übel an der Wurzel zu packen und auszumerzen, entschließt sich der Hochmeister der Ordensritter einen Heiligen Zug auf die Reise zu schicken. Zu dessen Anführer wird der junge Paladin Brun auserkoren, doch just als er das Einverständnis seines Gottes erhalten soll, bricht der korpulente Abenteurer Gisulf, den es auf der Flucht vor den Ordensrittern ins Kapellengebälk verschlagen hat, geradewegs durch eben selbiges, wodurch er es ist, der den Segen des ‚Güldenen‘ abgreift. Da eine stattliche Belohnung winkt, erklärt sich der frischgebackene Erwählte bereit seiner Pflicht nachzukommen und macht sich mit Brun und der angehenden Hexe Waldrada auf, um die Welt zu retten… und so ganz nebenbei seine Taschen mit der ein oder anderen Münze zu füllen.


Mit Wolfenhain hat sich real Troll selbst übertroffen, denn die Zutaten, die schon das Spielen der Reise ins All zu einem Erlebnis machten, wurden hier erneut und in bisweilen noch exzellenter Qualität verwendet: eine spannende Story, liebevoll gestaltete Figuren, Orte und animierte Minisequenzen, z. T. sehr schräger und makabrer Humor, eine Fülle an Nebenaufgaben und, und, und… Man weiß gar nicht so richtig, wo man mit dem Bewerten anfangen soll, aber ich versuch‘s mal.

Story

Gleich zu Beginn des Spiels wird man mit der näher rückenden Bedrohung konfrontiert, doch die Ursache dafür bleibt sehr lange Zeit im Dunkeln, auch wenn man immer mal wieder kleinere Hinweisbröckchen vor die Füße geworfen bekommt. Im Grunde genommen offenbart sich erst in den letzten Spielminuten wirklich, was hinter den Dornen, dem Nebel und den wandelnden Toten steckt, doch gerade das macht das Daraufhinarbeiten so spannend. Ob nun gewollt oder nicht, hat der geneigte Spieler so ausreichend Zeit sich seine eigenen Gedanken zu machen, wer oder was für die stetige Übernahme des Landes verantwortlich ist. (Meine Schwester und ich lagen jedenfalls gehörig daneben. )

Interessant sind auch die Hintergrundfakten in Bezug auf die Götter, auch wenn wir hier ein paar Zusatzinformationen bzw. Auflösungen vermisst haben.
Z. B. steht in der Höhle in den Zyklopenbergen die einzige Statue von Sitta, die sie gerüstet darstellt. Zudem ist die Statue größer als die des Güldenen ein Stück weiter und wird vom Licht beschienen, während der Güldene im Dunkeln vor sich hin staubt. Gab es eine Zeit, in der die Fruchtbarkeitsgöttin eine Kriegerin und dem Güldenen überlegen war?
Wie kam es, dass sich die ersten Sittapriesterinnen, die ja scheinbar die Vorfahren der Hexen waren, Safaun zuwandten?
Ein Stammbaum o. ä. der Götter wäre nicht schlecht gewesen (auch auf die Gefahr hin, dass gewisse Leute möglicherweise einen Herzanfall erleiden *höhö*).

Party

Ein älterer, geldgeiler Abenteurer, ein junger prinzipientreuer Paladin und eine nymphomanische Beinahe-Hexe: Stoff für Zoff ist ausreichend vorhanden – und wird auch redlich genutzt. Lebendige Dialoge sind für mich das Salz in der Suppe einer jeden Handlung (ungeachtet des Mediums, mit dem diese offeriert wird) und ich kann mit Fug und Recht behaupten, dass dieses Trio mich absolut zufriedengestellt hat. Die Kommunikation untereinander ist spritzig und bissig und spiegelt glaubhaft die verschiedenen Gegensätze und Lebenseinstellungen wider, die in der Truppe aufeinanderprallen.

Graphik

Auch optisch überzeugt Wolfenhain auf ganzer Linie. Seien es die sorgfältig erstellten Charaktere und ihre dazugehörigen Porträts (sofern vorhanden), die Ortschaften, Wälder, Höhlen u. ä., die Monster und Tiere, die kleinen Minisequenzen… - das Ergebnis ist ein rundum gelungenes Gesamtpaket, an dem man sich gar nicht sattsehen kann.

Kämpfe & Schwierigkeitsgrad

Wenn‘s um Kämpfe geht, mag ich den 2003er-Maker ehrlich gesagt nicht so richtig, weil ich irgendwie das Gefühl habe, dass man als Spieler diverse Stolperfallen in den Weg gelegt bekommt. Vielleicht bilde ich mir das nur ein, aber grundsätzlich fühlt es sich so an, als ob Gegner immer einen Geschwindigkeitsbonus erhalten, während sich die Leisten der eigenen Partymitglieder nur bedächtig füllen. Darüber hinaus hatte ich (jetzt explizit auf Wolfenhain bezogen) oft den Fall, dass wenn ich eine Handlung ausführen wollte (Angriff, Item etc.), während mich im selben Moment der Gegner attackierte, mein Befehl ignoriert wurde und ich ihn noch einmal eingeben musste. Klingt furchtbar lapidar und wir reden hier auch nur von ein, zwei Sekunden Verzögerung, aber besonders wenn man die Zeit zum Heilen nutzen möchte, macht sich das schon bemerkbar (speziell bei mehreren Gegnern). Das ist jetzt nichts, was ich real Troll anlasten möchte, sondern dem Maker allgemein, allerdings nervte es manchmal schon.

Die Kämpfe an und für sich waren gut gestaltet, wenn auch stellenweise ein wenig unfair (z.B. Stichsauger & Wurmspinne – so schnell konnte man gar nicht gucken, wie die HP durch Blut / Wunde bzw. Gift wegrationalisiert wurden! ) In diesem Zusammenhang spreche ich ein großes Dankeschön für die kontinuierliche HP- und MP-Heilung der Helden in freier Wildbahn aus – das war unzählige Male ein wahrer Lebensretter (auch wenn hier und da die Gegner schneller vorbeischauten, als man regenerieren konnte – Stichwort Haie).

Abgesehen von Orten wie der Eisöde (die ja sowieso optional war), empfand ich im Großen und Ganzen die erste Hälfte des Spiels vom Schwierigkeitsgrad bedeutend schwerer als die zweite. Das lag nicht nur an den (Magie-)Fähigkeiten, die man peu a peu abgegriffen hat, sondern auch an der Tatsache, dass man anfangs finanziell keine großen Sprünge machen konnte und ich mit Heilitems geknausert habe, wo es nur ging.

Der Anforderungsgrad bei manchen Minispielen und alternativ gestalteten Kämpfen (Gewölbemeister) war dagegen ‚dank‘ lausiger Reflexe schon wieder ein ganz anderes Kaliber… .

Detailreichtum

Wolfenhain strotzt nur so vor kleineren und größeren ‚Nebensächlichkeiten‘, die immens zur Lebendigkeit der Spielwelt beitragen:

- diverse Zusatzanimationen der Charaktere (z. B. Bruns Bis-auf-den-Boden-Kinnlade in der Krötenhöhle)
- die hölzernen Sprechblasen (!, ?, Totenkopf, Herz, drei Punkte etc.)
- nie enden wollene Sprüche beim Untersuchen jeglichen Hausrats, Wildwuchses, menschlichen oder tierischen Überbleibsels…
- Weltkartenereignisse (große und kleine)
- ‚Gastauftritte‘ (die von Schwanensang beschworene Schildmaid / Walküre, die Zwischenstufe der Evolution im Eis...)
- und, und, und...

Ganz ehrlich? Würde das alles fehlen, würde Wolfenhain ‘ne Menge seines Charmes verlieren.

Humor

Zugegeben, der Humor in Wolfenhain ist nicht immer jugendfrei und stellenweise extrem (!) makaber, aber er hat eigentlich immer unseren Nerv getroffen und wir haben verdammt viel gelacht beim Spielen. Das ging von kleineren Schenkelklopfern wie Gisulfs Seilabneigung / -phobie, Wurst-Siggi und seinen Besuchern, der Unrat aus dem Haus kippenden alten Dame, He-Man im Fummel aka die Fee im Gewölbe, Gisulfs ‚Abenteuerwissen‘ (Stichwort Löwe), diversen Stimme-aus‘m-Off-Kommentaren („Und genau deshalb erhalten die Helden jetzt verdiente xxx EXP.“) und vielem, vielem mehr über „Soko Wolfenhain“ („Brun als Der Harte, Waldrada als Die Süße, Gisulf als Der Dicke“ „Häh?“ „Der Kahle?“ „Jetzt reicht‘s aber!“) bis hin zu großen Krachern wie dem Endkampf im Gewölbe („Keine Kobolde auf der Brücke!“) und dem „Doktor aus dem Toten Wald“ respektive „Organic City“. Abgedreht, aber genau unser Ding!

Nebenaufgaben, Minispiele & Rätsel

Da man ja nicht nur stur die Welt retten will, sondern auch hier und da seine Börse ein wenig füttern, EXP scheffeln und nützlichen Kram horten möchte, lauern an allen Ecken und Enden Aufgaben, die es zu erfüllen gilt. Diese sind angenehm abwechslungsreich aufgebaut und beinhalten mal Kämpfe, mal Knobeleien und mal Geschicklichkeitseinlagen, die der geneigte Spieler mehr oder weniger heldenhaft meistern kann.

Angenehm überrascht warem wir von der geringen Präsenz von Matherätseln (außer z.B. im Haus des Archon in Patras – Wer kommt denn auf SO was?), dafür glühten unsere Finger beim Enterhämmern (Barbarenspiele) und schnellem Tastenkreisen (Gisulf-Statue im Turm des Zauberers) und kullerten unsere Augen beim Schlösserknacken und (Bogen-)Schießen. Alles in allem schaffbar, aber dann und wann doch Anlass zum Zähneknirschen. (Reflexe? Kenn ich nicht. Kann man das essen?)

Musik & Soundeffekte

Ein Riesenlob an The_Attidude, dessen Klänge wunderbar zur Atmosphäre des Spiels beisteuerten – mehr davon. Einige der Lieder kann man auch locker nebenbei hören (auch wenn die Gedanken sofort wieder in Richtung Wolfenhain abschweifen ).

Die Soundeffekte waren gut ausgewählt und trugen ebenfalls zur Untermalung der Stimmung bei. Unsere persönlichen Highlights waren hier Waldradas und Gisulfs Lache. Besonders bei ersterer konnten wir uns allein schon wegen dieses Geräusches scheckig lachen!

Diverses

Was uns nicht ganz so gefallen hat, war die eingeschränkte Entscheidungsfreiheit in manchen Dingen bzw. der Zwang sich für eine Sache entscheiden zu MÜSSEN (was am stärksten bei der Wahl des zu unterstützenden Ratsmitglieds ins Gewicht fiel). Die meisten Quests konnte man zwar zufriedenstellend abschließen, aber bei einigen wenigen gab es doch einen Haken.

Trotz des z. T. hanebüchenen Humors gab es stellenweise Szenen, in denen schonungslos gezeigt wurde, dass eben nicht alles eitel Sonnenschein war. Im Gegenteil, manche Situationen ließen uns sogar regelrecht schlucken: Einer dieser Augenblicke war der Moment, als man die Haardiebin in einem der Zelte stellt und mitbekommt, dass sie durch den Verlust ihres Kindes einen seelischen Knacks davongetragen hat. Oder die Stelle, wenn man von Manz wieder aufbricht und Sekunden später die Zombies den kleinen Ort überrollen. Oder wenn man unter den Toten in der Unterwelt den Wirt des „Gefleckten Ferkels“ entdeckt. Da war ich echt überrascht und schockiert.

Dass man ein alternatives Ende erhält, wenn man den Endboss statt ihn zu bekämpfen in Grund und Boden redet, ist eine interessante und mutige Idee. Sicher, man metzelt sich - mehr oder weniger - die ganze Zeit durch das Geschehen, aber warum nicht mal OHNE einen Abschlusskampf ein Spiel beenden?


Abschließend ist zu sagen, dass meine Schwester und ich - trotz diverser Fingerverrenkungen u.ä. - einen Heidenspaß mit Wolfenhain hatten. Und auch wenn es wie ‘n Anflug übelster Schleimerei klingt, so muss ich gestehen, dass real Troll a) mit diesem Spiel um Längen Besseres abgeliefert hat als so mancher kommerzielle Spieleentwickler in den letzten Jahren und b) dafür durchaus Geld verlangen könnte. DAS wäre ein Nicht-Hardware-Titel, den ich auf jeden Fall kaufen würde.



Nein, ich bekomme kein Geld dafür, dass ich das schreibe!





Wie, meine Kontodaten? Ich nehm auch Schecks… (Aber nur gedeckte!)