Die Bewohner des magischen Landes Wozz leiden unter der Schreckensherrschaft des finsteren Balam. In seiner Not wirkt der älteste Magier Sullivan einen Zauber, der den stärksten und mächtigsten Krieger der Menschenwelt zu ihm bringen soll, damit dieser gegen Balam antritt und ihn besiegt. Doch anstelle des Gewünschten landen drei Teenager in Wozz: der sehr von sich eingenommene Amerikaner Shot, der schüchterne Chinese Chun und die etwas naive Japanerin Leona. Da Sullivan einen Großteil seiner Macht auf einen Schlag freigesetzt hat und sich davon erst einmal wieder erholen muss, haben die drei von der Erde keine andere Wahl als sich ihrerseits auf den Weg zu machen und Balam in die Knie zu zwingen, in der Hoffnung dadurch wieder in ihre Heimat zurückkehren zu können. Wobei sie zuallererst einmal lernen müssen zusammenzuarbeiten…
Chou-Mahou Tairiku Wozz ist ein Old-School-JRPG für den SNES, das viele (gute) Ideen in sich vereint und vor Charme nur so strotzt.
Das beginnt schon bei der Auswahl des Hauptcharakters, denn als Spieler muss man sich für einen der drei Teenies entscheiden: Shot ist der stärkste Kämpfer und hat die höchsten Angriffs-, Verteidigungs- und HP-Werte, Chun verfügt zwar über die niedrigsten Werte, kann aber als einziger Angriffs- und Heilmagie wirken und Roboter als Summons rufen, während Leona im Kampf selbst ziemlicher Durchschnitt ist, dafür aber in der Lage ist verschiedene Dinge zu erfinden und zu bauen (dazu später mehr).
Was nach schwerwiegenden Konsequenzen bei einer ‚falschen’ Entscheidung klingt, ist in der Realität nur halb so dramatisch. Die meiste Zeit ist man mit der gesamten Truppe unterwegs – nur hin und wieder gibt es Situationen, in denen sich einer von ihnen auf einen Alleingang wagt, wodurch man entweder mit diesem Charakter oder mit den anderen beiden die Handlung weiterverfolgt. Exklusive Dungeons oder Items existieren jedoch nicht – man greift bei jeder Hauptperson auf die ein oder andere Weise alles ab. Eine winzige Ausnahme von der Regel gibt es kurz vorm Schluss, als die drei für wenige Minuten wieder in ihrem jeweiligen Zuhause landen: Hier nimmt einzig und allein der gewählte Charakter einen bestimmten Ausrüstungsgegenstand mit, das heißt pro Spiel kann man nur eine von drei möglichen Varianten ergattern.
Die Frage nach der richtigen Entscheidung bezieht sich außerdem nicht nur auf die Hauptcharaktere. Im Verlauf des Spiels wird das Trio immer mal wieder von diversen Leuten unterstützt, zwischen denen man (abhängig vom Spielfortschritt) relativ frei hin- und herwechseln kann. Da diese zusätzlichen Partymitglieder ebenfalls unterschiedliche Fähigkeiten besitzen, man aber stets nur einen freien Platz übrig hat, ist es jedem Spieler selbst überlassen, mit wem er durch die Lande zieht. (Dankenswerterweise leveln die vierten Charaktere ungefähr gleichmäßig mit.)
Vom Kampfsystem her bietet Wozz gewohnte Kost, wobei die Spezialattacken ziemlich ungleich verteilt wurden: Shot erlernt im Verlauf des Spiels zwei exklusive Techniken und Leona ist gerade mal in der Lage die Gegner zu scannen. Chun dagegen (der allerdings auch als einziger Charakter keine Waffe tragen kann) greift von Anfang an auf die Fähigkeit Telekinese zurück, die zufallsbestimmt einen von drei oder vier Zaubern wirkt, die sich mit steigendem Level ändern; erhält von verschiedenen Leuten Grundformen elementarer und Heilmagie, die sich zusätzlich verbessern und kann obendrein (wie bereits erwähnt) Roboter an seiner Stelle kämpfen lassen.
Stichwort Zauber: Interessant fand ich, dass die Elementarmagie, die Chun von sieben Feen erlernt, quasi mitlevelt. Je mehr Kämpfe man bestreitet, desto öfter wird die Magie auf eine höhere Stufe gesetzt. Sie kostet dann zwar mehr MP, ist jedoch auch stärker als die alte Version. Ungewöhnlich, aber gar nicht mal so übel.(Und bei der hohen Rate an Zufallskämpfen, mit der man allerorten geradezu überschwemmt wird, erledigt sich das sozusagen nebenbei.
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Eine der größten Stärken von Wozz ist definitiv die detailverliebte Graphik und die lustigen Animationen der Charaktere, die einfach nur schön anzuschauen sind und einen das ganze Spiel über bei Laune halten. Kurioserweise scheint die Weltkarte ein wenig stiefmütterlich behandelt worden zu sein, da diese hier und da recht karg ausfällt.
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Wozz’ zweite herausragende Eigenschaft, die den Spieler von Anfang bis Ende entzückt und begleitet, ist der schiere Ideenreichtum und die vielen witzigen Details, die die Entwickler in ihr Werk gesteckt haben. Darunter fallen:
- verschiedene Völker wie Zombies, Skelette und Geister als Bewohner eines Kontinents mit dem passenden Namen Undetta ( = Undead), fliegende Goldfische, Mäuse etc.
- Telefonzellen, die als Warpstationen und – im wahrsten Sinne des Wortes – zum Herbeirufen der vierten Partymitglieder dienen
- Shots Laufanimation, die bedeutend schneller ist als die aller anderen und die Tatsache, dass er öfter mal aus dem Schlangenschwanz ausbricht, den man hinter sich herzieht, wodurch verdeutlicht wird, dass er ständig unter Strom steht und voranschreiten will
- Fortbewegungsmittel wie Schiffe und Helikopter, die optisch Schnecken oder Käfern gleichen
- eine Stadt, die aus Käse erbaut zu sein scheint
- Inseln, die wie Pilze, Fragezeichen oder ein großes ‚P’ geformt sind
- ein Dungeon mit dem klangvollen Namen Frozen Tower, der auf der Weltkarte aussieht wie ein Kühlschrank
- und, und, und...
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Allgemein bewegt sich der Humor im Großen und Ganzen auf einem guten Level und ist infolgedessen oft auch wirklich lustig.
Meine persönlichen Highlights waren die Begegnungen mit zwei der Feen: Eine von ihnen (die Fee der Zerstörung) machte im Untergeschoss des Feenschlosses zu dröhnender Discomusik ordentlich Party und ließ sich kaum von dem Trio aus der Menschenwelt stören.
Die Fee des Eises Kachuarin dagegen hatte sich hinter einen Eiswall zurückgezogen und wartete darauf, dass die Helden diesen überwinden würde. Was sie auch taten – unter Zuhilfenahme eines mammutähnlichen Roboters, der schlicht ein Loch in die Mauer riss. Als sie ihr das Malheur beichten wollten, spulte diese stur ihre vorher einstudierte Rede ab und lehrte Chun die Magie des Eises. Da sie danach immer noch nicht zuhören wollte, gab die Gruppe irgendwann Fersengeld und als Kachuarin schließlich doch ihr Heim verließ…
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Was ich nicht so prickelnd finde, ist das Design mancher Gegner. Auch dass die in Wozz beheimateten Schleime aussehen wie Häufchen, von denen einige einen recht speziellen Sinn für Humor haben, scheint mal wieder der japanischen Herkunft des Spiels geschuldet zu sein. Akira Toriyama hätte vermutlich seine helle Freude dran gehabt.
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Positiv hervorzuheben sind die optionalen Nebenaufgaben, mit denen man sich abseits der Haupthandlung die Zeit vertreiben kann. Als da wären die Suche nach den Feen (Man muss sie nicht zwingend finden!), das Abklappern der Welt mittels Schiff und / oder Helikopter, der Besuch einer Arena, in der man als Preis die besten Accessoires des Spiels gewinnen kann, das Auffinden vermisster Katzen und natürlich Leonas Erfindungen.
Letztere sind mitunter essentiell wichtig für den weiteren Verlauf der Handlung, aber in den meisten Fällen ist das Nutzen ihrer Fähigkeit kein Muss. Ich empfehle es dennoch, denn auf diese Weise gelangt man oft an Items, Ausrüstung, Roboter und Vehikel, die besser sind als das, was man normalerweise in den Läden kaufen kann bzw. im Rahmen der Story bauen soll. Neue Ideen für ihre Erfindungen findet man entweder in Kisten, Bücherregalen und Töpfen, erhält man von anderen Leuten oder kommen Leona bei einem Stufenaufstieg oder nach bestimmten Bosskämpfen in den Sinn. Kleinere Dinge kann sie – sofern die Materialien vorhanden sind – jederzeit im Menü zusammenbasteln, während die massiven Gerätschaften in einer der Werkstätten, die es in manchen Städten gibt, gebaut werden müssen. Als Grundregel sollte man sich daher vornehmen schwächere Ausrüstung nicht zu verkaufen, sondern sie im Inventar zu behalten. Man könnte sie nochmal brauchen...
Musikalisch macht Wozz leider keine großen Sprünge. Als Hintergrundbeschallung direkt im Spiel funktionieren die meisten Stücke gut, aber zum Nebenbeihören gefallen mir eigentlich nur drei Lieder: Journey Village , Villages in Undeatta und Zombie Palace . Bedauerlicherweise gibt es – abgesehen von den finalen Endkämpfen – kein Extra-Theme für die Auseinandersetzungen mit Bossen, was ich ein wenig enttäuschend finde. Davon abgesehen schrammelt die Musik manchmal vor sich hin, was allerdings auch an der ROM liegen könnte.
Was mir sonst noch so auf der Zunge liegt:
- Hier und da habe ich gelesen, dass Wozz Anspielungen auf The Wizard of Oz beinhaltet. Ich frage mich ehrlich gesagt, wer auf die Idee gekommen ist. Sicher, der Name klingt ähnlich und Shot, Chun und Leona wurden durch einen Zauber in das magische Land getragen. Das war’s aber auch schon. Vielleicht könnte man noch anführen, dass jeder Kontinent im Großen und Ganzen ein eigenes Volk beherbergt, das von einem anderen von Balams Untergebenen geknechtet wird. Da es sich jedoch um fünf Kontinente plus zwei Extragebiete handelt, hinkt dieser Vergleich mit Oz ebenfalls. ¯\_(ツ)_/¯
- Man kann überall auf der Weltkarte speichern.
- Es gibt leider keinen ‚Escape’-Zauber oder ein ähnlich geartetes Item, um vorzeitig aus Dungeons abzuhauen. Auch ein ‚Warp’-Zauber an sich ist in Wozz Mangelware und die Telefonzellen stehen dummerweise nicht in allen Städten.
- Kämpfe auf dem Land lassen sich auch per Vehikel bestreiten. Im letzten Abschnitt der Weltkarte existiert ein Schleimgegner, der oft abhaut und eine hohe Abwehrkraft besitzt, aber massig EXP hinterlässt, wenn man es schafft ihn zu besiegen (Dragon Quest anyone?). Nichtelementare Angriffe eines Panzers oder eines ähnlichen Fortbewegungsmittels wirken da Wunder!
- Hatte ich schon erwähnt, dass das Limit für Items bei 999 (!) liegt? Sofern man über genügend Kleingeld verfügt, kann man sich die Taschen mit HP- und MP-heilenden Items vollstopfen und speziell Chuns Fähigkeiten ausreizen bis zum Geht-nicht-mehr! (Dadurch ist man keineswegs unverwundbar, aber es erleichtert das Leben enorm.)
Alles in allem macht Chou-Mahou Tairiku Wozz – mit einigen wenigen Abstrichen – eine Menge Spaß! Es ist niedlich anzuschauen, die Handlung wird ansprechend erzählt (und wartet auf den letzten Metern mit einem Twist auf), es gibt viel zu tun und je nach Lust und Laune kann man sich das Spielerlebnis ein wenig erleichtern oder erschweren. Bis jetzt definitiv mein GOTY 2019!
Fun Fact:
Bei den drei Schutzheiligen von Wozz handelt es sich um einen Elefanten, eine Schlange und eine Schildkröte. Wer aufmerksam durch das Spiel geht, wird immer mal wieder mehr oder weniger deutliche Hinweise auf diese Tiere finden. Für den Anfang könnte man mal das Titellogo genauer betrachten...
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Stand:
Like hours on a clock 7/12 Half a dozen RPGs 6/6 Paid my dues 1/1 Get the party started 1/1 Time to say goodbye 1/1 Sweet 16 (Bit) 1/1 One big happy family 2/2 One (screen) is not enough 2/1 Stand Alone Complex 2/1 Try your strength! 1/1 Which path should I take? 1/1 Anything could happen 1/1
Abseits der Challenge 1/???