Claude M. Moyse: "Jaja, die Lindenstraße... ich habe das in irgend'nem Interview schon mal erklärt... also, prinzipiell ist es ja so, es gibt ja die Leute, ihr Hobby sehr ernst nehmen, neigen dann mitunter auch so'n bisschen [dazu], den Spaß zu verlernen und die regen sich dann sehr auf. Ich kenn das aber von mir selber, weil ich bin zum Beispiel Star Trek-Fan und ich guck mir auch lieber Originalversionen an als übersetzte.
Da war's auf jeden Fall so, dass ich... ich bin dort gewesen, in Tokyo war das, und dort vor Ort hat man erst festgestellt, dass ich eigentlich gar kein Japanisch kann, sondern ein reiner deutscher Schreiber bin, weil: Man hat mir erst die japanische Version gezeigt und meinte: 'Übersetz mal.'. Und das hat halt so nicht funktioniert. Das heißt, man hat dann irgendwann 'ne Übersetzung gemacht, allerdings nicht die Übersetzung, die die Amis verwendet haben für ihr englisches Secret of Mana, sondern man hat dort irgend'nen Übersetzer beauftragt — 'n Japaner, der allerdings Englisch gesprochen hat, der dann für mich die Texte auf 'n Papier ins Englische übersetzt hat. Das heißt, hatte eine... etwas merkwürdige Übersetzung, die ein Japaner gemacht hat, vom Japanischen ins Englische und das waren dann allerdings auch, [man] muss sich vorstellen, circa vierzig, fünfzig Din A4-Seiten Papier wo dann immer in so Blöcken die Texte standen. Und es war auch auf dem, auf dem Papierausdruck nicht erkennbar, an welcher Stelle jetzt diese Aussagen überhaupt getroffen werden. Und ich kannte ja das Spiel vorher auch nicht. Das heißt, manche Sachen — 'yes' oder 'no' ist klar, da gibt es nicht viel Spielraum, aber jetzt speziell bei dieser Lindenstraße-Szene... ich weiß gar nicht mehr, was da stand. Es war auf jeden Fall nicht erklärlich, die haben irgendwas gesagt, ich glaube, in der japanischen Version gehen sie zu irgend'nem Tanz oder sowas.
Aber das war eben in dieser Version nicht erkennbar und ich hab' dann irgendwann, dann wurden die Texte eingebaut in das Spiel und ich hab' dann das Spiel bekommen und sollte mal spielen und habe mir nur gedacht: 'Ogottogott', ja?, 'das ergibt ja alles überhaupt keinen Sinn.' Und da sind schon zwei Wochen vergangen und insgesamt war der Trip für drei Wochen terminiert und nachdem das dann in den ersten zwo Wochen einfach nicht voranging, haben sie mir dann in der letzten Woche 'ne Möglichkeit gegeben, das Spiel zu spielen und direkt in die Textboxen reinzuschreiben.
Also, man muss sich das so vorstellen, ich hab' das quasi auf dem Computer gespielt das Spiel, und hatte rechts so'n Fenster mit 'nem Texteditor, dann ploppte die Textbox auf und da stand irgendwas sinnfreies und das hat dann einfach nicht gepasst, was ich geschrieben hatte, also konnte ich rechts in den Rechner irgendwas passendes reinschreiben, was sie an der Stelle sagen könnten. Und das war super-hilfreich, weil es natürlich synchron war.
Und zu dem Zeitpunkt... es ist also 'n bisschen Stille-Post-Prinzip, das heißt, zu dem Zeitpunkt war eigentlich längst vergessen, was ursprünglich irgendwann mal gesagt wurde in dem Spiel und ich glaub' tatsächlich, dass Secret of Mana... also, ich hab' nie die US-Version gespielt oder die japanische, aber ich vermute, dass das Deutsche schon sehr, sehr anders ist. Es gibt zwar den roten Faden, der wird beibehalten, aber wahrscheinlich sagen die Figuren an einzelnen Stellen komplett andere Sachen. Aber das ging einfach nicht anders, weil es war eben auch nur noch 'ne Woche Zeit und ich hab' versucht, das Ganze natürlich auch lustig zu machen, Humor ist halt auch Geschmacksfrage, klar, aber ich habe mir halt selber vorgestellt, wenn ich das spiele, was würde mich freuen, wenn die Personen das sagen, und dementsprechend ist dann halt die Lindenstraße entstanden, die es ja heute auch noch gibt. Ich hab' sogar über die Lindenstraße damals nachgedacht, ob sie nicht zu sehr zu dieser Zeit passt und ob's die Lindenstraße in zehn Jahren überhaupt noch gibt, aber gut, das war... das nur am Rande."
Claude M. Moyse: "Also, der normale Weg war natürlich Japan - USA - Deutschland, oder Japan - USA - Europa. Also, das war so die übliche Reihenfolge, wobei es Ausnahmen gab, weil die Amis zum Beispiel 'n paar Sachen zensiert haben, was Erotik betrifft und so weiter, die jetzt in Europa nicht zensiert werden sollten. Dann wurde es halt wieder rückgängig gemacht, dieser Schritt 'USA', und es wurd' doch wieder auf die original-japanische Version zu[rück?]gegriffen. Bei Square Enix, oder Square, damals nur, war die Reihenfolge aber auch 'n bisschen anders. Secret of Mana war zu dem Zeitpunkt schon in den USA draußen, allerdings war ich, äh... genau während dieses Produkt entstanden ist, gab's, äh... große, politische... Konflikte zwischen Square und Nintendo, weil Square zur gleichen Zeit auch mit Sony für Playstation verhandelt hat. Das heißt, es war — ich kann mich noch erinnern, ich war gerade zu dem Zeitpunkt in Tokyo, als auch die Entscheidung getroffen wurde, Mario RPG für Super NES rauszubringen oder nicht in Europa, und da wurde allerdings entschieden, dass die Zusammenarbeit quasi beendet ist. Eventuell nur Final Fantasy VI lokalisiert wird, damit wurde auch schon begonnen, allerdings... das alles wurde dann beendet.
Und deswegen konnte auch nicht mehr auf das Original-Secret-of-Mana-Team zugegriffen werden. Die wären sicherlich hilfreicher gewesen, weil die eben auch die US-Version kannten, allerdings das waren... das war quasi so 'ne Grobbesetzung, die sich um dieses deutsche Secret of Mana gekümmert hat - in jeder Hinsicht, also, das Original-Team war weg und das war jetzt nur noch um die, die laufenden Verträge oder die Sachen, für die Nintendo mit Square 'nen Deal hat, abzuschließen."
CZ:
Hallo und Herzlich Willkommen im Classic-Zone-Chat, schön dass du dir (ist du erlaubt?) die Zeit für das Interview nimmst!
C.Moyse:
Hallo, na klar ist "du" erlaubt.
ich freu mich, dass ich überhaupt gefragt werde. Da geh ich Jahrelang als Britney-Spears-Double, aber keiner lädt mich in einen Chat ein. Ich danke der Nintendo-Vergangenheit. Danke Super Mario.
CZ:
Dann wollen wir mal...
C.Moyse:
Yep, lets go!
CZ:
In welchem Zeitraum warst du Redakteur des Club Nintendo und wie kamst du zu diesem Konzern?
C.Moyse:
Ich habe bei der PR-Agentur gearbeitet, die Nintendo als Kunden hatte (und auch heute noch hat). Das war Anfang bis Mitte der Neunziger. Genau weiß ich das jetzt auch nicht. Müsste ich mal in meinen Lebenslauf schauen. ;-) Auf jeden Fall gab es bei Nintendo eine Stellenausschreibung für einen Job im Marketing-Bereich als Konzeptioner und Texter. Da ich von der Agentur weg wollte, hab ich mich dort einfach mal beworben.
Zum Marketing-Bereich gehörte damals Print-Kampganen, der Konsumentenclub "Club Nintendo", sämtliche Druckerzeugnisse und Online-Aktiviäten, die es damals allerdings noch nicht gab.
Ach ja, und ich war bis Februar 2001 bei Nintendo.
CZ:
Interessant! Und wann sind Sie zum Chefredakteur der Zeitschriften aufgestiegen?
C.Moyse:
Fast sofort, nachdem ich bei Nintendo war. Mein Vorgänger (Ron Lakos) hatte mich kurz eingearbeitet und ist dann weitergezogen zu Sony Playstation.
Einwurf von Lucius in das Gespräch:
Dieser Verräter :-)
C.Moyse:
Ja, ja, und jetzt isser bei Microsoft. :-)
CZ:
Wie hat Ihnen die Arbeit bei Nintendo gefallen? Gab es für Sie positive und negative Aspekte?
C.Moyse:
Eine interessante Frage... habt ihr ein paar Stunden Zeit für die Antwort? ;-)
Also, es gab negative und positive Aspekte.
Zum Beispiel in einer japanisch geführten Firma zu arbeiten, ist sicherlich nicht jedermanns Sache. Japaner sind ziemlich konservativ und hierarchich orientiert. Viel mehr als europäische Firmen.
CZ:
War dies selbst hier in Europa so stark zu spüren?
C.Moyse:
Ja, auf jeden Fall. Die Chefetage war damals ausschließlich mit Japanern besetzt. Wenn es etwas gibt, worauf ich wirklich stolz bin, dann die Tatsache, dass ich einer der ersten Europäer bei Nintendo war, die einen wichtigen Job mit Verantwortung bekommen haben. Das lag aber daran, dass ich mich mit den Jungs wirklich gut verstanden habe. Einer hat mir mal gesagt, er würde es mögen, dass ich so ruhig bin. Viele Deutsche seien so "laut", wie auch immer er das damals gemeint hat.
CZ:
Hast du während der Arbeit bei Nintendo (oder auch später) eigentlich auch ein wenig (oder mehr) japanisch gelernt?
C.Moyse:
Leider nein... peinlich, peinlich, ich weiß... ich hatte damals mal gefragt, ob mir Nintendo eine Kurs bezahlen würde, aber ich glaube, die Japaner wollten das gar nicht so gerne, dass man auch japanisch spricht. Wie hätten sie sonst über uns Deutsche lästern können? ;-)
CZ:
Es ist ja bekannt dass Sie z.B. den großartigen Spieletitel "Secret of Mana" übersetzt haben;
Für welche weitere Übersetzungen waren Sie zuständig?
C.Moyse:
Zu SoM: Ja, cooles Game :-)
Also, da muss man unterscheiden...
Zuständig war ich bis Anfang 2001 für jedes. In meiner Abteilung haben fünf oder sechs leute nur für Bildschirmtexte und Bedienungsanleitungen gearbeitet. Selbst übersetzt habe ich nur ganz wenige Spiele... Secret of Mana, Zelda: Links awakening, Plok und noch zwei Spiele.
CZ:
Aus welchem Grund wurden einige Originaltexte mancher Spiele für die deutsche Version verändert?
Wie z.B. in SoM der Wortlaut "Tanz" mit dem TV-Titel "Lindenstraße" ersetzt wurde.
C.Moyse:
Oh, die Lindenstraße-Frage... die kommt aber schnell... ;-)
Also, dazu muss man ein paar Dinge sagen... Spiele-Übersetzungen bzw. Lokalisierungen waren damals noch was ziemlich Neues. Das war ein bißchen Wilder Westen, richtige Regeln gab es noch nicht.
Ich war für die Eindeutschung von SoM drei oder vier Wochen in Tokyo bei Square... dort hieß es zunächst nur "hier ist das japanische Spiel - mach was draus!"
Ich musste dann erstmal erklären, dass ich überhaupt kein Japanisch spreche und die Übersetzung etwas schwierig werden dürfte.
Die erste Woche des Trips habe ich also damit verbracht, das japanische Spiel zu spielen und mir Gedanken zu machen, was die Figuren wohl gerade reden.
Dann irgendwann kam jemand von Square, freudestrahlend, und hat mir ein Textdokument in die Hand gedrückt, das aus den ins englische übersetzen Dialogen bestand. Diese Übersetzung war lausig, aber man konnte zumindest verstehen, was gemeint war.
Ich machte mich also daran, die Texte zu übersetzen, ohne zu wissen, an welchen Stellen im Spiel sie auftauchen. Eine zweite Woche verstrich.
In der dritten Woche dann zeigte mir man das "deutsche" Spiel mit meinen Texten - und es war einfach nur schrecklich. Die Texte waren grammatikalisch und stilistisch korrekt, machten in den entsprechenden Textboxen aber überhaupt keinen Sinn.
Endlich kam jemand auf die Idee, mir zu erklären, wie ich das Spiel spielen könnte und gleichzeitig in den Spielecode schreiben könnte. Sas war dann die Lösung und ich konnte richtig loslegen. Inzwischen war an manchen Stellen wirklich nicht mehr bekannt, was im Original dort mal stand. Ich wusste zum Beispiel nur, dass die Zwerge schnell wegmussten. Ob zum Tanz, aufs Klo oder wohin auch immer, musste ich mir selbst ausdenken.
Das war die Steinzeit der Videospiel-Übersetzungen. :-)
Weitere Anmerkung von Claude: "Ich sollte mir mal eine Spannende, legendäre Antwort darauf ausdenken...
Oder am besten sowas wie, wenn man am Anfang des Spiels fünfhundert mal den A-Knopf drückt, kann man mit Mutter Beimer spielen. Ach, wäre das geil, wie dann alle ihre alten Konsolen auspacken. :-)
CZ:
Eine Frage zu der von dir angesprochenenen englischen Übersetzung:
C.Moyse:
Yes, please ask. ;-)
CZ:
Du hast also schon vor der Fertigstellung der englischen Lokalisierung mit der Deutschen begonnen?
C.Moyse:
Yep, es wurde wohl auch schon an der englischen gearbeitet, aber Nintendo of America hatte einen Sonderstatus und konnte das ganze in Seattle machen. Die hatten dort eine Entwicklerstation. Aber bei uns barbarischen Europäern befürchteten die Japaner, wir könnten mit einem solchen Gerät nur Unfug anstellen. Daher mussten wir nach Japan kommen. ;-)
Das Spiel war ziemlich zeitgleich mit der englischen Version fertig, kam aber erst später in Europa auf den Markt. Man hatte es auf Halde übersetzt. Genauso wie Final Fantasy VI, dass dan aber nie erschien. Die ganze Mühe umsonst. Ich habe Final Fantasy VI fast zu Ende übersetzt. Darum hatte ich mich gerissen, obwohl ich ganz andere Jobs hatte. Dann wurde die Veröffentlichung gecancelt. Da war ich echt sauer.
CZ:
Keine Ahnung ob du das weißt, aber in manchen Foren habe ich schon erlebt dass dir manche bestimmte Teile der Übersetzung in SoM übelgenommen haben (was wir nicht nachvollziehen können).
C.Moyse:
Ja, klar weiß ich das. Ich kann das sogar verstehen. Für manche ist ein Videogame nicht einfach nur ein Game, sondern etwas Heiliges und Unantastbares.
Bei anderen Sachen geht mir das genauso. Ich hasse es zum Beispiel, wenn bei Star Trek die Folgen schlecht synchronisiert sind.
Auf der anderen Seite sollte man nicht zu dogmatisch an die Sache rangehen. Secret of Mana ist in der japanischen Version ein sehr witziges Spiel. Es hat zwar viele mystische Elemente, aber die drei Charaktere treiben viel Scherze miteinander. Also sind sie auch in der deutschen Version eher lustig drauf. Ich finde nicht, dass es der Stimmung im Spiel schadet.
Ich hätte aus den Texten auch etwas Ernstes und Pathetisches machen können, aber mein Briefing von den Japanern war: "make it funny!"
Und wenn manche den Humor sch... finden, tuts mir leid. Ist eben Geschmacksache. Ich weiß, dass vielen der Text auch gefallen hat.
CZ:
Hattest Du ausschließlich nur für Nintendo oder auch für andere Spieleproduzenten übersetzt?
C.Moyse:
Ich war ja bei Nintendo angestellt und habe ausschließlich für Nintendo-Spiele gearbeitet. Aber ich war bei Square, bei Enix, bei Capcom und bei HAL. Die waren ja damals noch alle Nintendo-Freunde. ;-)
CZ:
Ok, dann machen wir mit der nächsten Frage einen kleinen Themensprung
Welche Nintendo-Spiele sind für Sie von großer Bedeutung und wieso?
C.Moyse:
Also, mein persönlicher Favorite ist die Metroid-Serie, auch wenn die aktuellen Spiele gar nicht mehr von Nintendo selbst stammen. Ein tolles Science-Fiction-Spiel, dass so gut wie kein anderes Game Grusel, Angst, Beklemmung und Einsamkeit vermittelt.
Was ich auch cool finde, sind die Kirby-Spiele. Sind in Deutschland leider gefloppt, obwohl sie wirklich gute Jump and Runs waren. Sehr innovativ und vielseitig.
Und Zelda und Mario natürlich, aber über die gibt es kaum noch was Neues zu sagen. Lieblingsspiele von anderen Publishern sind Final Fantasy (besonders Teil VI) und... ähm...
...naja, fast alle Action-Adventures und RPGs.
CZ:
Welche der klassischen Konsolen ist Ihr Favorit und weshalb? Und der dazugehörige Spieletitel?
C.Moyse:
Also, Super Nintendo, ganz klar, beste und wichtigste Spielkonsole aller Zeiten. Das Ding war das Fundament für die heutige Szene. Als Nintendo-Mitarbeiter wurde ich natürlich gebrainwasht, die Playstation blöd zu finden. Irgendwann hab ich mir aber doch eine geholt, weil es dort doch ein paar ganz gute Spiele gab. Daher wurde ich sagen, die Playstation kommt an zweiter Stelle. Und die Mutter aller Konsolen, obwohl es überhaupt keine ist, ist der C64. Mann, ich hab hunderte von Disketten mit tausenden von Spielen. Wenn ich mal in Rente bin, muss ich viel nachholen.
Ich versuch mich ab und zu mit den diversen C64-Emulatoren, aber das Original-Feeling will sich einfach nicht einstellen.
CZ:
Keine Sega-Konsole in den all-time-favorites dabei? :-)
C.Moyse:
Ich hatte auch ein Mega Drive. aber irgendwie... ich weiß nicht... es gab schon ein paar gute Spiele, aber ich fand den Sound irgendwie ziemlich schepprig. Sound war und ist mir immer sehr wichtig gewesen.
Ich kann mich an Aladdin erinnern. War auf dem Mega Drive ein supergeiles Spiel, aber der sound ist einem so auf die ... ähm... gegangen. Das Klang wie ein Grammophon.
CZ:
Da könnte ich ja direkt zur nächsten frage kommen, weil sie ja einigermaßen dazu passt:
Was ist deine Auffassung des damaligen "Krieges" zwischen Nintendo- und Segafans die sich jeweils für eine der beiden Parteien einsetzten?
C.Moyse:
Ganz normaler Teil der Jugend- und Popkultur. Man braucht ein Lager, zu dem man gehört... Punks gegen Popper... Adidas gegen Nike, P.Diddy gegen 50cent, Sega gegen Nintendo, Apple gegen Microsoft. Das ist vielleicht der moderne Ersatz für Religion... keine Ahnung. Ich selbst war nie so ein "Ein-Lager-Mensch". Aber sowas wird es wohl immer geben.
CZ:
Kam der "Lager-Mensch" nicht auch zu einem gewissen Teil, wenn man für jemanden wie Nintendo arbeitet?
C.Moyse:
Nein, nicht zwangsläufig. Ich hatte mich bei Nintendo beworben, weil ich einen neuen Job wollte. Ich hatte mich gleichzeitig auch bei anderen Firmen beworben. Ich hatte keine Emotionen für Nintendo und war auch kein Nintendo-Freak. Natürlich, nachdem ich dort eine Weile gearbeitet habe, wurde ich doch zum Nintendo-Fan, aber ich hatte trotzdem nie etwas gegen Sega. Die waren ja sowieso immer zweiter. ;-)
Als Sony mit der Playstation kam, war das schon etwas anders. Sony nahm man sehr ernst und nachdem einige Nintendo-Mitarbeiter dort abgewandert waren, war man auch nicht gut auf Sony zu sprechen. Man kann schon von einer Art Feinschaft reden. Ich fand Sony aber trotzdem cool und hatte daheim einen Sony-Fernseher und eine Sony-Hifi-Anlage.
CZ:
Die Welt der Videospiele hat große Schritte gemacht. Welche neuen Techniken beeindrucken dich besonders?
C.Moyse:
Schwierige Frage, finde ich. Den Toucscreen vom DS finde ich schon ganz nett. Und das herumfuchteln beim Wii ist auch innovativ. aber diese Dinge sind wohl erst ein Zwischenschritt. Genauso wie Eyetoy oder Buzz. Da geht noch mehr, würde ich sagen. Aber diese Art der Interaktivität ist für viele Nicht-Hardcore-Gamer interesant.
CZ:
Findest du mehr Gefallen an den Klassikern die viel auf Spielspaß setzen oder eher an neueren Titeln die gute Grafik und verschiedenste Spielarten in den Vordergrund stellen?
C.Moyse:
Ich persönlich finde die Vernetzung und Online-Games sehr faszinierend. Ich habe letztes jahr für zwei Monate World of Warcraft gespielt (hab dann aber schnell aufgehört, bevor ich süchtig werde). Das war seit langer Zeit wieder ein echtes Aha-Erlebnis.
Ich glaube, dass solche virtuelle Spielwelten, in die man eintauchen kann, noch ganz, ganz viel potential besitzen. Mir fallen da etliche Möglichkeiten ein, obwohl ich kein Games-Designer bin.
Ich liebe natürlich die Klassiker. Ab und zu gebe ich ihnen eine Chance, indem ich auf dem Emulator spiele. Aber die magie von damals will sich trotzdem nicht einstellen. Es ist eben vorbei und ich bin kein Kind mehr. Die geile Grafik von heute ist einfach nicht mehr wegzudenken.
CZ:
Emulator am PC?
C.Moyse:
Ja, ich hab zwar fast alle konsolen, die es gab, aber die stehen gut verpackt im Keller. Und ich bin zu faul, sie alle in der Wohnung aufzustellen.
CZ:
Diese Dinge sind in unserer Community total verhasst.
C.Moyse:
Kann ich verstehen, Emulatoren bieten ja auch kein Original-Feeling. Aber sie sind platzsparend. Stell dir mal vor, ich muss meine 500 C64 Floppy-Disks im Wohnzimmer verteilen. ;-)
CZ:
Was hälst du allgemein von den "Next Generation" Konsolen die immer mehr Funktionen aufweisen (z.B. XBOX 360, Wii, ect.)?
C.Moyse:
Ich habe gerade gestern abend mit meinen kollegen im Büro XBox360 gespielt... und ich muss sagen, es hat mich nicht vom Hocker gehauen. Tausend Menüs, bevor man endlich mal spielen kann. Und die Spiele selbst... naja...
Wii ist schon ganz lustig und ich freue mich auch auf Zelda. Aber ich werde umdenken müssen. Normalerweise liege ich auf der Couch und zocke. Jetzt stelle ich mir vor, wie es ist, wenn ich spätabend schon halbmüde Wii spiele und dabei wild mit den armen herumfuchteln muss. irgendwie abtörnend. :-)
Ich glaube, Wii ist vor allem eine Konsole für Casual Gamer und Frauen. Die bewegen den Controller ja auch schon so abartigt, wenn sie Mario Kart auf dem N64 spielen. ;-)
Aber man muss Nintendo zugute halten, dass Wii mal wirklich etwas Originelles ist. Xbox und Playstation sind im Grunde das gleiche wie seit 20 jahren, nur eben moderner und schicker.
CZ:
Das stimmt,trotzdem finden wir dass sich Ninteno stark gewandelt hat.
Irgendwie war Nintendo früher "gemütlicher" ^^
C.Moyse:
Auf jeden Fall. Mit dem Weggang von Herrn Yamauchi (der ehemalige Nintendo Präsident) hat sich bei Nintendo alles verändert.
CZ:
Was sagen Sie zur Auflösung des Club Nintendo und Ersetzung des Magazins durch N-Zone?
C.Moyse:
Also, das Ende des Magazins wurde von mir schon eingeleitet, weil mein Plan war, alles auf das Internet umzustellen. Ich war etwas überrascht, dass nach meinem Weggang dann doch weitergemacht wurde. Und dann auch noch mit Computec und Herrn Ippisch. Aber andererseits war das auch kein Wunder, da der damalige Deutschland-Chef sehr, sehr enge Beziehungen zu Computec pflegte.
CZ:
Weil du gerade auf deinen Weggang zu sprechen kommst. Passende Frage:
In keiner der letzteren Club Nintendo Ausgaben konnte ich ein Abschiedsschreiben oder dergleichen von dir vorfinden.
Du warst plötzlich als leitender Redakteur aus dem Heft verschwunden und der ehemalige Sega-Magazin Chefredakteur Hans Ippisch rückte auf deine Position.
C.Moyse:
Das lag wohl daran, dass ich auch plötzlich weg war. ;-)
CZ:
Wie und aus welchem Grund kam dieser schnelle Wechsel zustande?
C.Moyse:
Ende Februar 2001 bin ich von Nintendo weg. Der gesamte europäische Marketing-Bereich wurde über nacht gekickt. Das hat ca. 50 Leute betroffen.
Das war eine Direktive von Nintendo Japan, die mit Europa sehr unzufrieden waren. Grund waren rückläufige Pokémon-Verkaufszahlen. Und das war damals das Wichtigste für Nintendo Japan, deshalb hat man kurzen Prozess gemacht und die gesamte Chefetage inkl. Präsident ausgetauscht.
Naja, aisatische Firmen sind sehr hart. Und sowas wie Gewerkschaften gibts in Japan auch nicht. :-)
Aber das war damals ganz okay für mich, da ich sowieso die Nase voll hatte. Nintendo war nur noch Pokémon und sonst nichts mehr. Das ist allen ziemlich auf den Sack gegangen.
CZ:
Und was machtest du nach Nintendo?
C.Moyse:
Nach Nintendo war ich kurz als freier Marketing-Berater tätig und habe meine Selbständigkeit vorbereitet. Ein paar Monate später habe ich einen Verlag gegründet.
CZ:
Raptor Publishing?
C.Moyse:
Yep. :-)
Den Namen und die URL hatte ich mir schon zu Nintendo-Zeiten gesichert. Ich wusste, wenn ich mich selbständig mache, soll die Firma Raptor heißen. Ganz egal, was es wird. Puff, Restaurant oder Verlag.
CZ:
Was hälst du vom heutigen Nintendo?
C.Moyse:
Nintendo ist heute nicht mehr eine Gaming-Firma wie früher. Es fehlt einigen an Leidenschaft. Vielleicht wird das mit Wii ja wieder anders. Aber Pokémon war ein Mega-Geld-Rausch, bei dem manche vergessen haben, worauf es eigentlich ankommt. Der Service mit der Korrespondenz wurde abgeschafft. Früher war alles besser. :-)
CZ:
Noch einiges über Nintendo allgemein?
C.Moyse:
Zu NCL muss man wissen, dass es dort sehr streng und relativ konservativ zugeht. Fast wie in einer Behörde.
Ein Beispiel: es gab damals drei Firmeneingänge.
Eingang Nummer 1 führte durch eine große Eingangshalle mit Marmorboden. Irgendwo in einer Ecke saß eine Empfangsdame. Mir wurde erklärt, dass dieser sehr repräsentative Eingang nur für Herrn Yamauchi und seine persönlichen Gäste ist. Alle anderen Nintendo-Mitarbeiter dürfen nicht durch diese Halle.
Eingang Nummer 2 ist für die Manager bzw. die leitenden Angestellten.
Und dann ist da noch Eingang Nummer 3 für alle "normalen" Menschen.
Die Arbeit begann morgens um 9 uhr. Hunderte von Menschen (die Japaner sind pünktlich) strömen also auf das Gebäude zu. Interessant hierbei: Manager und "normale" Menschen haben unterschiedliche Lauftempos. Manager laufen langsamer und Arbeiter müssen sich beeilen und schneller laufen. Sehr witzig, sowas anzusehen.
Das hat mit der japanischen Kultur zu tun. Als Arbeiter muss man immer zeigen, wie man bemüht ist und dass man hierarchisch unter den Managern steht.
Nun gut, wie auch immer. Ist man einmal im Gebäude, muss man sich erst einmal umziehen. Für Männer beige Nintendo-Overalls, für Frauen beige Blousons.
Die Büros selbst sehen aus wie Legebatterien. Selbst Herr Miyamoto hat eine kleine Nische im Großraumbüro. Wobei er sicher mehr Platz bekommen würde (und inzwischen auch hat), aber damals wollte er "down to basics" bleiben.
Die offizielle Arbeitszeit wird mit Mozarts kleiner Nachtmusik eingeläutet. Und als wären es Roboter, beginnen alle sofort zu arbeiten. Mit ausdrucksloser Mimik und voll konzentriert.
CZ:
Sind Sie während Ihrer beruflichen Laufbahn bei "Big N" einer der bekannten Personen wie z.B. Gunpei Yokoi (dem Erfinder des Game- und Virtual Boy) oder gar dem "super Mario- und Zelda-Meister" Shigeru Myjamoto begegnet?
Anmerkung von CZ: Ist er und dazu gibt es eine längere Geschichte zu erzählen die ihr im kompletten Chatlog durchlesen könnt.
Nur soviel von Claude: "... und dann kann ich euch erzählen, wie meine französische Kollegin Herrn Miyamoto einen Dildo aus durchsichtigem Plastik gezeigt hat. ;-)"
CZ:
Würdest du, wenn du heute ein Angebot von Nintendo oder einem sonstigen Publisher zum Übersetzen der Bildschirmtexte bekämst, dieses annehmen?
C.Moyse:
Hm, du meinst in der jetzigen Situation?! Ja, ich denke ich würde es machen wenn ich dafür die Zeit hätte. Kommt natürlich auf das Spiel an. Zelda zum Beispiel, das für den Wii hätte ich sehr gerne gemacht.
CZ:
Nun noch ein paar Kleinigkeiten zum alten Club Nintendo Magazin:
War die Redaktion von Großostheim für alle EU Länder zuständig?
C.Moyse:
In Großostheim sitzt die Europaverwaltung und Nintendo Deutschland. Es gibt aber auch Nintendo Frankreich, Nintendo England und Nintendo Spanien. Kleine Zehnmann-Büros.
Und in allen anderen Länder gibt es zumindest einen Nintendo-Lizenzpartner wie Stadlbauer in Österreich, Waldmeier in der Schweiz, Giochi Preciosi in italien etc.
CZ:
Hatten Nintendo Japan, Amerika und Europa immer direkte Richtlinien von "Oben" oder durften die Redaktionen frei entscheiden wie das Heft gestaltet wurde?
C.Moyse:
Nicht was die Zeitschrift betraf. Da hatten wir freie Hand und konnten machen, was wir wollten.
Wir konnten Mario zur Fummeltunte machen oder Kirby zum vertrottelten Privatdetektiv, da hatte keiner was dagegen.
Also, vielleicht hat die das in Japan schon gestört, wer weiß... ;-)
CZ:
Von welchen Personen wurden die Comics gezeichnet?
C.Moyse:
Wir hatten japanische Manga-Zeichner aus Tokyo. Denen haben wir die Geschichten als Text aufgeschrieben und Scribbles gemacht, was auf den Bildern passieren sollte. Dann haben sie nach unseren Vorgaben gezeichnet und uns die Entwürfe geschickt. Wir haben dann Korrekturwünsche geäußert und angegeben, wo wir Sprechblasen haben wollten. Und wir haben die Texte geschrieben. Dieser ganze Vorgang übrigens per Post... mir absolut unverständlich, aber die Zeichner wollten keine Email verwenden.
Jeder von uns hat sich mal einen Comic ausgedacht, das war immer so ein Bonbon, um das sich jeder gerissen hat. Von mir waren eine Wizard-of-Oz verarschung mit Mario und die Kirby-Comics.
Ich mochte den Kirby-Erfinder nicht sonderlich. Das war meine Art Abrechnung mit ihm, Kirby zu einem Freak zu machen. ;-)
CZ:
Wie kam eigentlich die Begrüßung "Holerö" zustande oder die Sache mit dem Schnitzel (was ja in einem oder mehreren Comics vorkam)?
C.Moyse:
Also "holerö" stammt von meinem Kollegen Marcus. Ich weiß allerdings auch nicht genau, wo er das herhatte. Vielleicht von Loriot oder Helge Schneider. Das fanden wir so dämlich, dass wir es auch immer verwendet haben.
Und Schnitzel... hm... was für ein Schnitzel?
CZ:
Und noch eine wichtige Frage am Schluß:
Welcher zweiter Vorname verbirgt sich hinter dem "M" ?
C.Moyse:
Das steht für Massimo.
Eigentlich heiße ich Claudio Massimo
Aber eine Freundin von mir hat Claude als Spitznamen erfunden.
CZ:
Jetzt können wir beruhigt schlafen ;-)
C.Moyse:
Oh shit, ich hätte sagen sollen, es steht für Mario.. so ein Mist. :-)
Anmerkung der CZ: Auf die Frage ob er uns die Erlaubnis gibt alles Online zu stellen:
C.Moyse:
Ich habe nichts schlimmes gesagt, hoffe ich... ;-)
Nintendo ist toll, ich liebe Super Mario! Hallelujah! Könnt ihr das noch hinzufügen? ;-)
CZ:
Von unserer Seite ein RIESIGES Dankeschön dass du deine wertvolle Zeit für uns geopfert hast!
C.Moyse:
Okay, ich hoffe, es hat euch Spaß gemacht.
Viel Erfolg noch mit der Seite!
Möge die Macht des Triforce mit euch sein!