Seit einem Tankerunglück vor der Küste, das schlussendlich zum Wegzug der kompletten Bevölkerung führte, verfällt der kleine Fischerort Denska immer mehr.
Dennoch verschlägt es den künstlerisch begabten Ash immer wieder dorthin, um sein Skizzenbuch mit selbst erdachten Geisterfiguren und ähnlichem zu füllen. Dabei wird er jedoch des Öfteren von einer fünfköpfigen Jugendbande gestört, die nichts Besseres mit ihrer Zeit anzufangen weiß als ihn zu schikanieren.
Als bei einem neuerlichen Angriff sein Buch zerstört wird (was dazu führt, dass sich die Seiten in alle Winde zerstreuen) und Ash selbst in die Gondel der Seilbahn, die zum alten Leuchtturm fährt, geschubst wird, ändert sich sein Leben schlagartig. Denn im Leuchtturm trifft er auf die lebendig gewordene Luna, seinem nunmehr über die Wände des Gebäudes huschenden Lieblingsgeist. Luna, die sich nur durch Gesten und vereinzelte Laute verständigen kann, erschafft einen beinahe mannsgroßen Pinsel, den sie Ash zusammen mit einigen seiner verlorenen Skizzen und einem wichtigen Auftrag überreicht: Er soll Denska durch farbenfrohe Graffiti wieder zu neuem Glanz verhelfen und dadurch die Düsternis, die sich hier und da in Form dunkler, schwarzer Ranken materialisiert hat, vertreiben.
Doch das bedrückende Grau des Ortes und die gelegentlichen Konfrontationen mit den anderen Teenagern sind nichts gegen die angestauten negativen Emotionen, die Denska erfüllen und sich schließlich auf erschreckende Weise Bahn brechen...


Concrete Genie ist ein PS4-exklusives Action-Adventure, das sich grob in zwei verschiedene Phasen mit unterschiedlichen Mechaniken unterteilen lässt.

Die ersten Kapitel, die auch den größten Teil des Spiels ausmachen, laufen im Grunde genommen ziemlich entspannt ab und bestehen vorrangig aus kleineren Rätsel- und Geschicklichkeitspassagen. Hier geht es in der Regel darum, sich durch Denska zu bewegen, um Ashs Skizzen wieder einzusammeln und gemäß Lunas Bitte Mauern, Zäune und ähnliches mit Graffiti vollzukritzeln. Um dies zu bewerkstelligen, muss man nicht nur durch Gassen schleichen, sondern auch sehr oft die Dächer erklimmen und sich mittels Sprüngen, An-Kanten-entlanghangeln und Seilbahnen-hinabrutschen über diese hinwegsetzen, da sich auf den Straßen die Mitglieder der Bande herumtreiben, denen man nicht in die Hände fallen will. Allerdings klingt dies bedeutend schwieriger als es ist, da die Rabauken nicht in der Lage sind Ash auf die Dächer zu folgen, wodurch man sie relativ einfach mit Rufen weglocken, auf die Straße springen und bei nächster Gelegenheit wieder in die Höhe flüchten kann. (Ich habe ehrlich gesagt keine Ahnung, was passiert, wenn sie einen doch mal erwischen, da ich nie in diese Verlegenheit gekommen bin. Mir ist so, als ob bei den Trophäen irgendwas von ‚Mülltonne von innen sehen‘ stand, aber ich kann mich gerade auch schwer irren.)

Der Clou dabei und damit das, was an der ganzen Sache am meisten Spaß macht, ist die Tatsache, dass man an bestimmten Stellen die Geister bzw. (korrekter ausgedrückt) Dschinns an die Wände pinseln muss, die daraufhin ebenfalls lebendig werden und Ash helfen, Hindernisse zu überwinden: Feuer-Dschinns fackeln bestimmte Dinge ab, Elektro-Dschinns bringen Generatoren und Stromkästen zum Laufen und Wind-Dschinns haben die nötige Puste im Gepäck, um Sachen herumzuwirbeln. Hierbei muss man jedoch beachten, dass die Dschinns mehr oder weniger ortsgebunden sind und beispielsweise Lücken in Gebäuden nur überwinden können, wenn man sie per Hilfsmittel wie Loren oder Kisten von A nach B transportiert.

Wie man die Dschinns optisch gestaltet, ist jedem Spieler weitgehend völlig frei gestellt, denn durch die überall verteilten Skizzen hat man im Laufe der Zeit ein stetig größer werdendes Repertoire an Dschinnteilen zur Verfügung. Auf diese Weise kann man zwischen unterschiedlichen Körperformen, Hörnern, Ohren, Kopfbedeckungen und Schwänzen wählen und sich seine Wunschfiguren zusammenbasteln, die selbst in den Szenen so dargestellt werden, wie man es sich vorher ausgesucht hat.

Doch nicht nur Dschinnbestandteile, sondern auch Landschafts- und Naturmotive wie Sonne, Mond, Sterne, Regenbögen, Schmetterlinge, Baumstümpfe, Gräser, Blumen und Eiskristalle finden sich auf den Seiten, denen man zum Teil im wahrsten Sinne des Wortes hinterherjagen muss.
Ebendiese sind es hauptsächlich, die als Graffiti zur Verschönerung von Denska sorgen sollen. Stellenweise darf man dabei als Spieler selbst entscheiden, was an welchen Gebäuden landen soll. Häufig ist es allerdings so, dass die erschaffenen Dschinns in Form von Gedankenblasen bestimmte Wünsche äußern, die man nach Möglichkeit erfüllen sollte, da man durch die darauf folgende Freude der Kritzelkameraden so genannte Superfarbe erhält - nur damit lassen sich besonders hartnäckige ‚düstere‘ Flecken übermalen.
Positiv zu erwähnen ist ebenfalls die recht hohe Fehlertoleranz, die in vielen Fällen über wildes und nicht passgenaues Drauflosgemale hinwegsieht – einzig bei den Plakaten (s. u.) zeigte sich das Spiel ein wenig pingelig.

Im Verlauf des Spiels lassen sich neben den Skizzen noch weitere Dinge aufsammeln bzw. auslösen, die entweder zur Vertiefung der Hintergrundgeschichte beitragen oder schlicht als nettes Extra respektive Erhalt einer Trophäe dienen.
Dazu zählen eine Handvoll Zeitungen, deren Schlagzeilen das Tankerunglück und seine Folgen kommentieren; Plakate, deren Bildkomponenten mittels der gefundenen Motive nachgezeichnet werden wollen sowie ‚Momente‘ und ‚Meisterwerke‘.
‚Momente‘ sind kleine Kreidebilder an den Wänden, zu denen man mindestens einen Dschinn lotsen muss, um ganz spezielle Bitten zu ‚hören‘. Kommt man diesen nach, entstehen lustige oder niedliche Situationen, in denen die betreffenden Dschinns etwa während eines Wolkenbruchs unter großen Blättern sitzen, einen Apfel essen, Krähen hinterherjagen, in Blumen sprechen, Schneeflocken mit dem Mund auffangen, mit einer Ballonblume durch die Luft fliegen, von einer fleischfressenden Pflanze erschreckt werden und, und, und...
Als ‚Meisterwerke‘ werden die besonderen Bilder bezeichnet, die - nach Vorlage - am Ende eines Kapitels erschaffen werden müssen und so farbenkräftig sind, dass sie genügend Finsternis vertreiben, um in einen weiteren Teil von Denska vorzudringen.

Das bis hierhin Beschriebene lässt sich quasi im gemächlichen Tempo ohne Stress und Hektik peu a peu durchführen - selbst das Betreten früherer Gebiete stellt keinerlei Hindernis dar.
Mit dem Verlassen der Kanalisation jedoch überschreitet der Spieler einen Point of no return und der Erzählton ändert sich abrupt: Die Handlung wird mit einem Schlag düsterer und unheimlicher, außerdem kommt es von da an zu Kämpfen. Mit diesen hatte ich mal wieder so meine Probleme, da sie mich a) eiskalt erwischten und b) mir persönlich zu hektisch ausfielen. Dankenswerterweise regeneriert sich Ashs Lebensleiste, über die er von jetzt auf gleich verfügt Stück für Stück, wenn man es schafft den Attacken der Gegner eine Zeitlang auszuweichen. (Trotzdem war ich nach den gewissermaßen vor sich hinplätschernden Ereignissen davor irgendwie so gar nicht auf Kämpfe eingestellt...)
Ohne groß ins Detail zu gehen sei hiermit verraten, dass – bis auf winzige Ausnahmen – das beschwingte Bepinseln der Gebäude nun der Vergangenheit angehört und man kaum eine andere Wahl hat als sich nur noch stetig auf das Ende hinzubewegen.
Dies geschieht allerdings auf ziemlich coole Weise, da Ash zwecks schnellerer Fortbewegung eine leuchtende Mischung aus Schlittschuhen und Rollerblades verpasst bekommt. (Und das macht Laune! )

Stichwort ‚Verpassen‘:
Ich hatte zu diesem Zeitpunkt wirklich Angst, dass ich irgendetwas falsch gemacht hätte, da das letzte der Landschaftssets (von insgesamt vier, die nach und nach freigeschaltet werden) weiterhin versiegelt war und ich zudem ganz genau wusste, dass ich noch einige von Lunas Gestaltungswünschen offen hatte.
Wie sich herausstellte, war das pure Absicht. Das letzte Set – und damit einhergehend auch ein paar ‚Bestellungen‘ der Dschinns - steht dem Spieler nämlich tatsächlich erst nach dem Abspann zur Verfügung. Man startet dann wieder am Pier neben der Seilbahngondel, wo das Spiel seinen Anfang genommen hat, während alles, was man bis dato erreicht hat, so geblieben ist. (Inklusive der feschen Treter!)

Während mich das Fortbewegen über die Dächer sowohl an Horizon als auch Kena und das Pinseln dezent an Okami erinnerten, war meine erste Assoziation hinsichtlich der recht eigenwilligen Graphik der Film Coraline. Beim Rumstöbern im Netz stolperte ich allerdings über Bilder von Kubo, einem Film, der ebenfalls aus dem Laika-Studio stammt und den ich zwar kannte, aber irgendwie aus meinem Gedächtnis gestrichen hatte. Und so im Nachhinein betrachtet tendiere ich dann doch dazu, dass Concrete Genie optisch eher Kubo als Coraline ähnelt.
Darüber hinaus gibt es hin und wieder Rückblenden, die in einem völlig anderen, nämlich mehr plakativen und comic-ähnlichen Stil gestaltet wurden.

Da ich pi mal Daumen 11 Stunden und 30 Minuten fürs reine Beenden nebst Nachholen einiger Dinge im Postgame gebraucht habe, schreibe ich mir 4 Punkte gut.


Concrete Genie ist ein Spiel, das ich irgendwann mal aus Jux und Tollerei für wenig Geld im Laden mitgenommen habe und sich im Nachhinein überraschenderweise als kleiner Geheimtipp entpuppte.
Im ersten Teil der Geschichte hat mir einfach alles Spaß gemacht: Das Erschaffen der Dschinns, das Erleben ihrer Eskapaden, das Herumgemale auf den Oberflächen der Stadt, das Über-die-Dächer-kraxeln, das Einsammeln der Skizzen, das Lösen kleinerer Aufgaben… Und das ohne groß unter Zeitdruck zu stehen, sondern einzig in dem Tempo, welches man selbst für richtig hält.
Dementsprechend war ich nicht wenig schockiert, als ich mit Macht aus dieser behaglichen Blase hinausgeschleudert wurde, aber rückblickend betrachtet konnte die Handlung erst dadurch so richtig Fahrt aufnehmen, um schließlich zu einem stimmigen Abschluss zu kommen.
Ich bin froh, dass ich es damals gekauft habe!


Fun Fact:
Ich liebe es ja irgendwie, dass der Titel einen wunderbaren ‚false friend‘ darstellt, der einem beim kurzen Überfliegen zu einem ‚konkret [krassen] Genie‘ statt zum ‚Beton-Dschinn‘ verleiten will.


Bingo-Kandidaten

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Stand:

Gesamtanzahl der Spiele 7/???
Anzahl der (J)RPGs 4/???
Anzahl der Nicht-(J)RPGs 3/???
Erreichte Punkte 21 oder 22/???