Sie hatte Recht behalten. Evi und Hugh waren so entschlossen wie sie gewesen, die Kultisten anzugreifen, vielleicht entschlossener. Eryn selbst zweifelte nicht am Plan, doch ihrer Rolle in diesem. Immerhin war sie alles andere als eine erfahrene Schützin, hatte noch auf nicht mehr als ein paar Dosen geschossen. Der Ernstfall machte sie nervös.
"Zwei..."
Evi hockte mit aufmerksamen Augen und gespanntem Körper neben ihr, blickte - wie die Schönheit selbst - gerade so aus dem Graben heraus. Das tat auch Hugh, der den beiden Frauen und sich den Countdown vorgab. Der nächste Kletterversuch des muskelübersäten Kultisten schien ernster zu werden. Und viel mehr Material dürften die Menschen oben nicht haben, um ihn und später seine Kollegen daran zu hindern, ihren Rückzugsort zu erreichen. Für sie war das Eingreifen der drei aus Sheng's Hope wohl notwendig.
"Eins...."
Der Gewehrkolben ruhte hinter ihrer Schulter, während ein Teil der Waffe auf dieser lag. Noch immer war sie nicht frei von Angst, den Rückstoß betreffend. Doch sie musste das vergessen. Eine verletzte Schulter war schlecht. Aber nicht so schlecht wie ein verrissener Schuss, der ihr, dem Anführer oder der Taucherin das Leben kosten könnte, würden die Kultisten zu nah kommen und zu viel für Evi sein. Sie vertraute in ihre Freundin, wie sie auch der Zielsicherheit des Führenden vertraute. Doch sie mussten allesamt fokussiert sein, um ihre Feinde auszuschalten. Denn sie vertrugen sicher mehr als einen Schuss.
"Los!"
Innerhalb von nicht messbaren Zeiteinheiten pumpte sich das Adrenalin durch ihren schlanken Körper, in dem sich jeder kaum ausgeprägte Muskel anspannte, um das Gewehr ja gerade zu halten. Irgendwie gelang es ihr. Sie konnte dabei zusehen, wie Fetzen des schwarzen Stoffes, die die Robe ihres Gegners darstellten, flogen und das abgefeuerte Projektil aus dem Jagdgewehr sich in seinen massigen Körper bohrte. Ein zweites Projektil folgte, dem ersten zielsicher hinterher jagend. Es stammte nicht von Eryn, sondern von ihrem Anführer. Der Leib am Drahtseil stürzte wieder hinab, dieses Mal schwer getroffen liegen bleibend.
Trotz weiteren, ihre Ziele nicht verfehlenden, Schüssen kamen zumindest zwei der Gestalten näher, hatten die Initiatoren des Überraschungsangriffs nun bemerkt und stapften durch den Patronenhagel zweier Waffen weiter auf sie zu, in einem zunehmenden Tempo, das die Entschlossenheit verriet, die man aufgrund der schrägen Masken in ihren Gesichtern nicht hat erkennen können. Eryn spürte, wie Evi sich neben ihr bereit machte, aus dem Graben zu springen, um sich den geschwächten Hünen entgegen zu werfen. Sie wehrten sich noch. Der Flammenwerfer hat eindeutig das effektivere Kriegsinstrument dargestellt, doch je mehr Schüsse ihre mutierten Körper einsteckten, desto eher sackten sie ein.
Es war stickig. Der Staub von den Straßen wirbelte auf, je näher sie kamen, erschwerte das Zielen. Die Lautstärke der Schüsse sorgte kurzfristig für ein leises, schrilles Dröhnen im Ohr der Irin. Es fühlte sich dreckig an, eine Schützin im Grabenkampf zu sein. Doch sie war dennoch froh, den Schutz dieser natürlichen Mulde nicht verlassen zu müssen, wollte nicht mit der Krokodilfrau tauschen...