Spielt ein Spieler am liebsten Figuren, die ihm möglichst nahe kommen?
In MMOs erstelle ich mich manchmal selbst, sofern der Editor das zulässt. Einfach weils geht und weils keinen Unterschied macht. Und manchmal ist es auch ein bischen lustig.
In Spielen mit festen Charakteren hätte ich im Falle einer Präferenz für Figuren wie mich selbst wohl ein Problem mit vielen Spielen. Gerade in Rollenspielen mit Party bin ich ja auch keine Person, ich schaue ihnen nur dabei zu, und ich guck ja auch nicht bevorzugt Serien und Filme mit Figuren, die sind wie ich. Selbst wenn es davon viel gäbe, wäre ja irgendwie langweilig.
Langweilig finde ich aber auch "so lala"-Figuren, die konturlos Identifikationsfläche bieten sollen. Der schüchterne nette Junge aus Anime und Japanospielen am Arsch, und seine liebreizend dumme Sandkastenfreundin gleich mit. Wenn ich ein verklemmter japanischer Schuljunge wäre, dann vielleicht, bin ich aber nicht.
Ich spiele und sehe am liebsten Figuren, die ein paar Ecken und Kanten haben.
Warum entscheidet sich ein Entwickler für eine ich nenn sie mal Standardfigur?
Ich kann dir sagen, wann ich Weiße und Farbige wähle. Menschen in sonnigen Gegenden bilden mehr Pigmente. Spielt mein Spiel in einem Fantasyabklatsch Schottlands des 11. Jahrhunderts, sieht man dort halt selten mal einen Farbigen. In einer Fantasiewelt kann man das natürlich abwandeln, oder man erfindet Sachen wie "Menschen die im verzauberten Wald wohnen entwickeln Elfenohren" , aber im Grunde ist die Wahl der Hautfarbe ungefähr so politisch, wie wenn man festlegt, dass die Menschen in Fantasyschottland Kühe züchten anstatt Kamele.
Passend dazu: Ist es grundsätzlich verwerflich, eine bestimmte Art Spielfigur lieber zu mögen als eine andere?
Wäre ich eine Person den öffentlichen Lebens mit einer Karriere, die von meinem guten Ruf abhinge, würde ich mir wohl Gedanken machen, welche Präferenzen ich öffentlich ausspreche. Diese Sorge habe ich aber nicht. Ich hasse Elfen.GasSpass beiseite.
Welche Konsequenzen hätte eine von der Norm abweichende Spielfigur auf die Meinung der Spieler?
Wir wissen, dass sich wirtschaftlich gesehen, Spiele mit weissen Männern besser verkaufen, genau wie sich Nutella besser verkauft als ein theoretisches Konkurrenzprodukt, dass lila aussieht und genau so schmeckt.
Weils nette Langweiler in einem Niceguy-wins-Plot sind? Wenn ich den typischen "meine Familie wurde getötet, ich will Rache, aber kein Ding, ich such kurz deine Katze"-Kerl zu einem Schwarzen mache, wird das auch nicht besser.Zitat
An den Spielen, die ich gut fand, sehe ich, dass für mich nicht unbedingt ungewöhnliche Figuren existieren müssen. Ich wünsche mir aber eine Entwicklung. Für den 0815-RPG Protagonisten lässt sich der Plot so zusammenfassen: "Spass ist vorbei, werd erwachsen". Wenn das der Plot ist, dann möchte ich aber auch eine Entwicklung sehen. Man schickt einen Jugendlichen durch hunderte Kämpfe auf eine Reise um die Welt durch die größten Gefahren und Mysterien und am Ende ist er immer noch schüchtern und nett und sich nicht ganz sicher, was er nun tun möchte? An "Im Reich des Himmseldrachen" fand ich z.B. richtig gut, wie der Protagonist an seinen Herausforderungen wächst und als Nebeneffekt auch ein Stück härter und kälter wird. Eine schöne Moral ist "lege deine kindliche Naivität ab und entwickle die Bereitschaft alte Freunde und Familie zu töten, sofern notwendig" nun beileibe nicht, ich glaube es eher als dass jemand, der wahrscheinlich weint weil er in der Schule gemobbt wird sich durch Monate Krieg und Verderben kaum verändert.
Ich meinen eigenen Designs sind Figuren nicht als Zustand angelegt, sondern als Entwicklung. Figuren, für die ich keine mehrstufige persönliche Entwicklung habe, würde ich als Protagonisten gar nicht erst verwenden.