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Deus
Thriller und Film Noir
Hafen im Nebel /Le quai des brumes (1938)

Langweilig. Ein Deserteur vom Militär kommt in eine neblige französische Hafenstadt. Klingt nach dem Beginn eines schlechten Witzes. Film-noir-Style mit ab und zu recht atmosphärischen Umgebungen und einem netten musikalischen Titelthema, aber das ist auch schon alles. Das Beziehungsgeflecht der Figuren mag für einige vielleicht halbwegs interessant sein, aber für mich war das, wie übrigens auch die ganze sonstige Handlung in der kaum etwas passiert, zum Wegpennen
Die Charaktere haben mich nicht gepackt, fand sie belanglos und unsympathisch. Das Ende war typisch und voll doof. Erwarte bei so einem Film ja kein Happy End, aber etwas weniger einfach hätten es sich die Verantwortlichen schon machen dürfen... Eine deutsche Blu-ray ist erhältlich. 5/10
Im Schatten des Zweifels /Shadow of a Doubt (1943)

Nennt mich Banause, aber ich glaube ich hatte zuvor noch nie einen Hitchcock-Film ganz gesehen, zumindest nicht bewusst. Zwei oder drei seiner am meisten gefeierten Werke wollte ich vielleicht schon noch irgendwann nachholen, aber meine Bildungslücke in diesem Bereich kam hauptsächlich dadurch zustande, dass mich seine Geschichten, Themen und die ganze Machart nie wirklich gekümmert hat. Eher im Gegenteil. Mit Shadow of a Doubt wollte ichs noch einmal versuchen, aber das hat mich nur in den erwähnten Zweifeln bestärkt. Manchmal glaube ich, dass Hitchcock zwar eine Menge von Erzählkunst und den Bedürfnissen des Publikums verstand, aber im Grunde dennoch ziemlich overhyped war und ist. Wobei zu seiner Verteidigung in diesem Fall anzumerken ist, dass der vorliegende Streifen noch vergleichsweise früh in seiner Karriere produziert wurde.
Die Handlung dreht sich um eine junge Frau, die herausfindet, dass ihr Onkel, der gerade zu Besuch vorbeischaut, möglicherweise nicht der Mann ist, der er zu sein scheint. Zwar kann man sich als Zuschauer selbst in die Lage versetzen, aber irgendwelche überraschenden Enthüllungen oder spannende Wendungen waren nicht vorhanden. Auch hier kann ich nicht sagen, dass mich die Charaktere sonderlich mitgerissen hätten. Das ist grundsätzlich ein Knackpunkt bei Thrillern für mich: Ich kann keine Angst um die Protagonisten haben, wenn sie mir prinzipiell egal sind. Diese Art von Film funktioniert soweit es mich betrifft nur dann, wenn zunächst und zwischendurch erfolgreich Spielzeit darauf verwendet worden ist, mir die zentralen Point-of-view-Akteure (und nur die) näher zu bringen. Das war hierbei imho leider nicht der Fall. Habe schnell die Lust daran verloren, aber immerhin ist Shadow of a Doubt handwerklich gut gemacht. 6/10
Die Wendeltreppe /The Spiral Staircase (1946)

Psychothriller. Im Jahre 1916 hat es ein geheimnisvoller Serienkiller auf Frauen mit besonderen Gebrechen und Leiden abgesehen. In einer Nacht während eines heftigen Sturmes fühlt sich Helen, die durch ein Trauma nicht mehr sprechen kann, plötzlich bedroht. Die Idee ist gut. Set-Design toll, die Atmosphäre stimmt (stürmische Nächte sind immer gerne gesehen ^^) und einige der Figuren sind interessant, wobei es zu viele von denen gibt. Ein paar weniger aber besser ausgearbeitete wären von Vorteil gewesen, denn man verliert wenn man nicht höllisch gut aufpasst leicht den Überblick, wer wer ist und wie jeder zu den übrigen steht. Für dieses Story-Konzept war der Film meiner Ansicht nach jedoch einfach nicht spannend genug: Da soll ein Mörder ganz in der Nähe sein, man fragt sich wer dahinter stecken könnte und man bangt um Helen in dem großen Haus. Aber dafür gibt es ewig lange keine einzige Szene, in der es mal wirklich brenzlig wäre. Ging zu sehr Richtung Kammerspiel für meinen Geschmack - viel Gelaber aber wenig Handlung oder Abwechslung.
Außerdem ein bisschen vorhersehbar, wenn der auf den ersten Blick unsympathischste und zur Einblendung des Auges passende Typ der Täter ist. Man hätte das Rätsel stärker ausbauen können, die Figuren wurden von Anfang an nicht vernünftig vorgestellt. Auch dass Helen am Ende ihre Stimme wiederfindet war sowas von klar. Spannend und intensiv sind eigentlich nur die letzten 15 Minuten, dafür hat sichs ehrlich gesagt kaum gelohnt. Der Film ist wohl einfach nicht optimal gealtert, aber so scheint es mit vielen damaligen Schockern zu sein. Was Leute erschreckt, ändert sich mit der Zeit. Nicht schlecht insgesamt, aber das geht besser. 6/10
Der dritte Mann /The Third Man (1949)

Erwähnte ich schon, dass das echt nicht mein Genre ist? In den 40ern gab es scheinbar nix anderes als Film noir. Tausendmal schlimmer als die Flut von Superheldenfilmen heutzutage. Frage mich, ob die Studios durch den Krieg vollkommen phantasielos geworden sind. Hätte erwartet, dass gerade da und in den Folgejahren Eskapismus gefragt wäre, aber stattdessen nur diese ätzenden Detektiv-Kriminalgeschichten >_> Der dritte Mann wurde super gut bewertet, also probierte ich es trotzdem. Handelt von einem Groschenroman-Autor, der ins Nachkriegs-Wien reist, wo er unverhofft Nachforschungen zu dem mysteriösen Todesfall eines alten Freundes anstellt.
Das desinteressierte aber vage heitere Geklimper als Musik nervte mich schon nach kurzer Zeit, geht aber durchgängig so. Beißt sich völlig mit der Spannung und dem Drama, das aufkommen könnte. Die ständigen Dutch-Angle-Kameraperspektiven waren auch etwas dick aufgetragen. Bin ich grundsätzlich kein großer Fan von (unangenehme Erinnerungen an JJ Abrams werden wach). Bei dieser Art von Film passt es ja zumindest normalerweise noch einigermaßen, aber hier war gefühlt jede zweite Einstellung "schräg". Mal wieder nette Grundidee und ein paar sehr schicke Gestaltungen was die Kulissen angeht, aber ansonsten lahm. Von dem zentralen Mysterium hatte ich mir auch einen größeren Aha-Effekt erhofft. Die Geschichte ist im Grunde unheimlich simpel und zieht sich im letzten Drittel erheblich. Gibt so gut wie keine Action, so gut wie keine Suspense oder Nervenkitzel, und das bisschen Drama was da war konnte mich nicht packen weil mir die Figuren (ähnlich wie weiter oben) am Arsch vorbei gingen.
Apropos: Lauter zwielichtige Charaktere und (vielleicht bis auf den Polizeichef-Dingens-Typen) niemand dabei, den ich halbwegs sympathisch gefunden hätte. Erst recht nicht den latent anmaßend-überheblichen Protagonisten, gespielt von Joseph Cotten. An vielen Stellen zeigen die Figuren echt irrationales und unlogisches Verhalten, was mich genervt hat. Zum Beispiel: Wenn die Polizei sagt, dass mein bester Freund in schlimmere kriminelle Aktivitäten verwickelt war, dann würd ich bei den Leuten jeweils doch mal nachfragen, was das angeblich sein soll, was man ihm vorwirft, selbst wenn ich es nicht glaube. Einerseits tut der Hauptcharakter so, als sei sein Freund total wichtig, andererseits lebt er in seiner eigenen kleinen Welt. Erschien mir unglaubwürdig. 6/10
Boulevard der Dämmerung /Sunset Boulevard (1950)

Drehbuchautor in Nöten wird von einem alten und verblassten Stummfilmstar engagiert, ihr Skript zu überarbeiten und gerät auf diese Weise in eine seltsame, ungesunde Beziehung hinein. Naja, von so einem berühmten und filmisch oft zitierten Klassiker hatte ich dann doch ein wenig mehr erwartet. Der Anfang war noch ganz interessant, aber ich hätte mir gewünscht, dass mehr dahinter gesteckt hätte, zum Beispiel durch ein paar verblüffenden Enthüllungen. Eigentlich eine total banale Geschichte. Auch mag ich es nicht sonderlich, wenn Hollywood sich in Filmen selbst beweihräuchert, und das war hier sowas von der Fall. Inklusive Paramount-Schleichwerbung und DeMille, der sich selbst spielt! Keine Ahnung... Wenn ich mir vorstelle, heute würde in einem fiktionalen Drama jemand wie Steven Spielberg als Steven Spielberg auftauchen, in einer kleinen Nebenrolle, aber wohlgemerkt doch weit mehr als ein Cameo, dann fühlte sich das irgendwie nicht gut oder passend an und würde mich aus dem Geschehen herausreißen. Immerhin wird Norma Desmond von Gloria Swanson gespielt, und die war wirklich mal ein Stummfilm-Star, was der Figur irgendwie automatisch sofort mehr Tiefe und Glaubwürdigkeit gibt.
Technisch bzw. stilistisch gesehen verwendet Sunset Boulevard viele Aspekte eines Film noir, was ich ja meist grundsätzlich nicht besonders mag (zumindest solange es nicht mit weitaus massenwirksameren Genres vermischt wurde). Aber hey, wenigstens mal wieder eine Bildungslücke geschlossen. Fand es beim Schauen faszinierend, wie oft ich Elemente daraus bereits aus diversen Cartoon-Parodien kannte, unter anderem gleich zwei Folgen von American Dad arbeiten damit. Jetzt weiß ich endlich, woher all das stammte und werde in Zukunft entsprechende Anspielungen verstehen ^^ 6/10
Die Nacht des Jägers /The Night of the Hunter (1955)

Ein fanatisch religiöser Mörder gibt sich als Priester aus und heiratet eine naive Witwe, deren Kinder ihm nicht sagen wollen, wo ihr hingerichteter Vater die 10.000 Dollar versteckt hat, welche dieser in einem Raub erbeutete und vor der Festnahme seinem Nachwuchs anvertraute. Davon hat der irre Fanatiker nämlich im Gefängnis Wind bekommen, wo er sich die Zelle mit dem Vater der Kinder teilte. Oha. Schon was Cast & Crew angeht, hat mich der Film überrascht. Ich wusste gar nicht, dass der Darsteller Charles Laughton zur Abwechslung auch mal Regie führte, und das sogar äußerst kompetent. Zudem spielt Lillian Gish mit, die ich hier schon mehrfach erwähnt haben müsste, diesmal jedoch so ziemlich als das Gegenteil ihrer Stummfilmrollen aus jungen Jahren. War sie damals meist das zart-zerbrechliche Ding, tritt sie hier im Alter von 62 als knallharte Pflegemutter auf, die das Böse durchschaut und ihre Kids mit Gewehr im Anschlag tatkräftig verteidigt
Erfrischend.
Das Highlight an dem Film ist der psychopathische Schurke. Ein faszinierender, fundamental übler, kompromissloser und verkorkster Charakter, der seine Rolle perfide zu seinem Vorteil auszuspielen weiß (fast jeder vertraut dem vermeintlichen Geistlichen blind und er hat immer eine passende Ausrede oder Erklärung parat) und der vor nichts Halt macht, um sein Ziel zu erreichen. Auf die eine Faust hat er "LOVE", auf die andere "HATE" tätowiert und erzählt dazu stets eine bescheuerte Anekdote (frage mich, ob Night of the Hunter bzw. die dazugehörige Literaturvorlage der Ursprung jenes Tropes ist, denn ich meine, etwas Vergleichbares schon oft anderswo gesehen zu haben, obwohl mir gerade keine Beispiele einfallen). Bedrohliches Leben wird ihm allerdings gerade auch durch die Art der Darstellung eingehaucht: Perfektes Spiel mit filmischen Andeutungen. Immer wieder sieht man zunächst nur seinen charakteristischen Schatten mit Hut, oder sein Kommen kündigt sich durch ein Lied an, das er trällert.
Problematisch sehe ich andererseits die beiden jungen Hauptfiguren. Gute Kinderdarsteller sind eine Seltenheit und in diesem Fall wurde leider kein Glückstreffer gelandet. Der Junge der John spielt scheint von Anfang bis Ende exakt einen einzigen Gesichtsausdruck unverändert beizubehalten. Die kleine Pearl ist zwar aus Storygründen so jung (sie musste beeinflussbarer als John sein und ihre Puppe ist als Geld-Versteck von Bedeutung), aber solcherlei Charaktere sind fast immer unheimlich nervig. Hätte beide lieber ein paar wenige Jahre älter gemacht und dafür vernünftige Schauspieler engagiert. Als Herzstück der Geschichte waren sie nicht sehr überzeugend. Wenn abgesehen von Gish als in der Handlung erst spät auftauchende Retterin schon die ganzen erwachsenen Nebenfiguren so blind und dumm oder fies und verantwortungslos sind, wäre es sinnvoll gewesen, dies mit den Kindern in akuter Gefahr als liebenswert, clever und lebhaft zu kontrastieren. Der Film wirkt durch das Fehlen eines solchen Ausgleichs bisweilen unnötig trist und einseitig. Trotzdem sehenswert, schon alleine dadurch, wie unvorhersehbar die Handlung an einigen Stellen war. 7/10
Die drei Tage des Condor /Three Days of the Condor (1975)

Ein lebensfern-lesewütiger CIA Rechercheur findet eines Tages alle seine Kollegen ermordet vor und muss die wahren Verantwortlichen, die nun offenbar auch ihn um jeden Preis loswerden wollen, so lange überlisten, bis er herausgefunden hat, wem er wirklich trauen kann. Stecken seine Vorgesetzten in der Sache mit drin? Sehr guter Polit-/Agententhriller mit Robert Redford in der Hauptrolle. Ein echter Klassiker und ich behaupte, auch einer der besten Streifen dieser Art, was unter anderem an der Glaubwürdigkeit liegt. Es muss eben nicht immer over-the-top Actionspektakel wie bei James Bond oder Mission Impossible sein. In Die drei Tage des Condor versucht man sich eher in die Hauptfigur zu versetzen, grübelt selbst nach, wem man vertrauen oder wie man sich in so einer Situation verhalten würde.
Gibt mehrere schön spannende Szenen und tolle, einprägsame Charaktere in einem wendungsreichen Plot mit interessanter Hintergrundgeschichte. Gerade für die 70er, wo sonst meiner Meinung nach im Kino leider nicht viel ging, alles andere als übel. Was die angesprochenen Themen angeht geradezu prophetisch und teilweise aktueller denn je. Einziger Makel: Die Trends jener Ära spiegeln sich manchmal unschön im Soundtrack wider. Die bekloppten Diskoklänge, die hier glücklicherweise nur ab und zu auftauchen, passen überhaupt gar nicht zur paranoid-bedrückenden Stimmung und dichten Atmosphäre der Geschichte. Was soll's. Der Film spielt gekonnt mit den Tropes des Genres und bietet auch ein paar kleine Überraschungen. Empfehlung für alle, die den noch nicht kennen. Hatte ihn zuletzt vor bestimmt über zehn Jahren gesehen und nur noch schwammige aber positive Erinnerungen daran. Hat sich gelohnt, die mal wieder aufzufrischen. Blu-ray gibts zu kaufen, außerdem ist der Film derzeit noch für Amazon Prime Mitglieder abrufbar. 8/10
Geändert von Enkidu (08.09.2018 um 22:11 Uhr)
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