Nein, das wollte ich damit auch gar nicht zum Ausdruck bringen. Natürlich ist es nur mein subjektives Empfinden, ob ein Plottwist gut oder schlecht ist, das habe ich, glaube ich, auch irgendwo geschrieben. Ich wollte keinesfalls andeuten, dass man einen Twist besser weglassen sollte, weil er schlecht sein könnte, das wäre in der Tat eher kontraproduktiv. Was ich meinte, ist, dass man nicht nach allen Regeln der Kunst versuchen sollte, zwanghaft einen Plottwist in seine Geschichte zu quetschen, nur, damit man einen drin hat.
Ich meinte das natürlich auf mich persönlich bezogen - beim Konsumieren einer Geschichte habe ich lieber keinen Plottwist als einen, den ich als schlecht erachte. Das andere den wieder gut finden könnten, ist klar, ich wollte nur aufzeigen, dass ein Twist keine Notwendigkeit ist.
Und ich denke, wir beide haben den Begriff einfach unterschiedlich definiert. Du stellst dir darunter Grundelemente des generellen Spannungsbogens vor, während ich bei dem Begriff eher an aha-Effekte gedacht habe, an Begebenheiten in der Story, die plötzlich alles umkehren, dich die Story mit anderen Augen sehen lassen, bestenfalls dafür sorgen, dass man die Geschichte beim nochmaligen Konsumieren ganz anders betrachtet.
Zumindest habe ich den Begriff Plottwist immer nur so verstanden und verwendet, ob das jetzt nur eine spezifische Bedeutung des Begriffs ist, weiß ich nicht.
Ich gebe dir natürlich Recht darin, dass ein Spannungsbogen unabdingbar ist, vertrete aber die Ansicht, dass sich ein solcher beim Entwickeln einer ernstzunehmenden Geschichte ganz automatisch einstellt. Auch wenn ich Kelvens Meinung im Allgemeinen teile, denke ich trotzdem, dass es auch objektiv schlechte Geschichten gibt.
Ich denke auch, es ist ein suboptimaler Weg, an das Schreiben einer Story insofern heranzugehen, als dass man dasitzt und sich überlegt: "Ich brauche Charakterentwicklung, ich brauche jetzt einen Spannungsbogen." Wie gesagt, ich denke, das sind Dinge, die zumindest im Groben von alleine kommen, wenn man ein gewisses Maß an Menschenkenntnis hat. Dinge passieren, Menschen reagieren darauf, weitere Dinge passieren. Natürlich muss man in der Feinmotorik dann schauen, inwiefern das alles zusammenpasst und wirkt.
Was ich sagen möchte: Spannungsbögen, und auch das Protagonisten-/Antagonistenkonzept, findet man eigentlich in jeder ernstzunehmenden Geschichte. Das sind Grundpfeiler, die ich deswegen nicht als Handwerkszeug beschreiben möchte, weil sie obligatorisch sind, weil sie meistens einfach da sind, ohne dass über sie explizit nachgedacht werden musste. Dass die Umsetzung und die Wirkung dieser Umsetzung wieder rein subjektiv ist, darüber sind wir uns ja, denke ich, einig.
Meine Meinung gründe ich übrigens auf Selbstbeobachtung, mag sein, dass ich da zu sehr von mir auf andere schließe, aber ich werkele seit Jahren mit einer Freundin an einer Geschichte umher und habe nie darüber nachgedacht, dass ich Spannungsbögen und Charakterentwicklung brauche. Dennoch ist beides vorhanden und wenn ich über die beiden Dinge nachdenke, dann nur insofern, dass sie einfach da sind, dass mir die Charackterentwicklung dieses Charakters und der Spannungsbogen im Allgemeinen sehr gefällt, ohne dass ich jemals explizit daran gewerkelt hätte. Ich habe mittlerweile eigene Maßstäbe entwickelt, wie ich die Geschichte möchte, eigenes Handwerkszeug quasi, meine Vorstellung eines guten Storytellings, und in kleinem Maßstab denke ich auch darüber nach, wie diese oder jene Szene spannend wirken könnte, aber im großen Maßstab ist der Spannungsbogen von ganz allein gekommen.
Deswegen denke ich, dass Einfühlungsvermögen und ein Grundverständnis davon, wie Spannung funktioniert, ausreichen sollte, etwas zu erschaffen, was von irgendjemandem als gut, nachvollziehbar und spannend angesehen wird.