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Waldläufer
Skyrim, Fürstentum Reach, vor den Mauern Markarths
Der junge Bretone fluchte als er zu stolpern anfing und ihm die gesammelten Holzscheite aus den Armen purzelten. Sie schlugen mit einem dumpfen Geräusch auf der staubig lockeren Erde auf und stießen auch gegeneinander, wodurch sie noch weiter vom dem jungen Mann wegrollten.
Um ihn herum lachten einige der Männer und Frauen, während andere nur schwiegen. Doch alle verloren schnell wieder das Interesse und zogen kurz darauf weiter um ihre Erledigungen zu machen. Stephanus schüttelte kurz den Kopf, löste sich aus der sich erneut rührenden Menge und ging dann auf den Bretonen zu, der mit rotem Gesicht in die Knie gegangen war und hektisch versuchte, das verlorengegangene Holz wieder einzusammeln und so wenigstens einen Teil seiner Würde zu erhalten. Es misslang ihm offenkundig, denn immer wieder fiel einer der Scheite nach Freiheit suchend zurück auf den Boden. Zu seinem Glück schien es jedem außer Stephanus egal geworden zu sein, was der Junge tat, denn niemand blickte auch nur in seine Richtung.
Stephanus kniete sich nun ebenfalls hin und half dem verschreckten und beschämt dreinblickenden Bretonen, welcher kurz vor dem Kaiserlichen zurückschreckte, ihm jedoch ein dankbares Nicken entgegenbrachte als er verstand, dass von Stephanus keine Gefahr für ihn ausging.
„Bringt man euch Leuten in Hochfels nicht bei wie man Feuerholz trägt?“
Der Bretone blickte nun wieder gekränkt drein und schwieg für einen Moment, in dem die beiden Männer stumm das Holz zusammentrugen.
„Es war der verfluchte Nord. Er hat mir ein Beinchen gestellt.“
Stephanus richtete sich auf, ebenso der Bretone, und er legte einen letzten Holzscheit auf den Stapel in den Armen des jungen Mannes.
„Du müsstest da ein wenig spezifischer werden, Junge,“ merkte der Kaiserliche an. „Die Kompanie ist voll mit Nords.“
„Ich habe keine Ahnung wie er heißt,“ antwortete der junge Mann zögerlich. „Der Nord, der sich das Wappen auf den Nacken tätowiert hat.“ Dabei deutete er mit dem Kopf auf einen Mast in ihrer nähe, an dem eine Flagge verspielt im Wind wehte. Sie zeigte einen sitzenden schwarzen Raben im Profil auf dunkelgelbem Grund. Dunkelgelb war auch die Farbe, die die Söldner als eine Art Uniform für die Verzierungen an ihren Rüstungen und Schildern und auch für ihre Kriegsbemalung verwendeten. Auch die meisten Bestandteile aus Stoff an ihren Rüstungen waren dunkelgelb gefärbt.
Stephanus wusste sofort von wem der Bretone sprach und musste erst nicht in seiner Erinnerung nach einem zur Beschreibung passenden Gesicht kramen.
„Ja, das müsste wohl Idolg von den Inseln sein.“ Stephanus hatte viele Mitglieder der Kompanie in seinem Kopf in eine Liste sortiert. Mit Ausnahme vom Bretonen vor ihm war jeder in ihr gefährlich, doch verrückte und unberechenbare Schweinehunde wie Idolg verdienten einen besonderen Platz ganz oben.
„Vergiss am besten, dass es passiert ist, Junge. Sprich ihn erst gar nicht darauf an, sonst hackt er dir in aller Öffentlichkeit den Kopf ab und benutzt ihn als Nachttopf.“
Der Bretone machte sich auf, das Feuerholz zur Sammelstelle in der Mitte des Söldnerlagers zu bringen, und Stephanus folgte ihm. Als der Bretone dies merkte, blieb er kurz stehen und wandte sich dem Kaiserlichen zu.
„Ich hatte nicht vor, ihn anzusprechen, oder mich auch nur in seine Nähe zu begeben. Ich danke Euch aber für die Warnung.“
Stephanus schüttelte leicht den Kopf als er den schwarzhaarigen Bretonen musterte, der nun wieder mit dem Rücken zu ihm weiterging. Einfache Kleidung, Staub und Schmutz von der beschwerlichen Reise, ein leichter Anflug von Bartstoppeln. Doch seine Bewegungsabläufe, seine Stimme und die Art, wie er seine Worte betonte verrieten eine adlige Herkunft. Sie hatten den Jungen aufgegabelt, als sie Evermor in Hochfells passierten. Ganz klar war er wild darauf gewesen, so schnell wie möglich von dort wegzukommen. Und es war sehr offensichtlich, dass er nicht die Art von Mensch war, die sich freiwillig einer kleinen Armee aus gekauften Kriegern anschloss. Außer wenn es sich um eine unbedingte Notwendigkeit handelte. Ein wenig erinnerte der Junge Stephanus an ihn selbst als er noch jünger war. Blind auf der Flucht vor seiner Vergangenheit, auf der Suche nach dem schnellsten Weg fort von Zuhause. Er schlussfolgerte das dies vielleicht der Grund war aus dem er dem Bretonen jetzt half.
Sie erreichten das Ziel des Bretonen und der junge Mann aus Evermor legte das Brennmaterial auf einem größeren Stapel ab, an dem ab und an ein anderes frisches Mitglied der Kompanie ankam und seinerseits Holz aufschichtete. Jeder Schritt wirbelte ein Stück lockere und trockene Erde auf, das in winzigen Partikeln wieder auf den festeren Grund hinab schwebte.
Stephanus klopfte dem jungen Mann nach getaner Arbeit beruhigend auf die Schulter.
„Ich gehe dann jetzt, Junge. Halt dich von Ärger fern.“
Der Bretone streckte stöhnend den Rücken und drehte sich danach Stephanus zu, der schon im Begriff war zu verschwinden.
„Vielen dank. Und nennt mich bitte nicht andauernd Junge. Ich habe einen Namen.“
Stephanus blieb stehen und wandte sich mit hochgezogenen Augenbrauen wieder dem anderen Mann zu.
„Ach? Und der wäre?“
„Delstian,“ stammelte der Bretone schnell und verlegen, fast als hätte er das Gefühl, er wäre vorhin bei seinem letzten Satz nicht demütig genug gewesen, und befürchtete jetzt vom Kaiserlichen eine Ohrfeige zu bekommen.
„Mein Name ist Delstian.“
Stephanus ging wieder einen Schritt auf ihn zu, was Delstian dazu brachte verängstigt ein wenig zurück zu zucken. Der Kaiserliche ärgerte sich leicht über sich selbst, denn das war keinesfalls seine Absicht gewesen.
„Nun gut, Delstian,“ sagte er nun in einem ratgeberischen Ton. „Pass auf dich auf, und starr niemanden an, und glotze erst recht niemandem direkt in die Augen. Dann solltest du die nächsten Tage ohne Prügel durchkommen.“ Danach ließ der Kaiserliche Delstian stehen und ging seines Weges.
Die Kompanie hatte eine einfache Rangordnung: Der Anführer hatte vier Leutnants, die ihrerseits zwei ihnen direkt untergestellte Offiziere hatten. Diese wiederum hatten einige Unteroffiziere unter ihrem Kommando, die für eine verschieden große Anzahl an Kämpfern zuständig waren. Diese Gruppen hatten während eines Marsches die Last ihres in Einzelteile zerlegten Zeltes unter sich aufgeteilt zu tragen, nicht unähnlich dem Verfahren, dass die kaiserlichen Legionen verwendeten. Und genau zu diesem Zelt war Stephanus jetzt unterwegs.
Es war ein schöner und nur leicht bewölkter Tag, selbst wenn der kühle Wind in den Hochlanden von Reach die wärme der Sonne effektiv verminderte und den Kaiserlichen bei besonders kalten Böen unter seinem Lederharnisch frösteln ließ und sich ihm immer wieder die Nackenhaare aufrichteten. In einiger Ferne konnte Stephanus die Mauern und Dächer der Stadt Markarth sehen. Sie war vor Jahrtausenden in das sie umgebende steile Gebirge gehauen worden, welches sich zu beiden Seiten der Stadt in die Ewigkeit erstreckte und sich zum Himmel hin seine Gipfel immer stärker in zunächst unbeständige, dann jedoch dichter werdende weiche Nebelschwaden hüllte. Stolze grüne Banner mit einem weißen stilisierten Bergziegenbockschädel darauf wehten über Türmen und änderten ihre Richtung mit dem Wind.
Würden einige der prächtigen goldenen Dächer nicht das Licht der Sonne reflektieren, gäbe es die Banner nicht und würde auch kein Rauch aus den Schornsteinen von Markath aufsteigen so könnte man fast glauben die Stadt sei ein Teil der hellgrauen Felsen. Markath hatte seinen Ruf als „Stadt des Steins“ verdient. Sie sah zeitlos und uralt aus, als hätte es sie schon lange vor ihren Erbauern gegeben. Als wäre sie vor Urzeiten einfach aus dem Berg heraus gewachsen und stumm ihren Platz auf Nirn eingefordert.
Der Wind drehte sich und trieb den gemischten Geruch und die Klänge der Zivilisation an Stephanus' Nase und Ohren heran: Nahrungsmittel, Duftstoffe, Abfall, schwitzende Menschen und Mer, laute Hammerschläge, das unverständliche Gemurmel tausender Münder und das bellenden von Hunden. Aber der Geruch von Markarth hatte etwas besonderes an sich. Das hölzerne Aroma verbrannter Kohle und der eigentümliche Duft von geschmolzenem Metall lag besonders schwer in der Luft, und beides hebte die Geruchspalette Markarths von der anderer Städte ab. In der Ferne rauschte zudem ein Fluss.
Stephanus ging über einen breiten Weg, der durch das Lager führte, auf das imposante Torhaus zu, auch wenn es noch weit weg lag. Doch sein Ziel befand sich einfach nur in der selben Richtung. Er kam an vielen Zelten verschiedener Machart und Farbe vorbei, und die Leute, die müßig, gleichgültig oder zielstrebig an ihm vorbeizogen, unterschieden sich ebenso stark voneinander wie ihre zeitweiligen Behausungen, auch wenn viele von ihnen dennoch eines gemeinsam hatten: Man konnte ihnen sofort ansehen, dass sie sich ihr Brot mit dem Schwert in der Hand verdienten und auch keine wirklich angenehmen Zeitgenossen waren. Viele von ihnen gehörten Rassen an, von denen man eine kriegerische Natur erwartete. Gerade jetzt ging eine Gruppe aus fünf Rothwardonen an Stephanus vorbei. Aber eigentlich war jede Rasse mindestens acht mal in der Kompanie vertreten, sei es bei den Nahkämpfern, den Bogenschützen oder den wenigen Kampfmagiern.
Die Mietklingen der Kompanie hatten ihr Lager in einigem Abstand von den steinernen Mauern der Stadt aufgeschlagen, denn außer den Quartiermeistern durfte keiner von ihnen die Hauptstadt des Fürstentums betreten. Die Stadtwache bestand darauf, dass sie ohne eine kleine randalierende Armee aus zwielichtigen Heuerlingen bereits genug Probleme in der Stadt hätte. Es stellte auch eine Sicherheitsmaßnahme gegenüber Krankheiten dar. Im Krieg fielen die Meisten nicht im Kampf oder fielen schlecht behandelten Verletzungen zum Opfer. Nein, den Großteil der Todesopfer des Krieges forderte die herzlose Pestilenz. Sobald eine Seuche einmal in einem Lager oder einer Stadt ausbrach war sie nur noch schwer wieder einzudämmen. Sie machte keinen Unterschied zwischen Bettlern und Königen, wie man sagte, auch wenn die Letzteren dank der modernen Alchemie mit genügend Gold in Wirklichkeit nicht viel zu befürchten hatten.
Seltsamerweise hatte Stephanus aber vor einigen Stunden einen Wachmann in Grün sagen hören, es gäbe keinerlei Probleme in Markath. Doch dass hatte er mit einem Achselzucken abgetan und keine weiteren Gedanken daran verschwendet. Was in der Stadt passierte ging ihn nichts an, denn das Söldnerheer würde nur einige Nächte vor der Stadt verbringen, um nach dem langen Marsch über die Bergpässe zwischen Skyrim und Hochfels wieder Energie zu tanken und Vorräte aufzustocken. Stephanus taten jetzt noch die Füße weh. Vielleicht konnten sie auch neue Rekruten anwerben. Ihr eigentliches Ziel aber war Hjaalmarsch, ein versumpftes und sagenumwobenes Gebiet im Nordwesten von Himmelsrand. Dort wollten sie mit ihrem neuen Arbeitgeber aufschließen: Ein Kaiserlicher Feldherr, der seine Ränge auf die Schnelle mit zusätzlichen bereits ausgebildeten Truppen verstärken wollte. Zuvor war die Kompanie in Hochfels aktiv gewesen. Die kleinen Königreiche der Provinz und die sie regierenden Adelsfamilien bekriegten sich am laufenden Band, vor allem in dieser Zeit der Instabilität, so dass es nie an Arbeit für Schwertarme und Bogenschützen gemangelt hatte. Ein kleinerer Teil des Söldnerheeres war auch in der Heimat der Bretonen geblieben um bestimmte vertragliche Voraussetzungen zu erfüllen, doch der Anführer der selbsternannten Militärunternehmer witterte das große Geld im frisch entflammten Bürgerkrieg der Nords. Bei dem besagten Anführer handelte es sich um einen Dunkelelfen namens Ganlydyn Menarven. Stephanus war ihm mehrere Male persönlich begegnet, doch er versuchte, diese Treffen so selten wie möglich zu halten. Wenn Menarven etwas von einem einfachen Fußsoldaten wollte, dann war das nie ein gutes Zeichen. Nach Außen hin wirkte der rotäugige Elf immer ruhig und freundlich, und er sprach auch immer in einer leisen Tonlage, so dass jeder Anwesende die Stimme senkte, um ihn reden zu hören. Aber nur Neulinge und Naivlinge fielen auf diese nur aus Tradition aufrecht erhaltene Illusion herein: Ganlydyn war rücksichtslos und blutrünstig. Stephanus konnte sich noch gut daran erinnern, was mit dem Vorgänger des jetzigen Zahlenmeisters der Kompanie geschehen war, auch wenn er dessen Namen über die Jahre hinweg vergessen hatte.
Ungefähr zwei Jahre nachdem Stephanus beigetreten war – damals befanden sie sich in Hammerfell - hatte Menarven über seine Offiziere jeden dazu auffordern lassen, sich in der Mitte ihres damaligen Lagers zu versammeln. Dort war auf die Schnelle ein kleines Podium aus Holz errichtet worden, zusammen mit einem Pranger. Ganlydyn Menarven zog höchstpersönlich den ehemaligen Schatz- und Zahlenmeister hinter sich durch die Menge hindurch und zwang den unter Todesangst stehenden Mann anschließend, sich selbst am Pranger festzumachen. Nachdem die klappe zufiel befestigte der Dunmer ein einfaches Schloss am Holzobjekt und für seinen armseligen Gefangenen gab es kein Entkommen mehr. Stephanus fiel auf, dass er sich nicht einmal daran erinnern konnte, welcher Rasse der Zahlenmeister angehört hatte. Er wusste nur noch, dass er ein Mensch gewesen war und sein Gesicht und sein nackter Oberkörper von blauen Flecken übersät worden waren, als ein Raunen durch die schroffe Menge ging und der Anführer der Heuerlinge seine Hand erhob, um Ruhe einzufordern. Das gesamte Lager verstummte sofort. Doch Menarven sagte nichts um die Stille auszufüllen. Stattdessen trat er seinem ehemaligen Angestellten in die Seite und legte dann mit einer schnellen Bewegung eine Hand auf dessen Mund, als dieser ihn aufschlug um einen Seufzer der Pein rauszulassen und verzweifelt die gewaltsam aus seinen Lungen entwichene Luft wieder einzufangen. Wenige Sekunden danach leuchtete es aus dem Inneren des Schatzmeisters, wobei sich seine Rippen dunkel abzeichneten und er wie eine morbide Laterne die abendliche Szenerie erleuchtete. Dann fing auch sein Äußeres an zu brennen. Die magisch verstärkten Flammen hatten den Mann innerhalb von einer Minute mitsamt Knochen vollkommen in Asche verwandelt, den Pranger und das Podium jedoch seltsamerweise von dem tödlichen Tanz ihrer feurigen Zungen verschont gelassen.
„Das passiert mit jenen, die denken, sie könnten der Kompanie ihr Geld stehlen und damit davon kommen.“
Ohne ein weiteres Wort verließ der Dunkelelf das Podium wieder, wobei er kein ein einziges Mal in die Menge sah, und ging dann mit erhobenem Haupt auf direktem Wege zu seinem Kommandozelt zurück. Jeder auf seinem Weg wich sofort vor ihm zurück und machte ihm Platz, als wäre er ein pestkranker Bettler. Jedoch war die Angst vor Ganlydyn auch heute noch viel größer und realer als die vor der Pest.
Stephanus zog sich selbst mit einer leichten Gänsehaut wieder aus der Erinnerung, denn er erreichte nun endlich sein Ziel. Nachdem er einige Male abgebogen war und sich geistesabwesend zwischen etlichen Zelten vorbei schlängelte kam er an der Zeltbaracke an, in der er heute Abend schlafen würde. Innen war es wärmer als draußen, sogar ein bisschen stickig. Die Sonne hatte das vor ungefähr fünf Stunden errichtete Zelt aufgewärmt und der stetige Wind, der durch die zerklüftete Bergregion wehte, hatte hier nicht besonders viel Einfluss. Die eng zusammenstehenden Baracken spendeten sich gegenseitig Windschatten, auch wenn durch die eine oder andere nicht geflickte Lücke im Stoff ein leises freches Pfeifen ertönte, sobald der Wind ein wenig an Geschwindigkeit zunahm. Stephanus zog hinter sich die als Tür dienende Klappe im Stoff zu und schnürte sie wieder fest an ihren Platz, selbst als der Wind leicht daran zerrte, als wolle er seine neu gefundene Geliebte nicht mehr loslassen. Auf der mit Stroh ausgelegten trockenen Erde lagen rund dreißig Bettrollen dicht an dicht. Jeder Meter Platz wurde effektiv genutzt. So gab es außer den einfachen Schlafstätten der Mietklingen und den kleinen Haufen ihrer transportablen Besitztümer nur einen einzigen Tisch und den an ihn ran geschobenen Stuhl in der Mitte des Zeltes, genau dort, wo ein dünner Baumstamm als einsame Säule für die Last des Daches aus Stoff und Seil diente.
Außer Stephanus waren noch zwei andere Personen im Zelt: Ein auf seinem Bett vor sich hin summender Rothwardon mit einer abgegriffenen Harfe in den Händen, und ein den Vorherigen finster anfunkelnder Ork, der ebenfalls in einiger Entfernung zum Harfenspieler auf seiner eigenen Bettrolle saß.
„Stephanus, sag dieser vermaledeiten Wüstenratte sie soll endlich die Klappe halten.“
„Ihr habt einfach keinen Geschmack für Musik, mein Freund Rognag,“ sagte der Rothwardone mit einem fachmännischen und bedauerlichen Tonfall in der Stimme und einem breiten Grinsen im Gesicht, bevor er sein Summen der Klangkulisse der Baracke wieder hinzufügte und sich knapp mit dem hin und wieder zögerlich hereinpfeifenden Wind messte.
Stephanus schüttelte nur leise lachend den Kopf und begab sich näher an den Orsimer heran, welcher leise in sich hinein fluchte und mit seinen gelben Augen immer noch mit Messern nach dem Rothwardonen warf.
„Wie geht’s dem Bein, Rognag?“ Der Kaiserliche ließ sich neben seinem Lagergenossen auf den Boden sinken.
Rognag gro-Golug war der Kompanie vor etwa fünf Jahren beigetreten. Auf den Tag genau war auch der Rothwardone Bodeado unter Vertrag genommen worden, und seit der ersten Stunde, in der sie in Stephanus' Einheit gelandet waren, stritten sich die beiden wie kleine Kinder. Bodeado trieb den Ork durch sein Harfenspiel, seine Sticheleien und sein konstantes Gerede immer wieder zur Weißglut. Rognag hingegen überschüttete den anderen des Nachts manchmal mit seinem Müll, „verlegte“ dessen Sachen oder verbrachte Stunden damit sich besonders kreative Flüche für seinen Mitstreiter aus Hammerfell einfallen zu lassen. Es war ein sehr merkwürdiges und auf jeden Außenstehenden wohl verwirrend wirkendes Verhältnis: Nur ein einziges Mal war es zu einer physikalischen Auseinandersetzung zwischen den beiden gekommen, nachdem sie nach einer gewonnenen Schlacht die ganze Nacht hindurch getrunken hatten und Beleidigungen zu Faustschlägen wurden. Beide hatten sich gegenseitig windelweich geprügelt und danach sofort zusammen weiter getrunken. Das war einige Wochen nach ihrer Rekrutierung gewesen, und seitdem verband die beiden Männer eine Art von verdrehter Freundschaft. Auch Stephanus sah die beiden als seine Freunde an. Die Freundschaft unter gekauften Schwertern hatte jedoch sehr oberflächliche Eigenschaften: Man half sich gegenseitig im Kampf und bei den täglichen Arbeiten im Lager. Man tauschte Geschichten aus , trank und scherzte miteinander. Manchmal kam es sogar dazu, dass eine ungeschriebene Regel unter Söldnern gebrochen wurde und man sich über die Vergangenheit vor der Kompanie ausfragte. Bis dahin und darüber hinaus ging es jedoch nur selten. Man würde für den anderen niemals sein eigenes Leben riskieren, wenn für einen selbst nichts dabei raussprang.
Rognag gro-Golug stöhnte leise als er sich schwerfällig vom Rothwardonen abwandte und seinen entnervten Blick nun auf Stephanus fixierte.
„Dem Bein geht es bestens. Mache mir nur sorgen, dass mir bald die Ohren anfangen zu bluten.“ Beim letzten Teil seines Satzes hob er gereizt die Stimme und nickte ruckartig in Richtung Bodeado, welcher dies mit einem dankbaren Nicken erwiderte, als wäre die Wut des Orks genau die Anerkennung die er brauchte. Der Ork selbst war im liegen groß, im Stehen sogar größer als ein wohlgenährter Durchschnittsnord und damit eine respekteinflößende Gestalt. Seine tiefschwarzen öligen Haare ließen einen großen Teil der Stirn offen und waren am Hinterkopf zu einem sehr kurzen Zopf zusammengebunden, so wie viele Orks ihre Haare arrangierten. Er war mittleren Alters, hatte olivgrüne Haut, ein typisch orkisches und rundes Gesicht und Zähne mit einem leichten Gelbstich. In ihrem Lager für die nächsten Paar Nächte hatte er seine imposante grün-braune Rüstung aus orkischem Stahl mit den dunkelgelben Verzierungen abgelegt und trug stattdessen einfache Kleidung aus brauner und grauer Wolle.
Bei ihrem letzten Kampf in Hochfels - sie waren von ihrem Arbeitgeber gegen den Söldnertrupp eines rivalisierenden Adligen losgeschickt worden - hatte ein Nord mit einem gigantischen Hammer aus Stahl und einer gigantischen Gier nach Blut Rognags Beinschiene eingedellt und sein Bein mit einem einzigen Schwung gebrochen. Der Ork hatte überlebt, und dank Medizin und der vergangenen Zeit konnte er ab der ungefähren Mitte ihrer Reise nach Himmelsrand wieder aufrecht auf zwei Beinen stehen und sich ohne Hilfe fortbewegen. Dass Orks an sich sehr zähe Schweinehunde sind hatte dabei sicher auch geholfen.
„Nun gut. Bodeado, wirf mir mal mein Geld zu.“
„Natürlich doch! Geh und kauf dir eine Flöte damit, dann könnte die Truppe als Musiker durch Tamriel ziehen, eine Spur aus gebrochenen Herzen und gebrochenen Schädeln hinter sich herziehend. Unser grüner Freund Rognag bekommt aber nur eine Trommel. Außer einer Triangel wäre alles andere viel zu kompliziert für ihn!“
Während der Ork irgendeine erzürnte Erwiderung stammelte, setzte sich der Rothwardone auf und tastete in einem naheliegenden Tornister nach dem gesuchten Säckchen mit Münzen. Nicht lange darauf drehte er sich wieder zum Kaiserlichen um und warf ihm die Septime zu.
Bodeado trug einen einfachen Lederharnisch und hatte dunkelbraune stoppelige Haare. Seine lebenslustigen Augen waren Haselnussbraun und ein spitzes Bärtchen zierte sein Kinn. Von sich selbst hatte er immer behauptet, dass er einst mal ein Pirat auf dem Abeceanischen Meer gewesen sei, doch glaubte ihm das niemand so wirklich. Jedes Mal, wenn er davon erzählte - und er erzählte sehr oft davon - kamen neue Details hinzu, und alte Details veränderten sich oder verschwanden völlig.
Stephanus fing den Geldbeutel in der Luft auf. Es war natürlich nicht sein ganzes Geld, denn die meisten seiner Septime existierten nur auf Papier. Die Kompanie hatte eine eigene kleine Bank, die einige Truhen in drei mit stabilen Käfigen versehenen Wagen umfasste. Die Kosten für Nahrung, Wasser und der Gleichen wurden vom Sold abgezogen, und der Rest nur stückweise und auf Nachfrage ausgezahlt. Einerseits konnte man sich seine Münzen so gut einteilen und vertrank oder verzockte nicht alles an einem Tag, andererseits war man finanziell plötzlich von der Kompanie abhängig. Je größer die Summe an abgehobenem Geld, desto mehr Fragen stellten der Schatzmeister und seine Gehilfen, und ohne guten Grund würde man seine Septime auf die Schnelle nicht bekommen. Das Gold wagte niemand zu stehlen, da die Geschichte des verbrannten Schatzmeisters immer noch die Runden machte und Ganlydyn an den wenigen, die es trotzdem versuchten, brutale Exempel statuierte: Ihnen wurden die Zunge und beide Hände entfernt, anschließend wurden sie im Lager vorgeführt und dann setzte man sie in der Wildnis aus.
Stephanus zählte schnell die Münzen durch - man konnte ja nie wissen - und steckte das Säckchen in eine seiner Gürteltaschen, während seine beiden Zeltgenossen wieder anfingen zu streiten. Mit einem Nicken verabschiedete er sich von ihnen, auch wenn sie es nicht wirklich bemerkten. Sie waren zu sehr mit sich selbst beschäftigt. Stephanus nahm es einfach so hin, und er konnte nicht anders als zu schmunzeln als er die Baracke wieder verließ und das letzte, das er von den beiden hörte war:
„Holla holde Herrin von Wegrast-“
„Halt endlich die Klappe!“
Einige Minuten später hatte Stephanus zielstrebig das halbe Lager durchmessen, als seine Suche nach einem bestimmten runden Zelt endete, dessen Dach aus Planen ein kreisförmiges Loch hatte aus dem ohne Pause Rauch aufstieg, der den Stoff um die Rundung herum bereits geschwärzt hatte. Diese vom Wind weggetragene und unförmige Säule aus dichtem Qualm war nicht nur schwarz oder grau. Ab und zu war sie auf kurioser Weise grün verfärbt, manchmal sogar violett bis pink. Es war das teilweise mobile Labor des Alchemisten und seiner Gehilfen. Der Kaiserliche betrat den breiten Eingang des Zeltes und wurde sofort von einer Wolke aus den verschiedensten Gerüchen begrüßt: In einem Moment wohlriechend rosig, im anderen Moment eine deftige Ladung an Gewürzen, dann wieder scharf und eigenartig unbeschreiblich. Und diesen an manchen Stellen besonders konzentrierten Dunst konnte man trotz des offenstehenden Ausgangs sogar sehen. Wie leicht durchsichtiger Nebel trieben aus den unterschiedlichsten komplizierten alchemistischen Apparaturen aufsteigende Schwaden durch das Innere der Behausung aus Stoff und trieben Stephanus je nach Konsistenz Tränen in die Augen, während sie zugleich auch das Licht im inneren des Zeltes dämpften. Er kämpfte sich durch die mit Gasen geschwängerte Luft bis zu einem mit Büchern zugepflasterten Tresen nicht weit von der offenen Pforte vor und nickte den dahinterstehenden Mann mit einem einzelnen kaum unterdrückten Huster zum Gruß an. Dieser nickte zurück und Lächelte sanft, während er damit begann seine majestätischen Schnurrhaare abzutasten und die vor alchemischen Gasen wimmelnde Luft tief und genussvoll einzuatmen. Der Alchemist – unverkennbar ein Khajiit – trug eine an den Rändern verzierte Robe aus tiefvioletter Seide. Eine dazugehörende Kapuze lag tief im Gesicht des Tiermenschen, so dass seine licht reflektierenden und bernsteinfarbenen Augen nur knapp darunter hervorlugten. Über den Händen trug er einfache an den Fingerspitzen leicht grünliche Handschuhe aus Leder, so dass sich sein braun, schwarz und weiß geschecktes Fell nur in seinem Gesicht entblößte. Während die Katze noch mehr von der trägen und unsauberen Luft um sie herum einsog begnügte sich Stephanus damit, diese in einem Versuch mit zweifelhaftem Ausgang von seinem Gesicht weg zu fächern. Dies quittierte der Khajiit mit einem belustigten Blick. Mit einem lauten und entzückten „Ahh!“ stieß der Alchemist schließlich die Luft wieder aus und schenkte dem Kaiserlichen nun seine vorerst ungeteilte Aufmerksamkeit. Stephanus konnte mit zusammengekniffenen Augen die Gehilfen des Khajiiten durch den Dunst hindurch im Zelt herumirren sehen, doch er schenkte den schemenhaften Bewegungen im Hintergrund kaum Beachtung.
„Was führt den Menschen in mein Reich der Kolben, Kalzineröfen und Retorten? Plagt ihn wieder die Schlaflosigkeit, ja?“
„Richtig. Ich brauche fünf Flaschen.“
Stephanus dankte den Neun, dass Bodeado nicht ihr Alchemist war. Er hätte, wie es eben seine Art war, nur geredet und geredet, während der Kater vor ihm sehr schnell zum Punkt kam. Der Kaiserliche wollte schnell wieder aus dem Zelt raus, denn das Gemisch aus bunten Dämpfen fing langsam an in seiner Nase und – was noch viel schlimmer war – in seinen Lungen zu brennen. Dem Alchemisten waren wohl schon alle Geruchsnerven vor Ewigkeiten weggeätzt, so dachte sich Stephanus.
„Kommt sofort. Legt schon das Geld hin. Fünfzig Septime.“
Ohne weitere Umschweife verzog sich der Khajiit in die Tiefen des künstlichen Nebels. Als eine Art Luxusartikel mussten Stephanus' Nachtschlaftränke separat bezahlt werden, und der Kaiserliche leerte den Beutelinhalt ohne noch einmal die Münzen zu zählen auf eine freie Stelle auf dem Tresen. Er kaufte immer die gleiche Menge, und der Preis veränderte sich nicht, so dass er immer genau wusste, wie viele Septime er bei seinen Besuchen dabei haben musste. Im ersten Moment würde man bei den Preis, den Stephanus jedes mal aufs Neue zahlen musste an Wucher denken. Aber fünf Flaschen reichten durchaus für eineinhalb bis zwei Monate aus. Genug für lange Märsche ohne besondere Zwischenstopps, mit Ausnahme der Nachtruhe. Warum der Preis gleich blieb wusste Stephanus nicht zu beantworten. Wenn es um den Handel ging kannte er außer einigen Tricks beim gelegentlichen Feilschen eigentlich gar nichts. Der Alchemist könnte die Preise diktiert bekommen, oder er wollte von sich aus seinen Kunden entgegen kommen, was der Kaiserliche allerdings anzweifelte. Der Khajiit setzte immer eine freundliche Miene auf und erhob seine Stimme nur selten zum Fluchen oder zum Schreien, was aber eher eine Fassade war.
Der Alchemist, dessen Namen Stephanus selbst über all die Jahre hinweg nie erfahren hatte, verteilte nun geschickt fünf mittelgroße Flaschen auf der hölzernen Auflagefläche und auf den Einbänden der achtlos darauf gestapelten Bücher.
„So. Die Zahl der Münzen stimmt. Der Mensch weiß, wie man dosiert. Habt noch einen schönen Tag in der Sonne,“ beendete der Khajiit die Transaktion und verabschiedete sich auch damit.
Stephanus erwiderte dies mit einem von einem Grunzen begleiteten Nicken, verstaute die röhrenförmigen Glasbehälter und machte sich daraufhin mit fast schon zugekniffenen und tränenden Augen fluchtartig zum Ausgang auf, bei jedem Schritt damit beschäftigt zu husten und ein Würgen zu unterdrücken. Seine letzte Mahlzeit wollte er noch drinnen behalten, aber sie schien nicht einer Meinung mit ihm zu sein.
Er dankte still den Neun als er schlussendlich aus der Öffnung stolperte und den in der Luft gelösten Chemikalien entkam. Seine selbst unter den Augenlidern brennenden Augäpfel mussten sich erst wieder an das Tageslicht gewöhnen, aber die saubere Luft sog er mit einigem Abstand vom Alchemistenzelt mit den Händen auf die Knie gestützt gierig und tief ein. Ob ihn jemand so sah war ihm im Moment egal. Seine Gedanken klärten sich wieder, als sein Hirn wieder an kostbaren Sauerstoff kam. Die Gase waren ihm wortwörtlich zum Kopf gestiegen.
„Das wäre schonmal überstanden,“ sagte er zu niemandem besonders als er sich wieder aufrichtete und sich daraufhin schon wieder auf den Weg machte. Im Lager gab es bestimmt noch Arbeit zu verrichten. Und wenn er keine Arbeit fand, konnte er immer noch an Übungskämpfen teilnehmen.
Geändert von Kampfkatze2 (04.06.2014 um 00:04 Uhr)
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